Profilbild von SusanD

SusanD

Lesejury Profi
offline

SusanD ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit SusanD über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 28.07.2024

Außergwöhnlicher Schweden-Thriller, 2. Teil

Signum
0

Kim Ribbing hat seinen früheren Peiniger, den Psychiater Martin Rudberg, entführt um zu verstehen, warum dieser, angeblich aus Forschungsgründen, Kinder und Jugendliche foltert. Seine Freundin Julia Malmros ...

Kim Ribbing hat seinen früheren Peiniger, den Psychiater Martin Rudberg, entführt um zu verstehen, warum dieser, angeblich aus Forschungsgründen, Kinder und Jugendliche foltert. Seine Freundin Julia Malmros recherchiert unterdessen im rechten Milieu und legt sich dadurch mit mächtigen Gegnern an. Doch die Dinge laufen aus dem Ruder und die Situation erscheint ausweglos…

Der schwedische Schriftsteller John Ajvide Lindqvist legt nach „Refugium“ nun mit „Signum“ den zweiten Band seiner großen „Stormland“-Reihe vor, auch als „Mittsommer-Trilogie“ bekannt. In diesem Fall kann ich nur dazu raten, die Bücher in der erschienenen Reihenfolge zu lesen, da sich Handlung und Charakter immer weiter aufbauen und es eine Menge an Bezügen untereinander gibt.

Lindqvist wurde weltwelt bekannt durch seine Bücher aus dem Bereich der Horror-Literatur, und so verwundert es auch nicht, dass seine Figuren unheimlich sind und die Handlung einiges an Brutalitäten aufweist, die nichts für zartbeseitete Leser sind.

Das Setting von „Signum“ liegt in Stockholm, wo der Autor zeitlebens zuhause war, und es finden sich zahlreiche Ortsnamen wider. Grundsätzlich störten diese Details nicht; für Ortskundige sind dagegen Orte wie „Gamla Stan“ ein Begriff.

John Ajvide Lindqvist schreibt flüssig, sehr anschaulich und detailreich, mit fein dosiertem Humor und zieht seine Leser*Innen fest in seinen Bann. Darüber hinaus gelingt ihm das Kunststück, trotz mehrerer „Fälle“ in einem Buch und einiger kleiner Nebenschauplätze (genannt werden soll hier die vorsichtig beginnende Beziehung zwischen Julias Ex-Mann Jonny Munther und seiner Kollegin Moa Malmberg) niemals den Blick auf den roten Faden zu verlieren und die Spannung durchgehend zu halten. Dies ist umso bemerkenswerter, als ich oftmals bei einem „zu viel“ an Privatleben das Interesse verliere, was hier absolut nicht der Fall ist; im Gegenteil ist hier die Spannung auch außerhalb der dramatischen Entwicklung stets hoch.

Lindqvist thematisiert aktuelle Problematiken wie rechte Gesinnungen, Veganismus und (militante) Tierschützer ohne erhobenen Zeigefinger, aber dafür auch ihre Gegenpole.

Besonders hervorzuheben ist Lindqvists Ausarbeitung der Figuren. Diese sind bis hin zu den Nebenfiguren echt, lebendig und auf ihre besondere Art authentisch. Die mehrdimensionalen Charaktere entwickeln sich auch weiter und ich hatte viel Vergnügen, ihre Beschreibungen zu verfolgen. Dabei mag nicht jede einzelne Figur Sympathien erwecken, hat doch jede mehr oder weniger große Schwächen – dennoch faszinierten sie mich auf besondere Weise und ich habe ihre Handlungen gleichwohl mit größtem Interesse verfolgt, sei es der autistisch agierende Kim, die unsicher wirkende Julia, der in Liebesdingen unerfahrene Jonny und viele weitere.

Zuletzt bleibt noch zu erwähnen, dass selbst die die Computer-Angelegenheiten so beschrieben werden, dass sie auch für Laien problemlos nachvollziehbar sind.

Zusammengefasst haben mich die ersten beiden Bände der als „Bestseller aus Schweden“ bezeichneten Reihe rundum begeistert durch den klug konstruierten Plot, die besonderen Figuren und die mit scharfen Blick geschilderten Kleinigkeiten.

