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Venatrix

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 28.08.2024

EIne Leseempfehlung!

Ein paar Leben später
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Robert Palfrader, den meisten Menschen als Kaiser Robert Heinrich I. aus dem österreichischen Fernsehen bekannt, hat seinen ersten Roman veröffentlicht.

»Sie machen sich keine Vorstellung davon, wie oft ...

Robert Palfrader, den meisten Menschen als Kaiser Robert Heinrich I. aus dem österreichischen Fernsehen bekannt, hat seinen ersten Roman veröffentlicht.

»Sie machen sich keine Vorstellung davon, wie oft ich die Unwahrheit erzählen werde müssen, um die Geschichte der Familie meines Vaters glaubhaft erscheinen lassen zu können. Denn die ganze Wahrheit kann ich niemandem zumuten, dafür ist sie zu absurd.«

In seinem Debüt erzählt in einer Romanbiografie die Geschichte seiner Vorfahren, einer Familie im ladinischen Teil Südtirols. Die Ladiner sind eine Minderheit in Südtirol, genauer gesagt in den Dolomiten. Sie haben sich ihre sprachliche und sonstige Eigenheiten über Jahrhunderte, auch wenn sie zahlreichen staatlichen Unterdrückungen ausgesetzt waren, bis heute bewahrt. Eine kleine unbeugsame Volksgruppe von rund 35.000 Personen. Menschen, die sich ihrer rauen unwirtlichen Umgebung in den Bergen der Dolomiten angepasst haben.

Unter diesen ohnehin schon wortkargen Menschen stechen die Craffonaras und die Palfraders besonders heraus. So ist die eine Urgroßmutter überdurchschnittlich fromm und nimmt ihr Schicksal gottergeben ohne zu klagen an. Die andere Urgroßmutter hingegen liest alles, was sie zwischen die Finger bekommt und wird eine erfolgreiche HUndezüchterin, die sie auch ins benachbarte Ausland führt. Auch die Urgroßväter polarisieren. Aufbrausend der eine, geschäftstüchtig der andere. Die nächste Generation sucht außerhalb des engen Tals bis hin in Argentinien ihr Glück und kehrt enttäuscht zurück.

Franz und Maria Palfrader schaffen sich mit ihrem kleinen Hotel so etwas wie Wohlstand. Doch der Faschismus auf beiden Seiten der Alpen macht ihnen einen Strich durch die Rechnung. Dableiben oder Fortgehen? Der Partei beitreten, ausschließlich italienisch sprechen und die Namen ändern? Wer die sturen Mitglieder der Familien nun kennengelernt hat, wir ahnen, wie sie sich entscheiden. Franz und Maria verlassen 1941 St. Vigil und fangen in der Nähe von Krems in Niederösterreich (damals Gau Niederdonau in der Ostmark) neu an.

„Dein Großvater hat nur zwei Fehler in seinem Leben gemacht.“ sagt die jüngste Schwester vom Franz ein paar Leben später einem seiner Enkel. „Der erste Fehler war: Er ist aus St. Vigil weggegangen. Und der zweite: Er ist nicht zurückgekommen.“
„Ja“ dachte der Enkel „aber wär er zurückgegangen, gäb‘s mich halt nicht. Ich bin also das Ergebnis einer Fehlentscheidung. Auch nicht angenehm, das zu wissen.“ Gesagt hat er das aber nichts.

Meine Meinung:

Geschickt verknüpft Robert Palfrader in der Geschichte seiner Vorfahren Fakten mit Fiktion. Auf 160 Seiten erzählt er atmosphärisch dicht, oft in kargen Worten das Leben in der rauen Umgebung.

Wenn man den Autor ausschließlich als Kunstfigur Kaiser Robert Heinrich I. sowie als Schauspieler und Kabarettisten kennt, traut man ihm diese tiefgründige Familienbiografie so gar nicht zu. 5 Sterne.

Veröffentlicht am 26.08.2024

Ein gelungener Reihen-Auftakt

Die wilden Robbins (Band 1)
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Dieses Buch ist der erste Teil einer Kinderbuch-Serie von Nina Weger ab dem Lesealter von ca. 8 Jahren.

Worum geht’s?

Sommerrode ist ein typischer Reißbrett-Stadtteil: Breite Radwege, bepflanzte Vorgärten, ...

Dieses Buch ist der erste Teil einer Kinderbuch-Serie von Nina Weger ab dem Lesealter von ca. 8 Jahren.

Worum geht’s?

