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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 26.02.2021

Aufwachsen zwischen zwei Welten

Big Sky Country
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In diesem Coming-of-Age Roman lernen wir August kennen, dessen Eltern sehr unterschiedlichen Beschäftigungen nachgehen. Er wächst im beschaulich ländlichen Michigan auf, wo sein Vater eine Farm betreibt ...

In diesem Coming-of-Age Roman lernen wir August kennen, dessen Eltern sehr unterschiedlichen Beschäftigungen nachgehen. Er wächst im beschaulich ländlichen Michigan auf, wo sein Vater eine Farm betreibt und August mit einbezieht in die alltäglichen Aufgaben der Landwirtschaft. Seine Mutter hingegen repräsentiert nicht den Landfrauen Typ, sondern beschäftigt sich eher mit geistigen Dingen, sie bildet sich weiter, meditiert und legt Patiencen. Sie möchte Augusts Bildung vorantreiben, während dieser es als kleiner Junge vorzieht, dem Vater zu helfen. Nach der Scheidung der Eltern zieht August jedoch mit der Mutter um, nach Montana, und sieht seinen Vater nur noch in den Ferien. Nun wird August mit einer ganz anderen Welt konfrontiert und muss sich durchschlagen. In der Schule ist er Außenseiter, und auch zu Hause findet er nicht die Unterstützung, die er sucht. Er rebelliert sowohl gegen Vater als auch Mutter und möchte seinen eigenen Weg gehen, was nicht einfach wird.
Irgendwie ist August das Produkt seiner Erziehung, er kann keine Gefühle entwickeln und verhält sich emotionslos, besonders Schwächeren gegenüber. Das zeigt sich besonders in seinem Verhalten gegenüber Tieren. Vorsicht, mir als Tierfreundin kamen die Tränen, als er Katzen brutal erschlägt, ihnen die Schwänze abschneidet oder Kühe mit Steinen bewirft. Und andere Tierquälereien treten auch später noch auf. Selbst die Mutter gibt August nicht die Fähigkeit, Mitgefühl und Respekt vor anderen Lebewesen zu vermitteln. Sie ist nur an ihrer eigenen Selbstfindung interessiert. So kommt es dazu, dass August seinen Frust und Hass auch an Menschen auslässt. Keine schönen Szenen!
Ich bin etwas enttäuscht von dem Buch, da ich ein Landleben im Stil von Kent Haruf erwartet hatte, das sich im Cover andeutete und das ich immer sehr berührend fand. In diesem Buch spielen Gleichgültigkeit und Abgestumpftheit eine große Rolle und sind bestimmt nicht die idealen Begleiter eines Jugendlichen.
Weitere negativ besetzte Inhalte sind Frauendegradierung (Frauen sind nur Spielzeug) Und das Racheprinzip (wie du mir, so ich dir).
Man kann sich natürlich erklären, warum diese negativen Umstände in Augusts Leben einen so großen Stellenwert einnehmen, aber die detaillierte Schilderung fand ich unangebracht. Außerdem weist das Buch einige Passagen auf, die vor Langeweile strotzen, weil sie alltägliche Aufgaben eines Farmers in allen Einzelheiten beschreiben.
Die Landschaftsbeschreibungen hingegen und die Hintergrundinformationen zum Leben im ländlichen Teil der USA haben mir sehr gut gefallen, so dass ich das Buch mit drei Sternen bewerte.

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Veröffentlicht am 11.02.2021

God save the Queen of Crime

Das Windsor-Komplott
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In diesem Buch lernen wir die Queen in einer neuen Rolle kennen: als heimliche Ermittlerin in einem Mord, der sich in Schloss Windsor ereignete. Sie recherchiert nicht direkt, sondern dirigiert aus dem ...

