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Venatrix

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 21.06.2024

Fesselnd bis zur letzten Seite

Der 1. Patient
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Dass das Thema „Einsatz von KI in der Medizin“ Eingang in die Krimi-Reihe des Autorenduos Schwiecker & Tsokos finden würde, ist - wie man in der Fußballsprache sagt - aufgelegt. Wie immer, wenn sich Schwiecker ...

Dass das Thema „Einsatz von KI in der Medizin“ Eingang in die Krimi-Reihe des Autorenduos Schwiecker & Tsokos finden würde, ist - wie man in der Fußballsprache sagt - aufgelegt. Wie immer, wenn sich Schwiecker & Tsokos mit brandaktuellen gesellschaftspolitischen Fragen beschäftigen, kommt ein fesselnder Krimi mit einem durchaus überraschenden Ende heraus.

Doch von Beginn an:

Während einer Routine Operation, deren OP-Plan von einer KI generiert worden ist, stirbt der Patient an einem anaphylaktischen Schock. Es scheint, dass er auf das injizierte Kontrastmittel allergisch reagiert hat.

Rocco Eberhardt übernimmt die Verteidigung der operierenden Ärztin Sasha Müller. Ist sie schuld an dem Vorfall? Hätte sie den von der KI generierten OP-Plan nicht doch überprüfen sollen. Birgt die Technikgläubigkeit nicht immense Gefahren? Und, welche Interessen verfolgen die Hersteller der Software?

Daneben müssen sich alle Beteiligten mit einer von den Medien gepushten Diskussion stellen.

Als sich herausstellt, dass die Patientenakte manipuliert worden ist, bekommt der Fall eine völlig andere Wendung.

Meine Meinung:

Nachdem ich schon die drei vorherigen Krimis von Schwiecker & Tsokos begeistert gelesen habe, musste ich diesen natürlich auch lesen.

Ich gebe zu, das Thema KI verursacht bei mir, obwohl ich eine Technikerin bin, besonders in der Medizin, auch ein leicht mulmiges Gefühl. Allerdings bietet die durch KI-unterstützte Diagnostik auch Vorteile. Das Für-und-Wieder sowie die gegensätzlichen Meinungen werden hier sehr gut in die Handlung eingewoben. Der Schlagabtausch zwischen Befürwortern und Gegner findet in TV-Diskussionen sowie im Gerichtssaal statt.

Geschickt legen Schwiecker & Tsokos zahlreiche, zu Beginn, viel versprechende Spuren, die letztlich in Sackgassen enden.

Das Cover passt sehr gut zu den Vorgängern, somit ist auf jeden Fall der Wiedererkennungswert gegeben.

Die Spannung steigt wie immer durch kurze knackige Kapitel, bis sie sich zum Ende in einer unerwarteten Wendung entlädt. Die Charaktere sind detailliert ausgearbeitet.

Diesmal ist der Beitrag von Rechtsmediziner Justus Jarmer nur ein kleiner, aber der dafür gewichtig.

Fazit:

Gerne gebe ich diesem 4. Fall für Rocco Eberhardt wieder 5 Sterne.

Veröffentlicht am 21.06.2024

Fesselnd bis zur letzten Seite

Gefährlicher Sog
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In ihrem 8. Fall muss sich Liv Lammers nicht nur mit einer Wohngemeinschaft von Jugendlichen, deren Sozialpädagoge Timus Roters, mit 23 Messerstichen ermordet worden ist, herumschlagen, sondern auch mit ...

In ihrem 8. Fall muss sich Liv Lammers nicht nur mit einer Wohngemeinschaft von Jugendlichen, deren Sozialpädagoge Timus Roters, mit 23 Messerstichen ermordet worden ist, herumschlagen, sondern auch mit ihrem Kollegen Andreas, der nach einer schweren Kopfverletzung zwar wieder im Dienst ist, aber nicht wirklich dienstfähig ist. Durch sein eigenartiges Verhalten, das im Laufe der der Zeit sich zu einer wahren Paranoia auswächst, gefährdet er nicht nur die Ermittlungen, sondern auch Liv persönlich.

