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Venatrix

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 14.09.2021

Ein Krimidebüt mit leichten Schwächen

Tod in der Schorfheide
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Dieser Krimi ist das Debüt von Richard Brandes und ist durchaus gelungen, obwohl die eine oder andere kleine Kritik anzubringen ist. Doch davon später.

Worum geht’s?

In der Schorfheide, einem eher unberührten ...

Dieser Krimi ist das Debüt von Richard Brandes und ist durchaus gelungen, obwohl die eine oder andere kleine Kritik anzubringen ist. Doch davon später.

Worum geht’s?

In der Schorfheide, einem eher unberührten Teil Brandenburgs, kommt ein Mann beim Brand seines Hauses ums Leben. Schnell stellt sich heraus, dass es sich um einen brutalen Mord handelt.

Fast gleichzeitig wird eine fünfzehnjährige Schülerin als vermisst gemeldet.
Die Ermittlungen im Mordfall leitet Carla Stach und als dann herauskommt, dass das Mordopfer und die Schülerin einander kannten, läuft Stach die Zeit davon. Sie muss zuvor den Mord aufklären, um das Mädchen zu finden.

Meine Meinung:

Der Krimi ist fesselnd geschrieben. Die komplexen Zusammenhänge erschließen sich Lesern und Ermittlern erst nach und nach. Das ist meiner Ansicht nach sehr gut gelungen.

Spannend ist der Krimi durch die zahlreichen Wendungen und Sackgassen. Denn kaum glauben Ermittler und Leser, den Täter ausfindig und dingfest gemacht zu haben, entwindet sich dieser dem Zugriff, unter anderem durch Selbstmord.

Die Charaktere haben noch einiges Potenzial sich zu entwickeln. So wirkt Maik ein wenig farblos und manchmal nur wie ein Handlanger von Carla. Dem Macho Uli Rösler habe ich anfangs wenig Sympathie entgegenbringen können. Das hat sich, nachdem sein eigenes privates Schicksal bekannt worden ist, ein wenig gebessert. Er hat sich eben eine raue, unnahbare Schale zugelegt.

Was mir weniger gut gefällt?

Richard Brandes hat so etwas wie einen „Anfängerfehler“ gemacht: Er packt eine große Zahl von gesellschaftspolitischen Themen in sein Buch. Da ist z.B. Carla Stach, die mit einer Frau verheiratet ist und deren familiäre Probleme, wie der die Schule schwänzende Stiefsohn Toni, für mein Gefühl, einen zu großen Raum einnehmen. Auch die frauenfeindlichen Aussagen von Uli Rösler, eines Ermittlers, die vor allem seine farbige und allein erziehende Kollegin Julia treffen, sind ein wenig zu dick aufgetragen.

Nicht missverstehen - diese Themen sind wichtig, gehören angesprochen, aber nicht alles in einem (Debüt)Krimi. Diese Seitenblicke in Carlas und Julias Familienleben hätten ein wenig gestrafft werden können. Denn, dass Toni die Schule schwänzt, bringt den Fall keinen Deut weiter.

Die mehrfachen Perspektivenwechsel können die Spannung dann doch aufrecht erhalten, die durch die Familieneinblicke ein wenig verlangsamt worden sind.


Wie es sich für einen Regionalkrimi gehört, spielen die stillen Wälder Brandenburgs eine große Rolle. Auch neugierige Nachbarn gehören zum Lokalkolorit dazu.

Fazit:

Ein durchaus gelungenes Krimidebüt, das noch einige kleine Schwächen aufweist. Daher reicht es diesmal nur für 3 Sterne.

Veröffentlicht am 14.09.2021

Fataler Blick in die Sterne

Der Himmel über Nordfriesland
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Dieser Krimi ist der 5. aus der Reihe um das Husumer Polizisten-Duo Flottmann und Hilgersen.

Eine Frau begeht Selbstmord, eine andere wird im Schlick vergraben und stirbt, und eine dritte verschwindet ...

Dieser Krimi ist der 5. aus der Reihe um das Husumer Polizisten-Duo Flottmann und Hilgersen.

