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Veröffentlicht am 02.07.2018

Now and Forever. Weil ich dich liebe

Now and Forever - Weil ich dich liebe
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„Sich zu binden, führte zu einem gebrochenen Herzen. Da war es eindeutig besser, sich ein einziges Mal fesseln zu lassen, und dann gute Nacht.“

Bisher hat die einundzwanzigjährige Jillian Nichols nach ...

„Sich zu binden, führte zu einem gebrochenen Herzen. Da war es eindeutig besser, sich ein einziges Mal fesseln zu lassen, und dann gute Nacht.“

Bisher hat die einundzwanzigjährige Jillian Nichols nach diesem Motto gelebt. Sie trifft einen Jungen, geht mit ihm aus und hat Sex. Danach geht jeder seiner Wege. Zeit für tiefer gehende Gefühle oder gar Liebesschwüre oder Herzschmerz hat Jillian nicht und will das auch nicht. Sie hasst Beziehungen, mit One-Night-Stands befindet sie sich ihrer Meinung nach auf der sicheren Seite.

Dann wacht sie eines Morgens auf, und ihr – zugegebenermaßen attraktives und heißes Date – ist immer noch da, steht nackt in ihrer Küche und backt Waffeln. Liam McAvoy, ein Schotte, der für ein Jahr an ihrer Uni studiert.

Und Jillian beginnt, gegen ihre Regel, nie eine zweite Nacht mit jemanden zu verbringen, zu verstoßen. Doch was geschieht, wenn Liams Studentenvisum endet und er nach Schottland zurückkehrt? Oder er gar hinter ihr Geheimnis kommt? Denn da gibt es noch die Tabletten, die sie einnimmt. Und eine kontrollierende Mutter, deren Fürsorge Jillian aber nicht als solche deutet und die sie ablehnt.


Geneva Lee lässt in „Now and Forever. Weil ich dich liebe“ die Romanze ihrer sympathischen Protagonisten im Grunde im Standardmodus ablaufen. Das ist allerdings einer kurzweiligen und mitreißenden Lektüre nicht abträglich. Höhen und Tiefen wechseln sich ab, aber zwischen Jillian und Liam stimmt die Chemie, und es macht Freude, ihr Geplänkel zu begleiten.

Vorteilhaft für die Geschichte ist, dass die Autorin der per se leichtfüßigen Handlung erfolgreich Substanz hinzufügen kann. Denn Jillian ist krank, und die für ihr Alter nicht alltägliche Krankheit stellt sie vor Probleme, auf die sie mit Distanz zu Menschen, die eine längerfristige Bindung aufbauen wollen, reagiert. Die Autorin findet hier ein gelungenes Maß, löst die Herausforderung ansprechend und vermeidet kitschige Gefühlsduselei.

Jillian ist eine intelligente junge Frau, stark und verletzlich zugleich, die zwar noch nicht genau weiß, wie ihre berufliche Zukunft aussehen soll, die jedoch keineswegs verzweifelt auf der Suche nach dem Mann fürs Leben ist, sondern eine eigenständige, selbstbewusste Persönlichkeit mit der Entscheidung für wilden Sex zu ihren Bedingungen zeigt, wofür sie sich nicht schämt. Wenn auch mit schweren gesundheitlichen Handicap, weswegen manchmal Sarkasmus bei ihr auftaucht. Ja, sie hat Probleme, aber sie will nicht bemitleidet werden und mit Macht die Kontrolle über ihre Gefühle behalten und kann es nicht.

Von Anfang an sieht Liam Jillian als Herausforderung. Er will nicht eine weitere Nummer auf Jillians Liste sein. Er ist aufrichtig interessiert an ihr. Seinerseits ist aus dem unverbindlichen Sex schnell „Liebe machen“ geworden. Und obwohl er Jillian einen in ihren Ohren unmöglichen Kosenamen verpasst, kann sie sich seinem offenen Wesen, geprägt von Charme, Humor und Optimismus, nicht entziehen.

Im Allgemeinen ist der Autorin auch die Gestaltung der Nebenfiguren gelungen. Mit Jessica und Cassie hat Jillian zwei großartige Freundinnen, die sie unterstützen und ihr zur Seite stehen. Sie sind da, wenn sie Hilfe benötigt. Lediglich die Beziehung zu Tara, Jillians Mutter, ist schwach und erschließt sich nicht immer. Die ständigen Wechsel zwischen einer ängstlichen, kontrollsüchtigen, sorgsamen und liebevollen Mutter wirken das eine oder andere Mal nicht nachvollziehbar.