Meine Meinung:

In diesem Krimi, der in Hörnum am südlichen Zipfel von Sylt spielt, zieht Sabine Weiss wieder alle Register. So greift sie mehrere gesellschaftspolitische Themen auf. Da ist zum einem, das Kaputt-Sparen der Exekutive, die mit eklatanten Personalmangel kämpft und Mitarbeiter aus dem Urlaub zurückholt oder rekonvaleszente Dienst schieben lässt. Und zum anderen die Unterbringung von auffälligen Jugendlichen in einer sozialpädagogischen Wohngruppe, der liberale Führung durch das Ehepaar Roters einigen Einwohnern Hörnums gegen den Strich geht. Jedes Mal, wenn es einen Vorfall gibt, richtet sich der erste Verdacht gegen die Jugendlichen und sei es nur ein platter Reifen bei einem Fahrrad.

Wie in jedem der Bücher der Reihe spielt auch Liv Lammers Privatleben eine große Rolle. Livs Tochter Sanna engagiert sich in einer Gruppe für benachteiligte Jugendliche und kommt so mit einer Jugendlichen aus der Wohngemeinschaft in Kontakt. Dass sie dabei die Ermittlungen ihrer Mutter erschwert, ja beinahe torpediert, ist nicht unbedingt Absicht. Die durch den Job der Mutter stellenweise angespannte Beziehung der beiden eskaliert, als Sanna die Wahrheit über ihren Vater erfährt. Diese privaten Einblicke fügen sich wieder gut in die Ermittlungen ein und haben mir gut gefallen.

Die Charaktere sind wie immer sehr gut herausgearbeitet. Wer die Reihe um Liv Lammers von Beginn an verfolgt, wird die Entwicklung der verschiedenen Charaktere erkennen. Während Liv und Sanna an ihren Aufgaben wachsen, wird Andreas langsam aber stetig zum Sicherheitsrisiko. Natürlich ist eine schwere Kopfverletzung keine Kleinigkeit, aber die Weigerung psychologische Hilfe anzunehmen, sowie sich als Leitender Ermittler aufzuspielen, dabei aber falsch Anordnungen zu treffen und übergriffig zu sein, ist ein absolutes NoGo. Mit den Konsequenzen wird er vermutlich nicht zurecht kommen, was bei mir ein ungutes Gefühl für den nächsten Fall aufkommen lässt.

Auch die Bewohner der Wohngruppe sind alles andere als einfache Charaktere, das Betreuerpaar Roters ist dabei nicht ausgenommen.

Der Spannungsbogen ist, wie bei Autorin Sabine Weiss üblich, gewohnt hoch. Es gibt zahlreiche Verdächtige sowie einige Spuren im im sprichwörtlichen Sand (von Hörnum) verlaufen. Die Auflösung ist ein wenig überraschend, aber stimmig.

Fazit:

Gerne gebe ich diesem 8. Fall für Liv Lammers 5 Sterne.

Veröffentlicht am 20.06.2024

Ein gelungener Auftakt einer Trilogie

Wir sind für die Ewigkeit
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Dieser historische Roman ist der Auftakt zu der Spanien-Trilogie, deren Protagonistinnen starke Frauen sind. In diesem ersten Teil ist es Mercedes.

Autorin Astrid Töpfner entführt ihre Leserinnen in ...

Dieser historische Roman ist der Auftakt zu der Spanien-Trilogie, deren Protagonistinnen starke Frauen sind. In diesem ersten Teil ist es Mercedes.

Autorin Astrid Töpfner entführt ihre Leserinnen in das Jahr 1939 nach Barcelona. Der Spanische Bürgerkrieg tobt. Die Faschisten unter Francisco Franco verhaften und ermorden alle, die anderen Meinung sind. So auch den Kinderarzt Sants Duran, Mercedes‘ Vater. Auf der Flucht wird ihre Mutter getötet und ihr Bruder geht in den Wirren des Flüchtlingsstromes verloren. Völlig auf sich alleine gestellt, trifft sie auf den Soldaten Agustí. Gemeinsam verlassen sie Spanien und werden in Frankreich, wie viele Tausende andere Flüchtlinge auch, in ein Internierungslager in Argèles-sur-Mer gesperrt, denn in der Zwischenzeit hat Nazi-Deutschland Polen überfallen und damit ist der Zweite Weltkrieg ausgebrochen.

Die beiden werden getrennt und nach Jahren in der Fremde kehrt Mercedes unter dem falschen Namen Lucia nach Spanien zurück, lernt den Fischer Luis kennen, heiratet ihn und bekommt zwei Söhne. Allerdings weiß sie nicht, dass ihr Mann im Untergrund gegen das Franco-Regime arbeitet. Es kommt, wie es kommen muss: Luis wird verhaftet und ausgerechnet Agustí muss ihn mitnehmen. Was wird Mercedes/Lucia nun tun?