In diesem Buch lernen wir die Queen in einer neuen Rolle kennen: als heimliche Ermittlerin in einem Mord, der sich in Schloss Windsor ereignete. Sie recherchiert nicht direkt, sondern dirigiert aus dem Hintergrund ihre Leute, insbesondere ihre Privatsekretärin Rozie, die aus Nigeria stammt. Die beiden sind ein perfektes Team und verstehen sich auf Detektivarbeit. Es handelt sich um einen äußerst brisanten Mord, dessen nähere Umstände nicht ans Licht der Öffentlichkeit dringen sollen, das wäre ein Skandal für die Royals!
Was ich erhofft hatte trat ein: das Buch ist durchdrungen von feinem britischen Humor, skurril und voller Ironie, sowie auch von bedeutungsträchtigen Anspielungen auf andere bekannte Royals. Das war ganz nach meinem Geschmack. Außerdem hat die Autorin augenscheinlich gut recherchiert, denn man erfährt so einiges über die Gewohnheiten und Vorlieben der Queen, die ich teilweise auch bereits aus anderen Büchern oder Zeitschriften kannte und die dadurch ergänzt wurden. Für mich sehr interessant! Auch über die Kindheit Lilibets erfährt man Details, so z.B. über ihre Gouvernante, über die ich gerade ein anderes Buch gelesen habe.
Der historische Hintergrund wird auch gestreift, so z.B. politisch wichtige Besuche oder Vereinbarungen. Aber auch rückblickend wird so einiges erwähnt, was bedeutend ist, so z.B. wie die Royals den 2. Weltkrieg erlebt haben.
Sehr schön ist die Interaktion zwischen Elizabeth II und ihrem langjährigen Ehemann Philip beschrieben. Letzterer ist bekannt für seine humorvollen, teils spöttischen Äußerungen, und dies tritt auch hier zu Tage, aber man spürt auch, dass die beiden gemeinsam durch dick und dünn gegangen sind und einander voll vertrauen.
Allerdings gab es auch bisweilen langatmige Kapitel, die vom eigentlichen Thema abwichen, so z.B. Rozies Besuch der Hochzeit ihrer Schwester in Nigeria, die ausführlich beschrieben wird oder die intensive Betrachtung der Gäste der Soirée.
Auch brauchte ich Zeit, um mich an den Schreibstil der Autorin zu gewöhnen, etliche Sätze musste ich anfangs mehrfach lesen, da mir die Bedeutung nicht sofort klar war. Leider fehlte mir auch das Wissen zum politischen Hintergrund, um die vermuteten Verschwörungstheorien zu verstehen.
Diese Nachteile überwiegen nicht die Vorteile, doch die Autorin sollte die Queen-bezogenen Passagen in den Folgebänden erweitern und dafür 'Abweichungen' unterlassen. Die Queen of Crime hat sich in meinen Augen bewährt und sollte weitermachen.

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Veröffentlicht am 08.02.2021

Perfide Charaktere und endlose Intrigen

Flieh, so weit du kannst
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Ava arbeitet erfolgreich in der Agentur W&SP, die dem reichen PR-Guru David Stein gehört. Als die Probleme mit ihrem Freund Charlie immer größer werden, schlägt David ihr vor, dass sie, zumindest vorübergehend, ...

