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Venatrix

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 31.08.2024

Erinnerungen an die Kindheit in den 1970er-Jahren

Wenn die Welt nach Sommer riecht
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In diesem Roman begegnen wir Siegfried „Sigi“ und seiner Familie nach „Die Welt war eine Murmel“ und „Die Welt war voller Fragen“ ein drittes Mal. Er schließt nahtlos an die Vorgänger an. Doch lassen sich ...

In diesem Roman begegnen wir Siegfried „Sigi“ und seiner Familie nach „Die Welt war eine Murmel“ und „Die Welt war voller Fragen“ ein drittes Mal. Er schließt nahtlos an die Vorgänger an. Doch lassen sich alle drei Bücher auch völlig unabhängig voneinander lesen, ohne dass man zuvor einen früheren Band gelesen haben muss. Allerdings brächte man sich um einige köstliche Lesestunden, vor allem dann, wenn man selbst ein Kind der Sechziger-Jahre ist.

Zwar lassen sich nicht alle Erinnerungen des 13-jährigen Sigi, der auf dem Land aufwächst, auf Stadtkinder wie mich übertragen, doch teile ich zahlreiche Rückblicke, wie das ständige Rauchen der Erwachsenen. Meine Eltern haben jeweils zwei Packerl Zigaretten geraucht und ich musste meinen Lehrerinnen (reines Mädchengymnasium) immer erklären, dass ich selbst nicht rauche.

Sigi beginnt sich langsam für mehr als nur für die Apollo-Mission und Karl May zu interessieren. Mädchen rücken in seinen Fokus. Er erlebt die erste Zigarette und die erste vom Alkohol verursachte Übelkeit. Die Rivalität zwischen seiner Schwester und ihm wird stärker.

In der Schule, nunmehr vierte Klasse Gymnasium, stellt er nach wie vor neugierige Fragen, die ihm als ungebührliche Kritik ausgelegt werden. Die Erkenntnis, dass nach wie vor zahlreiche alte Nazis in den Schulen unterrichten, führt auch in seiner Schule zu Schülerprotesten, die es, in unterschiedlichen Ausprägungen, überall gegeben hat.

Auch die damaligen gesellschaftlichen Einstellungen innerhalb der Familie, ob Mütter und Ehefrauen „Nur-Hausfrauen“ zu sein haben, oder auch einer Berufstätigkeit nachgehen dürfen, wird an Hand von Sigis Familie sehr gut dargestellt. Sigis Mutter arbeitet Teilzeit in der dörflichen Apotheke, was ihr Mann äußerst argwöhnisch beobachtet. Denn er sieht seine Rolle als „Herr im Haus“ gefährdet, zumal der Apotheker ein allein stehender Mann ist. Sigis Vater greift immer häufiger zur Flasche und fürchtet um seine eigene Bequemlichkeit, wenn er sich das Bier oder die Jause selbst aus der Küche holen muss. Ja, das kenne ich auch aus meiner eigenen Familie sehr gut!

Schmunzeln musste ich an die Versuche, Zimmer zu vermieten. Hier kann Sigi erstmals seine Englisch-Kenntnisse und Kochkünste an englisch sprechenden Feriengästen ausprobieren, als die ein englisches Frühstück wollen.

Auch die Bezeichnung „Gammler“ für jene Studenten, die keinen militärisch kurzen Haarschnitt getragen haben, habe ich noch im Ohr. Darüber haben sich vor allem meine Großeltern ziemlich aufgeregt.

Fazit:

Gerne bin ich mit Sigi in die 1970er-Jahre eingetaucht, auch, wenn die eine oder andere Erinnerung für mich persönlich nicht so angenehm gewesen ist. Aber, das ist eine andere Geschichte. Für die von Sigi gibt es jedenfalls 5 Sterne.

Veröffentlicht am 30.08.2024

Fesselnd bis zur letzten Seite

Die Gewalt des Sturms
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Dem Ziel ihres geheimen Auftrags, den Maulwurf in der Auricher Dienststelle ausfindung zu machen und ihm das Handwerk zu legen, ist KHK Lina Lübbers noch nicht wirklich näher gekommen. Sie hat zwar die ...

