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Venatrix

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Veröffentlicht am 23.04.2019

Was sie schon immer über Fahrräder wissen wollten

En Cyclo Pedia
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Dieses Buch über das Fahrrad ist als Lexikon aufgebaut und bietet den Lesern allerlei Wissenswertes und Kurioses über den Drahtesel.

Von den Anfängen des hölzernen Laufrades, das immer starr in eine Richtung ...

Dieses Buch über das Fahrrad ist als Lexikon aufgebaut und bietet den Lesern allerlei Wissenswertes und Kurioses über den Drahtesel.

Von den Anfängen des hölzernen Laufrades, das immer starr in eine Richtung fährt, bis hin zum High-Tech-Bike – die Geschichte des Fahrrades wird hier amüsant erzählt. Manchmal geht es recht detailliert um die Technik, von Gangschaltung über den Sattel zu Bremsen und Reifen.

Der richtigen Auswahl eines Fahrrades misst Johan Tell besondere Bedeutung zu, denn die kann über Lust oder Frust entscheiden.

Interessant auch die diversen Firmengeschichten. Amüsiert habe ich mich über die Anekdote über die Farbe „Celeste“, die auf jedem Fahrrad der Firma Bianchi auch heute noch – zumindest in einem kleinen Detail - vertreten ist.

Nicht fehlen darf natürlich das Kapitel „Doping“, das ja im Radsport traurige Berühmtheit erlangt hat.

Wir erfahren einiges über den Fahrrad-Jargon, denn während man sich unter „Asphalttätowierung“ eventuell noch etwas vorstellen kann, bleibt „Bacon“ ohne Übersetzung ein spanisches Dorf.

Der Autor Johan Tell besucht zahlreiche Fabriken (siehe „Bianchi“) und untersucht Werkstätten auf ihre Tauglichkeit. Er weist auf fahrradtaugliche oder untaugliche Stadtplanung hin, nimmt sich des Themas Klimawandel und Umweltschutz an und das alles mit einer Portion Humor. Ein bisschen macht er sich über Tandems und vierrädrige Fahrräder lustig, gesteht ihnen aber ihre Existenzberechtigung zu.

Er zitiert Albert Einstein, Mark Twain oder Adam Opel, der folgendes gesagt hat:

„Bei keiner anderen Erfindung ist das Nützliche mit dem Angenehmen so innig verbunden, wie beim Fahrrad.“

Fazit:

Ein nettes Geschenk für Fahrradliebhaber und solche, die es noch werden wollen. Gerne gebe ich hier 5 Sterne.

Veröffentlicht am 23.04.2019

Hat mich nicht überzeugt

Schöneberger Steinigung
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Vicky entdeckt beim Joggen die Leiche eines vorerst unbekannten Mannes. Doch sie ist nicht alleine am Tatort. Mehrere Personen, darunter Hundebesitzer, Asylbewerber und kiffende Jugendliche, sind ebenfalls ...

Vicky entdeckt beim Joggen die Leiche eines vorerst unbekannten Mannes. Doch sie ist nicht alleine am Tatort. Mehrere Personen, darunter Hundebesitzer, Asylbewerber und kiffende Jugendliche, sind ebenfalls vor Ort und geben der Polizei nur widerwillig Auskunft. Vicky hat hier weniger Scheu, denn sie kennt den Ermittler, Max Kühn, aus ihrem Schwimmclub.

Vicky kann dann auch noch einen Hinweis auf die Identität des Toten geben. Damit beginnt die schwierige Suche nach dem Täter, denn der Ermordete ist ein schwuler Ex-Priester, der gegen Asylbewerber gehetzt hat.

Wo ist nun der Täter zu finden? Bei den Linken, den Rechten oder den Frommen, denen das Outing des Ex-Priesters die heile Welt zerstört? Oder ist der Mord gar eine Beziehungstat aus Eifersucht? Immerhin hat der Tote seinen Ehemann mehrmals betrogen.

Fragen über Fragen, die sich der Ermittler Max Kühn stellen muss. Wird er die Tat aufklären können?