Ava arbeitet erfolgreich in der Agentur W&SP, die dem reichen PR-Guru David Stein gehört. Als die Probleme mit ihrem Freund Charlie immer größer werden, schlägt David ihr vor, dass sie, zumindest vorübergehend, im luxuriösen Haus seiner verstorbenen Tochter Olivia wohnen kann. Ava nimmt das großzügige Angebot an, aber schon bald merkt sie, dass David für diese Hilfe Gegenleistungen erwartet. Kurz darauf fühlt sie sich in dem überwachten Haus nicht mehr wohl, zumal sie auch Drohbriefe und beängstigende Textnachrichten bekommt....
Der Schreibstil ist flüssig und anschaulich, so dass man schnell in die Handlung hineinfindet. Die Autorin bedient sich des Perspektivenwechsels, so dass sich die Geschichte von verschiedenen Blickwinkeln aus entwickelt. So baut sich eine Spannung auf, die den Leser dazu motiviert, immer weiter zu lesen. Allerdings ist dabei in weiten Teilen das Augenmerk auf die sozialen Probleme der einzelnen Charaktere untereinander gerichtet, denn die gesamte Handlung wird dominiert von Lügen, Intrigen, Boshaftigkeiten und Gefühlsexzessen. Ich kann mir wahrlich nicht vorstellen, dass eine Agentur, die von so vielen negativ-gepolten und selbstverliebten Charakteren getragen wird, Bestand hat. In London gibt es zwar viele ungewöhnliche Dinge, aber das ist an der Realität vorbei konstruiert.
Dabei sind die Charakterzüge der einzelnen Protagonisten in meinen Augen stark überzeichnet, so dass man kaum jemand Sympathie entgegen bringen kann. Besonders Avas Kollegin Jade, mit der sie früher auch befreundet war, wird in stark übertriebener Weise als Soziopathin dargestellt, die keinerlei Rücksicht auf die Gefühle der anderen nimmt und durch ihre perfiden Verhaltensweisen viel Unheil anrichtet. Das geht meiner Meinung nach auch an der Realität vorbei.
Auch wird immer wieder ein furchtbares Geheimnis der zwei Hauptfiguren erwähnt, dem man gedanklich aber sehr schnell auf die Spur kommt, so dass dadurch kein Spannungsbogen über die gesamte Geschichte hinweg entsteht. Schade!
Am Ende bleibt dann noch eine grundlegende Frage offen, die man sich beim besten Willen nicht beantworten kann. Vielleicht ist sie als Cliffhanger gedacht.
Alles in allem habe ich das Buch zwar verschlungen, aber ein Thriller-Feeling kam nicht auf, sondern vielmehr ein starkes Interesse am sozialen Miteinander.

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Veröffentlicht am 04.02.2021

Eine fesselnde Familiengeschichte über vier Generationen

Junge Frau, am Fenster stehend, Abendlicht, blaues Kleid
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Hannah, 27, lebt seit dem Tod ihrer Mutter zurückgezogen in Berlin. Die einzige verbliebene Verwandte ist ihre verschlossene Oma Evelyn, die von Hannah regelmäßig im Seniorenpalais besucht wird. Eines ...

Hannah, 27, lebt seit dem Tod ihrer Mutter zurückgezogen in Berlin. Die einzige verbliebene Verwandte ist ihre verschlossene Oma Evelyn, die von Hannah regelmäßig im Seniorenpalais besucht wird. Eines Tages verkündet ein Brief aus Israel, dass Evelyn die Erbin einer Bildersammlung ist, die seit dem Krieg verschollen ist. Eines der vermissten Bilder zeigt eine junge Frau, am Fenster stehend im blauen Kleid (ein Gemälde von Vermeer), wodurch sich der ungewöhnliche Titel des Buches klärt. Für Hannah ergeben sich aus dieser Nachricht viele Fragen, die nach und nach beantwortet werden und mehr Klarheit in die berührende Familiengeschichte bringen. Hannah erfährt, dass es jüdische Wurzeln gibt, die bis zu ihrer Urgroßmutter zurückführen.
Sehr zu loben ist der Schreibstil der Autorin, das Buch liest sich flüssig und überzeugend, und man fühlt sich mit den Protagonisten verbunden. Die einzelnen Charaktere werden detailliert und intensiv beschrieben. Ich konnte ihren Gedanken folgen, Gefühle nachvollziehen und mich gut in sie hineinversetzen.Als ich das Buch beendet hatte, fand ich dies richtig schade, weil es wie ein Abschied war.
Die Geschichte wird aus vielen verschiedenen Perspektiven erzählt, wobei immer wieder ein Wechsel zwischen Gegenwart und Vergangenheit stattfindet. So kommt immer mehr Licht in die Familienstruktur und es ergibt sich am Ende ein stimmiges Gesamtbild. Ich habe es als sehr spannend empfunden, immer mehr über die Familie zu erfahren.
Auch wenn man bereits viel über den Nationalsozialismus weiß, bekommt man hier nochmals einen Eindruck von der beklemmenden und hilflosen Situation der Menschen dieser Zeit, besonders der Juden. Das Buch ist somit auch historisch informativ und interessant.
Viele Familiengeheimnisse kommen ans Licht, und man zieht unwillkürlich die eigene Familie in die Betrachtung ein. Gibt es da auch Zusammenhänge, die man bislang nicht kennt?
Bleibt noch das schöne Cover zu erwähnen, das mit seinen ruhigen Farben eine gewisse Harmonie und Entspannung ausdrückt, eine friedliche Gartenszene, die man genießen kann, wenn sich wichtige Lebensfragen geklärt haben.
Ich bewerte das Buch ohne Zögern mit fünf Sternen und spreche eine eindeutige Leseempfehlung aus.

