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Venatrix

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 23.02.2021

Ein gelungenes Experiment

Reigen Reloaded
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Barbara Rieger hat für die Neuauflage von Arthur Schnitzlers „Reigen“ neun Schriftstellerkolleginnen und Kollegen eingeladen, eine Episode in die Gegenwart zu verlagern. Dabei kommen bekannten Namen wie ...

Barbara Rieger hat für die Neuauflage von Arthur Schnitzlers „Reigen“ neun Schriftstellerkolleginnen und Kollegen eingeladen, eine Episode in die Gegenwart zu verlagern. Dabei kommen bekannten Namen wie Gertraud Klemm, Daniel Wisser, Petra Ganglbauer und nicht zuletzt Barbara Rieger selbst zu Wort.

Das Experiment, Schnitzlers skandalumwitterten Theaterstück in einen Prosa Text zu verwandeln, darf man als gelungen ansehen. Zum direkten Vergleich ist im Anschluss der Originaltext zu lesen.

Die Aufmachung des Buches aus dem Verlag Kremayr & Scheriau ist gediegen: Hardcover mit Lesebändchen. Schrift und das Design des Covers erinnern an die Wiener Werkstätte von Joseph Hoffmann.

Fazit:

Ein gelungenes Experiment, das auch Literaturfans gefallen wird. Gerne gebe ich hier 5 Sterne.

Veröffentlicht am 23.02.2021

Nazis auf der Flucht

Rattenlinien (eBook)
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Autor Martin von Arndt entführt uns in das Jahr 1946. Deutschland liegt in Trümmern, der grausame Hungerwinter steht bevor und die Siegermächte, allen voran die USA sind dabei, die NS-Verbrecher aufzuspüren ...

Autor Martin von Arndt entführt uns in das Jahr 1946. Deutschland liegt in Trümmern, der grausame Hungerwinter steht bevor und die Siegermächte, allen voran die USA sind dabei, die NS-Verbrecher aufzuspüren und vor Gericht zu stellen. Das führt dazu, dass zahlreiche Nazis die selben Fluchtrouten, die zuvor Juden, Kommunisten oder andere Verfolgte benützen, um aus Deutschland zu flüchten und der Gerichtsbarkeit zu entkommen.

Einer dieser Männer ist Gerhard Wagner, der als „Schlächter von Baranawitschy“, bekannt ist. Sein ehemaliger Vorgesetzter aus den 1920er Jahren, Andreas Eckart, der auf Grund seiner Gesinnung rechtzeitig vor den Nazis in die USA emmigriert ist, wird von der US-Army angeworben, um Wagner dingfest zu machen. Eckart hat noch eine persönliche Rechnung mit Wagner offen. Gemeinsam mit dem etwas undurchsichtigen Special Agent Dan Vanuzzi jagt Eckart dem SS-Mann hinterher.

Meine Meinung:

Das Thema ist spannend, vor allem in Hinblick auf die unterschiedlichen Beweggründe der einzelnen Protagonisten. Wir verfolgen Wagner von München aus über Innsbruck, folgen seinen Spuren über die verschneiten Berge nach Südtirol und nach Rom, um den Kriegsverbrecher an seiner Abreise nach Argentinien zu hindern. Dabei treffen wir auf zahlreiche Menschen, denen nicht zu trauen ist, weil sie selbst Dreck am Stecken haben, oder wie die Würdenträger im Vatikan, nach wie vor ihren Judenhass pflegen. Lieber einem (ehemaligen) Nazi helfen als einem Juden oder Kommunisten.

Die paranoide Angst vor den Kommunisten nützen die NS-Schergen weidlich aus und so kommt es, dass auch der US-Army nicht wirklich zu trauen ist.