Meine Meinung:

Als Wienerin bin ich mit den Berliner Verhältnissen ob im Kiez oder der Politik nicht so vertraut. Die vielen unterschiedlichen politischen bzw. weltanschaulichen Gruppierungen, die doch recht militant vorgehen, haben mich ein wenig irritiert. Für Insider ist natürlich alles klar.

Die politische Brisanz ist sehr gut getroffen, das Scheinheilige hier wie dort.

„Ich kämpfe dafür, dass unser Linksstaat wieder ein Rechtsstaat wird, gegen die Islamisierung Europas, gegen den faschistischen Terror der Antifa und gegen die Einschränkung der Meinungsfreiheit, aber wie wird es mir gedankt?“ (Nelly S. 169)

Allerdings ist es mit der Meinungsfreiheit nicht weit her, wenn nur die eigene Meinung als schützenswert gilt.

Interessant ist, wie die verschiedenen Personen miteinander verflochten sind. Da ist zum einen Vicky, die Ehefrau des Arztes Oliver, der durch seine häufige Abwesenheit glänzt, die ehrenamtlich in der Asylunterkunft arbeitet, genauso wie ihre Haushälterin Ingeborg, die plötzlich mit einer Frau zusammenziehen möchte und einen jungen Asylwerber adoptieren will oder die Gruppe rund um Horst Ibarra, dem Ehemann des Ermordeten.

Dann haben wir noch den AfD-Bezirkspolitiker Manni, der nach wie vor bei seiner Mutter lebt und via Social Media gegen Nicht-Deutsche hetzt. Oder Nelly, die auch nicht das ist, was sie vorgibt zu sein. Und nicht zu vergessen, diese Ursula von Übelbach, bei deren Namen schon Argwohn über ihre Gesinnung aufkommt.

Warum allerdings Vickys österreichische Herkunft im Verlagstext so hervorgehoben wird und dann überhaupt keine Rolle spielt, verstehe ich nicht ganz.

Interessant ist auch der Umgang der Ermittler miteinander. Die meisten haben ein recht lockeres Verhältnis zueinander. Das liest man schon aus der manchmal flapsigen Umgangssprache heraus bzw. die Kabbelei zu den täglichen Croissants. Witzig finde ich die Namen für die Vernehmungsräume „Teneriffa“, „La Gomera“ und „Mallorca“ – das gefällt mir!

Der Schreibstil ist gut lesbar. Die Berliner Schnauze von Ingeborg lockert den Krimi auf. Gut auch die Sprüche so mancher Protagonisten „schwuler Homosex“ (S.179/ Ursula beim Verhör) – das ist ein schöner Pleonasmus, schwuler geht’s nimmer.

Ein paar Dinge sind mir ein wenig zu viel: Müssen sich jetzt plötzlich alle als homosexuell outen? Zum einem, Agnes, die Tochter der Übelbach, die vorher kaum in Erscheinung tritt und dann überraschend erscheint, genauso wie Max, der sich mit Felix und Raffael einlässt. Das halte ich für höchst unprofessionell. Immerhin haben beide als Verdächtige in diesem Mordfall gegolten. Nebenbei bemerkt, knutschen die beiden vorher mit Heidi. Und zwischen Max und Vicky hätte ich eigentlich ein leises Knistern verspürt. Hm, das ist mir doch ein bisserl zu viel freie Liebe.

Fazit:

Ein rasanter Krimi, der innerhalb einer Woche spielt und das Leben so mancher Person auf den Kopf stellt. Trotzdem hat mich die Geschichte nicht überzeugt, daher nur 3 Sterne.

Veröffentlicht am 22.04.2019

Ein aufschlussreiches Buch

Unsere Mütter
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13 Frauen und ein Mann berichten in teils bewegenden Worten über ihre Beziehung zu ihren Müttern.

Die Autorin nähert sich mit viel Empathie und Fingerspitzengefühl „ihren Müttern“. Sie notiert diese Interviews ...