Ansonsten besitzt „Now and Forever… Weil ich dich liebe“ alles, was eine gute Liebesgeschichte braucht. Sie ist mit ungezwungener Hand erzählt, zaubert einem mehr als ein Lächeln ins Gesicht, hat indes neben den heiteren auch ernsthafte Momente, dosiert Erotik in angenehmer Art und Weise. Es geht um das Wachsen in einer Beziehung, die Freundschaft, das Nachdenken über die Zukunft und daneben auch um das Akzeptieren, wer man ist, und darüber, wie man das in deinem Leben verändern kann, was man will.

"'Wenn jemand das hier versaut, dann werde ich das sein.'
'Das ist das Schöne an Beziehungen', sagte Liam.
'Was?'
'Es sind immer zwei Leute daran beteiligt. Wenn du es versaust, dann bin ich da, um das wieder hinzukriegen.'“

Veröffentlicht am 02.07.2018

Der Zauber zwischen den Seiten

Der Zauber zwischen den Seiten
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Sofias Leidenschaft sind Bücher. Aus ihnen schöpft sie Kraft und erhält Antworten auf ihre Fragen. Doch ihre Arbeit als Bibliothekarin hat sie aufgegeben, nachdem sie Alberto geheiratet hat.

Für die ...

Sofias Leidenschaft sind Bücher. Aus ihnen schöpft sie Kraft und erhält Antworten auf ihre Fragen. Doch ihre Arbeit als Bibliothekarin hat sie aufgegeben, nachdem sie Alberto geheiratet hat.

Für die Zweiunddreißigjährige ist die Ehe inzwischen zur Belastung geworden. Sie sucht in der Erinnerung nach dem Mann, der sie morgens mit einem Lied weckte und immer und überall das Schöne gesehen hat. Das ist lange vorbei. Beide betrachten sich, als ob sie Feinde sind, die sich gegenseitig beobachten. Allerdings nicht, um sich wiederzufinden, sondern um neue Angriffspunkte zu entdecken, um den anderen zu verletzten.

Für eine Trennung fehlte Sofia bislang der Mut. Da liegt irgendetwas auf ihrer Seele und blockiert sie. Jetzt will sie sich endlich aus der emotionalen Abhängigkeit befreien, sich von eingeschliffenen Gewohnheiten, von der Angst vor dem Unbekannten und der Furcht davor, einen Fehler eingestehen zu müssen, lösen.

Als Sofia in einem kleinen Antiquariat eine sehr alte Ausgabe eines Buches des romantischen Schriftstellers Christian Philipp Fohr kauft, beschließt sie, dieses zu restaurieren. Dabei spürt sie einem im Einband versteckten Brief einer jungen Frau aus dem frühen 19. Jahrhundert auf, mit der sie vieles verbindet.

Denn auch Clarice liebt Bücher. Sie möchte zu gern Buchbinderin sein. Aber dies ist ein Beruf, den sie als adlige Frau niemals ausüben kann. Er bleibt den Männern einfachen Standes vorbehalten. Findet Clarice einen Weg, ihren Traum zu verwirklichen?


Cristina Cabonis Roman „Der Zauber zwischen den Seiten“ ist nicht nur die Darstellung zweier Frauenschicksale in zwei verschiedenen Epochen, sondern auch eine Homage an die Begeisterung und Liebe für Bücher. Dies zeigt sich bereits darin, dass die Autorin jedem Kapitel ein Buchzitat voranstellt, beispielsweise von Johann Wolfgang von Goethe, Jane Austen, Ernest Hemingway, Charles Dickens und Emily Brontë.

Für das Erzählen des Geschehens auf zwei Zeitebenen bedient sich Cristina Caboni eines gefälligen und anschaulichen Schreibstils, der für lebhafte Bilder während der Lektüre sorgt. Ihre Wortwahl ist zurückhaltend und gefühlsbetont, das Nachdenken ihrer Protagonistinnen nimmt einen hohen Stellenwert ein. Die Leidenschaft für Bücher wird deutlich, allerdings bleibt die Freude am Lesen selbst dahinter zurück.

Die Geschichte von Clarice im historischen Teil geht einem besonders nahe, weil der Zwiespalt zwischen Wünschen und Realität einer Frau einleuchtend und überzeugend geschildert ist.