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Veröffentlicht am 25.01.2021

Was weiß ich über meinen Vater?

Vati
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Diese Frage habe ich mir gestellt, nachdem ich dieses Buch gelesen hatte. Was weiß man eigentlich wirklich über die eigenen Eltern, ihren Lebenslauf, ihre Probleme, ihre Freuden und Sorgen? Als Kind ist ...

Diese Frage habe ich mir gestellt, nachdem ich dieses Buch gelesen hatte. Was weiß man eigentlich wirklich über die eigenen Eltern, ihren Lebenslauf, ihre Probleme, ihre Freuden und Sorgen? Als Kind ist man zunächst zu jung, um ihren Lebensweg zu erfassen, als junger Mensch ist man zu stark mit der eigenen Selbstfindung und Familiengründung beschäftigt, und danach kann es manchmal schon zu spät sein....
Monika Helfer geht in diesem Buch der Frage nach, wie ihr Vater wirklich war und wie er sein Leben gestaltet hat. Dies ist nicht ihr erstes Buch, das sich mit Familienforschung beschäftigt, denn in 'Die Bagage' beschreibt sie bereits das Leben ihrer Großeltern. Diese hatten viele Kinder, und eines davon ist die Mutter der Autorin. Ich fand es sehr interessant, nebenbei zu lesen, wie es den Kindern in ihrem Leben ergangen ist.
Josef, von seinen Kindern 'Vati' genannt, weil er das so wünscht und weil es modern ist, war im Krieg und trägt eine Beinprothese. Er ist belesen, intelligent und wurde schon als Kind respektiert. Aber er ist sehr verschwiegen, und deshalb muss die Autorin im Umfeld recherchieren, um sich ein nahezu fertiges Bild machen zu können. Josef lernte im Lazarett seine Frau kennen und lieben, mit ihr hat er insgesamt 4 Kinder, er wurde Verwalter in einem Kriegsopfererholungsheim in den Bergen, hatte somit einen verantwortungsvollen Posten und konnte seiner eigenen Famile dort ein schönes Leben bieten. Er hegt und pflegt die Bibliothek dieses Heimes und träumt davon, auch eines Tages eine solche zu besitzen. Dieser Wunsch führt zu einer krassen Entscheidung und verändert das gemütliche Familienleben. Die Familie lernt nun andere Lebensverhältnisse kennen, sehr beengt und eingeschränkt. Der Vater zerbricht daran.....
Die Autorin erzählt ruhig und gelassen von den Höhen und Tiefen ihres Lebens im Hinblick auf den Vater und die anderen Familienmitglieder. Es gibt Phasen, in denen man Vatis Entscheidungen nicht versteht, aber sie bemüht sich stets, Vatis Beweggründe zu deuten und zu erklären. Sie zeigt keine Unzufriedenheit und spricht keine Vorwürfe aus. Bewundernswert!
Historisch gesehen erleben wir die großen Entbehrungen der Nachkriegszeit mit, die engen Wohnverhältnisse, das kleine Budget, die strenge Erziehung der Kinder usw., was ich auch sehr eindrucksvoll fand.
Der Schreibstil ist zunächst etwas gewöhnungsbedürftig, kurze Sätze, Zeitsprünge und unbekannte Phrasen (österreichische Vokabeln!), aber man gewöhnt sich schnell daran.
Ich habe das Buch sehr gerne gelesen, es hat mich zum Nachdenken gebracht und nachgewirkt. Ich denke, im Leben meiner Eltern hätte ich noch vieles Wissenswerte finden können.

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