13 Frauen und ein Mann berichten in teils bewegenden Worten über ihre Beziehung zu ihren Müttern.

Die Autorin nähert sich mit viel Empathie und Fingerspitzengefühl „ihren Müttern“. Sie notiert diese Interviews ohne zu werten, denn die Beweggründe so und nicht anders zu handeln, hängt mit den Lebensumständen der Frauen zusammen. Sei es, dass die Familie aus Syrien flüchten muss, oder die Mütter im Zweiten Weltkrieg traumatisiert wurden oder als ledige Mutter keinen anderen Ausweg fanden, das Kind zur Adoption freizugeben.

Sehr deutlich ist zu spüren, dass einige Töchter die Traumata der Mütter „geerbt“ haben, ohne sich dessen bewusst zu sein. Sie verspüren oft indifferente Ängste, die sie nicht benennen können. Erst wenn das Trauma der Mutter aufgelöst ist, findet auch die Tochter zu ihrem eigenen Leben. Manchmal muss eine Tochter das ungelebte Leben der Mutter erfüllen.

Im Vorwort erklärt Silia Wiebe ihre Vorgangsweise und im Anhang findet sich weiterführende Literatur.

Fazit:

Der Autorin ist ein aufschlussreiches Buch über die „Mutter/Tochter“-Beziehung gelungen, das ich unbedingt weiterempfehle. Gerne gebe ich hier 5 Sterne.

Veröffentlicht am 22.04.2019

Einfach zum Nachdenken

Wenn man weiß, wo der Verstand ist, hat der Tag Struktur
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Alexander Unzicker versucht in drei Teilen, die treffend „sehen“, „denken“ und „handeln“ heißen, die Leser dazu zu bringen, dem eigenen Verstand zu trauen und ihn auch zu gebrauchen.

In Zeiten der Überreizung ...

Alexander Unzicker versucht in drei Teilen, die treffend „sehen“, „denken“ und „handeln“ heißen, die Leser dazu zu bringen, dem eigenen Verstand zu trauen und ihn auch zu gebrauchen.

In Zeiten der Überreizung der Sinne rät der Autor, sich bewusst dieser Medienflut zu entziehen: Nachrichtenfasten also. Doch auch gezieltes Auswählen der Medien schützt vor Fake-News nur bedingt. Es scheint, als sie es Sinn und Zweck der Medien geworden, die Menschen zu verwirren. Schon Harry S. Truman wird folgender, durchaus passender Satz zugeschrieben: „Wenn du sie nicht überzeugen kannst, verwirr‘ sie.“.

Mit sehr sachlichen, sehr analytischen Beispielen bringt der Autor seine Gedanken seinen Lesern näher. Sehr aufschlussreich sind auch die vielen Zitate, die beinahe auf jeder Seite als „Randbemerkung“ zu finden sind. Es lohnt, die Zitate genauer unter die Lupe zu nehmen und anschließend wieder mit dem Text in Zusammenhang zu bringen.

Unzicker setzt sich auch kritisch mit der Datensammelwut von Regierungen auseinander. „Wissen ist Macht, nichts wissen macht auch nichts“, das war einmal. Heute heißt es „Wissen wird Macht, Macht schafft Daten“ (S.78)

Fazit:

Ein Buch, das auch in Schulen gelesen werden sollte. Gerne gebe ich hier 5 Sterne

Veröffentlicht am 21.04.2019

Revolutionär - Kaiser - Verbannter

Napoleon
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2019 jährt sich die Geburt von Napoleon Bonaparte (15.08.1769-05.05.1821) zum 250. Mal. Daher ist es nicht verwunderlich, dass aus diesem Anlass mehrere Biografien über ihn erscheinen.
Doch ist es möglich, ...

2019 jährt sich die Geburt von Napoleon Bonaparte (15.08.1769-05.05.1821) zum 250. Mal. Daher ist es nicht verwunderlich, dass aus diesem Anlass mehrere Biografien über ihn erscheinen.
Doch ist es möglich, nach wie vor unbekannte Details aus seinem Leben zu erfahren oder ist nicht ohnehin alles schon erforscht?