Eine sich anbahnende Liebesbeziehung von Sofia fügt sich zwar gut ins Geschehen ein, ist jedoch auch überflüssig angesichts der Tatsache, dass Sofia sich noch mit dem Scheitern ihrer Ehe auseinandersetzt.

Ein größeres Manko ist allerdings, dass sich im Verlauf der Handlung zu oft die Zufälle häufen. Das Glück ist beiden Frauen das eine oder andere Mal dermaßen hold, dass es konstruiert wirkt und sich damit insgesamt als Zuviel herausstellt.

Wen das nicht stört, und wer gern miterlebt, wie zwei Frauen in ihrer jeweiligen Zeit die Hoffnung behalten, trotz aller Hindernisse ihren Weg zur Freiheit finden, wird mit „Der Zauber zwischen den Zeilen“ unbestreitbar angenehm unterhalten werden.

Veröffentlicht am 25.06.2018

Das Haus am Sunset Lake

Das Haus am Sunset Lake
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„Wer jemals einen Sommer in der Casa D'Dor verbracht hat, wird ihn nie vergessen, die Erinnerung bleibt für immer lebendig. Um sich den warmen Wind ins Gedächtnis zu rufen, den Duft der Azaleen und die ...

„Wer jemals einen Sommer in der Casa D'Dor verbracht hat, wird ihn nie vergessen, die Erinnerung bleibt für immer lebendig. Um sich den warmen Wind ins Gedächtnis zu rufen, den Duft der Azaleen und die feuchtwarme Luft, die auf der sonnenverwöhnten Haut haftet, braucht man noch nicht einmal die Augen schließen.“

Als Jim Johnson die Casa D'Or, eine Villa im Stile eines Plantagenhauses, gelegen am Sunset Lake in Savannah, dem tiefen Süden Amerikas, wiedersieht, ist von ihren glanzvolle Zeiten nichts mehr geblieben. Unbewohnt und heruntergekommen macht sie einen vernachlässigten Eindruck. Und doch verbinden Jim, der dieses Objekt für seinen Chef, den Besitzer einen weltweiten Hotelkette in Augenschein nimmt, viele Erinnerungen und extreme Gefühlszustände mit dem „Haus aus Gold“.

Zwanzig Jahre zuvor, 1994, ist es der Ort einer verheißungsvollen Liebe, überschäumender Freude und niederschmetternder Verzweiflung, ein Ort von Schmerz und Verlust.

Jim ist Student und nicht gerade begeistert darüber, dass er seine eigenen Pläne für einer unbeschwerten Zeit aufgeben und seine Eltern in ein Sommerhaus am Sunset Lake begleiten soll. Sein Vater Bryn, ein britischer Autor und nach seinem ersten Buch eher erfolglos, will und muss hier seine Inspiration wiederfinden und in der Abgeschiedenheit einen neuen Roman schreiben.

Erst als Jim die bezaubernde und wunderschöne Jennifer Wyatt, die gerade ihren Collegeabschluss gemacht hat und mit ihrer Familie in der Casa D'Or lebt, kennenlernt, ändert Jim seine Pläne. Denn die beiden verlieben sich ineinander. Und Jim ist bereit, alles für Jennifer aufzugeben: seine Familie, seine Freunde, sein Leben in England.

Doch dann geschieht etwas, das das gemeinsame Leben der beiden zerstört und auf ein getrennte Wege führt. Bis sie sich zwanzig Jahre später wiedersehen, die alten Erinnerungen wach werden und die Tür zur Vergangenheit geöffnet wird. Jim hat Jennifer nie vergessen. Sie ist die Frau, die sein Herz berührt und der immer noch seine Liebe gehört. Gibt es eine zweite Chance für das Paar?

Tasmina Perrys Roman "Das Haus am Sunset Lake" ist eine herzbewegende, romantische Liebesgeschichte voller dunkler Geheimnisse, die durch ihre Mischung aus Gefühl und Dramatik besticht und sich hauptsächlich vor der eindrucksvollen Kulisse, einer anschaulich beschriebenen prachtvollen Villa im heißen Süden, entfaltet.

