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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 08.09.2019

Rasante Suche

ATME!
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Sehr positiv aufgefallen ist mir an diesem Buch der ungewöhnliche Schreibstil, der durch die überwiegend kurzen und teilweise abgehackten Sätze Hektik und Panik ausdrückt. Man kann förmlich die Verzweiflung ...

Sehr positiv aufgefallen ist mir an diesem Buch der ungewöhnliche Schreibstil, der durch die überwiegend kurzen und teilweise abgehackten Sätze Hektik und Panik ausdrückt. Man kann förmlich die Verzweiflung der Protagonistin Nile spüren, die durch die Stadt rast, um ihren Freund Ben zu finden. Dieser ist nämlich auf kuriose Weise verschwunden, während Nile ein Kleid für die anstehende Hochzeit der beiden anprobiert. Er hatte vorn im Geschäft im Wartebereich gesessen, aber als Nile ihm das neue Kleid zeigen will, ist er nicht mehr dort, wo sie ihn zuletzt gesehen hat, und eine dramatische Suche beginnt....Angst und Verzweiflung prägen von nun an Niles Tage, die sich ausschließlich darum drehen, Ben zu finden. Und diese Panik drückt die Autorin durch ihren rasanten Schreibstil sehr treffsicher aus. Man sieht Nile förmlich vor sich, immer außer Atem, bevor sie schnell wieder den nächsten Gedanken bzw. die nächste Aktion startet.
Und zu diesem Geschehen passt auch das Cover wunderbar, denn die abgebildete Frau entspricht Nile bei ihrer panischen Suche nach ihrem Lebenspartner. Auf dem Cover dreht sie sich um und wirkt gehetzt, was dem Erzählstil hervorragend entspricht. Auch die Farben schwarz und weiß passen sehr gut, denn Niles Gedanken wechseln zwischen Hoffnung und Liebe auf der einen Seite sowie Trauer und Hass auf der anderen.
Nachdem Nile mir anfangs sehr sympathisch war, da sie so besorgt nach ihrer großen Liebe Ben sucht und einen ungeheuren Aktionismus an den Tag legt, ändert sich dieses im Laufe des Buches, da viele ihrer Aktionen total überzogen sind und andere Personen empfindlich getroffen werden. Ich muss jedoch sagen, dass die Autorin die psychotische Frau sehr treffend und umfassend beschrieben hat.
Ich habe das Buch sehr gern gelesen, da es durchweg spannend war und ich einfach der Auflösung entgegen fieberte. Am Ende wurde ich jedoch enttäuscht, da das Ende nicht klar abgrenzbar ist zwischen Fantasie und Wirklichkeit. Deshalb habe ich auch einen Stern abgezogen.
Insgesamt jedoch ist das Buch empfehlenswert! Und es wirkt nach....ich habe noch länger über diese verzwickte Situation nachgedacht und jetzt im Moment auch schon wieder.

Veröffentlicht am 23.08.2019

Lebensbejahend und optimistisch

Im Freibad
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Dieses Buch würde ich in die Kategorie 'Mutmach-Buch' stecken, denn es strahlt Wärme und Hoffnung aus, indem es zeigt, wie ein ängstlicher und einsamer Mensch durch soziale Berührungen lebensbejahend und ...