Sommerrode ist ein typischer Reißbrett-Stadtteil: Breite Radwege, bepflanzte Vorgärten, getrimmte Rasen und eine nach ökologischen Gesichtspunkten angelegte Insektenwiese. Alles muss seine Ordnung haben. Der Müll muss getrennt werden und die Hinterlassenschaft von Murkel, Riekes und Minnas Hund, muss, stets beäugt von Fr. Krone-Essing, in den dafür vorgesehen Behälter entsorgt werden.

Um das letzte Fleckchen Wildnis in dem idyllischen Sommerrode ein Kampf ausgebrochen. Zwei Kinderbanden, die Dirt Bike Ritter und die Robins, wollen die „G’stetten“, wie man in Wien sagt, jeweils für sich allein als Abenteuerspielplatz. Die Robins, zu denen Rieke, ihre kleine Schwester Minna, Liesel und Bretti gehören, sind dabei ihr ‚Sommerwood Forest‘ zu errichten: Ein Baumhaus und eine Hängebrücke sind in Arbeit, eine Wasserleitung ist geplant.

Die Dirt Bike Ritter hingegen wollen die Wildnis für sich, um Erdhügel als Fahrradrampen zu benützen und als wilde Ritter auf Rädern, ihre Geschicklichkeit zu demonstrieren.

Die beiden Gruppen, man könnte es auch als Geschlechterkampf sehen, bekämpfen sich ideereich und übersehen beinahe, dass die Gefahr für ihre Wildnis von einem mächtigeren Gegner ausgeht. Denn der Bürgermeister will einen, nach allen Regeln der Sicherheit und Pädagogik sterilen Spielplatz anlegen lassen. Ein Spielplatz, der vor allem für Eltern gedacht ist, die ihre Sprösslinge beim kalkulierten Toben, beobachten wollen.

Für die fantasiebegabten Kinder beider Gruppen ein absoluter Albtraum!

Die beiden verbünden sich und sieben kleine Revoluzzer trotzen Bürgermeister und Eltern.

Meine Meinung:

Dieses Kinderbuch hat mir sehr gut gefallen! Es zeigt deutlich, dass das was sich Stadtplaner und Eltern unter Spielplatz vorstellen, wenig mit dem zu tun hat, was Kinder in ihrer Entwicklung fordert und fördert. Ein Stück Wildnis bedeutet Entdecken mit allen Sinnen, regt die Fantasie an während die Spielplätze aus dem Katalog nach wenigen Stunden und Tagen enttäuscht verlassen werden.

Gut gelungen ist auch die Zusammensetzung und Beschreibung der Kinderbanden. So dürfen Mädchen wie Rieke energisch und der Bretti, ein wenig ängstlich sein. An Ideen, wie sie den Bürgermeister und die Eltern austricksen, um ihren Abenteuerspielplatz als Wildnis überlassen zu bekommen, mangelt es nicht.

Die Geschichte ist schwungvoll erzählt und durch die liebevollen Illustrationen Iris Hardt lebendig gestaltet. Zu Beginn sieht man den Plan der Reißbrettsiedlung.

Fazit:

Diesem gelungenen Reihen-Auftakt voller Humor und Action, der weder ins Alberne, Absurde oder Zerstörerische abdriftet, gebe ich gerne 5 Sterne.

Veröffentlicht am 21.08.2024

Eine Leseempfehlung

Freunderlwirtschaft
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Dass Alma Oberkofler in ihrem ersten Fall als leitende Ermittlerin der Abteilung Leib und Leben in Wien ausgerechnet den Tod des Landwirtschaftsministers untersuchen muss, hätte sie sich nicht gedacht. ...

Dass Alma Oberkofler in ihrem ersten Fall als leitende Ermittlerin der Abteilung Leib und Leben in Wien ausgerechnet den Tod des Landwirtschaftsministers untersuchen muss, hätte sie sich nicht gedacht. Ein einfacher Eifersuchtsmord oder einer im Drogenmilieu hätte es als Einstand in der neuen Dienststelle wohl auch getan.

Nun stellt sich die Frage: Mord oder Unfall? Und wo ist die Lebensgefährtin des Ministers? Schon auffällig, dass die ausgerechnet jetzt verschwunden ist. Während Almas Team auf die Suche nach der jungen Frau geht, beschäftigt sich Alma mit der beruflichen Seite des Toten, denn als Politiker hat man neben Parteifreunden auch einige Feinde.

Und immer, wenn es um einen toten Politiker geht, gibt es Einflussnahmen von allen Seiten. Alma Oberkofler, die schon als Kind Polizistin werden wollte, bekommt selbstredend einen Mitarbeiter des Staatschutzes an die Seite gestellt. Doch davon lässt sie sich nicht irritieren und deckt einige Geheimnisse auf, die einige aus dem Dunstkreis des Toten lieber unentdeckt gesehen hätten....

