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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 25.05.2020

Auf der Suche nach Sinn in unruhigen Zeiten

Margos Töchter
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In diesem Buch lernen wir zunächst Jana kennen, eine junge Frau, 34 Jahre, die mit ihrer Familie auf dem Lande in Norddeutschland wohnt und dort glücklich ist. Sie hat den Hof von ihren Großeltern Margo ...

In diesem Buch lernen wir zunächst Jana kennen, eine junge Frau, 34 Jahre, die mit ihrer Familie auf dem Lande in Norddeutschland wohnt und dort glücklich ist. Sie hat den Hof von ihren Großeltern Margo und Henri geerbt. Jana hat einen Antrag auf Stasi-Akteneinsicht gestellt, denn sie möchte mehr über ihre Adoptivmutter Leonore erfahren, die mit 42 Jahren bei einem Unfall ums Leben kam. An einem Samstag bekommt sie per Post die Erlaubnis und ist total aufgeregt. Einerseits freut sie sich, dass es geklappt hat, andererseits hat sie Angst, dass sie dort etwas erfährt, was sie aus der Bahn wirft.
Das Buch präsentiert verschiedene Erzählebenen, die von Jana, Leonore und Clara erzählen. Clara ist eine Genossin aus Ostberlin, mit der Leonore eine Brieffreundschaft unterhielt. Mehr möchte ich hier nicht verraten. Wir erhalten tiefe Einblicke in ihre Lebensgeschichten und sehen sie immer wieder auf der Suche , ihrem Leben einen tieferen Sinn zu geben, egal um welchen Zeitabschnitt es sich handelt.
Da der Schreibstil der Autorin sehr flüssig und leicht ist, befindet man sich sehr schnell im Geschehen, und es lässt einen nicht mehr los. Man möchte immer mehr erfahren und das Buch nicht beiseite legen. Dabei handelt es sich nicht um spannungsgeladene Aktionen, sondern um die Lebensgestaltung und wichtige Entscheidungen der Protagonisten, allen voran Leonore, Clara und Jana, aber auch über Margo erfahren wir rückblickend vieles. Da ich den ersten Teil nicht kenne, konnte ich mir so trotzdem ein Bild von Margo machen.
In meinen Augen sind alle vier sehr starke Frauen, die sich nicht von der Gesellschaft und ihrer Umgebung in eine Rolle zwängen lassen, sondern ihren eigenen Weg rebellisch gehen, der oft nicht mit Rosen gepflastert ist, der aber fast immer eine neue Hoffnung bereit hält. Im Prinzip handelt es sich um eine Familiensaga, mit all ihren beachtlichen Höhen und Tiefen, mit Schicksalsschlägen, die zerstören, aber trotzdem neue Wege aufweisen.
Was mir besonders gut gefallen hat, sind die historischen Rückblicke auf gesellschaftliche Umwälzungen bzw. Bestrebungen im vorigen Jahrhundert, die ich teilweise selbst miterlebt habe: die politische Unterwanderung der Studenten, die RAF, die Umweltprobleme (sterbende Bäume gibt es bereits da schon), die Revolution in der Kindererziehung (Kinderläden!), das vorsichtig aufkeimende Umweltbewußtsein, der Super-Gau von Tschernobyl, 'German Angst' usw.
Mir hat das Buch sehr gut gefallen, es hat mich regelrecht gefesselt, brachte es mir doch viele Erinnerungen zurück an turbulente Zeiten. Aber ich denke, es ist nicht nur für die ältere Generation interessant, sondern auch für die heute jungen Leute, die wahrscheinlich selten so interessante Details einer vergangenen Epoche erfahren. Und wie oft wiederholt sich etwas!

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Veröffentlicht am 15.05.2020

Hochspannung bis zur letzten Seite

Das Haus am Moor
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Theo, 11 Jahre alt und seit einem Unfall an den Rollstuhl gebunden, wird entführt. Gleich zu Beginn beobachten wir drei der Entführer bei ihren Vorbereitungen für ihr geplantes Verbrechen. Aber es läuft ...