Eine Frau begeht Selbstmord, eine andere wird im Schlick vergraben und stirbt, und eine dritte verschwindet spurlos. Zusätzlich muss sich das sympathische Duo mit einem Kornkreisen, einem plötzlich leeren Löschteich und einer Glocke, die, wie diejenige der bei der Großen Mandränke verschwundenen Stadt Rungholt, klingt, herumschlagen.

Flottmann und Hilgersen wird recht bald klar, dass diese Ereignisse zusammenhängen, aber wie?

Meine Meinung:

Dieses Buch ist mein erstes von Gerd Kramer. Wie konnte der Autor mir bisher durch die Lappen gehen?

Flottmann und Hilgersen benehmen sich wie ein altes Ehepaar, worüber ich herzlich schmunzeln musste, wie über die witzigen Dialoge. Trotzdem nimmt sich Gerd Kramer eines wichtigen Themas an: der Leichtgläubigkeit mancher Menschen, was Astrologie und Esoterik anbelangt. Ein Horoskop zur Unterhaltung zu lesen,
Mag vielleicht amüsant sein, sein Leben ganz nach den Aussagen eines Astrologen auszurichten, kann fatale Folgen haben. Besonders bei durch Schicksalsschläge gebeutelte Personen wie Helena, kann das in eine unheilvolle Abhängigkeit führen, der alles untergeordnet wird. Helena, durch den Tod der kleinen Tochter traumatisiert und vom Ehemann links liegen gelassen, schlittert in ein Suchverhalten, das sie letzten Endes Selbstmord begehen lässt. Das ethische Verhalten zweier Astrologinnen, die sich munter über ihre Klientinnen austauschen und sich die Kundinnen zuschanzen, ist mehr als grenzwertig. Wenigstens
hat eine dann ein schlechtes Gewissen und gibt den Job auf.

Da ich die Vorgänger nicht kenne, habe ich mich vermutlich um den Genuss gebracht, die Entwicklung von Flottmann und Hilgersen zu verfolgen. Ich denke, ich werde das nachholen.

Fazit:

Ein fesselnder Krimi, der uns nach Husum entführt. Gerne gebe ich hier 4 Sterne.

Veröffentlicht am 14.09.2021

Fesselnder Krimi, der in die Vergangenheit der Schweiz reicht

Wenn die Schatten sterben
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Dieser Krimi von Christof Gasser ist eine Art Prequel zur Reihe rund um Dominik Dornach. Wir erleben ihn hier etwa zehn Jahre vor seiner eigenen Krimiserie.

Worum geht’s?

Rebecca „Becky“ Kolberg reist ...

Dieser Krimi von Christof Gasser ist eine Art Prequel zur Reihe rund um Dominik Dornach. Wir erleben ihn hier etwa zehn Jahre vor seiner eigenen Krimiserie.

Worum geht’s?

Rebecca „Becky“ Kolberg reist gemeinsam mit ihrem zehnjährigen Sohn aus ihrer Heimat Kiel nach Solothurn, um Abstand von ihrem bisherigen Leben zu gewinnen. Der Unfalltod ihres Ehemanns hat Becky traumatisiert. Hier in Solothurn, woher ihre adeligen Großeltern ursprünglich stammen, will sie einen Neuanfang wagen.

Als beim Renovierungsarbeiten im Schloss der Großeltern ein eingemauertes Skelett entdeckt wird, muss sie sich der Vergangenheit ihrer Vorfahren stellen, die sie bislang nicht wirklich interessiert hat. Anders als in Deutschland oder Österreich verjährt ein Mord in der Schweiz bereits nach 30 Jahren, weshalb Dominik Dornach, ihr Nachbar, keine offiziellen Ermittlungen anstellen darf.

Doch dann sterben ein alter Mann und seine Pflegerin einen gewaltsamen Tod und der leitende Staatsanwalt verdächtigt Becky. Nun schlägt Dornachs Stunde, denn er kann den ehrgeizigen Staatsanwalt, der ewig gestrige Ansichten pflegt, nicht leiden.

Nach und nach kommen Teile der Familiengeschichte derer von Colberg ans Tageslicht. Eine Familiengeschichte, die nicht gänzlich frei von Schuld ist.

