Platzhalter für Profilbild

Venatrix

Lesejury Star
offline

Venatrix ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Venatrix über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 04.10.2020

Bohn' Appetit!

Das österreichische Käferbohnen-Kochbuch
0

Autor Taliman Sluga wartet diesmal mit einer besonderen regionalen Spezialität auf - der steirischen Käferbohne.

Die rosa-lila gefleckte Bohne gehört zu den ältesten Kulturpflanzen und stammt ursprünglich ...

Autor Taliman Sluga wartet diesmal mit einer besonderen regionalen Spezialität auf - der steirischen Käferbohne.

Die rosa-lila gefleckte Bohne gehört zu den ältesten Kulturpflanzen und stammt ursprünglich aus Südamerika. Ihr Anbau wurde durch Erzherzog Johann (1782-1859) stark gefördert und war bald darauf in der Steiermark heimisch. Sie ist nun ein typisches regionales Produkt, das als "Steirische Käferbohne" im Jahr 2016 das europaweite Prädikat bzw. Herkunftssiegel "g. U. – geschützte Ursprungsbezeichnung", erhalten hat.

In über 100 Rezepten zeigt uns Taliman Sluga, der übrigens ein Kärntner ist, der nun in der Steiermark lebt, wie vielfältig die Käferbohne verkocht werden kann.

Vom „Käferbohnensalat“ mit dem für die Steiermark typischen Kernöl über Eintöpfe und Pürees zu Pralinen. Die eine oder andere Speise erscheint gewöhnungsbedürftig. Konfekt aus Bohnen, zum Beispiel? Aber, wenn man aus Soja(bohnen) vegane Schnitzel machen kann, so steht dem Versuch, vegane Süßigkeiten anzufertigen, nur wenig im Wege. Einfach ausprobieren.

Das Buch ist bereits 2006 unter dem Titel „Bohn‘ Appetit“ erschienen.

Veröffentlicht am 04.10.2020

Hat mich leider diesmal mich ganz überzeugt

Die Sehnsucht der Kormorane
0

Joe Prohaska, ehemaliger Kriminalhauptkommissar und nunmehriger Frühpensionist, lebt in einem kleinen Dorf nahe Rovinj. Gemeinsam mit seinem Jugendfreund Ivo betreibt er ein Fotogeschäft. Zusätzlich verdient ...

Joe Prohaska, ehemaliger Kriminalhauptkommissar und nunmehriger Frühpensionist, lebt in einem kleinen Dorf nahe Rovinj. Gemeinsam mit seinem Jugendfreund Ivo betreibt er ein Fotogeschäft. Zusätzlich verdient sich seinen Lebensunterhalt als Fotograf von Hochzeiten. Sein aktuelles Projekt ist ein Bildband von Istrien.

Hin und wieder kommt seine kriminalistische Ader wieder zum Vorschein und so stolpert Joe in die eine oder andere gefährliche Ermittlung.

Diesmal wird er von Inspektor Rossi sogar dringend gebeten, sich den neuesten Fall anzusehen und ein paar Fragen zu stellen. Welcher Fall? Miroslav, der Betreiber des Strandlokals „Plavi Komoran“ in Opatija (das frühere Abazia) wird ermordet aufgefunden. Um die Spuren zu verwischen, haben der oder die Täter das Haus abgefackelt. Der Verdächtigen gibt es viele, war der Tote doch in allerlei illegale Geschäfte verwickelt. Auch Marina, die verschwundene letzte Geliebte des Opfers zählt dazu.

Joe soll Marina schleunigst finden, doch zu seiner Verwunderung nimmt die junge Frau von sich aus Kontakt zu ihm auf. Doch dann verschwindet sie so schnell, wie sie aufgetaucht ist, auch wieder.

Meine Meinung:

Ich kenne die drei Vorgänger, die alle eher ruhige Krimis sind. Dieser vierte Fall ist irgendwie ohne Höhepunkte, wenn man davon absieht, dass Joe fast ganz offiziell ermitteln darf. Die Handlung plätschert lau vor sich hin.
Finden sich in den anderen Krimis noch Hinweise auf Land und Leute, so fehlt mir das Lokalkolorit in diesem. Ein bisserl klischeehaft ist von den üblichen Verdächtigen am Balkan wie korrupte Politiker, Mafiaangehörigen und Dealern die Rede.