Meine Meinung:

Dieser Krimi ist der erste aus Petra Hartliebs Feder. Die Autorin ist durch ihre Bücher wie „Frühlinge in Wien“ oder „Meine wundervolle Buchhandlung“ bekannt. Der vorliegende Krimi „Freunderlwirtschaft“ ist nicht nur eine Hommage an Wien, sondern eine ironische Betrachtung der österreichischen Innenpolitik in der smarte Slim-Fit Politiker hinter den Kulissen so manche Freunderlwirtschaft innerhalb ihrer Buberlpartie pflegen. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind natürlich nicht beabsichtigt und daher gänzlich ausgeschlossen. Eon Schelm, der da denkt, die Autorin hätte ihr Anleihen an der aktuellen oder den vergangenen Bundesregierungen genommen. Herzlich lachen musste ich über die fiktive Wirtschaftsministerin mit den Initialen MS, denn reale war von 2017-2022 „meine“ Ministerin.

Geschickt sind politische Intrigen, alte Freundschaften und neue Allianzen in die Ermittlungen verwoben. Die Autorin versteht es meisterhaft, die Spannung bis zum Ende aufrechtzuerhalten. Hervorheben möchte ich, dass dieser Krimi ohne unnötige Gewalt oder übertriebene Dramatik auskommt. Daher werden Liebhaber von Action-Thrillern hier nicht auf ihre Rechnung kommen. „Freunderlwirtschaft“ lebt der Roman von seiner atmosphärischen Dichte und dem subtilen Witz.

In einem Zeitalter, in dem sich die aktuellen Politiker täglich selbst karikieren, ist es nicht einfach, einen humorvollen Krimi zu verfassen. Petra Hartlieb ist es hier gelungen.

Die Charaktere sind liebevoll gestaltet. Besonders Alma Oberkofler, deren Kindheit durch den gewaltsamen Tod ihrer Schwester geprägt war, ist sehr gut gelungen. Geschickt zeigt Petra Hartlieb mögliche Beziehungen zwischen Politikern, die verschiedene Netzwerke unterhalten, auf.

Neben Alma ist die verschwundene Verlobte des Ministers ein spannender Charakter. Anfangs ein wenig unterschätzt und versteht sie es, elegant die Kurve zu kratzen, was man ihr gar nicht zugetraut hätte.

Das Cover, das in der Farbe türkis gehalten ist, lässt natürlich Assoziationen aufkommen, hebt sich von den sonst üblichen dunklen oder blutigen, die für Krimis verwendet werden, wohltuend ab.

Fazit:

Gerne gebe ich diesem lesenswerte Krimi, der mir unterhaltsame und spannende Lesestunden beschert hat, 5 Sterne und eine Leseempfehlung.

Veröffentlicht am 20.08.2024

Sprachlich ein Genuss

Nur nachts ist es hell
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Nach „Über Carl reden wir später“ ist dies nun der zweite Teil der Familien-Saga rund um die Familie Brugger. Diesmal steht Elisabeth, die einzige Tochter im Mittelpunkt. Die Geschichte wird aus ihrer ...

Nach „Über Carl reden wir später“ ist dies nun der zweite Teil der Familien-Saga rund um die Familie Brugger. Diesmal steht Elisabeth, die einzige Tochter im Mittelpunkt. Die Geschichte wird aus ihrer Sicht erzählt, wobei Elisabeth auch gleichzeitig als Erzählerin fungiert.

Vater Albert Brugger, scheint ein moderner Vater zu sein, denn die aufgeweckte Elisabeth darf nach der Volksschule eine höhere Schule besuchen. Dazu muss ein Teil der Familie nach Wien übersiedeln: Bruder Gustav, der Medizin studieren will und Elisabeth übersiedeln mit der Mutter in die Großstadt. Der Vater und Bruder Carl bleiben im Mühlviertel, Eugen, sein Zwillingsbruder wandert in die USA aus. Elisabeth maturiert 1913 in der Rahlgasse, einem der ersten Mädchengymnasien Wiens, beginnt ihr Medizinstudium. Wenig später bricht der Erste Weltkrieg aus und sie verpflichtet sich als Krankenschwester. Gustav kehrt aus dem Krieg nicht zurück. Dafür steht plötzlich Georg, einer seiner Studienkollegen und Nachfahre einer Ärztedynastie, kriegsversehrt, vor ihrer Tür. Man heiratet, Elisabeth absolviert zwischen zwei Schwangerschaften ihr Studium, macht die Facharztausbildung zur Gynäkologin und teilt später sich mit ihrem Mann eine Praxis.