Meine Meinung:

Über den Spanischen Bürgerkrieg (1936-1939) weiß man im Allgemeinen nicht viel. Ja, General Franco, die Internationalen Brigaden, die Legion Condor sowie die Zerstörung von Guernica und andere Gräuel (auf beiden Seiten) sind einigen Lesern ein Begriff. Dass Spanien bis zu Francos Tod 1975 eine Diktatur war und heute eine konstitutionelle Monarchie ist, liegt darin begründet, dass Franco bereits 1969 Juan Carlos de Borbon als seinen Nachfolger bestimmt hat. Obwohl nach dem Tod Francos der friedliche Übergang zur Demokratie gelungen, ist die Aufarbeitung der Franco-Ära fast dreißig Jahre unterblieben. Erst ab 2005 (!) hat man sich entschlossen Opfer der Franco-Ära zu rehabilitieren. Nach wie vor findet man Massengräber, in denen die Opfer des faschistischen Regimes verscharrt worden sind. Darüber und wie Spanien zu einer Demokratie und einem Urlaubsland wird, werden wir bestimmt in den nachfolgenden Büchern Iesen.

Geschickt verbindet die Schweizer Autorin Astrid Töpfner Fakten und Fiktion zu einem dichten historischen Roman. So bekommt Ana Maria Dali, die Schwester des Malers Salvadore Dali, einen Platz in dieser Geschichte. Auch die ambivalente Haltung von ihrem Vater und Bruder, dem Franco-Regime gegenüber, findet Erwähnung. Um zu Überleben haben viele Familien ihre Überzeugung abgelegt oder im Innersten verborgen. Nicht immer gelingt das, denn neidische Nachbarn denunzieren zahlreiche Menschen. Denn für das Ausliefern von Regimegegner gibt es eine Belohnung - egal, ob die Anschuldigungen tatsächlich stimmen oder nur die Gier die Denunzianten antreibt. Das müssen Mercedes/Lucia und Luis am eigenen Leib spüren.

Der Schreibstil ist flüssig und lässt sich sehr gut lesen. Die historischen Details sind penibel recherchiert. Dazu finden sich im Anhang einige Informationen sowie eine Landkarte zu Beginn des Romans. So kann man die Orte in denen Mercedes‘ Leben spielt, sehr gut finden.

Die Charaktere sind sehr gut beschrieben. Die verwöhnte, junge Tochter eines Kinderarztes muss schnell erwachsen werden. Interessant ist, dass zunächst kaum etwas über den Soldaten Agustí bekannt ist. Erst als er Mercedes/Lucia bei der Verhaftung von Luis und danach wiedersieht, lüftet er sein Geheimnis.

Fazit:

Gerne gebe ich diesem dramatischen Auftakt der Spanien-Trilogie 5 Sterne.

Veröffentlicht am 20.06.2024

"Wenn es heute nicht klappt, sind wir verloren"

Ein schwarzer Tag im Juli
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„Wenn es heute nicht klappt, sind wir alle verloren.“

Aus Anlass des 20. Juli 1944, an dem eine Gruppe von Offizieren versucht, durch Tyrannemord, den zweiten Weltkrieg zu beenden, und der sich nun zum ...

„Wenn es heute nicht klappt, sind wir alle verloren.“

Aus Anlass des 20. Juli 1944, an dem eine Gruppe von Offizieren versucht, durch Tyrannemord, den zweiten Weltkrieg zu beenden, und der sich nun zum 80. Mal jährt, erscheinen zahlreiche Sachbücher oder historische Romane wie dieser hier.

Dörte Schipper nimmt uns mit, die Wochen der Vorbereitungen, zu erleben. Sie bettet diese dramatischen Tage, die wie man weiß, mit einem schwarzen Tag im Juli enden werden, in eine für damalige Zeiten typische Familie ein.

