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Veröffentlicht am 21.10.2023

Das Leben geht weiter

Abendrot
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Dieses Buch ist sozusagen die Fortsetzung des Romans "Lied der Weite, in dem verschiedene Leben zusammengewürfelt werden, ihre Gemeinsamkeit: alle Protagonisten leben wie in allen Romanen Harufs in der ...

Dieses Buch ist sozusagen die Fortsetzung des Romans "Lied der Weite, in dem verschiedene Leben zusammengewürfelt werden, ihre Gemeinsamkeit: alle Protagonisten leben wie in allen Romanen Harufs in der fiktiven Kleinstadt Holt in Colorado. Was nicht bedeutet, dass sie die Stadt nie verlassen. Nein, aber die wichtigsten Player kehren stets dorthin zurück.

Tom Guthrie mit seinen Söhnen Bobby und Ikem Victoria Roubideaux mit ihrer Tochter Katie, die Lehrerin, Maggie Jones, und die BrüderRaymond und Harold McPheron, sie alle treffen wir in diesem Roman wieder. Ihre Leben sind inzwischen mehr oder weniger eng miteinander verzahnt und es kommen weitere Akteure hinzu, die reizende, aber einsame Sozialarbeiterin Rose, ihre Schützlinge Luther und Betty mit ihren Kindern und der Junge DJ mit seinem kranken Großvater. So einige müssen Furchtbares durchmachen, bei anderen wiederum normalisiert sich das Leben um einiges.

Kent Haruf erzählt mit einer gewissen Distanz, dennoch warmherzig von seinen Helden des Alltags und immer wieder ist es ganz schön starker Tobak, den sie da durchmachen müssen. Doch immer wieder sind es Momente des Zusammenhalts, der Hilfsbereitschaft, die eine Wendung bringen und so klappt der Leser - zumindest ich - am Ende das Buch mit einem sehr warmen, wohligen Gefühl im Bauch zu.

Die Erzählweise des Autors ist sicher nichts für jeden, denn er schildert ausschließlich die jeweilige Gegenwart, blickt nicht zurück. Es sind also keine Figuren mit einer Historie, die wir kennenlernen bzw. erfahren wir nur ganz wenig und auch nur durch Hinweise der Charaktere selbst, wie sie zu dem wurden, was sie sind. Allerdings erstreckt sich die geschilderte Zeitspanne über etliche Monate, bzw. etwa ein Jahr und so gibt es durchaus Entwicklungen zu verfolgen , sowohl äußere als auch innere - beide sind spannend dargestellt.

Es ist ein leises Buch, aber dennoch eines mit Schwung, eines, in dem ordentlich Handlung drin vorkommt, man sollte nur bereit sein, sich darauf einzulassen. Mit seinem Roman über Helden des Alltags in Nordamerika stellte sich der Autor Kent Haruf - leider bereits 2014 verstorben - in eine Reihe mit Autorinnnen wie Anne Tyler, deren Romane alle in Baltimore spielen oder auch der kanadischen Nobelpreisträgerin Alice Munro, deren Erzählungen ebenfalls an einem Ort angesiedelt sind. Ein Autor, den es sich kennenzulernen lohnt!

Veröffentlicht am 21.10.2023

Ein Mann am Rande der Gesellschaft

Kein guter Mann
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....kann nur ein schlechter Mann sein! So denken immer noch viele und bei seinen Kunden - er ist Briefzusteller - ist er nicht beliebt. Besonders bei einem nicht, mit dem er sich richtig bekriegt. ...

....kann nur ein schlechter Mann sein! So denken immer noch viele und bei seinen Kunden - er ist Briefzusteller - ist er nicht beliebt. Besonders bei einem nicht, mit dem er sich richtig bekriegt. Das geht so weit, dass er strafversetzt wird - in die Christkindlfiliale in Engelskirchen, wo die Kinder vor Weihnachten ihre Wunschzettel hinschicken. Auch dort stänkert er herum, bis er an die Briefe von Ben, einem zehnjährigen Jungen, der sich praktische Hilfe - und zwar nicht vom Weihnachtsmann, sondern von Gott höchstpersönlich. Denn er muss den Haushalt für sich und seine Mutter schmeißen.

Walter beginnt irgendwann, ihm zurückzuschreiben... als Gott natürlich. Doch auch das bringt ihm wieder Ärger.

Ein stimmungsvoller, dabei warmherzig-humorvoller Roman, in dem es vor allem darum geht, wer Walter eigentlich ist. Beziehungsweise: was ihn zu dem gemacht hat, der er ist. Das sind schlechte Erfahrungen, vor allem aber sein Ruf, der Menschen veranlasst, ihm nicht gerade wohlwollend entgegenzutreten. Und noch einiges mehr, was der Leser höppchenweise in einem Rückblick erfährt.

Ein Buch, in dem vieles Traurige und Ärgerliche auf den Tisch kommt, das mich aber trotzdem mit einem warmen Gefühl im Bauch zurücklässt. Das ist der Verdienst des Autors Andreas Izquierdo, der hier wieder einmal den richtigen Ton trifft und es inhaltlich auf den Punkt bringt. Eine herzliche Empfehlung für dunkle Herbst- und Winterabende!