Dem Ziel ihres geheimen Auftrags, den Maulwurf in der Auricher Dienststelle ausfindung zu machen und ihm das Handwerk zu legen, ist KHK Lina Lübbers noch nicht wirklich näher gekommen. Sie hat zwar die Dossiers über alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen erhalten, trotzdem fällt es ihr schwer, einen konkreten Verdacht zu finden. Noch kann sie niemanden ausschließen. Mitten in ihre Überlegungen platz der gewaltsame Tod des örtlichen Notars, der in seiner Kanzlei an einen Stuhl gefesselt gefunden worden ist. Der Tresor ist aufgebrochen und das Büro durchsucht worden.

Nahezu gleichzeitig wird der Inhaber einer kleinen Spedition beim Joggen auf einem Feldweg von einem Auto angefahren und tödlich verletzt liegen gelassen. Um die Aufklärung dieses Tötungsdelikts kümmert sich die interimistische Leiterin des Kommissariats Kea Siefken.

Bei ihren Recherchen stoßen sie auf eine Verbindung zwischen den beiden Toten. Diese Spur führt sie zu jenem niederländischen Clan, der seit längerem versucht, seine Drogengeschäfte in Ostfriesland zu etablieren.

Meine Meinung:

Diese Fortsetzung, der als Trilogie angelegten Mini-Serie hat mir gut gefallen. Ich habe das Buch in einer Nacht gelesen.

Die interessante Schreibweise hat das Autorinnen-Duo beibehalten: Die Handlung wird abwechselnd aus Keas und Linas Perspektive, jeweils in der Ich-Form, geschildert. Eine geschickte, wenn auch zu Beginn irritierende Idee! Nicht immer ist ganz eindeutig, in wessen Haut wir Leser nun stecken. Da ist aufmerksames Lesen notwendig, zumal es noch unausgesprochene Gedanken gibt, die in kursiver Schrift eingeschoben sind. Da ist das eine oder andere Blitzlicht über die oder den Kollegen auch amüsant, weil mitunter fehlinterpretiert.

Die Charaktere sind ausgefeilt und wirken recht authentisch. Die beiden Kommissarinnen sind „g’standene Frauen“, d.h. sie arbeiten doppelt soviel wie ihre männlichen Kollegen und sind sich in manchen Dingen ähnlicher als ihnen lieb ist, bzw. sie ahnen. Allerdings haben beide ihre persönlichen Schicksalspäckchen zu tragen. Die eine, alleinerziehend mit einer pubertierenden Tochter und einem etwas jüngeren Sohn, die sich auf den Ex- Mann und Kindesvater nicht immer verlassen kann und die andere, die ihre jüngere Schwester den Drogentod sterben hat sehen.

Ob die beiden Frauen dem De-Jong-Clan das Handwerk legen können, erfahren wir hoffentlich recht bald. Bis Jahresende soll ja Band drei („Die Kraft der Ebbe“) erscheinen, auf die ich mich sehr freue.

Fazit:

Eine gelungene Fortsetzung dieser Krimi-Reihe, der ich gerne 5 Sterne gebe.

Veröffentlicht am 29.08.2024

Eine gelungene Fortsetzung

Eine Corsa in Triest
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In seinem dritten Krimi rund um Gaetano Lamprecht erleben wir hautnah mit, wie es mit jenen Menschen weitergeht, die nun in Gebieten leben, die nach der Niederlage und dem Zerfall des Habsburgerreiches ...

In seinem dritten Krimi rund um Gaetano Lamprecht erleben wir hautnah mit, wie es mit jenen Menschen weitergeht, die nun in Gebieten leben, die nach der Niederlage und dem Zerfall des Habsburgerreiches einem der Siegerstaaten zugesprochen worden sind. Die Hafenstadt Triest ist nun Teil Italiens obwohl auch der neu geschaffene SHS-Staat Jugoslawien Anspruch auf Triest erhebt. Wie häufig, wird die Vergangenheit, auch wenn sie, wie im Fall Triests, mehrere Jahrhunderte Wohlstand gebracht hat, fanatisch ausgelöscht. Die Straßen und Plätze werden umbenannten, alle Insignien der Habsburger vernichtet, die deutsche Sprache verboten und die ehemaligen österreichischen Familien stehen ohne Arbeit und Staatsbürgerschaft da.