Elisabeth liebt ihren Beruf und die Anliegen der Frauen sind ihr wichtig. Vor allem jene, der benachteiligten, die
für Hungerlöhne arbeiten müssen und Jahr um Jahr ein Kind bekommen. Diese Haltung bringt ihr dann auch einen kurzen Gefängnisaufenthalt ein.

Der Zweite Weltkrieg bringt den Selbstmord ihres Mannes und das Nichtwissen über den Verbleib des älteren Sohnes sowie die ärztliche Tätigkeit an der Ostfront.

Nun, wir sind in den 1970er-Jahren angekommen, rekapituliert sie ihr Leben, schreibt es für ihre Großnichte, die bei ihr lebt, auf.

Meine Meinung:

Dieser zweite Teil der Familiengeschichte ist penibel recherchiert und gekonnt in die Weltgeschichte eingebettet. Wir erfahren so manches Familiengeheimnis wie den Tausch der Lebensläufe der Zwillingsbrüder Carl und Eugen sowie die daraus entstehenden Komplikationen. Warum der Identitätstausch? Das müsst ihr selbst lesen.

Sehr gut haben mir die vielen Details, die der feinen Beobachtungsgabe von Elisabeth geschuldet sind, gefallen. Mit ihren Emotionen hält sie sich ein wenig zurück. So ist sie erzogen worden und passt ausgezeichnet zu ihrem Charakter.

Der Erzählstil ist ausgewogen und bezieht auch ihre Eltern und die Brüder, sowie Ehemann und Schwiegerfamilie in ihre Betrachtungen ein. Geschickt wird der Eindruck erweckt, dass Elisabeth wirklich neben dem Leser sitzt und erzählt. Als Hörbuch muss das grandios sein! Und genau wie in gesprochenen Erinnerungen wird nicht alles chronologisch erzählt. Manchmal springt sie in ihrem Leben nach vor und dann gibt es einen Gedanken, der sie an ein lange zurück liegendes Ereignis erinnert. Das katapultiert Elisabeth weit in ihre Vergangenheit zurück. Auch die eine oder andere Wiederholung kommt vor, was aber aus meiner Sicht nicht störend ist. Das passiert einfach in der Rückschau auf ein langes Leben.

Sprachlich ist der Roman ein Genuss. Nun muss ich mir noch den Vorgänger besorgen

Fazit:

Gerne gebe ich diese wunderbar erzählten Familien-Saga 5 Sterne.

Veröffentlicht am 17.08.2024

Schwere Kost!

Die Toten vom Phoenix-See
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„Die junge Mutter Marie flieht zusammen mit ihrer kleinen Tochter Olga vor dem gewalttätigen Vater ihres Kindes, einem katholischen Priester, nach Dortmund. Auf dem Gebiet eines ehemaligen Stahlwerks, ...

„Die junge Mutter Marie flieht zusammen mit ihrer kleinen Tochter Olga vor dem gewalttätigen Vater ihres Kindes, einem katholischen Priester, nach Dortmund. Auf dem Gebiet eines ehemaligen Stahlwerks, wo die Bauarbeiten für den Phoenix-See im Gange sind, finden sie in einem Wohnwagen Unterschlupf. Um sich und ihre Tochter über Wasser zu halten, fängt Marie in einer heruntergekommenen Bar als Tänzerin an – bis sie eines Tages grausam ermordet wird. Jahre später entschließt sich Olga, den Mörder ihrer Mutter endlich zu finden.“

Mit diesem Klappentext kündigt der Grafit-Verlag den neuesten Krimi von Gabriella Wollenhaupt, die einer Vielzahl von Lesern als Schöpferin der Reporterin Maria Grappa ist, an.

Dieser Krimi, der uns Leser bis zur letzten Seite in Atem hält, ist nichts für schwache Nerven. Er bringt ein brisantes Thema wieder ans Tageslicht: Missbrauch an Kindern, egal ob Bub oder Mädchen, durch Angehörige der Katholischen Kirche.

Als Marie mit Olga 2008 vor ihrem Peiniger flüchtet, wird der Täter von der Kirche geschützt, in dem sie auf einen anderen Kontinent versetzt werden. Dort machen sie mit ihren Verbrechen einfach weiter. „Frischfleisch“ wie Marie nüchtern feststellt.

Doch 15 Jahre später, nach Maries grausamem Feuertod, lassen sich die Schandtaten der Täter, auch wenn es sich um einen Erzbischof handelt, nicht mehr verheimlichen. Scharenweise laufen der Kirche ihre Mitglieder davon.

Fazit:

Dieser Krimi ist schwere Kost und wird sicherlich eine Menge Staub aufwirbeln, auch, wenn es sich „nur“ um eine Geschichte handelt. Der eine oder andere wahre Kern ist jedenfalls dabei. Gerne gebe ich hier 5 Sterne.