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Veröffentlicht am 03.06.2022

Deutschland, einig .... Frettchenland

Frettchenland
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Oder auch gerade nicht, denn Frettchen sind ganz schön heftige Gesellen und als solche entlarvt Autor Rainer Wittkamp auch einige seiner Landsleute - bei weitem nicht alle, wohlgemerkt. Sein Augenmerk ...

Oder auch gerade nicht, denn Frettchen sind ganz schön heftige Gesellen und als solche entlarvt Autor Rainer Wittkamp auch einige seiner Landsleute - bei weitem nicht alle, wohlgemerkt. Sein Augenmerk gilt vor allem denjenigen, die sich auf der Politbühne der Bundeshauptstadt tummeln - und das bei weitem nicht in der ersten Reihe. Lügner und Betrüger, vor allem Profitgierige gibt es auf allen Ebenen - vom Staatssekretär über diverse Lobbyisten, den Staatsschutz auf allen Ebenen... und, und, und.

Eingebettet ist das alles in eine ebenso spannende wie unterhaltsame Handlung um die Ermordung einer Personenschützerin, die im Politmilieu eingesetzt wurde und - wie sich nach und nach herausstellt - auch anderweitig durchaus auf dünnem Eis bewegte. Ihr Umfeld - die Großmutter mitsamt überaus originellem Faktotum - ist eine Klasse für sich. Allein die Bekanntschaft mit ihnen lohnt die Lektüre dieses Krimis. Aber er birgt ja so viel mehr, nicht zuletzt tiefe und allertiefste Einblicke in die Auswüchse menschlicher Gier.

Als ich das Buch beiseite legte - selbstverständlich ausgelesen - liefen mir kalte Schauer über den Rücken, denn genauso ist es bzw. könnte es sein. Ganz schön erschreckend, finde ich. Gut, dass die redlichen und unbestechlichen Kommissare Nettelbeck und Täubner weiterhin auf alles ein Auge haben - hoffentlich auch bald in der nächsten Folge dieser spannenden Krimireihe.

Ein wenig abträglich für das Lesevergnüge war aus meiner Sicht der Stil der für ein so kurzes Buch überaus zahlreichen Dialoge :in der wörtlichen Anrede wurden ständig Vornamen eingebaut,.
Hier ein Beispiel von S. 75 f. :
Unbedingt, Andreas.
Ich habe gute Nachrichten, Andreas.
Dreimal daneben, Nils,
Kleiner Versprecher, Andreas.
Und das waren längst nicht alle in einem relativ kurzen Gespräch - für mich ganz klar des Guten zu viel.

Abgesehen davon ein wirklich gelungener Hauptstadtkrimi mit jeder Menge spannender Details zur Stadt, ihrer Geschichte - und zum Jazz, der perfekt in das Handgepäck für eine Wochendendreise nach Berlin passt!

Veröffentlicht am 31.01.2022

Plötzliche Extremsituationen im Alltag

Milch Blut Hitze
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ie Miniaturen der Autorin Dantiel W. Moniz beschreiben fragile Frauenfiguren, die die Brutalität des Alltags am eigenen Leib erfahren. Die junge Autorin arbeitet wirkungsvoll heraus, wie es unvermittelt ...

ie Miniaturen der Autorin Dantiel W. Moniz beschreiben fragile Frauenfiguren, die die Brutalität des Alltags am eigenen Leib erfahren. Die junge Autorin arbeitet wirkungsvoll heraus, wie es unvermittelt in der Normalität, im eigenen Alltag zu einer Extremsituation kommen kann, die alles verändert.

Die Geschichten sind nicht unbedingt extrem kurz, für mich sind sie dennoch Miniaturen, die sich auf eine kurze Zeitspanne fokussieren; wir blicken sozusagen hinein zu dem Menschen - unser Eindruck von ihm und seinem Umfeld entsteht aufgrund der Bedingungen und Entwicklungen in diesem kurzen Augenblick.

Moniz' Sprache ist durchaus eindringlich; sie gibt ihren jeweiligen Protagonisten - bzw. sind dies überwiegend Frauen - seinem Umfeld sowie dem Leser preis.