Auch die Familien Lamprecht ist davon betroffen. Franz Lamprecht, Monarchist bis in die Knochen, verliert seine Arbeit und man lebt recht und schlecht von den Ersparnissen, die nach der Währungsreform nur mehr einen Bruchteil des Wertes ausmachen als Gaetano 1919 gezeichnet aus dem Krieg zurückkommt. Die Welt in die Gaetano zurückkehrt, ist eine andere. Einzig sein Bianchi, sein Rennrad, ist wie zuvor.

Seine Arbeit als Polizist hat er verloren. Neu eingestellt werden nur noch Italiener. Schweren Herzens und zum Ärger des Vaters nimmt Gaetano die italienische Staatsbürgerschaft an. Seine Verdienste vor dem Krieg zählen nicht, so dass er als einfacher Agente ganz unten beginnen muss. Als Italiener kann er nun Federica, die Tochter seiner letzten Geliebten Alessia Pironi, die wie Tausende andere an der Spanischen Grippe gestorben ist, aus dem Waisenhaus holen und adoptieren. Auch das trägt zu Spannungen innerhalb der Familie Lamprecht bei.

Das politische Klima ist explosiv, denn sowohl die faschistischen Schwarzhemden als auch die Nationalisten versuchen die Herrschaft zu übernehmen. Natürlich werden dabei auch alte Rechnungen beglichen. Wie schon in den Vorgängern subtil beschrieben, ist auch die Polizei von beiden Gruppen unterwandert, was in der Verfolgung von Verbrechern natürlich auswirkt.

Als innerhalb der Schwarzhemden ein Streit ausbricht, der mit Waffengewalt ausgetragen wird, gerät Gaetano zwischen die rivalisierenden Gruppen und wird, kaum dass er mit seiner Suche nach dem vermissten Erfinder Walter Kinski begonnen hat, wieder vom Dienst suspendiert.

Doch nicht nur die Kollegen haben sich verändert. Auch in der Familie Lamprecht liegen die Nerven blank. Franz Lamprecht fühlt sich gedemütigt, weil er keine Einkünfte mehr hat. Adina, Gaetanos Schwester und Vertraute arbeitet, gegen den Willen des Vaters, seit kurzem in einem Architekturbüro. Dort lernt sie ihren Mann kennen, der mit den Faschisten sympathisiert. Als dann noch sein Bruder Ladislaus, der nach dem Tod seiner Frau häufig in Frauenkleidern zu sehen ist, Selbstmord begeht, steht für Franz Lamprecht fest, dass er, wie so viele österreichische Familien, mit seiner Frau Elodie Triest verlassen wird.

Meine Meinung:

Christian Klinger zeichnet in diesem dritten Band ein düsteres Bild der Hafenstadt Triest. Die alte Ordnung der Habsburger ist passé, eine neue hat sich noch nicht etabliert. Ein idealer Nährboden für allerlei Defraudanten und Verbrecher. Wir begegnen Gabriele D’Annunzio, der in der Stadt Fiume (heute Rijeka in Kroatien) seine eigene Herrschaft ausgerufen hat oder Camillo Castiglioni (1879-1957), einem Industriellen und Börsenspekulanten der dem (fiktiven) Walter Kinski Kapital zur Weiterentwicklung des Elektroautos geben soll. Dass er die Konstruktionspläne eines gewissen Ferdinand Porsche gestohlen hat, tut dem Erfindergeist keinen Abbruch. Geld wird Kinski trotz der gewonnenen Wettfahrt („Corsa“) mit Gaetano am Beifahrersitz, nicht erhalten. Der Elektromotor verliert den Kampf gegen die Verbrennermotoren, unter anderem auch deshalb, weil die Öllobby die Welt mit einem Tankstellennetz überzieht und die Reichweite des Verbrenners weit über jener des Elektromotors liegt.