Dieses Buch würde ich in die Kategorie 'Mutmach-Buch' stecken, denn es strahlt Wärme und Hoffnung aus, indem es zeigt, wie ein ängstlicher und einsamer Mensch durch soziale Berührungen lebensbejahend und entspannt werden kann. Ich habe es im Sommer bei warmen Temperaturen draußen gelesen und es hat mich in eine harmonische Welt entführt.
Inhaltlich geht es um Rosemary, 86 Jahre alt, aber immer noch sehr rüstig und agil. Sie hat ihr Leben fest geplant und dazu gehört auch das regelmäßige Schwimmen im Freibad um die Ecke. Mit diesem Bad verknüpft sie auch viele positive Erinnerungen ihres Lebens. Nun soll das Bad geschlossen werden und Rosemary ist verzweifelt, oder eher wütend. Aber selbstbewußt wie sie ist, gibt sie nicht einfach auf, sondern kämpft. Sie ist eine beeindruckende Persönlichkeit und ich habe mir insgeheim gewünscht, ich würde sie kennen.
Die zweite Hauptprotagonistin ist Kate, eine junge Journalistin, die aus einer ländlichen Gegend, wo man sich gegenseitig auf der Straße grüßte, nach London gezogen und fühlt sich hier nicht wirklich wohl. Alles um sie herum ist laut und unpersönlich, daher ist sie einsam und erleidet gelegentlich Panikattacken. Sie bekommt den Auftrag, über das alte Freibad und die drohende Schließung einen Bericht zu schreiben. So lernen sich die beiden Frauen kennen und schließen Freundschaft, die besonders für Kate einen wunderbaren Wandel bewirkt.
Libby Pages Roman ist einfach zu lesen, gut verständlich und sie zieht den Leser mit in eine andere Welt, in der Herzenswärme regiert und Feindseligkeiten die große Ausnahme sind. Wirklich sehr lesenswert in dieser rauen Welt, in der oft Respektlosigkeit und Gefühlskälte regieren.
Was mir auch sehr gut gefallen hat, ist die lebendige Beschreibung des Londoner Stadtteils Brixton. Ich kenne diesen Teil Londons und kann nur sagen, dass Libby Page die Atmosphäre dort sehr gut eingefangen hat, indem sie Rosemarys Alltag dort beschreibt.
Man darf hier keine spannungsgeladenen Aktionen erwarten, sondern muss sich einlassen in die ruhige Handlung. Trotzdem ist Spannung da, man möchte immer wissen, wie sich alles weiterentwickelt.
Ich kann das Buch wärmstens empfehlen, es bekommt von mir höchste Anerkennung!

Veröffentlicht am 20.08.2019

Nichts für Thrillerfans

Der Kinderflüsterer
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Dieses Buch trägt den Sticker 'Der Bestseller des Jahres', allerdings muss ich sagen, dass der Roman diesem Ruf nicht gerecht wird. Er ist zwar spannend, aber könnte viel mehr Potenzial verwirklichen. ...

Dieses Buch trägt den Sticker 'Der Bestseller des Jahres', allerdings muss ich sagen, dass der Roman diesem Ruf nicht gerecht wird. Er ist zwar spannend, aber könnte viel mehr Potenzial verwirklichen. Ganz besonders hat mich gestört, dass bereits in der Mitte des Buches auf den tatsächlichen Täter hingewiesen wird und die Spannung nur noch darin besteht, wie er entdeckt und überführt wird. Da fehlt mir persönlich das so beliebte Miträtseln, das prickelnde Gefühl, nah am Geschehen zu sein. Es gibt zwar die ein oder andere falsche Fährte, aber das ist jeweils bereits absehbar. Nun gut, das Buch ist als Roman deklariert, somit kann ich keinen Thrill erwarten, aber nach der spannenden Leseprobe hatte ich zunächst das Gefühl, dass es nervenaufreibend würde. Es passiert auch nicht wirklich viel, das Buch ist eher gefüllt mit Gedankengängen und Dialogen.
Tom Kennedy zieht nach dem plötzlichen Tod seiner Ehefrau Rebecca nach Featherbank, um ein neues Leben zu starten und sich allmählich aus der Trauerphase zu winden. Besonders seinen Sohn Jake hat der Tod der Mutter hart getroffen und Tom hofft, durch den Ortswechsel eine neue Grundlage zu finden. Das bleibt leider eine Wunschvorstellung, denn bereits vor 20 Jahren wurde die Kleinstadt durch eine Mordserie an Kindern bekannt, der damalige 'Kinderflüsterer' sitzt allerdings in Haft. Und nun hat der Kinderflüsterer wieder zugeschlagen und versetzt die Stadt in Unruhe, in die auch Tom und Jake hineingezogen werden.
Der Spannungsbogen setzt am Anfang gut an, man erwartet nervenaufreibende Unterhaltung, aber dann wirds ab Mitte langatmig durch Wiederholungen und unnötige Füllelemente, die nichts zur Geschichte beitragen. Auch wirkt manches zu sehr konstruiert, einfach im realen Leben nicht nachvollziehbar. Ja, und dann sind da noch die spirituellen Elemente, für die sich nur teilweise eine Erklärung findet. Die anderen bleiben ungeklärt, womit ich mich nicht zufrieden geben kann.
Die Protagonisten werden bis auf zwei Ausnahmen recht oberflächlich beschrieben, so dass sie sehr distanziert erscheinen. Nur Jake und sein Vater werden detailliert und verständlich beleuchtet, so dass man schnell Empathie entwickelt. Die Ermittler werden nur mit ihren Problemen charakterisiert: Stress und drohender Rückfall zum Alkohol. Schade!
Der Schreibstil war in Ordnung, lebendig und gut verständlich. Es gab keine Probleme, den Schilderungen zu folgen.
Positiv ist auch das Cover zu erwähnen, der Schmetterlingsflügel, stilisiert und haptisch zugleich, der sofort als Eyecatcher fungiert.
Leider kann ich das Buch nicht uneingeschränkt empfehlen, auf jeden Fall nicht den Hardcore-Thriller Fans, sondern eher für Liebhaber softer Kriminalromane.