Ein besonderer Stil, der beeindruckt!

Veröffentlicht am 06.01.2022

Hoch im Norden

Land aus Schnee und Asche
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Nämlich im Norden Finnlands, im Land der Samen, also in Lappland, spielt dieser Roman der jungen finnischen Autorin Petra Rautiainen. Mich hat vor allem angesprochen, dass die Handlung während und relativ ...

Nämlich im Norden Finnlands, im Land der Samen, also in Lappland, spielt dieser Roman der jungen finnischen Autorin Petra Rautiainen. Mich hat vor allem angesprochen, dass die Handlung während und relativ kurz nach dem Zweiten Weltkrieg spielt - einem Krieg, in dem Finnland eine besondere Rolle einnahm und am Ende sehr viel Glück hatte: es hätte nämlich ebenso wie die Baltischen Staaten zu einem Teil der Sowjetunion werden können.

1947 reist die Fotografin Inkeri dorthin, um die Bemühungen zum Wiederaufbau des Landes kurz nach dem Krieg in einem Gebiet nahe der sowjetischen Grenze zu dokumentieren. Offiziell - denn eigentlich treiben sie andere Gründe um - ihr Mann Kaarlo verschwand während des Krieges spurlos.

Da sie mit ihrer Verwandtschaft zu ihm nicht unbedingt hinter dem Berg hält, wird ihr bald ein Tagebuch zugespielt, das ein Finne, der in einem Gefangenenlager vor Ort als Dolmetscher gearbeitet hat, verfasste. Schnell wird klar, dass sich Kaarlo dort befand - und zwar als Gefangener.

Diese geheimnisvollen Verwicklungen gepaart mit den historischen Details haben meine Neugierde geweckt und zunächst habe ich den Roman mit Begeisterung gelesen. Auch jetzt, nach Beendigung der Lektüre, betrachte ich diese noch als Gewinn, allerdings wurde so ab der Hälfte des Romans deutlich, dass die Autorin noch keine Erfahrung im Verfassen von Werken dieses Formats hatte: relativ unvermittelt wurden immer wieder neue Umstände eingeführt, die sich nicht so richtig in die Handlung einfügten - entweder fehlte der Anfang oder das Ende. Schade, es hätte richtig toll werden können, denn es ging nicht zuletzt um die rassistischen Repressionen gegen die Sami in jener Zeit.

Ich bin auch der Ansicht, dass Petra Rautiainen auf dem besten Weg ist, eine wirklich gute Autorin mit einer Botschaft zu werden. Dass sie diese Botschaft formulieren kann, hat sie hier eigentlich schon bewiesen. Sie hätte nur klarer und eindringlicher sein müssen - so meine Meinung.

Im Klappentext wird dieses Debüt als "kraftvoll" bezeichnet. Genau das ist es nicht, bzw. geht ihm die Puste zum Ende hin leider viel zu früh aus.

Veröffentlicht am 27.11.2021

Amy lebt den Schmerz

Der Himmel über Bay City
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Wir erfahren Amys Geschichte aus erster Hand; nämlich aus ihrer eigenen. Sie wächst in Bay City, einem kleinen Ort in Michigan in einem Blechhaus auf - ungeliebt von einer Mutter, die immer noch an ihrer ...

Wir erfahren Amys Geschichte aus erster Hand; nämlich aus ihrer eigenen. Sie wächst in Bay City, einem kleinen Ort in Michigan in einem Blechhaus auf - ungeliebt von einer Mutter, die immer noch an ihrer ersten, während der Geburt verstorbenen Tochter hängt.

Im Prinzip wird Amy von Babette, der jüngeren Schwester ihrer Mutter aufgezogen. Die Schwestern kamen aus Frankreich in die Staaten, um zu vergessen: zu vergessen, dass ihre Eltern sowie viele andere Verwandte in Auschwitz oder anderen Lagern ums Leben kamen, von Nationalsozialisten verbrannt wurden.