Wie der technikbegeisterte Gaetano dazu kommt, mit Kinksi die Corsa in Triest zu fahren, müsst ihr selbst lesen.

Wie schon in den anderen Gaetano-Lamprecht-Krimis beschreibt Autor Christian Klinger das Leben in der Hafenstadt. Doch nun, 1919/20 ist die Stadt nicht nur den Bewohnern, sondern auch uns Lesern ein wenig fremd geworden. Die Stimmung ist trist und aufgeheizt zugleich. Alle Nicht-Italiener, seien es Österreicher oder Slowenen müssen um ihre Sicherheit bangen. Die Vorboten der Faschisten, die unter Mussolini wenige Jahre später die Macht ergreifen, hinterlassen deutliche Spuren. Deshalb tritt die Krimihandlung ein wenig zu Gunsten eines historischen Romans zurück.

Der verlorene Weltkrieg und seine Folgen hat bei Gaetano deutliche Spuren hinterlassen. Nicht nur, dass er deutlich sichtbare Narben an seinem Körper trägt, ist er manchmal gezwungen, seine Schmerzen mit Morphium zu betäuben. Die Erlebnisse im Krieg haben ihn seine Unbekümmertheit verlieren und ihn reifen lassen. Er ist nicht mehr der Frauenschwarm wie zuvor.

Geschickt verknüpft Autor Christian Klinger, dessen Wahlheimat Triest geworden ist, Fakten und Fiktion. Ich mag den unaufgeregten Schreibstil des Autors, der das Lebensgefühl einer längst vergangenen Epoche wieder auferstehen lässt.

Wie es mit Gaetano in Triest weitergehen wird? Wird er sich den neuen politischen Gegebenheiten anpassen oder wieder anecken? Wie wird Gaetanos Zusammenleben mit Adina und ihrem Mann verlaufen?

Fazit:

Gerne gebe ich diesem historischen Krimi, der die Geschichte einer altösterreichischen Familie im nunmehr italienischen Triest, sehr gut erzählt, 5 Sterne.

Veröffentlicht am 28.08.2024

Penibel recherchiert und fesselnd erzählt

Schwestern im Geiste
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Mit dieser historischen Roman tauchen wir abermals in das Reichsland Elsass - Lothringen, genauer in das Städtchen Thionville oder, wie es jetzt auf Deutsch heißt: Diedenhofen ein.

Die eine oder andere ...

Mit dieser historischen Roman tauchen wir abermals in das Reichsland Elsass - Lothringen, genauer in das Städtchen Thionville oder, wie es jetzt auf Deutsch heißt: Diedenhofen ein.

Die eine oder andere Schülerin hat hat das Pensionat an der Mosel verlassen und doch hat Schulleiterin Pauline Martin mit den elf verbliebenen Mädchen jede Menge zu tun. Manchmal ist sie überzeugt,

„dass es wesentlich einfacher sein musste, einen ganz Sack Flöhe zu hüten, als ein knappes Dutzend halbwüchsiger Backfische. Besonders, wenn gerade der Frühling vor der Tür stand...“

Auch bei den Lehrkräften bahnt sich ein Wechsel an, so dass die augenblickliche Aufregung durchaus legitim ist: Rhona O’Meally kommt als neue Lehrerin für Englisch und Musik ins Institut. Mit ihr zieht nicht nur frischer Wind in Sachen englischer Literatur durch die Schule, sondern auch etwas Geheimnisvolles. Zunächst zeigt sie bei der Vorstellungsrunde, dass auch ungehörigen Bemerkungen, wie jenen von Charlotte, geschickt zu parieren weiß:

„...Wir Iren sind aus hartem Holz geschnitzt. Da bedarf es weitaus mehr als der ungezogenen Bemerkung eines unreifen Görs, um mich zu treffen...“

Und Charlotte wird diejenige sein, die für Unruhen im Pensionat sorgt. So spielt plötzlich die jüdische Herkunft von Esther ebenso eine Rolle wie die Tatsache, dass Louises Vater ein Sozialist ist.