Veröffentlicht am 10.08.2019

Keine leichte Lektüre, aber außerordentlich beeindruckend

Auf Erden sind wir kurz grandios
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Was für ein Buch! Es ist keine Lektüre, die man auf dem Weg in den Urlaub im Auto oder Flugzeug liest. Ich brauchte komplette Ruhe, um die einzelnen Kapitel, obwohl sie meist kurz gehalten sind, auf mich ...

Was für ein Buch! Es ist keine Lektüre, die man auf dem Weg in den Urlaub im Auto oder Flugzeug liest. Ich brauchte komplette Ruhe, um die einzelnen Kapitel, obwohl sie meist kurz gehalten sind, auf mich wirken zu lassen und auch hinter den Zeilen zu lesen.
Ocean Vuong schreibt dieses Buch für seine Mutter, die er auch immer wieder anredet. Das Fatale ist aber, dass seine Mutter Analphabetin ist und niemals die Zeilen empfängt. Der Sohn schreibt dieses Buch, um seine zum Teil traumatischen Erlebnisse in Kindheit und Jugend zu bewältigen bzw. aufzuarbeiten und vielleicht Antworten auf offene Fragen zu bekommen. Letztere wird er jedoch nie von seiner Mutter bekommen, sondern er muss sie selbst finden.
'Little Dog', wie er genannt wird, hat eine harte, von Gewalt und Hoffnungslosigkeit dominierte Kindheit und Jugend hinter sich, aber das Buch soll nicht anklagen, denn immer wieder erstrahlt durch alle schlimmen Erlebnisse die Liebe hindurch. Er liebt seine Mutter, seine Großmutter und viele andere Menschen, die ihm im Leben begegnet sind und keine so große Rolle gespielt haben, z.B. Manny von der Tabakplantage. Und diese Menschen lassen trotz aller Grausamkeit, Ablehnung oder Gleichgültigkeit auch immer wieder Liebe, Zuneigung und Sympathie durchscheinen, so z.B. sein Großvater Paul, der eigentlich nicht sein leiblicher Verwandter ist. Und diese positiven Gefühle helfen ihm, die Traumata zu verarbeiten.
Die Rückblicke sind sehr anrührend, teilweise erschütternd und aufwühlend. Man versucht sich die jeweilige Situation vorzustellen, ist aber oft überwältigt von der extremen Herausforderung, z.B. wie der Sohn seiner total erschöpften Mutter den Rücken massiert und die Haut entgiftet, die unter den giftigen Ausdunstungen des Nagelstudios leidet.
Aber bei diesem Buch steht nicht der Inhalt an erster Stelle, obwohl es zunächst den Anschein hat, sondern Ocean Vuongs Sprachkunst bzw. Sprachgewalt. Diese reißt einen mit und entführt in eine ganz fremde Welt. Und diese Welt entspringt der Seele des Autors, die er nach außen entblößt mit seinen bewegenden Beschreibungen und Umschreibungen, um Ruhe zu finden, um sich von den bedrückenden Erinnerungen zu befreien.
Große Literatur in meinen Augen, die herausfordert und noch lange nachwirkt....