Die Geschichte von Jim und Jennifer bietet an sich nichts Neues: Einfacher Junge trifft gutsituiertes Mädchen, und es funkt gewaltig zwischen den beiden. Jennifer ist zwar einerseits mit ihrem Jugendfreund Conor verbunden, andererseits ist eine arrangierte Verlobung kein Hindernis. Liebe überwindet schließlich alles, und deshalb will Jennifer Conor verlassen und mit Jim zusammen sein. Tragische Vorkommnisse reißen die beiden aber auseinander.

Der Roman wird in zwei Zeitsträngen erzählt. Obwohl der Zeitrahmen mit zwanzig Jahren relativ klein ist, funktionieren die Wechsel zwischen den Ereignissen in der Vergangenheit und in der Gegenwart gut. Es wird allerdings offensichtlich, dass zwar das Leben in der Gegenwart Bedeutung hat, indes das Verarbeiten und Abschließen mit der Vergangenheit im Mittelpunkt liegt.

Die Autorin treibt die Handlung zunächst maßvoll, dennoch konsequent und im Verlauf immer temporeicher voran, lässt keine Langeweile entstehen und den Leser mit an der Aufklärung der Geheimnisse teilhaben, warum es zur Trennung von Jennifer und Jim gekommen ist. Sie baut so beständig die Dramatik auf und vermag es letzten Endes auch, mit einigen Wendungen zu überraschen und zu erschüttern.

Lediglich wenige Szenen, wie die auf der karibischen Insel Baruda, sind unnötig, weil sie nicht zum Fortgang beitragen, sie stören hingegen auch nicht.

Im Großen und Ganzen behält Tasmina Perry im Verlauf des Geschehens einen ansprechenden leichten und zwanglosen Erzählton bei, passt ihn jedoch in dramatischen Abschnitten der Situation und Stimmung angemessen an, wodurch er dann etwas unterkühlt wirkt.

Neben dem Setting sind es die Haupt- und Nebenfiguren, die die Geschichte mit Leben füllen. Die Autorin nimmt sich Zeit, jede Figur zu entwickeln und zu charakterisieren, damit der Leser mit ihren Stärken und Schwächen, Beweggründen und Ängsten vertraut wird. So lernt er nicht nur die Protagonisten kennen, sondern kann ebenfalls daran teilhaben, wie sich Jim und Jennifer neu wahrnehmen. Denn Jennifer ist in den zwanzig Jahren zu einer atemberaubenden Frau gereift und mit Conor verheiratet. Jim hat eine florierende Karriere mit finanzieller Sicherheit aufgebaut, zögert aber, sich zu binden.

Ob die beiden es schaffen, alle Geheimnisse aufzudecken, sich über die Vergangenheit hinwegzusetzen und zueinander zu finden? Erhalten sie ihre zweite Chance? Die kurzweilige Lektüre von Tasmina Perrys "Das Haus am Sunset Lake" wird die Fragen beantworten. Vielleicht an einem wunderbaren Sommertag...

Veröffentlicht am 20.06.2018

Wenn wir es zulassen...

Das Finkenmädchen
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Wer „Das Finkenmädchen“ von Nicole Trope zur Hand nimmt, darf sich von dem verträumten Cover nicht täuschen lassen. Denn inhaltlich geht es keinesfalls idyllisch zu. Vielmehr greift die Autorin ein schwieriges ...

Wer „Das Finkenmädchen“ von Nicole Trope zur Hand nimmt, darf sich von dem verträumten Cover nicht täuschen lassen. Denn inhaltlich geht es keinesfalls idyllisch zu. Vielmehr greift die Autorin ein schwieriges Thema auf und erzählt eine kraftvolle und herausfordernde Geschichte, die für einige Menschen schwer zu lesen sein wird.

Da sind Birdy und Rose, zwei Frauen, die nicht unterschiedlicher sein können und doch mehr als eine Gemeinsamkeit haben. Beide sind sie Insassinnen eines Gefängnisses mit geringerer Sicherheitsstufe. Während Birdy, die nur noch wenige Monate ihrer Strafe wegen Körperverletzung verbüßt, genau weiß, wer Rose ist, hat diese keine Ahnung. Die Vierundfünfzigjährige ist eine nationale Berühmtheit, soll sie immerhin ihren Mann, den landesweit bekannten Fernsehmoderator Simon Winslow getötet haben. Aber die Bekanntschaft der beiden reicht viel weiter zurück.