Die Geschichte ist spannend erzählt. Manchmal bedient sich der Autor ein wenig krauser Wortschöpfungen. So verwendet er mehrmals das Verb „ermuntern“ in völlig sinnentleerter Art und Weise. Statt „Eckart wachte auf“ schreibt er „Eckart ermunterte“. Dass so etwas im Korrektorat oder Lektorat nicht auffällt?

Fazit:

Eine aufregende Jagd quer durch Mitteleuropa, um diversen NS-Verbrechern habhaft zu werden. Gerne gebe ich hier 4 Sterne.

Veröffentlicht am 20.02.2021

Familiengeheimnisse

Die Pilotin
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Dieser Roman spielt auf zwei Zeitebenen, die einander bedingen. Zum einem führt uns die Autorin zurück in die 1940er Jahre und zum anderen in das Jahr 2006.

Nancy Kelly, Pilotin aus Florida, wird 1942 ...

Dieser Roman spielt auf zwei Zeitebenen, die einander bedingen. Zum einem führt uns die Autorin zurück in die 1940er Jahre und zum anderen in das Jahr 2006.

Nancy Kelly, Pilotin aus Florida, wird 1942 von der US-Airforce angeworben, die britische Luftwaffe als Transportfliegerin zu unterstützen. Die kostbaren männlichen Piloten fliegen Einsätze gegen Nazi-Deutschland und für Überstellungsflüge setzt man Frauen ein. Es kommt, wie es kommen muss: Nancy verliebt sich in Mac, Ausbilder und langgedienter Kampfpilot. Es folgt ein heimliches, kurzes Glück, weil Nancy verlobt und Mac verheiratet ist.

Im Sommer 2006 ist Nancy eine alte Frau, die vor ihrem Tod noch reinen Tisch machen will. Aufgrund zahlreicher Geheimnisse ist die Familie zerrüttet. Ihre Enkelin Sarah, begeisterte Fliegerin wie sie selbst, soll nach Europa reisen und Mac bzw. seine Familie suchen.
Bei dieser Suche werden alte Wunden aufgerissen, kommen nie aufgeklärter Missverständnisse und Heimlichkeiten ans Tageslicht.

Meine Meinung:

Die Ereignisse in der Vergangenheit habe ich mit großem Interesse und Spannung gelesen. Dass amerikanische und englische Pilotinnen die Royal Airforce unterstützt haben, ist wohl nicht so bekannt.

Gut gelungen ist meiner Ansicht nach die Gier nach Leben und Liebe in Zeiten des Krieges. Wenn man weiß, dass die meisten britischen Piloten nur wenige Wochen im Luftkampf überlebten, ist dies gut verständlich. Die Angehörigen mussten jederzeit darauf gefasst sein, dass die Piloten vermisst gemeldet würde. So ergeht es auch Nancy. Mac kommt von einem Einsatz nicht mehr zurück.
Als sie dann noch entdeckt, schwanger zu sein, ist ihr Entschluss, ihren Verlobten Joe Costello zu heiraten, möglicherweise moralisch nicht einwandfrei, aber aus ihrer Sicht verständlich. Ob dieses Kind, John, von Mac oder doch von Joe ist, bleibt lange Zeit auch für die Leser unklar. Seine Geschwister Ellen und Ritchie fühlen sich John gegenüber immer zurückgesetzt, denn der ältere Bruder ist ein verwegener Flieger und der Liebling der Mutter. Erst nach und nach enthüllt Nancy Sarah Johns Geheimnis rund um seinen Tod.

Die raschen und häufigen Perspektivenwechsel sind für manche Leser bestimmt gewöhnungsbedürftig. Mir haben sie nichts ausgemacht. Allerdings hat die Autorin versucht, viele Haupt- und Nebensachen in diesen Roman zu packen. Hier wäre ein bisschen weniger, mehr gewesen. Am meisten hat mich genervt, dass Sarah unbedingt Mann und Kind haben will. Sie taxiert alle Männer auf „Ehemanntauglichkeit“. Das finde ich übertrieben und stellenweise unstimmig, denn sie wird eigentlich als toughe Frau präsentiert.