Auf mich wirkt der Krimi ein wenig lieblos heruntergeschrieben. Ein paar Dutzend Seiten hätten der Geschichte gutgetan. Warum Marina, die plötzlich verschwindet, dann ebenso zackig mit einem fremden Mann als Begleiter in einer Polizeidienststelle auftaucht, ist für mich nicht ganz nachvollziehbar. Vor allem bekommt der Leser das nur en passant das mitgeteilt. Show nicht tell, wäre hier eine bessere Variante gewesen.

Fazit:

Hier wurde einiges Potenzial verschenkt, was sehr schade ist. Es reicht für knappe 3 Sterne vergeben.

Veröffentlicht am 04.10.2020

Detailreich und fesselnd

Die Freimaurer – Der mächtigste Geheimbund der Welt
0

„Ein Mann mit einem Schurz, ein gezücktes Schwert in der Hand, nimmt dir Geld, Schlüssel und Handy ab – alles Metall, das deine Person in der Außenwelt verankert. Er verbindet dir die Augen. Du spürst, ...

„Ein Mann mit einem Schurz, ein gezücktes Schwert in der Hand, nimmt dir Geld, Schlüssel und Handy ab – alles Metall, das deine Person in der Außenwelt verankert. Er verbindet dir die Augen. Du spürst, wie dein linker Ärmel hochgekrempelt wird, dann das linke Hosenbein, bis das Knie frei liegt. Der Arm wird aus dem linken Ärmel gezogen und die Brust entblößt. Dann legen sie dir eine Schlinge um den Hals.
Du tust einen Schritt nach vorn. Dein Leben als Freimaurer hat begonnen.“

Über die „Freimaurer“ gibt es bereits meterweise Bücher. Warum also noch eines? Und was ist an diesem Buch so anders, so besonders?

Autor John Dickie ist Historiker und Journalist. Er geht den Geheimnissen und Mythen der Freimaurer mit der diesen Berufen eigenen Akribie auf den Grund. Natürlich kann er nicht alles schlüssig erklären, doch ein Anfang ist gemacht.

Ergebnis der Forschungsarbeit ist, dass die Wurzeln der Freimaurerei nicht wie immer kolportiert wird in den Dombauhütten des Mittelalters liegen, sondern in der Renaissance. Allerdings weder in deren Hochburgen Rom oder Florenz, sondern am Hof der schottischen Könige, in Edinburgh.

In 16 Kapiteln berichtet er, wie sich die Freimaurerei dort entwickelt hat. Dabei spart er Kritik nicht aus. So spricht er die Verletzung des „Toleranzgrundsatzes“ durch die Logen an. Frauen durften nicht initiiert werden. Nur in ganz wenigen, seltenen Ausnahmen, die er taxativ aufzählt, ist es zwei Frauen gelungen Mitglied einer Loge zu werden. Bei näherer Betrachtung der beiden stellt sich heraus, dass beide eigentlich biologische Männer waren.


Lissabon
Nirgendwo
Edinburgh
London
Paris
Neapel
Washington
Charleston
Rom-Paris
Allahabad
Hamburg
München
Salamanca
New York
Arrezzo
Das Erbe

Meine Meinung:

Ein sehr detailliertes Werk, dass dennoch keinen Anspruch auf Vollständigkeit haben darf.

Ich persönlich vermisse die Nennung der verschiedenen Logen von Wien. Immerhin war mit Franz Stephan von Lothringen (1708-1765), dem Gemahl von Maria Theresia (1717-1780), ein Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation Mitglied. Oder Musiker wie Wolfgang Amadeus Mozart, Joseph Haydn und Carl Millöcker. Die Liste ließe sich noch länger fortsetzen und um Personen wie Angelo Soliman oder Joseph von Sonnenfels ergänzen. Die Geschichte der Freimaurer in Wien war immer wechselvoll und mehrfach verboten, was aber einige Mitglieder nicht davon abhielt, sich weiter zu treffen. Erwähnenswert ist auch das Freimaurermuseum in Schloss Rosenau.

Aber, vielleicht sind John Dickie nicht alle Dokumente zugänglich gemacht worden.

Das Buch stellt eine Fülle von Informationen zur Verfügung, sodass man dieses Werk getrost mehrmals zu Hand nehmen kann. Man wird immer wider auf das eine oder andere Detail stoßen, das man zuvor überlesen hat.

Gut gefallen hat mir, wie akribisch der Autor in die geheimnisvolle Welt der Freimaurer eingetaucht ist. Trotzdem schreibt er in seinem Buch in sachlichen und neutralen Worten über den Geheimbund. Die Begeisterung, sich auf Recherchereise zu begeben, ist deutlich spürbar.

Der Schreibstil ist flüssig und fesselt auch den Laien. Am Ende des Buches finden sich zahlreiche Abbildungen, die das Gelesene untermauern.