In sechs großen Kapiteln wird der Aufstieg und Fall des Revolutionärs auf dem Kaiserthron beschrieben.

Aufschlussreich ist Teil III „Improvisationen“. Hier listet Müchler einige jener Situationen auf, die für Napoleon beinahe ins Auge gingen, weil z.B. die Aufklärung vernachlässigt wurde. 1806 in der Schlacht von Jena und Auerstädt, wird Napoleon beinahe von „friendly fire“ (also den eigenen Truppen unter Feuer genommen wurde S.294). Noch verhängnisvoller, weil er, der große Stratege sich in einer Schlacht mit Hohenlohe verzettelt und dabei übersieht, dass nur wenige Kilometer entfernt Marschall Davout gegen eine preußische Übermacht kämpft. Davout gewinnt eigentlich nur deswegen, weil die Preußen ihre zahlenmäßige Überlegenheit mit Desorganisation verspielen.

Aus den meisten dieser brenzligen Situationen kommt mit Napoleon mit Glück und seiner Improvisationskunst heraus. Viele seiner Getreuen wie Antoine Desaix (1802) und Jean Lannes (1809) fallen.

Allerdings zeigt Müchler auch die grausame Seite Napoleons, die z.B. bei seinem Ägyptenfeldzug deutlich wird, als er Kriegsgefangene und kranke Soldaten der eigenen Armee sich selbst überlässt bzw. umbringen lässt.

Der Autor bemüht sich alle Facetten der schillernden Persönlichkeit zu erfassen. Am Beginn seiner Karriere ist Napoleon ein Revolutionär, zuerst auf Korsika, dann in Frankreich. Er hat das Gespür für die Soldaten und für das Machtvakuum in der Armee. So wie er die Truppen revolutioniert, so geht er auch bei den Eroberungen vor: Zunächst nicht ursächlich als „Landgewinn“, sondern um die herrschenden Dynastien von der Landkarte zu vertreiben und die Gedanken der Republik weiter zutragen. Anfangs sieht er sich und seine Soldaten tatsächlich als Retter der unterdrückten Massen. Doch was daraus wird, ist bekannt: Nahezu 25 Jahre Krieg der ganz Europa, Russland und Nordafrika überzieht und seine Auswirkungen auch in Amerika und Indien hat.

Napoleon ist nicht nur ein Revolutionär, ein überragender General, ein guter Menschenkenner, ein Kaiser von eigenen Gnaden, ein guter Organisator und Verwalter, er ist vielmehr auch ein Getriebener seines eigenen Ehrgeizes. Es ist ihm schon bewusst, dass er niemals den alten Dynastien gleichgestellt werden wird. Da nützt ihm auch die Hochzeit mit Marie Louise, der Tochter des österr. Kaisers Franz II./I. nichts.

Napoleon entscheidet zwar die meisten Schlachten für sich (und die Revolution), den Krieg gewinnt aber die Reaktion.

Günther Müchler ist Journalist und hat daher einen anderen Schreibstil als z.B. Adam Zamoyski.

Gut gefällt mir, dass Müchler die Biografie aus mehreren Blickwinkeln beleuchtet, wenn auch die meisten Quellen aus französischer Feder sind, und daher ein wenig zu Gunsten von Bonaparte aussagen. Hier stellt sich für mich die Frage, ob es zu wenig Material in den russischen oder österreichischen Archiven gibt? Oder, ob sich Napoleons Gegner einfach nicht mit seiner Person außerhalb des Strategen beschäftigen wollten? Oder sind die Quellen, wie z. B. die Memoiren eines Metternich, so gefärbt, so vom Verfasser (eben Metternich) auf die eigene Glorie getrimmt, dass sie wieder nicht aussagekräftig sind?

Fazit:

Eine detaillierte Biografie, die doch das eine oder andere Unbekannte über Napoleon zu Tage fördert. 4 Sterne