Eine Triggerwarnung ist aber angebracht, denn die Themen Gewalt und Folter, Kindesmissbrauch, insbesondere von Missbrauch Schutzbefohlener sowie Sex können problematisch sein. (Wobei diese nur sehr kurz erwähnt werden und wichtig für den Fortgang der Handlung sind.)

„Elysium“, der dritte Fall für Julia Malmros und Kim Ribbing aus der Spannungstrilogie „Stormland“ ist erst für den 10. Juli 2025 angekündigt – und ich warte sehnlichst darauf!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 28.07.2024

Eine einzigartige (Liebes-) Geschichte

Die Löwin von Jerusalem
0

Bathseba ist 16 Jahre alt, als sie den HIrten David vor einer Löwin rettet und sich beide ineinander verlieben. Seinen Heiratsantrag lehnt ihr Vater aber ab, weil er Bathseba bereits dem brutalen Offizier ...

Bathseba ist 16 Jahre alt, als sie den HIrten David vor einer Löwin rettet und sich beide ineinander verlieben. Seinen Heiratsantrag lehnt ihr Vater aber ab, weil er Bathseba bereits dem brutalen Offizier des Königs Sauls, dem Hethiter Uriah, versprochen hat. David steigt zum Krieger (und besiegt den Riesen Goliath) und König Jerusalems auf, doch die in ihrem Ehe-Martyrium gefangene Bathseba kämpft für eine gemeinsame Zukunft mit David ....

Der für seine historischen Romane preisgekrönte deutsche Autor, der unter dem Pseudonym Ruben Laurin schreibt, hat das elfte Kapitel des zweiten Samuelbuches des Alten Testaments bzw. den weltbekannten Song "Halleluja" von Leonard Cohen, der eben jenes Thema aufgreift, als Grundlage für einen außergewöhnlichen Roman genommen, in dem er die gefährliche LIebschaft von Bathseba und David spannend erzählt.
Die biblische Geschichte und die realen Personen der Weltgeschichte und vor allem ihre Kämpfe hat Laurin mit fiktiven Figuren und Ereignissen stimmig ergänzt zu einem Sittengemälde des Palästinas um 1000 v. Chr.

Der auktoriale Erzählstil weist durchaus ungewöhnliche Elemente auf, in denen der Leser direkt angesprochen wird ("Schau nur ....", "siehst du...") und so eine besondere Athmosphäre schafft. In den drei Büchern "Der HIrte", "Der Krieger" und "Der König" berichtet der Autor vordergründig vom Leben des Davids, doch im Mittelpunkt steht Bathseba, eine außergewöhnlich starke Frau, die mit Mut, Geschick und Power ihren Weg geht und die trotz der Sitten ihrer Zeit, erschreckender Misogynie und ihrem brutalen Ehemann niemals die Hoffnung aufgibt. Ruben Laurin hat einmal mehr hervorragend recherchiert, um seinen Leser*Innen ein genaues geschichtliches Bild zu vermitteln. Der Schreibstil ist flüssig und unterhaltsam und die brutalen und erotischen Szenen sind auf das Notwendige begrenzt - und dabei dennoch nichts für Zartbesaitete. Obwohl die biblische Geschichte meist bekannt ist, schafft Laurin eine wunderbare Spannungskurve und ich mochte das Buch nicht mehr aus der Hand legen. Einzig die anachronistische Erzählweise mit ihren vielen vor- und rückwärtsgerichteten Sprüngen fand ich einigermaßen mühsam nachzuverfolgen.

Ein besonderes Augenmerk liegt auf den Figuren, die authentisch und vor allem mehrdimensional gezeichnet sind. Bathseba ist eine leidenschaftliche Frau, die sehr unter den Sitten und Gebräuchen ihrer Zeit leidet und trotzdem voller Stärke ihr Schicksal annimmt. David hingegen ist nicht der strahlende Held, der uns durch seinen Sieg im Kampf gegen Goliath im Kopf ist, sondern er scheint egoistisch, sprunghaft und sehr auf seinen Vorteil bedacht, wenngleich auch sehr gottgläubig. Und natürlich darf bei einer solchen Geschichte auch ein Engel nicht fehlen.

Ergänzt wird die Erzählung von einer Landkarte, den Lyrics des Cohen-Songs (der mich beim Lesen ununterbrochen begleitet hat), einem Personenregister (mit Unterscheidung der fiktiven Personen), einer Zeittafel und einem Glossar sowie einem informativen Nachwort des Autors, welche alle wertvolle Unterstützung geben.