Meine Meinung:

Christof Gasser ist ein sehr spannender Krimi gelungen. Wir dürfen uns tief in die Geschichte der Schweiz begeben, die vor und während des Zweiten Weltkrieges ein nicht besonders rühmliches Verhalten an den Tag gelegt hat. Aus Angst vor dem Überrolltwerden des Landes wie das neutrale Belgien oder die Niederlande paktiert man mit Hitler-Deutschland. Dass dabei auch handfeste wirtschaftliche Interessen eine Rolle spielen, ist auch verständlich. Die Schweiz ist abhängig von der Zulieferung von Rohstoffen, insbesondere von Kohle.

So können wir hier einen Krimi in zwei Zeitebenen erleben, der durch das unselige Gedankengut des Herrenmenschentums verbunden ist: Der gegenwärtige Teil rund um Becky und der andere Handlungsstrang aus 1940 rund um die couragierte Emma.

Geschickt flicht Christof Gasser die historischen Ereignisse ein. Der Leser erfährt Dinge, die ihm (so wie mir) nur rudimentär geläufig waren/sind. Schön unterschwellig in der Handlung, sodass Niemandem ausschließlich trockene Fakten an den Kopf geworfen werden. Das gefällt mir persönlich sehr gut. Natürlich muss ich, weil historisch sehr interessiert, einiges recherchieren. Gute Bücher, egal welchen Genres, verleiten mich immer, einer geschilderten Sache nachzugehen und mehr darüber wissen zu wollen.

Der Krimi selbst ist fesselnd und die Figuren fein herausgearbeitet. Zugeben finde ich Emma interessanter und sympathischer als Becky, die mir ein wenig oberflächlich erscheint. Gut, dass Dominik Dornach nicht auf ihre unterschwelligen Avancen anspringt. Ihr Sohn hingegen wirkt sehr sympathisch, da er Dominiks achtjährige Tochter Pia aus ihrem selbst gewählten Schneckenhaus herausholt.

Fazit:

Ein fesselnder Krimi, der so manches Geheimnis aus der Vergangenheit birgt. Gerne gebe ich hier 5 Sterne.

Veröffentlicht am 14.09.2021

Eine Leseempfehlung

Als Deutschland erstmals einig wurde
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Bruno Preisendörfer hat mit diesem Buch ein detailliertes Werk zur Einigung der zahlreichen deutschen Kleinstaaten, Freistädten und den beiden Königreichen Bayern und Preußen zu einem Kaiserreich geschaffen. ...

Bruno Preisendörfer hat mit diesem Buch ein detailliertes Werk zur Einigung der zahlreichen deutschen Kleinstaaten, Freistädten und den beiden Königreichen Bayern und Preußen zu einem Kaiserreich geschaffen. Die Königswürden von Bayern und Preußen blieben unangetastet. Der preußische König erhielt zusätzlich den Titel „Deutscher Kaiser“.

In folgenden Kapiteln geht er auf die damalige Situation ein und analysiert sie.

Einleitung in den Spiegelsaal der Geschichte
Am Anfang die Revolution
Besuch in der neuen Hauptstadt
Kapellmeister Piefke und die Einigungskriege
Gründerzeit - Gründerkrach
Die alte Gesellschaft
Das neue deutsche Leben
Errungenschaften
Großbürger, Bildungsbürger, Kleinbürger
Große Fragen
Große Männer
Am Ende der Abstieg

Den Abschluss bildet dann noch ein Bildteil sowie ein ausführliches Quellenverzeichnis.

Manches, was den deutschen Lesern heute selbstverständlich erscheint, ist eine Errungenschaft des auch immer wieder geschmähten Otto von Bismarck, der eine schillernde Figur dieser Einigung und der späteren Jahre war.

Besonders interessant finde ich die Passagen um den deutschen Kolonialismus, der ja bekanntlich erst sehr spät so um 1884 einsetzt. England, Frankreich, die Niederlande sowie Spanien und Portugal haben sich die Welt bereits längst unter sich aufgeteilt. Nur ein paar Flecken in Afrika und Ozeanien sind noch „zu haben“. Bismarck war kein Freund dieser imperialistischen Bestrebungen, die ursprünglich von privaten Vereinen und/oder Handelshäusern angestrebt worden sind.