Egon Reusler ist ein junger Offiziersanwärter, der im August 1944 an die Front muss. Zuvor will er seine schwangere Freundin heiraten. Während der hektischen Hochzeitsvorbereitungen lernt er durch seinen Onkel Leopold von Schülow einen der Mitwisser der Stauffenberg-Gruppe kennen für den er den einen oder anderen streng vertraulichen Botengang erledigen soll. Dafür könnte möglicherweise ein abermaliger Aufschub des Marschbefehls erreicht werden, denn bislang ist Egon krankheitsbedingt nicht einberufen worden, was seinem Vorgesetzten Albert Winkler missfällt. Winkler ist nicht nur ein fanatischer Nazi sondern leider auch ein angeheirateter Verwandter, der mit seiner Frau nun in der Wohnung der Reuslers wohnt, weil deren eigene zerstört worden ist. Die Winklers benehmen sich abscheulich, requirieren die kargen Lebensmittelvorräte, beanspruchen den größeren Teil der Wohnung für sich und dann steigt er noch Paula, Egons Schwester nach.

Wie hinlänglich bekannt, scheitert das Unternehmen Walküre, Hitler überlebt, Stauffenberg sowie seine unmittelbaren Mitverschwörer werden noch am selben Abend im Bendler-Block hingerichtet. Hitlers Schergen beginnen mit dem großen Aufräumen, in dem nicht nur die Verschwörer und Mitwisser hingerichtet werden, sondern auch deren Familien in Sippenhaft genommen werden sowie einige private Rechnungen beglichen werden.

Meine Meinung:

Ich habe schon zahlreiche Sachbücher und historische Romane zum 20. Juli 1944 gelesen. Dieses Buch über einen schwarzen Tag in der Geschichte Deutschlands ist penibel recherchiert und erzählt die Wochen davor aus Sicht einer ganz normalen Familie.

Der Riss, der nach Jahren des NS-Regimes durch zahlreiche Familien geht, hier fanatische Nazis, die nach wie vor an den Endsieg glauben, und dort desillusionierte Menschen, die nichts lieber als Frieden hätten, ist sehr gut beschrieben. Als Witwe hat es Egons Mutter ohnehin sehr schwer, schwebt doch über dem Unfalltod ihres Mannes der unausgesprochene Geruch eines Selbstmordes, weil er die Gräuel der Nazis nicht mehr ausgehalten hat. Damit ist sie nicht alleine.

Nachdem die Alliierten am 6. Juni 1944 in der Normandie gelandet sind, die deutschen Truppen an der Ostfront verbluten und die Air Force der Amerikaner und Briten deutsche Städte in Schutt und Asche legen, ist vielen Menschen klar, dass der Krieg verloren ist. Doch statt aufzugeben, befiehlt Hitler „den totalen Krieg“. Zeit für die Attentäter zu handeln.

Dieser Versuch Hitler an diesem 20. Juli 1944 zu beseitigen, war nicht das einzige (misslungene) Vorhaben, den Massenmörder zu stoppen. Vielleicht aber der Bekannteste, weil er aus dem Innersten der Wehrmacht kam.

Fazit:

Gerne gebe ich diesem penibel recherchierten und aus ungewöhnlicher Perspektive fesselnd erzähltem historischen Roman 5 Sterne.

Veröffentlicht am 20.06.2024

"Es gib kein Denkmal auf Babyn Jar"

Das Echo der Zeit
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Jeremy Eichler, amerikanischer Musikkritiker und Autor nimmt seine Leser auf eine Reise in die Musik und die Vergangenheit mit.

Am Beispiel von Arnold Schönberg, Richard Strauss, Dmitri Schostakowitsch ...

Jeremy Eichler, amerikanischer Musikkritiker und Autor nimmt seine Leser auf eine Reise in die Musik und die Vergangenheit mit.

Am Beispiel von Arnold Schönberg, Richard Strauss, Dmitri Schostakowitsch und Benjamin Britten zeigt er auf, wie die Erfahrungen, die die Komponisten den Ersten und Zweiten Weltkrieg gemacht haben, in ihre Kompositionen eingeflossen sind.

So erfahren wir, dass Arnold Schönberg (1874-1951), Enfant Terrible der Musik und Wiener Jude, in seinem New Yorker Exil als erster Komponist an einem Musikstück arbeitet, das die Shoa zum Thema hat: „Ein Überlebender aus Warschau“. Die Komposition ist so verstörend, dass sie, obwohl eine Auftragsarbeit für das Boston Symphony Orchestra, erst im 1948 von einem Laienensemble uraufgeführt wird.