Als dann noch antipreußische Parolen unter anderem auf den Flohturm geschmiert werden und Charlottes Kette sowie Geld verschwindet, sieht sich der unsympathische Polizist Wachtmeister Schrotherr bemüßigt, in der Schule zu ermitteln und Pauline mit der Schließung der Schule zu drohen. Allerdings gelingt es Hauptmann Erich von Pliesnitz, der im ersten Teil noch als „Häuptling Gnadenlos“ verschrien war, gemeinsam mit dem Gärtner Vincent Lehmann, den er eigentlich als Konkurrenten um Pauline sieht, das Schlimmste abwenden. Das geht sogar soweit, dass er seinen Burschen Franzl dazu abstellt, die Schule zu beobachten.

Meine Meinung:

Die Autorin hat hier eine großartige Fortsetzung geschrieben, die mehr als ein Geheimnis enthält, die letztlich enthüllt werden. Doch bis dahin müssen wir mit den Protagonisten bangen, ob sich alles zum Guten wendet. Marie Pierre hat, wie sie im Nachwort schreibt, sehr viel Recherche betrieben, um ihren Roman in ein historisch korrektes Umfeld einzubetten. So mag ich das! Nichts finde ich peinlicher als Recherchefehler und sprachliche Ausrutscher in eine moderne Ausdrucksweise.

Der Schreibstil ist ausgefeilt und ich durfte so herrlich altmodische Wörter wie kujonieren wieder lesen. Die in französisch und Thionviller Platt eingestreuten Redewendungen machen das Buch authentisch. Keine Angst! In einem ausführlichen Glossar werden diese Ausdrücke übersetzt. Die meisten lassen sich aus dem Zusammenhang allerdings gut nachvollziehen.

Einer meiner Lieblingssätze ist folgender:

„..Jemanden wie Charlotte traue ich nur so weit, wie man ein Klavier werfen kann, und das ist nicht besonders weit...“

Sehr gut gefällt mir, weil vortrefflich gelungen, wie sich das „Stammpersonal“, also jene Figuren wie Pauline, Esther, Louise, Charlotte und Lisbeth sowie die Erich von Pliesnitz, Vincent oder auch Thomas entwickeln. Nicht immer zu ihrem Vorteil, aber das braucht eine abwechslungsreiche Geschichte, um ihre Leserinnen zu fesseln. Mit Rhona O’Meally hat die Autorin eine interessante neue Figur eingeführt, die einiges mit Pauline gemeinsam hat, sich aber dennoch deutlich von ihr unterscheidet. Schade, dass ihr Auftritt nur auf diesen zweiten Band beschränkt ist. Er wird nicht mehr lange dauern, dass sich ihr prophetischer Satz bewahrheitet.

"...Irgendwann wird ein großer Krieg wie ein Brand durch die Welt laufen und die alte Ordnung zerstören..."

Erich von Pliesnitz macht die größte Entwicklung durch, auch wenn er manchmal nach wie vor der Meinung ist, dass Weibsbilder immer für Unruhe sorgen. Aber, man weiß ja, dass die Preußen nicht so schnell schießen. Lassen wir Hauptmann von Pliesnitz jene Zeit, um sich zu verändern. Da er den Karneval und das Gedöns, das darum gemacht, wird nicht leiden kann, hat er meine volle Sympathie.

Im Nachwort geht die Autorin nochmals ausführlich auf die Themen Freiheitskampf in Irland, Antisemitismus und die Präsenz des Deutschen Militärs im Reichsland Elsass – Lothringen ein.

Ein Personenverzeichnis gleich zu Beginn, historische Fotos auf der inneren vorderer Umschlagseite, das bereits erwähnte Glossar sowie eine Karte von Diedenhofen im Anhang des Buches ergänzen den zweiten Teil der Trilogie. Ich freue mich schon auf den dritten Teil, der im Februar 2025 erscheinen wird.