Veröffentlicht am 12.10.2023

Nicht nur Gras-, sondern auch Blutgeschmack

Wodka mit Grasgeschmack
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begegnet den Brüdern Markus und Stefan, die nach langen Jahren der Vertreibung eine erste kurze Reise mit ihren Eltern in deren frühere Heimat, nämlich nach Schlesien, wagen. Es ist eine Reise voller Schmerz, ...

begegnet den Brüdern Markus und Stefan, die nach langen Jahren der Vertreibung eine erste kurze Reise mit ihren Eltern in deren frühere Heimat, nämlich nach Schlesien, wagen. Es ist eine Reise voller Schmerz, vor allem auf Seiten der Eltern, aber ganz ohne Hass.

Allerdings begegnen den Eltern traumatische Erinnerungen auf Schritt und Tritt - auch die Söhne hören Geschichten, die sie mehr als einmal schlucken lassen. Als junge Leute verließen die Eltern die geliebte Region, nicht einer eigenen Entscheidung folgend - nein, sie wurden enteignet und vertrieben. Ihre Familien und zahllose andere mussten büßen für die Kriegsverbrechen der Nationalsozialisten, ohne irgend etwas damit zu tun zu haben.

Stellvertreter-Abstrafung anstelle von Stellvertreter-Krieg. Diese sehr persönliche Geschichte zu lesen, tat mir in der Seele weh und ich brauchte dafür sicher fast so lange wie der Autor zum Niederschreiben, war ich doch wesentlich feiger als er und seine Familie. Ihre Erlebnisse - die früheren und auch die jetzigen - ließen mich weiter meinen Gedanken nachhängen: wie konnte es passieren, dass so viele Kriegsverbrecher des Nationalsozialismus ungestraft davonkamen und statt dessen Zivilisten leiden mussten? Es ist doch mmer wieder dasselbe während und nach den Kriegen - es leiden die, die keine Schuld tragen.

Doch Markus Mittmann schildert auch ein Aufeinander-Zugehen: die polnische Familie, die jetzt im Elternhaus des Vaters lebt, begegnet dem ehemaligen Bewohner des Hauses mit Achtung und mit Verständnis. Ja, die Würde des Menschen sollte unantastbar sein und das ist sie auch, wenn Menschlichkeit und Mitgefühl agieren!

Der Autor hat seiner Leserschaft ein großes Geschenk gemacht, in dem er uns die Geschichte seiner Eltern erzählt und ihren Umgang mit der Vergangenheit schildert. Ein wirklich sehr besonderes Buch!

Veröffentlicht am 11.10.2023

(K)Eine Ode an eine Freundin

Die Jungfrau
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Gloria ist in allem besser als Moni, jedenfalls war sie es in den sogenannten coolen Disziplinen. Aber das ist ja nichts Ungewöhnliches, dass man als Jugendliche so von seiner Freundin denkt. Und irgendwie ...

Gloria ist in allem besser als Moni, jedenfalls war sie es in den sogenannten coolen Disziplinen. Aber das ist ja nichts Ungewöhnliches, dass man als Jugendliche so von seiner Freundin denkt. Und irgendwie war diese Gloria auch extrem - aber nicht so sehr, dass es sich lohnen würde, einen Roman über sie zu schreiben.

Finde ich, die ich die Autorin Monika Helfer durchaus schätze: "Die Bagage" und mehr noch "Vati" habe ich gerne gelesen und denke auch heute, Jahre später noch gern an die Lektüre zurück. Diesen Roman jedoch empfand ich als ausgesprochen schwer zu lesen. Und ich denke auch nicht allzu gern daran zurück, muss ich gestehen.

Veröffentlicht am 09.10.2023

Leben durch ein Buch

Das Buch Eva
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Das widerfährt Beatrice, einer jungen Nonne, Bibliothekarin in einem Kloster, die sich nach einem anderen, lebenswerteren Leben sehnt - zu lange schon lebt sie hinter Klostermauern in einer sehr ...

Das widerfährt Beatrice, einer jungen Nonne, Bibliothekarin in einem Kloster, die sich nach einem anderen, lebenswerteren Leben sehnt - zu lange schon lebt sie hinter Klostermauern in einer sehr zurückgezogenen Gemeinschaft.

Ihre Bücher und auch die alten Sprachen, die sie unterrichtet, sind ihr wichtig, doch das reicht nicht aus. Ein Buch, sie von zwei schwer verletzten, sterbenden Frauen, die gerade noch in das Kloster aufgenommen werden können, bevor sich Fremde - natürlich Männer ihrer bemächtigen, erhält. Es hat einen besonderen Wert für sie hat - eine Schrift aus alten Zeiten - wird auf merkwürdige Art lebendig - wird es ihr zu einer Freiheit verhelfen können in Zeiten, in denen Männer in das Kloster eindringen und es sich untertan machen wollen. Für sie ist es eine Schrift der Ketzer.

Eine Handlung, die mich sehr reizte und von der ich mir ein prächtige, schillernd bunte Entwicklung erhoffte, die sich aber leider als über längere Strecken als langatmig, teils sogar langweilig erwies - mir fiel es ausgesprochen schwer, am Ball zu bleiben und die Lektüre erreichte mich nicht. Eine vielversprechende Idee - die sich leider als Enttäuschung entpuppte - zumindest für mich.