Theo, 11 Jahre alt und seit einem Unfall an den Rollstuhl gebunden, wird entführt. Gleich zu Beginn beobachten wir drei der Entführer bei ihren Vorbereitungen für ihr geplantes Verbrechen. Aber es läuft nicht wie geplant, und alles wird viel schlimmer als angedacht. Denn zeitgleich fliehen zwei Teenager aus einem Heim und wollen sich in einer verlassenen Kate zunächst verstecken. Dort angekommen, stellen sie fest, dass dieses alte Haus nicht nur ihr Unterschlupf sein soll. Es kommt zum Zusammenstoß mit schlimmen Folgen....
Dieses Buch ist so fesselnd, dass man es in einem Rutsch durchlesen möchte. Ich hatte unruhige Nächte und würde dieses Buch als Thriller einstufen, denn der nervliche Thrill ist permanent da. Man fiebert regelrecht mit. Cliffhanger am Ende der einzelnen Kapitel sorgen dafür, dass man unbedingt noch weiterlesen muss, so dass das Buch sich als regelrechter Pageturner outet. Immer wieder kommt es zu unerwarteten Wendungen, die alle nachvollziehbar sind und keine Fragen offen lassen. Ganz geschickt lässt die Autorin uns falschen Spuren folgen, die uns vor neue Rätsel stellen. Denn auch wenn wir drei der Entführer zu Beginn bereits kennenlernen, bleibt immer noch die Frage, wer der Oberboss ist, bei dem alle Fäden zusammenlaufen. Das Miträtseln hat mir sehr gut gefallen.
Die Charaktere sind gut herausgearbeitet. Die Spanne ist groß, vom Psychopathen bis hin zum soften Weichei. Sympathieträger ist allen voran die Hauptkommissarin Lyn Harms, die sorgfältig und mit vollem Einsatz ermittelt, obwohl sie nur eine Teilzeitstelle hat auf Grund ihrer familiären Situation. Man fühlt aber, dass sie ihren Beruf liebt und darin aufgeht. Für mein Empfinden ist manchmal zuviel Privates beschrieben, z.B. die Essgewohnheiten der Familie oder ein Eifersuchtsanfall des Gatten. Aber darüber konnte ich schnell hinweglesen, denn im Vordergrund steht der Kriminalfall.
Sehr schön ist, dass die Geschichte aus verschiedenen Perspektiven beschrieben wird, so dass man die Handlungen besser einordnen kann und 'hinter die Kulissen' schaut. Der Schreibstil ist flüssig und leicht, man kann sich gut in die jeweilige Szene hineinversetzen...und mitzittern!
Ich kann das Buch jedem empfehlen, der sich gern in das Geschehen einbringt und sich als 'heimlicher Ermittler' betätigt. Auch wenn es mal ein Quantum weniger Schlaf gab, ist mir das Buch volle fünf Sterne wert.

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Veröffentlicht am 06.05.2020

Herzenswärme und positives Denken

Wie uns die Liebe fand
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Das sind zwei Eigenschaften, die Madame Manon zweifellos besitzt und die in ihrer Lebensgeschichte, die sie hier erzählt, immer wieder durchdringen. Madame Nanon, 92 Jahre alt, blickt auf ihr Leben zurück, ...

Das sind zwei Eigenschaften, die Madame Manon zweifellos besitzt und die in ihrer Lebensgeschichte, die sie hier erzählt, immer wieder durchdringen. Madame Nanon, 92 Jahre alt, blickt auf ihr Leben zurück, das nicht immer einfach war, denn ihr Vater wurde als Deserteur erschossen und ihr eigener Ehemann starb relativ früh, so dass sie ihre vier Töchter weitgehend allein großziehen musste. Die alte Dame hat ihr ganzes Leben in Bois-de-Val im Elsass verbracht, einem kleinen Dorf mit 1300 Einwohnern, das sie in ihr Herz geschlossen hat. Ein großer Einschnitt in ihrem Leben passiert, als sie von Monsieur Boberschram, einem Nachbarn, dessen kleinen unscheinbaren Lebensmittelladen geschenkt bekommt. Aus diesem macht sie, zusammen mit ihren Töchtern, einen beliebten Treffpunkt für das ganze Dorf, in dem neben den normalen Dingen elsässische Spezialitäten verkauft werden, und auch eine besondere Erfindung, die sogenannten 'Liebeskugeln', die im Dorf so einiges ins Rollen bringen.
Der Schreibstil der Autorin hat mich sofort angesprochen, denn hier hat man das Gefühl, dass man der alten Dame im Café gegenüber sitzt und sie aus ihrem reichhaltigen Erfahrungsschatz plaudert. Sie schreibt fließend und detailliert. Außerdem spricht sie den Leser öfters direkt an ("....das kann ich Ihnen sagen...."), was dem Buch eine sehr persönliche Note gibt und mit gut gefällt. Außerdem ist da eine Prise Ironie und Selbstkritik, die einem immer wieder ein Lächeln auf die Lippen zaubert. Unterschwellig ist immer ein gewisser Humor vorhanden, fein und witzig, der das Leben nicht so ernst sieht. Es gibt immer einen Weg....
Das ganze Buch drückt die Herzenswärme und die Liebe aus, die von Madame Nan ausgehen und die sie an ihre vier Töchter weitergegeben hat, wenn auch in unterschiedlichen Portionen. Man möchte Mitglied dieser Familie sein, sich in diesem Kreis wohlfühlen. Es ist eine Geschichte voller Liebe, auch wenn mancher Schicksalsschlag beschrieben wird.
Gut gefallen hat mir auch das Lokalkolorit zum Elsass, eine Region, die mir weitgehend unbekannt ist, und der historische Hintergrund, besonders die Vorkommnisse im 2. Weltkrieg, die das Buch ergänzen. Vervollständigt wird dieser Bereich durch einige elsässische Rezepte am Ende des Buches, von denen ich sicherlich mal eines ausprobieren werde.
Das Cover entspricht dem Buch, die bunten Blütenblätter wenden sich alle zur Mitte, wo groß das Wort 'Liebe' steht, wie sich die Bewohner des kleinen Dorfes dem neuen Zentrum zuwenden, wo sie mit Herz und Freundlichkeit empfangen werden.
Ein sehr positives Buch, auch wenn mir ein paar Passagen etwas zu detailliert beschrieben wurden, so dass eine gewisse Langatmigkeit auftrat. Außerdem kommen mir die erotischen Explosionen doch etwas unglaubhaft und übertrieben vor, aber das rechne ich der dichterischen Freiheit zu.
Alles in allem kann ich das Buch empfehlen, es breitet Wohlgefühl aus und beschreibt die Liebe als Mittelpunkt des Lebens.