Veröffentlicht am 04.08.2019

Wessen Herz ist wirklich rein?

Mein Herz so schwarz
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Ein außergewöhnlicher Vorfall: ausgerechnet an ihrem Hochzeitstag stürzt Evie Rousseau-White von den Klippen in das Meer. War es Selbstmord? Aber warum sollte sie sich das Leben nehmen, sie heiratet und ...

Ein außergewöhnlicher Vorfall: ausgerechnet an ihrem Hochzeitstag stürzt Evie Rousseau-White von den Klippen in das Meer. War es Selbstmord? Aber warum sollte sie sich das Leben nehmen, sie heiratet und hat ein scheinbar sorgenfreies Leben vor sich. Oder war es Mord, angeblich war Evie kurz vor dem Sturz in einen heftigen Streit involviert. Fragen über Fragen ergeben sich im ersten Drittel dieses Buches und verleiten den Leser direkt zum Miträtseln, was mir sehr gut gefallen hat.
Die Geschichte verläuft in zwei Erzählsträngen, auf der einen Seite wird Evies Biographie beleuchtet, und wir lernen ihre Familie, die Probleme ihrer Kindheit, ihre Lebenseinstellung, ihre soziale Position und ihren Lebenswandel kennen bis zum Tag der Hochzeit. So erhalten wir weitere Anhaltspunkte, um das Rätsel ihres Klippensprungs zu lösen, und die Suche nach der Wahrheit geht weiter. Auf der anderen Seite begleiten wir ihren frischgebackenen Ehemann Richard und ihre allerbeste Freundin Rebecca auf der Suche nach möglichen Motiven für Evies plötzliches Ausscheiden aus dem Leben. Sehr intensiv werden hier Rebeccas Gedankengänge in der Ich-Form geschildert, wodurch wir wiederum viele Hinweise erhalten, um Evies Sprung in die Tiefe zu erklären. Aber nicht alle Hinweise erweisen sich als nützlich, sondern enden in Sackgassen, so dass es wirklich bis zum Ende spannend bleibt. Das hat für mich den Reiz dieses Buches ausgemacht!
Beide Erzählstränge werden am Ende von der Autorin geschickt und nachvollziehbar zusammengefügt, ergeben ein authentisches Ganzes und präsentieren uns die überraschende Wahrheit.
Die Hauptprotagonisten sind Evie und Rebecca, 'best friends' auf den ersten Blick, aber ist die Freundschaft wirklich im Gleichgewicht? Denn Rebecca vergöttert Evie regelrecht und wandelt nur auf ihren Spuren, dafür wird sie von Evie mit Aufmerksamkeit und Geschenken belohnt, beides hat sie in ihrem Leben bislang entbehren müssen. Die beiden teilen im Prinzip ihr Leben und Rebecca bekommt tiefe Einblicke in Evies Seelenleben. Kann sie also die Motive für Evies plötzlichen Sprung liefern? Der Leser bleibt lange Zeit im Ungewissen....
Abgesehen von einer unnötigen Länge im Mittelteil hat mich das Buch fasziniert, und ich war permanent motiviert weiterzulesen, denn es fanden sich oft Cliffhanger in den kurzen Kapiteln, die neugierig auf den folgenden Abschnitt machten. Besonders im letzten Drittel konnte man das Buch kaum aus der Hand legen.
Ich habe die Autorin erst mit diesem Buch kennengelernt, habe aber Lust bekommen, mich mit den Vorgängerbänden beschäftigen. Ich spreche eine klare Leseempfehlung aus für Thrillerfans, für die nicht 'Action and Blood' im Mittelpunkt stehen müssen, sondern die gern Mutmaßungen anstellen und mitreflektieren.

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