Quasi als Antipoden stellt uns Eichler dann Richard Strauss (1864-1949) vor: Er ist von 1933 bis 1935 Präsident der Reichsmusikkammer und damit ein früher Nutznießer des NS-Regimes. Allerdings fällt er später in Ungnade, weil er für seine Oper „Die schweigsame Frau“ das Libretto vom jüdischen Autors Stefan Zweig schreiben lässt. Hier zeigt Strauss Courage und besteht darauf, dass Zweigs Namen auf den Programmheften zu lesen ist. Gleichzeitig ist Strauss‘ Schwiegertochter Jüdin. In seinem letzten Werk „Metamorphosen für 23 Streicher“ spiegelt sich die Verwandlung Deutschlands in eine Trümmerwüste wieder.

Dmitri Schostakowitsch (1906-1975) dessen Leben ein Auf und Ab in der Sowjetunion ist, vertont das Gedicht von Jewgeni Alexandrowitsch Jewtuschenko (1932-2017) dessen erste Zeile lautet:

„Es steht kein Denkmal über Babyn Jar“

Damit setzt Schostakowitsch 1961 mit seiner düsteren „Dreizehnte Sinfonie“ dem Massaker der Deutschen Wehrmacht von 1941 im ukrainischen Babi Jar ein Mahnmal. Das Werk missfällt den sowjetischen Machthabern, weil es (verdeckt) den Antisemitimus der UdSSR anprangert. Dazu passt perfekt, dass Jeremy Eichler, wenige Wochen vor Putins Angriff auf die Ukraine 2022, während seiner Recherche zu diesem Buch, auch die Schlucht von Babyn Jar aufsucht und keine Spur der Schlucht findet: Das Sowjet-Regime hat die Schlucht von Babyn Jar auffüllen lassen und damit versucht, jede Spur des Massakers an den ukrainischen Juden in der Schlucht von Babyn Jar zu tilgen. Ob das, anlässlich des 80. Jahrestages des Massakers 2021 errichtete Denkmal den Angriffskrieg Putin überstehen wird, ist ungewiss. Damit erfüllt sich die düstere Prophezeihung aus Jewtuschenkos Gedicht abermals.

Der vierte Komponist, den uns Jeremy Eichler hier vorstellt ist Benjamin Britten (1913-1976). Geprägt durch frühkindliche Kriegstraumata aus dem Ersten Weltkrieg (eine von einem Zeppelin abgeworfene Granate schlug unmittelbar neben dem Haus der Familie Britten ein und beschädigen das Gebäude), verlässt er 1939 Europa Richtung Amerika und gilt als Kriegsdienstverweigerer. Diese Schmähung wird er 1945 entkräften, als er mit den jüdischen Geigenvirtuosen Yehudi Menuhim (1916-1999) auf seiner Reise durch das zerstörte Deutschland begleitet, unter anderem das KZ Bergen-Belsen besucht und vor Tausenden Displaces Persons, darunter Überlebende der Shoa, Konzerte gibt.
Am 30. Mai 1962 wird Brittens Komposition „War Requiem“ in der wiederaufgebauten Kathedrale von Coventry, deren Vorgängerbau im Rahmen der deutschen Bombardierung der Stadt während der Luftschlacht um Englandweitgehend zerstört worden ist, uraufgeführt.

Meine Meinung:

Jeremy Eichler ist mit diesem Buch ein außerordentliches wie erschütterndes Zeugnis, das musikalische Mahnmale der Zeitgeschichte und ihre Wirkungs mit der Zeitgeschichte zweier Weltkriege verknüpft. Jeremy Eichler hat mit "Das Echo der Zeit" eines der bedeutendsten Musikbücher der vergangenen Jahre geschrieben. Das Buch richtet sich an musikalisch wie historisch Interessierte.

Es ist nicht unbedingt notwendig, Musikexperte zu sein. Man kann diesem beeindruckenden Buch auch so folgen. Ich werde mir die vier genannten Musikstücke (zumindest auszugsweise) anhören, obwohl ich kein ausgesprochener Klassik-Fan bin. Zudem werde ich dieses Buch sicherlich abermals zur Hand nehmen.

Jeremy Eichlers Schreibstil ist beeindruckend. Das Buch ist penibel recherchiert und enthält eine Vielzahl von Abbildungen. Die sehr gute Übersetzung stammt von Dieter Fuchs.

Fazit:

Gerne gebe ich diesem Buch, das mich ob der Fülle der Details sehr beeindruckt hat, 5 Sterne und eine Leseempfehlung.