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Veröffentlicht am 04.05.2020

Unglaubhafte Entscheidungen und fehlende Tiefe

Die verlorene Tochter der Sternbergs
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Amanda, eine Jüdin in Berlin kurz vor dem 2. Weltkrieg, hat einen kleinen Buchladen, bis die Nazis ihre Bücher verbrennen. Ihr Mann ist Kardiologe und in Amandas Augen so hoch geschätzt, dass das Paar ...

Amanda, eine Jüdin in Berlin kurz vor dem 2. Weltkrieg, hat einen kleinen Buchladen, bis die Nazis ihre Bücher verbrennen. Ihr Mann ist Kardiologe und in Amandas Augen so hoch geschätzt, dass das Paar nicht an Flucht denkt wie viele andere Juden. Im Gegenteil, sie gründen eine Familie und bekommen zwei Töchter. Die Lage wird immer bedrohlicher, Amandas Mann wird interniert, und nun muss Amanda handeln. Geplant ist, dass die beiden Mädchen zu einem Verwandten nach Kuba geschickt werden, während Amanda zunächst in Frankreich bei einer Bekannten der Familie unterkommt. Kurz bevor das Schiff den Hafen verlässt, entscheidet Amanda, nur ein Kind an Bord zu schicken und das andere nach Frankreich mitzunehmen. Wie kann eine Mutter eine solche Entscheidung treffen?
Bis zu diesem Zeitpunkt habe ich noch ein spannendes und emotionsgeladenes Buch erwartet, aber ich wurde enttäuscht. Was nun folgt, ist eine Aneinanderreihung vieler Geschehnisse, die aber im Sande verlaufen, für die man keine Erklärung findet und die viele Fragen offen lassen. Zunächst nimmt man noch an, dass der Autor später wieder auf die Ereignisse zurückkommen wird, aber eindeutig Fehlanzeige! Wir lernen Menschen kennen, erfahren aber nicht, was aus ihnen wird, wir erleben Situationen, die ohne weiteres Hintergrundwissen einfach unverständlich sind und wir erleben Entscheidungen, die nicht nachvollziehbar sind.
Auf diese Weise kommt keine emotionale Bindung an die Protagonisten auf, und selbst die geschilderten Gräueltaten der Nazis nimmt man nur als Sachverhalt wahr, ohne wirklich Entsetzen zu empfinden. Die Personen sind farblos dargestellt, ohne wirkliche Höhen und Tiefen, eher ergeben sie sich willenlos ihrem Schicksal. Das macht das Buch spätestens nach dem ersten Drittel langatmig und lässt keine Leselust aufkommen. Schade! Teilweise sind in meinen Augen die Kinder nicht altersgemäß geschildert, sie wirken wie frühreife Erwachsene.
Vieles wird ausschweifend erzählt, hat aber keine Bedeutung für die Gesamthandlung, z.B. das Herumstöbern der Kinder im Kloster, während historisch bedeutende Entwicklungen, wie z.B. die Arbeit der Résistance in Frankreich, nur gestreift werden. Das lässt mich unzufrieden zurück.
Was ich positiv finde, ist die Recherche des Autors zum historischen Hintergrund, was auch im Anhang Erwähnung findet, und auch die Idee der Einbettung der Erlebnisse in eine aktuelle Rahmenhandlung. Aber leider ist die Umsetzung in meinen Augen misslungen.
Ich gebe zwei Sterne für die Idee und die Historie, mehr ist nicht drin, da letztendlich doch alles sehr an der Oberfläche bleibt und nicht weiter verfolgt wird.