Otto von Bismarck kann getrost als Vater der Einigung Deutschlands bezeichnet werden, einem Deutschland, das 1918 und dann 1945 wieder geteilt wurde. Lange Jahre bestehen zwei deutsche Staaten. Erst der deutsch-deutsche Einigungsvertrag von 1990 vereint die Bundesrepublik Deutschland und die Deutsche Demokratische Republik wieder. Ob das Bismarck gefallen würde?

Fazit:

Das Buch ist ein tolles Nachlesewerk, wenn wieder eine kniffelige Frage auftaucht. Gerne gebe ich hier eine Leseempfehlung und 5 Sterne.

Veröffentlicht am 06.09.2021

Hier gibt es nur Verlierer

Der längste Krieg
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Emran Feroz' Buch "Der längste Krieg" ist bei seinem Erscheinen am 23. August 2021 bereits überholt. Die Taliban haben das Land im Handstreich übernommen. Warum es sich dennoch lohnt, dieses Buch zu lesen?

Der ...

Emran Feroz' Buch "Der längste Krieg" ist bei seinem Erscheinen am 23. August 2021 bereits überholt. Die Taliban haben das Land im Handstreich übernommen. Warum es sich dennoch lohnt, dieses Buch zu lesen?

Der Autor hat afghanischen Wurzeln. Er ist in Innsbruck geboren und aufgewachsen. Emran Feroz ist als freier Journalist für deutsch- und englischsprachige Medien tätig. Seine Schwerpunkte: Nahost und Zentralasien, Drohnen-Krieg. Er weiß daher, worüber er schreibt.

Er analysiert in seinem Buch, welche Fehler nicht nur von den USA, sondern zuvor schon von den Briten, die aus Afghanistan eine Kolonie machen wollten, und den russischen Truppen, die ebenfalls aus dem kargen Land wieder abgezogen sind, gemacht wurden. Hinterlassen haben alle verbrannte Erde, ein korruptes System, das stärker denn je ist.

„Trauernde Mütter beerdigen ihre Söhne, den einen mit schwarzem Taliban-Turban, den anderen mit der Uniform der afghanischen Armee. Das ist die wahre Tragödie des Krieges, und sie will, so scheint es, einfach kein Ende nehmen.“

Erman Feroz lässt auch seine eigene Biografie einfließen. Das klingt dann so: „Ab dem 12. September 2001 war ich in der Schule plötzlich ‘der Afghane’, mit dem selbst die Türken, Bosniaken oder Serben nichts anfangen konnten.“

Das Buch ist auch eine kritische Auseinandersetzung mit der (westlichen) Berichterstattung. Das Land ist von unterschiedlichen Gruppen bevölkert: „den Afghanen“ gibt es nicht, vielmehr bilden zahlreiche Ethnien ein heterogenes Gebilde mit verschiedenen Sprachen.

Auch dass sich die Berichterstattung eher auf große Städte wie Kabul konzentriert und weite Teile des Landes links liegen lässt, vermittelt einen falschen Eindruck. Doch eben genau dort wurden (auch westliche) Kriegsverbrechen verübt.

Dass der Westen und vor allem die USA von der handstreichartigen Übernahme des Landes überrascht wurden, erstaunt mich persönlich jetzt nicht wirklich. Die Überheblichkeit, mit der die Besatzer die Bevölkerung behandelt haben, haben die Taliban wieder erstarken lassen. Denn weg waren sie nie. Nun sind die Taliban seit ein paar Tagen zurück. Auch wenn sie sich gemäßigt geben: Sie sind weder Demokraten noch frauenfreundlich geworden. Der Westen lässt sich mit schönen Worten einlullen und an der Nase herumführen.

Fazit:

Ein wichtiger Beitrag, um nicht der einseitigen Berichterstattung der meisten Medien auf den Leim zu gehen. Gerne gebe ich hier 5 Sterne.