Fünfundzwanzig Jahren zuvor lebt die siebenjährige Felicity mit Mutter und Schwester in direkten Nachbarschaft der Familie Winslow. Felicity ist besonders, eher ruhig und in sich gekehrt, zudem ein wenig langsam. Das Lernen fällt ihr schwer, so dass sie ständig Dinge wiederholen muss. Nach der Trennung der Eltern ist die Mutter mit den zwei Kindern überfordert. So findet Felicity des Öfteren Aufnahme bei den Nachbarn: Rose und Simon Winslow. Unter anderem züchtet Simon Finken und bringt Felicity alles darüber bei.

Auch im Gefängnis kümmert sich Felicity, die sich inzwischen Birdy nennt, um die Finken. Sie ist eine vorbildliche Gefangene und hält sich von Schwierigkeiten fern, weil sie immer daran denkt, nach Hause zu ihrer Tochter zu kommen. Zwar ist sie äußerst geschickt daran, gegenüber den sie behandelnden Therapeuten nur das zu sagen, was diese hören wollen, jedoch brodeln Wut und Hass in ihr. Diese Gefühle versteckt sie. Genauso gut wie die Erinnerungen an ihre Vergangenheit.

Als Rose auftaucht, treten diese versteckten Gefühle und vergrabenen Erinnerungen mit Macht an die Oberfläche...


Nicole Trope wagt sich mit „Das Finkenmädchen“ an ein schwieriges, gleichwohl wichtiges und aktuelles Thema: Belästigung und Missbrauch. Ihr gelingt es mit sensibler Ernsthaftigkeit, nicht nur die Verletzlichkeit der stillen Opfer darzustellen, ihnen eine Stimme zu geben, sondern sie zeigt ebenso auf, welche weitreichenden Auswirkungen und irreparablen Schäden die Handlungen eines Einzelnen für alle Beteiligten, einschließlich der Angehörigen haben.

Sie vermag es, nicht nur die Hilflosigkeit und den Schmerz der Opfer deutlich zu machen. Vielmehr schildert sie genauso eindrucksvoll, dass es selbst Menschen, die unter einem Dach wohnen, nicht immer möglich ist, zu erkennen, was vor ihren Augen geschieht.

Die Autorin lässt Birdy und Rose in abwechselnden Kapiteln in der Gegenwart und mit Rückblenden zu Wort kommen, wobei sich das Geschehen zwangsläufig kreuzt und Wiederholungen auftreten.

Die realistische und feinsinnig ausgeführte Charakterisierung ihrer Figuren, einschließlich der Nebenfiguren, gibt der Geschichte Tiefe und ermöglicht eine Anteilnahme an deren Leben und Empfinden. Das Ringen und Wachsen der Beteiligten im Verlauf der Handlung ist glaubwürdig und einprägsam und zeugt von der Stärke, die Opferrolle hinter sich zu lassen und für die eigene Zukunft zu sorgen.

Birdy hat es nicht leicht gehabt, ihr ist bewusst, dass sie nicht so intelligent wie andere ist. Allerdings gleicht sie dieses Manko mit Entschlossenheit aus. Sie möchte lernen und nutzt das ihr gegebene Potential, ist stolz auf das Erreichte. Und vor allem möchte sie eins: Eine gute Mutter sein, die das Beste für ihre Tochter zu tut, damit sie immer zusammen sind.

Rose lernt Simon mit fünfzehn kennen und heiratet sehr jung und ohne Unterstützung ihrer Eltern wird – noch keine Zwanzig - Mutter. Während der ersten Jahre der Ehe arbeitet sie. Später muss sie das nicht mehr, weil Simon genug Geld verdient. Ihr Ehemann ist eine australische Fernsehgröße, als Missbrauchsvorwürfe gegen ihn erhoben werden. Rose ist fassungslos. An der Seite ihres charismatischen, selbstbesessenen Mannes hatte sie zwar ein traumhaftes Leben, doch ebenso ein fremdbestimmtes. Denn erst jetzt wird Rose wirklich bewusst, dass sie in der Ehe mit Simon keine Chance hatte, sich zu einer Persönlichkeit zu entwickeln, sich selbst ebenfalls wichtig zu nehmen, emotional zu wachsen und Entscheidungen zu treffen.

Bis zu dem Tag, an dem sie es getan hat...

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Veröffentlicht am 10.06.2018

Das Geheimnis der Muse

Das Geheimnis der Muse
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„Nicht jeder erhält am Ende, was er verdient.“ Mit diesem Satz beginnt Jessie Burton ihren Roman „Das Geheimnis der Muse“ und führt den Leser an zwei Schauplätze in zwei Zeiträumen, zum einen nach Spanien ...