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Veröffentlicht am 26.04.2020

Erbarmungslos und abgestumpft

Das wirkliche Leben
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Wir begegnen in diesem Buch einer Familie, in der das Zusammenleben auf falschen Bahnen läuft. Der Vater, Buchhalter in einem Vergnügungspark, liebt die Jagd und den Whisky, aber leider nicht seine Familie, ...

Wir begegnen in diesem Buch einer Familie, in der das Zusammenleben auf falschen Bahnen läuft. Der Vater, Buchhalter in einem Vergnügungspark, liebt die Jagd und den Whisky, aber leider nicht seine Familie, was seine Frau hautnah zu spüren bekommt. Die Mutter, Hausfrau, liebt ihre Tiere und bringt hier deutlich mehr Fürsorge auf als für die Menschen um sie herum, sie fügt sich in ihre Opferrolle. Das Mädchen, überdurchschnittlich begabt, sieht ihre Mission darin, ihren jüngeren Bruder Gilles bei Laune zu halten und ihm die von den Eltern vorenthaltene Zuneigung zu schenken.
Zunächst fand ich das Mädchen genial, denn sie war die einzige in der Familie, die sich nach einem tödlichen Unfall des Eismannes, den ihr kleiner Bruder miterlebte, um ihn kümmerte, ihn ablenken wollte und versuchte, seinen Schockzustand zu durchbrechen. Ich hielt sie für stark und empathisch, was sich später aber wandelte in eine gehörige Portion Egoismus und Gleichgültigkeit. Sie beobachtet sehr viel Unrecht, unternimmt aber nichts dagegen, obwohl sie meiner Meinung nach geistig dazu in der Lage wäre. Sie sieht, dass ihr Bruder Tiere quält, unternimmt aber nichts. Sie sieht die Ungerechtigkeit, die ihrer Mutter widerfährt, steht ihr aber nicht bei, sondern sieht in ihr nur eine stumpfsinnige Amöbe. Als sie dann schließlich noch einen jungen Familienvater verführt, war meine Bewunderung ganz dahin, so dass ich mich schließlich fragte, ob dies noch realistisch ist....
Zweifel an der Nachvollziehbarkeit der Geschichte kamen mir auch in anderen Szenen des Buches, besonders als das Mädchen selbst in die Opferrolle fällt. Die geschilderten Grausamkeiten fand ich äußerst brutal und skrupellos, teilweise regelrecht blutrünstig. Für meinen Geschmack zu viel! Hier hätte ich mir auch gefühlsmäßig mehr Tiefgang gewünscht, denn es kann doch nicht sein, dass ein verletzter und gedemütigter Teenager gleich am nächsten Tag wieder zum Alltag zurückkehrt und von einer Zeitmaschine träumt. Schließlich ist mir auch die Symbiose zwischen Gilles und der ausgestopften Hyäne zu abstrus.
Der Schreibstil ist flüssig, aber irgendwie bedrückend, was in großartiger Form die Trostlosigkeit der Gesamtsituation ausdrückt. Allerdings fand ich manche Wörter abstrus, z.B. 'Geschmeiss im Kopf', was nicht zu meinem Sprachgebrauch gehört. Vielleicht ein Problem der Übersetzung?
Eine weitere Stärke der Autorin liegt darin, Atmosphäre zu schaffen: im dunklen Wald hört man regelrecht die angstvollen Herzschläge und sieht die unheilvollen Erscheinungen, am Abendessentisch fühlt man die angespannte Stimmung usw. Auch in das niederdrückende Gefühl im Kadaverzimmer konnte ich mich gut hineinversetzen.
Alles in allem habe ich das Buch zwar mit Spannung gelesen, fand aber einige Szenen zu brutal und unrealistisch, so dass ich es nur eingeschränkt empfehlen kann.

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