eintauchen in die Welt des MIttelalters
Der Chirurg und die SpielfrauSabine Weiß entführt uns in das Mittelalter. In eine Zeit in der Sklavenhaltung in Europa weit verbreitet und durchaus üblich ist. Eine Zeit in der gegen Andersgläubige mit dem Schwert vorgegangen wird ...
Sabine Weiß entführt uns in das Mittelalter. In eine Zeit in der Sklavenhaltung in Europa weit verbreitet und durchaus üblich ist. Eine Zeit in der gegen Andersgläubige mit dem Schwert vorgegangen wird und die katholische Kirche machtbesessener als so mancher weltlicher Herrscher ist. Es ist die Zeit in der Deutschland unter der Gesamtherrschaft des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation in viele kleine Lehen aufgeteilt ist. Kaiser in jener um die Zeit 1217-1235 ist zuerst Otto, aus dem Geschlecht der Welfen, und anschließend der Staufer Heinrich II..
Gleichzeitig ist es eine Zeit in der Troubadoure ihre Lieder von Ruhm und Ehre singen, Ritter für sie unerreichbare Frauen mit Minnedichtungen anschmachten. Die Kirche beherrscht das Denken der Zeit und gleichzeitig entwickeln sich in vielen Städten Universitäten, die hochgebildeten Männer hervorbringen. Die medizinischen Schulen von Montpellier, Bologna und Salerno sind ein Beisspiel dafür.
Soweit der historische Hintergrund.
Spanien und Deutschland um 1217: Während Elena mit ihren Eltern auf der Insel Mallorca als Sklaven gehalten und der Willkür des Eigentümers ausgesetzt ist, soll Thonis, Erstgeborener eines niedrigen Adelsgeschlecht aus Norddeutschland nach dem Willen seines Vaters in ein Kloster eintreten, während sein jüngerer Bruder Mathias zum Ritter geschlagen werden soll. Thonis widersetzt sich dem Vater und begleitet einen Bruder, der an einem Kreuzzug teilnehmen soll.
Nach mehreren gefährlichen Reisen begegnen sich Elena und Thonis in Genua. Sie lebt inzwischen bei Rambertino Buvalelli einem angesehenen Bürgers in Genua, der ihre Gabe, durch ihre Gesang Kranke zu beruhigen, sehr schätzt. Er ist Schüler eines Chirurgen. Als Buvalelli stirbt, wird sie betrogen und weiterverkauft. Ihr neuer Herr ist ausgerechnet Amiré, jener Studienkollege Thonis, der wenig zum Arzt taugt und immer auf seinen Vorteil bedacht ist. Amiré macht aus Elenas Gabe ein einträgliches Geschäft.
Meine Meinung:
Sabine Weiß hat in diesem historischen Roman die Welt im Mittelalter wieder auferstehen lassen. Allerdings erzählt sie die Geschichte aus der Sicht von Sklaven (Elena) und Medizinern (Thonis, Wilhelm). Trotzdem erhalten wir ein interessantes Bild dieser Zeit. Selbst der kleinste Adelige dünkt sich als etwas Besseres und würde niemals arbeiten, selbst, wenn er in einer zugigen Burg ausharren müsste. Thonis Vater ist so einer. Er verachtet alle jene, die wie Thonis einem Erwerbsleben nachgehen und verstößt seinen Sohn. Für ihn zählen nur Ritter oder Geistliche.
Sehr interessant finde ich den Ausflug in die damalige medizinische Schule. Montpellier, Salerno, Bologna - sie sind in jener Zeit führend und haben sich häufig dem Sezierverbot der katholischen Kirche widersetzt.
Ach ja, die katholische Kirche: Nicht nur, dass sie zu Kreuzzügen gegen nicht-christliche Menschen im Heiligen Land aufruft, bekämpft sie Abweichler ihrer eigenen Lehre wie Katharer oder die Stedinger in Europa. Während die Feldzüge gegen die Katharer wegen der zahlreichen Literatur hinlänglich bekannt ist, ist der Krieg gegen die Stedinger im Weserland eher nur Insidern ein Begriff. Kreuzzüge innerhalb des Deutschen Reiches? Dass die nicht ausschließlich (vorgeschobene) religiöse Gründe haben, liegt auf der Hand. Die Kirche ist ähnlich Machtbesessen wie die Fürsten und will sich ganze Landstriche unter den Nagel reißen. Wenn sie fruchtbar und ertragreich sind, umso besser.,
Erstaunlich ist, wie oft die geschätzte Autorin ihre Protagonisten kreuz und quer durch Europa reisen lässt. In Zeiten, in denen man zu Fuß oder zu Pferd unterwegs ist, eine reife Leistung.
Die Strecke Genua - Montpellier beträgt lt. Routenplaner mehr als 500 km, jene nach Bologna rund 300 km. So ein Tagesmarsch kann zwischen 30 und 40 km betragen, zu Pferd kommt man etwa 50 - 60 km weit.
Das Buch ist niemals langweilig. Jedes Mal, wenn man glaubt, Elena und Thonis können endlich halbwegs in Frieden leben, betritt ein fieser Widersacher die Bühne und das Leid geht von vorne los.
Gut gefallen hat mir auch die Schilderung der Belagerung von Toulouse, die zeigt welchen Strapazen und Gefahren sowohl Angreifer als auch Verteidiger ausgesetzt waren. Das ist alles so lebendig geschildert, dass man sich mitten im Schlachtgetümmel wähnen kann. Mit dabei natürlich Chirurgius Wilhelm mit seinem Helfer Thonis. Beiden wird nicht langweilig, denn es ist gibt tausende Verwundete zu betreuen.
Die Charakter sind sorgsam ausgefeilt und die plastische Darstellung der Umgebung zeugt von akribischer Recherche, wie ich es von Sabine Weiß schon gewöhnt bin.
Eine Landkarte auf denen die meisten Schauplätze eingezeichnet sind und ein Personenverzeichnis am Anfang ergänzen diesen farbig und lebendig erzählten historischen Roman.
Fazit:
Ein fesselnder historischer Roman, der uns von Bremen nach Mallorca und weiter in den Süden Frankreichs und den Norden Italiens mitnimmt. Eine spannende Reise durch die mittelalterliche Medizin und die Geschichte der Kreuzzüge. Gerne gebe ich hier 5 Sterne und eine Leseempfehlung.