Fazit:

Wer sich für die Freimaurer und ihre Geschichte interessiert, kommt an diesem Buch nicht vorbei. Gerne gebe ich hier 5 Sterne.

Veröffentlicht am 30.09.2020

Jede Geduld hat ihre Grenzen

Repression und Rebellion
0

Autor Karim El-Gawhary gilt als profunder Kenner der arabischen Politik. Wann immer es in Nordafrika bzw. dem Nahen Osten zu berichten gilt, ist er vor Ort.

In diesem Buch analysiert er die Ereignisse ...

Autor Karim El-Gawhary gilt als profunder Kenner der arabischen Politik. Wann immer es in Nordafrika bzw. dem Nahen Osten zu berichten gilt, ist er vor Ort.

In diesem Buch analysiert er die Ereignisse des „Arabischen Frühlings“ von 2011, den er „Arabellion“ nennt und die aktuellen Auswirkungen.

„Die Realität des Nahen Ostens ist kompliziert. Aber nicht so kompliziert, dass man sie nicht verstehen kann.“

In sachlichen Worten, die mit gut gewählten Beispielen untermauert sind, erklärt er die komplexen Zusammenhänge zwischen den einzelnen Staaten, den Religionen und deren Splittergruppen sowie die unselige Rolle(n), die Europa und die beiden anderen Großmächte USA und Russland spielen.
Daneben lässt der Autor immer wieder Betroffene zu Wort kommen. Wenn ein syrischer Student sagt: „Ich lebe in einem Land, das mir nichts gibt und mir alles genommen hat“ zeigt, dass die nächste Generation der veränderungswilligen Bevölkerung nichts mehr zu verlieren hat und dem Militär trotzt.

Während in Tunesien langsam so etwas wie Demokratieverständnis aufkeimt, ist Ägypten das Musterbeispiel dafür, dass es mit dem Sturz der Regierung allein nicht getan ist. Es fehlten neue Strukturen, die die alten zu ersetzen vermöchten. Das politische Neuland, das die Revolutionäre betreten haben, hat ein Vakuum hinterlassen, das das (alte) Militär recht schnell wieder gefüllt hat.

Noch gelingt es den Autokraten, sich mit Repression an der Macht zu halten, doch über kurz oder lang wird eine weitere Rebellion sie hinwegfegen. Das wird allerdings wieder Blutvergießen nach sich ziehen.

Solange das Dreieck „Armut-Ungleichheit-Machtlosigkeit“ nicht aufgelöst wird, wird es für die meist jungen Menschen keine Perspektive geben.

Karim El-Gawharys zusammenfassende Analyse “... der Prozess des Wandels in der arabischen Welt ist ein langer ...“. Dem ist kaum etwas hinzuzufügen.

Fazit:

Eine tiefgründige, empathische und teilweise aus eigenem Erleben geschriebene Analyse des Pulverfasses Naher Osten. Gerne gebe ich 5 Sterne und eine Leseempfehlung.

Veröffentlicht am 30.09.2020

Fesselnd bis zur letzten Seite

Zwei fremde Leben
0

Frank Goldammer, Autor aus Dresden, greift mit diesem Roman ein Thema auf, das nach wie vor durch die Gazetten geistert: staatlich sanktionierter Kindesraub durch die Behörden der DDR. Diese, den leiblichen ...

Frank Goldammer, Autor aus Dresden, greift mit diesem Roman ein Thema auf, das nach wie vor durch die Gazetten geistert: staatlich sanktionierter Kindesraub durch die Behörden der DDR. Diese, den leiblichen Eltern entzogenen Kinder, werden in Heimen oder regimetreuen Familien zu „ordentlichen“ Bürgern erzogen. Solche und ähnliche Geschichten sind aus Nazi-Deutschland belegt.

Doch zurück zum vorliegenden Buch, das die Leser durch mehrere Handlungsstränge und Zeitebenen führt:

Ricarda Raspe unverheiratete Tochter eines angesehen Gynäkologen, bringt 1973 in der Dresdner Universitätsklinik ihr Kind zur Welt. Der Vater ist zwar bei der Entbindung dabei, kann aber das Neugeborene nicht retten. Den damaligen Gepflogenheiten entsprechend wird das tote Baby sofort entfernt. Die ohnehin geschwächten Mütter dürfen sich von ihren toten Kindern nicht verabschieden. Das sorgt natürlich für Verunsicherung, ob hier alles mit rechten Dingen zugegangen sein mag.