„Nicht jeder erhält am Ende, was er verdient.“ Mit diesem Satz beginnt Jessie Burton ihren Roman „Das Geheimnis der Muse“ und führt den Leser an zwei Schauplätze in zwei Zeiträumen, zum einen nach Spanien ins Jahr 1936 und zum anderen ins London der späten 60er Jahre.

1967 bewirbt sich Odelle, eine junge Frau aus Trinidad, als Schreibkraft am Skelton Institut, einer kleinen Galerie. Odelle selbst ist eine talentierte Schriftstellerin, hat aber ihre diesbezüglichen Träume auf Eis gelegt. Erst ihre Chefin Marjorie Quick, die sie unter ihre Fittiche nimmt und eine gewisse Zuneigung zu ihr zu hegen scheint, animiert sie, Vertrauen in ihre Fähigkeiten als Schriftstellerin zu haben, und ermutigt sie, eigene Arbeiten zu veröffentlichen.

Auf einer Party trifft Odelle Lawrie, einen jungen Mann, der Gemälde geerbt hat, dessen Wert im Skelton Institut geprüft wird. Das auffällige Bild hat augenscheinlich eine seltsame Wirkung auf Quick. Es entpuppt sich als Werk von Isaac Robles und führt ins Spanien des Jahres 1936.

Hier hat sich Olive Schloss, neunzehnjährige Tochter eines einflussreichen jüdisch-österreichischen Kunsthändlers und seiner britischen Frau, hinter dem Rücken ihrer Eltern um die Aufnahme an einer angesehene Londoner Kunstakademie beworben und von dort eine Zusage erhalten. Da treten Isaac Robles – ein Maler und Revolutionär – und dessen Schwester Teresa in ihr Leben. Olive verliebt sich in Isaac und gerät mit ihrer Familie in einen Strudel der Ereignisse angesichts des beginnenden spanischen Bürgerkrieges...

Jessie Burtons Roman "Das Geheimnis der Muse" zeugt von einer deutlichen Auseinandersetzung mit der Materie. Er ist vielschichtig und komplex und beschäftigt sich in beiden Zeitebenen neben der Liebe und Leidenschaft mit Fragen nach der Herkunft und künstlerischen Authentizität, der Wertstellung von Frauen im Bereich schöpferischen Künste. Daneben spielen Faschismus, Antisemitismus und Krieg in Spanien in den dreißiger Jahren sowie der Rassismus in London in den sechziger Jahren eine Rolle. Der Autorin gelingt es, diese breit gefächerten Themen sorgfältig darzustellen, ohne sie eindimensional und stereotyp zu betrachten. Durch den Wechsel zwischen den eng miteinander verschlungenen Zeitrahmen setzt die Autorin geschickt bemerkenswerte Hinweise und baut ein kompliziertes, wenngleich schlüssiges Gefüge um das „Geheimnis der Muse“ auf.

Dabei werden beide Geschichten von unverwechselbaren Persönlichkeiten getragen und weisen signifikante Parallelen auf. Sowohl Olive als auch Odelle sind Frauen mit kreativen Fähigkeiten, und beiden fehlt aus unterschiedlichen Gründen das Selbstbewusstsein, zu ihren Gaben zu stehen. Die Autorin beschreibt nachvollziehbar die äußeren Hindernisse und Reaktionen sowie die inneren Zweifel und Ängste, denen ihre Heldinnen auf dem Weg zur Künstlerin ausgesetzt sind.

In der Einzelbetrachtung überzeugen Olive und Odelle und insbesondere auch Quick als ausgeprägte Charaktere, wohingegen Lawrie blass bleibt. Zudem mutet der Part in den sechziger Jahre insgesamt verhaltener und nachdenklich an. Im Gegensatz hierzu ist die Szenerie in Spanien wesentlich lebendiger, emotionaler und (farb)intensiver, nicht nur in der Beschreibung der Landschaft. Hier wird Jessie Burton vor allem der Visualität der Malerei gerecht. Trotzdem wirken beide Zeitebenen hervorragend in ihrer Verknüpfung.

„Am Ende gelingt ein Kunstwerk nur dann, wenn… sein Schöpfer den unverrückbaren Glauben daran besitzt, der es ins Dasein bringt.“ (Seite 455)