Dieser absolut ungewöhnliche historische Roman sticht aus der Masse heraus; ich vergebe fünf Sterne und ich wünsche mir noch weitere Romane dieser Art von Ruben Laurin; gerade, wenn der Fokus auf den starken Frauen der GEschichte liegt. Auch, wenn eine biblische Geschichte den Autor inspiriert hat, kann ich "Die Löwin von Jerusalem" allen historisch interessierten Lesern uneingeschränkt empfehlen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 23.07.2024

Krimi mit Schwerpunkt auf der Historie

Mord auf dem Königssee
0

Sechs gekreuzigte Ordensbrüder treiben in sieben Ruderbooten auf dem bei Touristen beliebten Königssee - und eine abgetrennte Hand mit einem wertvollen Ring, der zudem verschwindet, geben den Polizeibergführeren ...

Sechs gekreuzigte Ordensbrüder treiben in sieben Ruderbooten auf dem bei Touristen beliebten Königssee - und eine abgetrennte Hand mit einem wertvollen Ring, der zudem verschwindet, geben den Polizeibergführeren Simon Perlinger und Luisa Sedlbauer Rätsel auf. Ihre Ermittlungen fördern viel Grausames zu Tage: HExenprozesse, Exorzismus, ungeklärte Vaterschaften usw. ....

Mit "Mord auf dem Königssee" legt der erfolgreiche Krimiautor und Seelsorger (!) Felix Leibrock bereits seinen dritten Krimi um den jungen Polizeibergführer Simon Perlinger vor. Dies war für mich die erste Begegnung mit den Berchtesgarden-Krimis und ich konnte dem Fall problemlos folgen.

Allerdings blieben die Figuren für mich teilweise recht blass, was durchaus an meinen fehlenden Vorkenntnissen des Teams liegen könnte; der Schwerpunkt des Autors liegt auf jeden Fall auf anderen Themen. Für Freunde des Gegend sicher ein absoluter Mehrwert, aber auch sonst kann man sich gut auf die Region einlassen und ein genaues Bild erhalten.

Felix Leibrock hat viel recherchiert und bringt einen ordentlichen Teil Geschichtswissen in seinen Krimi ein. Manchmal hatte ich das Gefühl, dass die Geschichte Berchtesgardens, die Erzählungen von Klosterleben (und -leiden), Hexenverbrennungen, Exorxismus usw. fast hinter die Krimihandlung zurücktritt. Es wird jedenfalls sehr deutlich, dass der Seelsorger LEibrock hier die ihm wichtigen Themen anspricht und zum Nachdenken anregen will.

Flüssig und bildhaft (und in manchen Aspekten auch sehr grausam, doch immer dem Thema angemessen) schreibt der Autor in zwei verschiedenen Zeitebenen, die geschickt miteinander verwoben sind. Ort und Zeit sind unter jeder Kapitelüberschrift angegeben, sodass es leicht fällt, sich zurechtzufinden. Nachdem mich anfangs die Fülle an Themen fast überfordert hat, fügen sich letztlich doch alle ineinander und es kommt zu einem logischen Ende, bis zu dem sich die Spannung immer weiter steigert.

Ein umfangreiches Personenverzeichnis zu Beginn, das mir gute Dienste geleistet hat, und eine grobe Übersichtskarte der Gegend sowie ein Nachwort des Autors mit Literaturangabe runden das Buch ab.

"Mord auf dem Königssee" ist auf jeden Fall ein eher ungewöhnlicher Krimi, den ich (nicht allzu zart besaiteten Leser*Innen) gerne empfehle.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 20.07.2024

Die Queen of Crime als eigene Romanfigur

Agatha Christie
0

Nachdem ihr Ehemann Frederick Alvah Miller bereits früh verstarb und das Geld im Hause Miller knapp war, erzog seine Ehefrau Clarissa ihre Kinder zu selbstbewussten, freiheitsliebenden Menschen. Insbesondere ...