Fazit:

Gerne gebe ich diesem penibel recherchierten und opulent erzählten historischen Roman 5 Sterne und eine Leseempfehlung.

Veröffentlicht am 28.08.2024

EIne Leseempfehlung!

Ein paar Leben später
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Robert Palfrader, den meisten Menschen als Kaiser Robert Heinrich I. aus dem österreichischen Fernsehen bekannt, hat seinen ersten Roman veröffentlicht.

»Sie machen sich keine Vorstellung davon, wie oft ...

Robert Palfrader, den meisten Menschen als Kaiser Robert Heinrich I. aus dem österreichischen Fernsehen bekannt, hat seinen ersten Roman veröffentlicht.

»Sie machen sich keine Vorstellung davon, wie oft ich die Unwahrheit erzählen werde müssen, um die Geschichte der Familie meines Vaters glaubhaft erscheinen lassen zu können. Denn die ganze Wahrheit kann ich niemandem zumuten, dafür ist sie zu absurd.«

In seinem Debüt erzählt in einer Romanbiografie die Geschichte seiner Vorfahren, einer Familie im ladinischen Teil Südtirols. Die Ladiner sind eine Minderheit in Südtirol, genauer gesagt in den Dolomiten. Sie haben sich ihre sprachliche und sonstige Eigenheiten über Jahrhunderte, auch wenn sie zahlreichen staatlichen Unterdrückungen ausgesetzt waren, bis heute bewahrt. Eine kleine unbeugsame Volksgruppe von rund 35.000 Personen. Menschen, die sich ihrer rauen unwirtlichen Umgebung in den Bergen der Dolomiten angepasst haben.

Unter diesen ohnehin schon wortkargen Menschen stechen die Craffonaras und die Palfraders besonders heraus. So ist die eine Urgroßmutter überdurchschnittlich fromm und nimmt ihr Schicksal gottergeben ohne zu klagen an. Die andere Urgroßmutter hingegen liest alles, was sie zwischen die Finger bekommt und wird eine erfolgreiche HUndezüchterin, die sie auch ins benachbarte Ausland führt. Auch die Urgroßväter polarisieren. Aufbrausend der eine, geschäftstüchtig der andere. Die nächste Generation sucht außerhalb des engen Tals bis hin in Argentinien ihr Glück und kehrt enttäuscht zurück.

Franz und Maria Palfrader schaffen sich mit ihrem kleinen Hotel so etwas wie Wohlstand. Doch der Faschismus auf beiden Seiten der Alpen macht ihnen einen Strich durch die Rechnung. Dableiben oder Fortgehen? Der Partei beitreten, ausschließlich italienisch sprechen und die Namen ändern? Wer die sturen Mitglieder der Familien nun kennengelernt hat, wir ahnen, wie sie sich entscheiden. Franz und Maria verlassen 1941 St. Vigil und fangen in der Nähe von Krems in Niederösterreich (damals Gau Niederdonau in der Ostmark) neu an.

„Dein Großvater hat nur zwei Fehler in seinem Leben gemacht.“ sagt die jüngste Schwester vom Franz ein paar Leben später einem seiner Enkel. „Der erste Fehler war: Er ist aus St. Vigil weggegangen. Und der zweite: Er ist nicht zurückgekommen.“
„Ja“ dachte der Enkel „aber wär er zurückgegangen, gäb‘s mich halt nicht. Ich bin also das Ergebnis einer Fehlentscheidung. Auch nicht angenehm, das zu wissen.“ Gesagt hat er das aber nichts.

Meine Meinung:

Geschickt verknüpft Robert Palfrader in der Geschichte seiner Vorfahren Fakten mit Fiktion. Auf 160 Seiten erzählt er atmosphärisch dicht, oft in kargen Worten das Leben in der rauen Umgebung.

Wenn man den Autor ausschließlich als Kunstfigur Kaiser Robert Heinrich I. sowie als Schauspieler und Kabarettisten kennt, traut man ihm diese tiefgründige Familienbiografie so gar nicht zu. 5 Sterne.