Auch die Episoden rund um Ritchie, der das kleine Bedarfsflugunternehmen seiner Mutter um jeden Preis retten will, um endlich ihre Anerkennung zu erhalten, ist grundsätzlich eine interessante Idee. Leider gerät auch dieser Handlungsstrang ein wenig übertrieben, als er sich breitschlagen lässt, für einen windigen Geschäftsmann Drogen zu schmuggeln.

Fazit:

Der historische Teil hätte 4 Sterne verdient, doch durch die Verwässerung des Gegenwartsstranges kann ich nur 3 Sterne vergeben.

Veröffentlicht am 14.02.2021

Bonjour Tristesse!

Bad Regina
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Der fiktive Ort Bad Regina war um die Jahrhundertwende ein bekannter, mondäner Kurort, der von reichen Kurgästen profitiert hat. Seit vielen Jahren ist der Boom vorbei und eine Abwärtsspirale hat eingesetzt. ...

Der fiktive Ort Bad Regina war um die Jahrhundertwende ein bekannter, mondäner Kurort, der von reichen Kurgästen profitiert hat. Seit vielen Jahren ist der Boom vorbei und eine Abwärtsspirale hat eingesetzt. Aus dem einstmals blühenden Ort ist eine Stätte der Tristesse geworden, in der die Häuser verfallen und aus der die Jungen längst abgewandert sind, weil es kaum Arbeitsplätze gibt. Nur wenige Dorfbewohner bleiben und müssen erleben, dass ein mysteriöser Chinese namens Chen Haus für Haus aufkauft. Anfangs gab es noch Hoffnung auf zahlungskräftige Kundschaft aus dem Reich der Mitte, die dem Kurort neues Leben einhauchen könnten.

Daraus wird nichts und so müssen die wenigen Bewohner zusehen, wie der Zerfall von Häusern und Personen weiter voranschreitet. Man gibt sich dem Alkohol hin, schwelgt in Erinnerungen an die Vergangenheit und suhlt sich in Selbstmitleid. Alte, längst vergessen geglaubte Konflikte brechen wieder auf ...

Meine Meinung:

Autor David Schalko hat einen besonderen Schreibstil, der nicht jedem liegt. Hat mir sein Epos über die Wiener Kriminalszene während und nach dem Zweiten Weltkrieg noch gut gefallen, weil mit schwarzem Humor garniert, so empfinde ich vorliegendes Buch nur als trist.

Es gibt ein reales Vorbild zu diesem Roman, das allerdings nicht so krass überzeichnet ist: Bad Gastein. Der ehemalige Luftkurort mit seinen Heilstollen hat im 19. Jahrhundert seine Hochblüte. Reich und Schön verbringt hier die Sommerfrische in Jugendstil-Hotels, die nur unzureichend geheizt werden können und als sich die Urlaubsgewohnheiten von Sommer- auf Wintertourismus umstellen, nicht modernisiert werden (können). Die einstigen Belle-Époque-Herbergen verrotten vor sich hin. Immer wieder keimt Hoffnung auf einen Neubeginn auf, wenn Immobilienentwickler wie die Heuschrecken einfallen und Hotels aufkaufen. Die hochfliegenden Erwartungen erfüllen sich jedoch nicht.

Die Charaktere dieses Romans sind überzeichnet, sprechen eine oft rassistisch geprägte Sprache, vor der uns der Verlag auch warnt.

Mich stört auch, dass die direkte Rede mit Bindestrich beginnt, statt der üblichen Redezeichen. Das scheint seit einige Jahren modern zu sein.

Das Cover finde ich gelungen, knüpft es an die Tradition der früheren Plakate an.


Fazit:

Dieser Roman hat mir mit seiner Endzeitstimmung nicht so recht gefallen, daher kann ich ihm nur 3 Sterne geben.