Thomas Rust junger Volkspolizist, dessen Frau Heike wegen vorzeitiger Wehen, in derselben Klinik liegt, beobachtet just an diesem Tag ein Auto mit Berliner Kennzeichen. Nach einem Gespräch mit Ricardas Freund, hat es seine eigenen Gedanken. Er kennt die Gerüchte, die unter der Hand, von politisch motivierten Kindesentzug, von Zwangsadoptionen und von Babyhandel, wispern. Rust lassen seine Beobachtungen keine Ruhe und beginnt heimlich zu ermitteln. Dabei stößt er auf eine Menge Ungereimtheiten und gerät selbst in den Fokus des Ministeriums für Staatssicherheit.

Jahre ziehen ins Land, Ricarda hat den Verlust ihres erstgeborenen Kindes nach wie vor nicht verarbeitet. Die Suche nach der Wahrheit ist zu einer Obsession geworden, die nicht nur ihre Ehe und Freundschaften zerstört hat. Der Fall der Berliner Mauer und die anschließende Wende lassen Ricarda neuen Mut fassen und ihre Akte der Stasi einsehen.

Gleichzeitig wird in einem anderen Handlungsstrang das Schicksal von Claudia Behling erzählt, die knapp vor dem Mauerfall 1989 beim illegalen Grenzübertritt zwischen Österreich und Ungarn erwischt wird. Aus Wut über möglich Repressalien schleudert ihr die Mutter „Du bist nicht unser Kind, du bist adoptiert!“ entgegen.

Claudia macht sich auf die Suche nach ihrer leiblichen Mutter, die erst 2018 mit einer Überraschung enden wird.

Meine Meinung:

Frank Goldammer gelingt es hervorragend die beklemmende Stimmung in der DDR heraufzubeschwören. Niemand kann sich sicher sein, von einem Nachbarn, einem Freund oder Arbeitskollegen nicht dich bespitzelt zu werden. Die IMs, also die Informanten der Stasi sind allgegenwärtig. Die Gründe, warum hinter einem hergeschnüffelt wird, sind vielfältig. Sei es um eine Vergünstigung wie eine neue Wohnung oder ein Auto oder ein paar Lebensmittel mehr zu bekommen oder, weil man selbst durch irgendetwas erpressbar ist.

Doch auch nach 1989 ist nicht alles Liebe-Wonne-Waschtrog. Investoren aus dem Westen kaufen die maroden Staatsbetriebe auf, die ehemaligen DDR-Bürger werden zu Hilfsarbeitern und Menschen zweiter Klasse degradiert. Natürlich schaffen es einige Wendehälse wieder zu Vermögen und Ansehen zu kommen.
Frank Goldammer beschreibt diese Zeit so:

„Die DDR war verschwunden und mit ihr auch alles Vertraute und Bekannte. Sie waren jetzt frei. Doch das Wort Freiheit hatte schnell einen faden Beigeschmack bekommen. Unter all den neuen Düften lag ein fauliger Geruch.“

Als Österreicherin kann ich natürlich nicht aus eignem Erleben berichten, aber diese Sätze klingen plausibel.

Sehr gut kommt der Spießrutenlauf, dem Ricarda ausgesetzt ist, heraus. Niemand hat Geduld mit ihr. Im Gegenteil, sie muss auf der Hut sein, nicht als psychische Kranke in eine Klinik gesteckt zu werden. Sie gilt als Querulantin, verliert Arbeit und Freunde. Sie hat aber keine handfesten Beweise und wird von einem windigen Reporter ausgenützt.

Die Lebensgeschichte von Claudia ist leider nicht ganz so ausführlich erzählt. Sie steht einfach 2018 vor Ricardas Tür. Gemeinsam gelingt es den beiden, auch unter Mithilfe des damaligen Vopos Rust, ihre Vergangenheit aufzurollen.

Der Roman ist ein beredtes Zeugnis einer Ära, der man im Nachhinein alles mögliche Schlechte andichtet. Ob es diesen staatlichen Kindesentzug und damit einhergehende Zwangsadoptionen in der DDR wirklich gegeben hat, ist nach wie vor nicht beweisen oder widerlegt. Während der Nazi-Zeit gab es tausende solcher Fälle. (siehe u.a. „Raubkind“ oder „L364“ von Dorothee Schmitz-Köster).

Allein die Möglichkeit, dass der allumfassende DDR-Staat hier so in Familien eingegriffen haben könnte, macht betroffen.

Fazit:

Ein sehr emotionales Thema, fesselnd erzählt. Gerne gebe ich hierfür 5 Sterne.