Doch kann Babette das nicht vergessen und Amy kann es auch nicht. Es wird nicht deutlich, in welcher Form dieses so schmerzvolle Erbe an Amy weitergeben wird. Viel gesprochen wird nicht darüber, doch ist die nonverbale Kommunikation im Hause eine unglaublich starke und so sehen irgendwann sowohl Babette als auch Amy die Großeltern im Haus - die doch eigentlich in Auschwitz ermordet wurden.

Amy erzählt sehr spröde und knapp von ihrem Leben, einem Leben, das sie nicht lieb, von dem sie sich gleichwohl nimmt, was sie möchte: Sex zum Beispiel und Drogen. Und immer wieder wird deutlich, wie sie unter der Abneigung ihrer Mutter leidet. Sie selbst wirkt gleichgültig, ab und zu wird ihre Abneigung gegen eine Person oder eine Angelegenheit deutlich, Positives ist selten zu spüren, aber es ist da.

Nach einer Katastrophe, die Amy laut eigeiner Aussage selbst verschuldet hat, verlässt sie Michigan und landet irgendwann nach Station in Indien in New Mexiko, wird Mutter einer Tochter - Heaven. Diese will sie unter allen Umständen von einem Schicksal wie dem ihrigen oder dem ihrer Tante Babette schützen.

Falls Sie - im wahrsten Sinne des Wortes - Blut geleckt haben: machen Sie sich bewusst, dass dies extrem schwere Kost ist. Ich habe Ewigkeiten gebraucht, um mich durch diesen Roman zu wühlen, ihn sozusagen zu erobern. Und auch er hat mich gewissermaßen erobert: durch den Schmerz und auch durch die Ohnmacht, die quasi aus jeder Zeile spricht. Ein Roman, der nur bei wenigen ankommen wird, gleichwohl jedoch aus meiner Sicht wichtig ist.

Veröffentlicht am 20.11.2021

Stille Nacht?

Das Geschenk
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Nach langen Jahren des Familienlebens möchten Peter und Kathrin Weihnachten endlich mal zu zweit feiern - eine spontane kleine Reise wird ins Auge gefasst, ans Meer zum Beispiel. Aber dann macht der Anruf ...

Nach langen Jahren des Familienlebens möchten Peter und Kathrin Weihnachten endlich mal zu zweit feiern - eine spontane kleine Reise wird ins Auge gefasst, ans Meer zum Beispiel. Aber dann macht der Anruf eines alten Freundes ihnen einen Strich durch die Rechnung: Klaus, seit vier Jahren Witwer, bittet die beiden, Weihnachten doch bei ihm zu verbringen. Und Kathrin kann dem Rest eines Paares, mit dem sie jahrelang befreundet waren, einfach nicht absagen.

An Ort und Stelle treffen sie auf eine junge, eine sehr junge Frau: Sharon. Sie stellt sich als "Die Neue von Klaus" vor und lässt die beiden erstmal dumm dastehen. Klaus muss alles andere als getröstet werden und die Besucher kommen sich veräppelt vor. Zumal Sharon als das Dummchen vom Dienst auftritt.

Doch so langsam, aber sicher zeigt sich, dass nicht alles so ist, wie es scheint und dass nicht alle so ticken, wie es den Anschein hat: in mancher Hinsicht auch man selber nicht. Alina Bronsky versteht es hier, sowohl Lesern als auch Gästen den Wind aus den Segeln zu nehmen und alles anders dastehen zu lassen.

Abgesehen davon, dass es Geschenke und einen relativ unterkühlten Kirchgang ist, ist die Handlung jedoch nicht sonderlich weihnachtlich gestaltet. Außer, man ist der Meinung, man sollte in Gesprächen ans Eingemachte gehen, wie es in einigen Familien wohl passiert. Jedenfalls muss der Leser hier nicht auf die entsprechende Eskalation verzichten. Ich hätte - gerade bei dieser Autorin auf ein bisschen mehr Stimmung gehofft. So bleibt ein eher ungutes Gefühl in bezug auf weihnachtliche Harmonie zurück.