Veröffentlicht am 13.02.2021

Hat mich gut unterhalten

Der Mathelehrer und der Tod
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Dieser Krimi ist der erste einer neuen Reihe mit einem ungewöhnlichen Hobby-Ermittler.

Gregor Horvath, seines Zeichens Lehrer für Geschichte und Deutsch an einem Gymnasium und eingefleischter Fan von ...

Dieser Krimi ist der erste einer neuen Reihe mit einem ungewöhnlichen Hobby-Ermittler.

Gregor Horvath, seines Zeichens Lehrer für Geschichte und Deutsch an einem Gymnasium und eingefleischter Fan von Hercule Poirot, macht sich so seine eigenen Gedanken, als der Kollege und Mathe-Lehrer Michael Menzel am Fuße des „Turms“ tot aufgefunden wird.

Die Kriminalpolizei in Person seines Zwillingsbruders Martin, ist chronisch unterbesetzt und will den Tod von Menzel gerne als Selbstmord zu den Akten legen, zumal sie mit einem eindeutigen Doppelmord in der Stadt mehr als ausgelastet ist.

Doch es wäre nicht der etwas schrullige Gregor, der zeitlebens seinem Zwillingsbruder hinterherhinkt, wenn er ihn diesmal nicht übertrumpfen könnte.

Deshalb beginnt Gregor in Michael Menzels Leben herumzustochern. Wer könnte den Lehrer ermordet haben? Verdächtige gäbe es genug, denn der Mathe-Lehrer galt als unbestechlich und erbarmungslos. Also, wer kommt als Täter in Frage? Schüler, Eltern oder gar ein Kollege?

Meine Meinung:

An Gregor Horvath muss man sich erst gewöhnen. Er wirkt ein wenig autistisch. Nur wenig berührt ihn tatsächlich und entlockt ihm Emotionen. Das ist aber verständlich, denn er schleppt das Kindheitstrauma, des nicht beachteten zweiten Zwillings mit sich herum.

Die Langeweile seines Lebens scheint ihn nun zu beflügeln, dem unerwarteten Tod seines Kollegen nachzugehen. Dabei gerät er an einen Geheimbund in der Schule, dessen Mitglied auch der verhasste Menzel war. Zu Gregors Erstaunen wird er als Ersatz in diesen Zirkel berufen, in dem Lehrer, Eltern und Schüler vertreten sind.

Ähnlich wie sein liebster Krimi-Held Hercule Poirot bedient er sich allerlei Gedankenspielereien und bezieht seine Klasse mit ein. Dabei tun sich einige Abgründe in so manchem Schüler auf.

Das Thema von ungleichen Zwillingen ist in der Literatur spätestens seit Erich Kästners „Das doppelte Lottchen“ ein beliebtes Spiel. Diesmal tauschen die Brüder zwar nicht ihre Rollen, doch die Unterschiede werden geschickt ausgespielt.

Autor Marc Hofmann weiß, worüber er schreibt, ist er doch im Brotberuf selbst Lehrer an einem Freiburger Gymnasium. Sein trockener Humor, mit dem er den Schulalltag beschreibt, hat mich immer wieder zum Schmunzeln gebracht.

Die Schule als Tatort ist einmal etwas anderes. Dieses Mikrokosmos an Intrigen, Gspusis und persönlichen Eigenheiten eignet sich perfekt als Hintergrund eines Verbrechens. Und, seien wir einmal ehrlich! Wer hat während seiner eigenen Schulzeit nicht dem einen oder anderen Lehrer die Pest oder Cholera an den Hals gewünscht?

Witzig ist auch das in schrillem gelb gehaltenen Cover.

Fazit:

Ein spannender Krimi, der mit seinem schrulligen Hobby-Ermittler punktet. Ich freue mich auf den nächsten Fall „Horvath und die verschwundenen Schüler“, der im August 2021 erscheinen soll. Gerne gebe ich hier 4 Sterne.