Nachdem ihr Ehemann Frederick Alvah Miller bereits früh verstarb und das Geld im Hause Miller knapp war, erzog seine Ehefrau Clarissa ihre Kinder zu selbstbewussten, freiheitsliebenden Menschen. Insbesondere Agatha träumte von einer Karriere als Pianistin und wollte nur einen Mann heiraten, in den sie ernsthaft verliebt war und der ihr ein aufregendes Leben versprach. Doch ihr MusikerTraum zerplatzte und der jungen Frau war kein Mann recht, bis sie - trotz eigener Bedenken - den mittellosen Archibald Christie heiratet. Ermutigt von ihrer Mutter widmete sie sich mehr und mehr dem Schreiben von Kurzgeschichten und wurde von ihrer Arbeit im Lazarett und einer Apotheke animiert, sich auf Krimis zu spezialisieren. Während ihre Schriftstellerkarriere Fahrt aufnahm, erlitt sie zwei schlimme private Rückschläge ....

Die norddeutsche Autorin Susanne Lieder, spezialisiert auf historische Romane und Romanbiografien, hat hervorragend recherchiert und - eng an Christies Autobiografie angelehnt - eine höchst unterhaltsame Romanbiografie über die herausragende englische Krimi-Autorin Agatha Christie verfasst, die als 21. Band in der Reihe "Mutige Frauen zwischen Kunst und Liebe" erschienen ist.

Als personale Erzählerin schlüpft Lieder in die Rolle der Queen of Crime und bringt ihren Leser*Innen die Gefühlswelt und Gedanken der Schriftstellerin nahe und zeigt sie als lebendige, aufgeschlossene Frau mit großen Träumen und viel LIebe. Und während eine Menge über das Privatleben zu lesen ist, wird auch die Entwicklung von einem schreibenden Mädchen zu einer begnadeten Krimi-Autorin deutlich; insbesondere, wie ihre berühmten Figuren "Hercule Poirot" und "Jane Marple" entstanden sind. (Gerade den französischen Detektiv und seine Ermittlungen aus "Tod auf dem Nil"" und "Mord im Orient-Express" hatte ich bildreich vor Augen bei Agathas entsprechenden Reisen.) Gleichzeitig wird die Person des Archiebald Christie, seine häufige Abwesenheit, sein sprunghaftes Verhalten und ihre gemeinsame Ehe höchst kritisch beleuchtet.
Quasi nebenbei erstellt die Autorin auch ein Sittenbild der englischen Gesellschaft zu Beginn des 20. Jahrhunderts.

Naben Agatha ist mir insbesondere ihre Mutter Clarissa ans Herz gewachsen. Ihre fortschrittliche und zugewandte Erziehung und Unterstützung ihrer Kinder empfand ich als absolut begeisternd und vorbildlich.

Der flüssige und anschauliche Schreibstil machte die Lektüre zu einem unterhaltsamen Vergnügen und obwohl die Randdaten bekannt sind, konnte die Autorin durchaus Spannung schaffen.

Leider bin ich kein allzu großer Fan des hier angewandten a-chronologischen Erzählmusters. Die Rahmenhandlung beginnt nach dem Tod von Agathas Mutter und den fortfolgenden Ereignissen, springt dann jedoch zur Jugend und früheren Jahren zurück und kommt zwischendurch wieder auf die Rahmenhandlung zurück. In meinen Augen wird hier dadurch keine Dramatik, sondern Verwirrung geschaffen.

Zu erwähnen ist auch, dass Susanne Lieder sich in ihrer Romanbiografie auf die 20 Lebensjahre der Heldin (die bekanntlich 85 Jahre alt geworden ist) zwischen 1908 und 1928 beschränkt. Auch ihr elftägiges Verschwinden, über das jede Menge Gerüchte im Umlauf waren und sind, wird komplett ausgespart, da Susanne Lieder hierüber keine Fakten bekannt sind und sie sich von Spekulationen fernhalten möchte.
Ich hätte gerne weiter gelesen und noch viel mehr erfahren, doch das hätte sicher den Umfang dieses Buches gesprengt.

Ein Nachwort mit weiteren Fakten und wichtigen Informationen der Autorin rundet das Buch ergänzend ab.

Susanne Lieder ist es perfekt gelungen, mir den Menschen hinter dem Mythos "Agatha Christie" näher zu bringen und ihr hochspannendes Leben unterhaltsam zu schildern. Was für eine humorvolle und überaus interessante Frau Agatha doch gewesen ist, die ihrer Zeit durchaus voraus war und selbst als Romanfigur fungieren könnte! (Insbesondere ihre Reise als alleinstehende Frau nach Bagdad hat mich überrascht.) Ich gebe eine klare Leseempfehlung (nicht nur für Fans der englischen Schriftstellerin) und vergebe 4,5 Sterne.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 03.07.2024

Tod einer Witwe - der vierte Fall des Nico Doyle

Toskanisches Verhängnis
0

Die wohlhabende und unbeliebte Witwe Nora Salviati wird nachts in ihrer Villa tot aufgefunden und ihr wertvoller Schmuck, der im Gartenschuppen in einem Sack Erde versteckt war, ist verschwunden. Mit Nora ...

Die wohlhabende und unbeliebte Witwe Nora Salviati wird nachts in ihrer Villa tot aufgefunden und ihr wertvoller Schmuck, der im Gartenschuppen in einem Sack Erde versteckt war, ist verschwunden. Mit Nora im Haus war einzig ihre englische Freundin Laetitia Barron, die jedoch der italienischen Sprache nicht mächtig ist - und so bittet der ermittelnde Maresciallo Perillo seinen Freund Nico Doyle, ehemaliger New Yorker Mordermittler, um Hilfe ....

Die amerikanisch-italienische Autorin Camilla Trinchieri legt mit "Toskanisches Verhängnis" bereits den vierten Kriminalroman um den amerikanischen Ex-Cop Nico Doyle vor, der nach dem Tod seiner Frau ein neues Zuhause in der Toskana gefunden hat, köstliche Gerichte im Restaurant seiner Verwandten kocht und in der Künstlerin Nelli eine neue Liebe gefunden hat. Der Kriminalfall lässt sich sicher auch ohne Vorkenntnisse der Reihe lesen und genießen, jedoch war ich froh, bereits Wissen über die vielen Figuren, ihre Beziehungen zueinander und ihre Entwicklungen zu haben, da sonst sicher die ein oder andere Frage aufgekommen wäre. (So ist mir besonders Nicos erster Freund in der Toskana, Gogol, ans Herz gewachsen, mit dem er meist in der Bar zusammen frühstückt, und der fast ausschließlich mit Dante-Zitaten kommuniziert.)

Camilla Trinchieri pflegt einen angenehmen Schreibstil passend zum Genre; zahlreiche italienische Ausdrücke (die im Übrigen NICHT übersetzt sind) unterstreichen das Setting. Auf diesem liegt auch der absolute Schwerpunkt der Reihe: Mit bildhaften Landschafts-Beschreibungen, viel italienischer Lebensart und vor allem ausgiebigen Schilderungen köstlicher Spezialitäten und Gerichte schafft die Autorin ein toskanisches Flair.

Mit der Entdeckung des Mordes zieht Trinchieri ihre Leser*Innen gleich in den Fall hinein; doch trotz einiger Wendungen und Finten bleibt die Spannungskurve eher niedrig bis zur - gut konstruierten - Auflösung am Ende. Sehr viel Privates zahlreicher Figuren, Nebengeschichten und Nico Doyles neuer Beruf in Italien und seine Kochleidenschaft degradieren die Ermittlungen zu einem roten Faden, der im Hintergrund die Episoden zusammenhält, während die Autorin von der Sache abkommt oder sich in Details verliert.

Während Nico Doyle eine sympathische, mehrdimensionale Hauptfigur abgibt, die sich im Laufe der Zeit weiterentwickelt, bleiben die meisten anderen Figuren eher oberflächlich. Sehr viele geben eher - zugegebenermaßen oftmals liebenswerte - Statistenrollen ab und verwirren durch die bloße Zahl der unterschiedlichen Namen - immerhin findet sich am Ende des Buches ein "Verzeichnis der handelnden Personen", das sehr hilfreich ist.

Daneben findet sich zu guter Letzt auch das Rezept für "Taglierini alla Nico", so dass wenigstens eine von der Hauptfigur kreierte Speise nachgekocht und gerochen und geschmeckt werden kann.

Obwohl vieles für einen unterhaltsamen Urlaubs-Krimi spricht, konnte mich dieser vierte Band nicht vollends überzeugen und die Abschweifungen von Camilla Trinchieri verleiteten auch mich immer wieder dazu, nicht bei der Sache zu bleiben.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere