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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 06.02.2019

Zusammenhänge und Hintergründe hervorragend erklärt

Die Besiegten
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Robert Gerwarth hat mit diesem Buch ein detailliertes Werk geschaffen, daß auf eine oft etwas vernachlässigte historische Epoche blickt - die Jahre direkt nach dem Ersten Weltkrieg. Er konzentriert sich ...

Robert Gerwarth hat mit diesem Buch ein detailliertes Werk geschaffen, daß auf eine oft etwas vernachlässigte historische Epoche blickt - die Jahre direkt nach dem Ersten Weltkrieg. Er konzentriert sich auf die Situation den Ländern, die den Krieg verloren haben und unbeschreibliche Umwälzungen, verbunden mit einer erschreckenden Gewaltwelle, durchleben mußten.

Während mir die Situation in Russland relativ bekannt war, ebenso wie natürlich die Lage in Deutschland, wußte ich bislang sehr wenig über die Nachkriegsjahre in der Türkei, Bulgarien, Ungarn, Polen oder selbst Österreich. Insofern konnte ich hier viel lernen, auch wenn mich nicht alle Länder gleichermaßen interessiert haben. Dies ist aber natürlich nicht dem Buch anzulasten. Auch die Geschichte der russischen Revolution habe ich selten so gut erklärt gelesen. Robert Gerwarth gelingt es nämlich ausgezeichnet, Zusammenhänge und Hintergründe klar zu erklären. So bekommt man teilweise einen ganz neuen Blick auf viele Entwicklungen und deren Auswirkungen auf Jahre und Jahrzehnte hinaus - teils bis heute.

Der differenzierte Blick der Autors hat mir sehr gut gefallen. Es hilft dabei, viele Geschehnisse besser einzuordnen und ebenfalls die "andere" Seite zu sehen, zu verstehen. Gerwarth scheut auch nicht davor zurück, vorgebliche Motive und Doppelmoral darzustellen. Präsident Wilson, der das nationale Selbstbestimmungsrecht und moralische Werte publikumswirksam hochhielt, aber dies nur für Weiße relevant hielt und gleichzeitig im eigenen Land Segregation kräftig unterstützte und die ehemaligen Kolonialvölker für unfähig hielt, sich selbst zu verwalten, ist ein gutes Beispiel.

Das spezielle Klima nach dem Krieg, welches der "Gewaltlogik" die Wege ebnete und in einer unvorstellbaren Ausartung von Gewalt mündete, wird ebenfalls gut beschrieben. Es ist immer wieder erschreckend zu lesen, wie beide extremistische Richtungen Gewalt und Terror gegen Andersdenkende (und auch völlig Unbeteiligte) als legitim ansahen. Ebenfalls interessant, wie Mussolinis Taktik der von ihm initiierten Gewalt auf den Straßen, verbunden mit dem Versprechen, daß unter seiner Regierung wieder Ordnung herrschen würde, aufging und von Faschisten anderer Länder - leider erfolgreich - kopiert wurde. Dies alles wußte ich so ungefähr, es wird aber in diesem Buch klar und gut erklärt.

Manchmal waren die Schilderungen etwas zu detailverliebt für meinen Geschmack, gerade auch, wenn Gerwarth die Geschehnisse Land für Land betrachtet. Letztlich ähneln sich die Vorgänge in vielen Ländern sehr, und so liest man für jedes Land ausführlich Ähnliches, was etwas anstrengend ist. Da Gerwarth die Vorgänge thematisch sortiert, springt er zeitlich in den einzelnen Kapiteln manchmal etwas hin und her. Wenn man mit der Geschichte eines Landes nicht so vertraut ist, ist es etwas irritierend, wenn man eben erst ausführlich von den Geschehnissen bis Sommer 1919 liest, und im nächsten Kapitel plötzlich in den Herbst 1918 zurückgeworfen wird. Es gibt keine Zeitleiste, die die Einordnung vereinfacht hätte. So war trotz der an sich klaren Erzählweise das Lesen manchmal etwas mühsam.

Im Ganzen aber überzeugt der Stil, die Informationen sind wertvoll, die Zusammenhänge beeindruckend erklärt. Ein sehr gelungenes Buch.

Veröffentlicht am 05.02.2019

Angenehmer Schreibstil, etwas zerfaserte Geschichte

Die Lichtung (Jan-Römer-Krimi 1)
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Die Geschichte hat mich gleich interessiert: 1986 werden während eines Wochenendes unter Jugendlichen zwei von ihnen umgebracht. Einer dieser Jugendlichen, Jan Römer, ist 27 Jahre später Journalist und ...

Die Geschichte hat mich gleich interessiert: 1986 werden während eines Wochenendes unter Jugendlichen zwei von ihnen umgebracht. Einer dieser Jugendlichen, Jan Römer, ist 27 Jahre später Journalist und soll ausgerechnet über diesen Fall berichten - nun will er endlich herausfinden, was damals wirklich geschah. Das ist eine gute Idee, bringt einen frischen Gesichtspunkt hinein und liest sich auch anfangs sehr unterhaltsam.

Jan Römer begleitet uns als Ich-Erzähler. Man kommt leicht in die Geschichte hinein, der Schreibstil liest sich gut und ist sympathisch. Jan ist ein recht gelungener Progagonist - nicht fehlerlos, sehr menschlich. Seine heutigen Ermittlungen wechseln sich ab mit Rückblicken zur Vorgeschichte und den Geschehnissen 1986. Diese Zeit wird anschaulich berichtet, viele gelungene Details zeichnen ein gutes Bild der Jugend in den 80ern. Jan, mit den typischen Unsicherheiten eines 16jährigen behaftet, wirkt auch hier echt. Der Wechsel zwischen den Zeitebenen funktioniert. Unterhaltsam waren die Gegenüberstellungen der Freunde von 1986 und den Erwachsenen, zu denen sie in der Gegenwart geworden sind.

Die Welt des Gegenwarts-Jan ist ebenfalls anschaulich dargestellt, die lähmende Sommerhitze wird immer wieder (ein wenig zu oft) durch kleine Anmerkungen einflochten und lokale Details zu Köln und der Umgebung machen sich ganz gut, wenn sie auch an mehreren Stellen zu ausführlich geraten. Jans Privatleben überzeugt weniger. Er hat eine Ehefrau und einen Sohn, die schon im Urlaub sind und darauf warten, daß er nachkommt. Er kommuniziert mit seiner Frau in gelegentlichen Telefongesprächen, die nicht besonders interessant sind und die Geschichte eher unterbrechen als weiterbringen. Die wacklige Ehe bringt eine unnötige Komponente in die Handlung und wird halbherzig behandelt. Ich hätte es gelungener gefunden, diesen Punkt entweder richtig zu thematisieren oder (vorzugsweise) ganz rauszulassen.

Zur Unterstützung bei seinen Ermittlungen wendet Jan sich an seine ehemalige Kollegin, die den etwas irritierenden Spitznamen "Mütze" hat (ich mußte mich immer daran erinnern, daß sie eine junge Frau ist, bei dem Spitznamen stellte ich mir einen schluffigen Typen vor). Auch hier ist es etwas halbgar: so richtig viel trägt Mütze zu den Ermittlungen nicht bei und die Freundschaft zwischen den beiden schwankt von Jans Seite her zwischen platonisch und dem Wunsch nach mehr. Auch das ist für die Geschichte nicht wirklich relevant und tröpfelt ab und an ins Geschehen. Wenn Mütze nicht vorkam, hatte ich sie als Charakter auch schon fast wieder vergessen.

Ist das Erzähltempo anfangs noch angemessen, hat es mich nach dem ersten Drittel nicht mehr sonderlich gebannt. Ich habe das Buch zwischendurch eine Woche einfach nicht weitergelesen, und hatte bis zum Ende nie dieses "noch eine Seite, ich muß wissen, was passiert"-Gefühl. Die Geschichte zerfasert sich zu sehr, dann verliert Jan sich in etwas langatmigen Überlegungen zu diversen Themen. Die detaillierte Beschreibung einer Boxhalle, die ausführlichen Abhandlungen zu Musik und insbesondere die Grübeleien zum Thema "früher war alles besser" haben alle zur Geschichte nichts beigetragen und für Zähigkeit gesorgt. Auch in den Rückblicken werden dann manche Dinge detailliert geschildert, die wir schon aus den Gegenwartsszenen wußten.
Dazu kamen dann noch einige etwas billige Schockmomente (à la "da steht jemand in der Ecke und starrt mich an - oh, das ist mein Spiegelbild"). Einer davon ist so wenig plausibel, daß ich mir als Leser verulkt vorkam (ohne zu viel zu spoilern: daß jemand in einer Stadt wie Köln aus Versehen die Wohnungstüre aufläßt, ist schon seltsam. Daß aber ein harmloser Besucher einfach nachts in die Wohnung kommt und sich gemütlich ins Wohnzimmer setzt, während der Wohnungsinhaber im Schlafzimmer schläft, ist schlichtweg absurd). Eine Polizeiverhörszene fand ich in ihrer übertriebenen "good cop - bad cop"-Manier auch eher albern, denn der "bad cop" reagiert so unverhältnismäßig, daß es unglaubwürdig ist.

Am Ende ging es dann auch leider nicht ohne die von wohl 98 % aller Krimis verwendete Szene, in der der Täter den Ermittler mit einer Waffe bedroht und ausführlich seine Taten und Motivationen erklärt. Abgesehen davon, daß das in der Wirklichkeit sicher so gut wie nie vorkommt, ist diese Szene überbenutzt. Gerade da hier die sonstige Geschichte schon angenehm vom üblichen Krimigerüst abweicht, die Beziehungen der Freunde untereinander thematisiert und eine Mischung aus Krimi und Entwicklungsroman bietet, hätte ich mehr erwartet. Wenigstens aber nimmt dieser End-Showdown dann noch eine etwas originellere Wendung.

Jans Verhalten selbst ist an manchen Stellen wenig nachvollziehbar, was aber nicht so störend wirkte wie die o.g. Szenen. Prinzipiell habe ich ganz gerne über ihn gelesen und in einer etwas konzentrierteren Geschichte würde ich auch noch ein Buch mit ihm als Protagonisten lesen, gerade auch weil der Autor einen erfreulichen Schreibstil hat. Hier aber war es mir einfach zu unentschlossen, mit zu vielen Abschweifungen.

Veröffentlicht am 03.02.2019

Unterhaltsamer und informativer Einblick in eine einzigartige Freundschaft

Goethe und Schiller: Geschichte einer Freundschaft
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Hier werden die beiden literarischen Genies ganz menschlich dargestellt. Informativ, fundiert und dabei unterhaltsam - so muss Sachbuch sein.

Auch beim zweiten Lesen war dieses Buch wieder ein reines ...

Hier werden die beiden literarischen Genies ganz menschlich dargestellt. Informativ, fundiert und dabei unterhaltsam - so muss Sachbuch sein.

Auch beim zweiten Lesen war dieses Buch wieder ein reines Vergnügen. Safranski beschreibt die Freundschaft zwischen Goethe und Schiller so lebendig und unterhaltsam, daß es sich wie ein Roman liest. Der Stil ist flüssig, untermalt mit zahlreichen Zitaten, die sich angenehm in den Text einfinden und diesen nicht unterbrechen (wie es bei anderen Sachbüchern leider manchmal vorkommt). Der Autor hält sich selbst angenehm zurück (dies fiel mir gerade im Gegensatz zu den kürzlich gelesenen Büchern "Schillers Doppelliebe" und "Unser armer Schiller" sehr erfreulich auf), läßt Goethe und Schiller aber durch ihre eigenen Aussagen und jene ihrer Zeitgenossen sehr lebendig werden.

Es wird gut beschrieben, aus welchen Motiven und Gedanken die beiden großen Dichter anfangs nicht angetan voneinander waren, wie sie sich annäherten, welche Wirkung dies auf ihr jeweiliges Werk hatte. Auf die zur Zeit der Freundschaft entstandenen Werke geht Safranski jeweils ein und liefert dadurch auch für das Verständnis dieser wertvolle Informationen und Einsichten. Es ist beeindruckend zu lesen, wie sehr sich Goethe und Schiller austauschten, welchen Gewinn - und welches Vergnügen - beide dadurch zogen, wie aber auch Mißerfolge erlebt wurden. Ihre sehr gegensätzlichen Charaktere und Weltsichten werden hervorragend ausgearbeitet und ermöglichen dadurch ebenfalls einen neuen Blick darauf, warum und wie sie vieles taten, sahen, schrieben. Diese Gegensätze führten zur anfänglichen Abneigung, wurden dann aber vorzüglich zum beiderseitigen Vorteil genutzt, was beide auch erkannt haben. Die philosophischen Erläuterungen waren mir manchmal, wie auch in Safranskis Goethebiographie, zu ausführlich, aber das liegt in meinem mangelnden Interesse an diesem Thema begründet.

Nun war diese Freundschaft aber kein reines Zweckbündnis, und auch das wird in diesem Buch sehr angenehm dargestellt - die kleinen gegenseitigen Gesten der Freundschaft, der Sympathie werden anschaulich geschildert und so erfährt man viel nicht nur über die Dichter Goethe und Schiller, sondern auch die Menschen Goethe und Schiller. Es ist eine anschauliche detaillierte Rundumbetrachtung der Freundschaft und der beiden Männer. Wenn Information und Unterhaltung so angenehm verbunden werden, ist es eine Freude, ein Buch zu lesen.

Veröffentlicht am 03.02.2019

Fein beobachtet, wundervoll geschildert

Effi Briest
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Effi Briest lese ich immer wieder gerne. Theodor Fontane hatte einen ungemein angenehmen Schreibstil: die genauen Beobachtungen, die lebendigen Charaktere und der feine Humor. Die Geschichte fließt in ...

Effi Briest lese ich immer wieder gerne. Theodor Fontane hatte einen ungemein angenehmen Schreibstil: die genauen Beobachtungen, die lebendigen Charaktere und der feine Humor. Die Geschichte fließt in seinen Büchern immer recht gemächlich dahin, Effi Briest hat sogar noch ein verhältnismäßig flottes Tempo (für Fontane-Verhältnisse!). Es geht auch vorwiegend um die Schilderungen der Gesellschaft, der Menschen, ihrer Intentionen und Gefühle. Hier ist dies eingebettet in eine zum Ende hin durchaus dramatische Geschichte, die aber doch sehr ruhig erzählt wird, was sicher nicht jedermanns Sache ist.

Effi Briest liest sich angenehm, man ist gleich mitten in dieser preußisch-kaiserlichen Welt, die Fontane immer so exzellent zum Leben erwecken kann. Die Schilderungen der jeweiligen Orte sind detailverliebt, unterbrechen für mich aber den Erzählfluß nie. Zwischendurch gibt es einige für meinen Geschmack zu lange Exkurse zu politischen oä Themen, dies aber zum Glück weniger intensiv als zB bei Fontanes "Irrungen, Wirrungen". Die Charaktere sind auf typische Fontane-Art hervorragend geschildert.

Eine weitere Stärke Fontanes ist, daß er einige Dinge bewußt im Unklaren läßt (so zB die Ursache des Spuks) und dem Leser somit auch über das Lesen hinaus Gedankenstoff mitgibt. So gibt es zu dem Buch auch zahlreiche Diskussionen über den Spuk und natürlich die Schuldfrage(n), wenn es um Ehe, Ehebruch und den Umgang damit geht. Fontane stellt, ohne zu urteilen, die Motivationen und Gedanken mehrerer Parteien dar. Genau das ist die Stärke dieses Buches und sicher ein Grund dafür, daß es sein bekanntestes Werk ist. (Es ist auch etwas, was Hermine Huntgeburth in ihrer ausgesprochen einseitigen, von der Vorlage übel abweichenden Buchverfilmung von 2009 entweder nicht erkannt oder bewußt mißachtet hat - schade, daß hier der im Buch durchaus vielschichtige Innstetten platt zum Bösewicht und Effi eindimensional zum Opfer gemacht wurde.).

Diese vielseitigen Charaktere machen das Buch echt. Effi ist keineswegs das unschuldige übervorteilte Mädchen, auch wenn man Mitleid mit ihr empfindet. Sie ist egozentrisch, manipulativ und voller Dünkel. Andererseits aber eben auch eine Frau, die viel zu früh von ihrer Mutter in eine unpassende Ehe gedrängt und von den Gesellschaftsnormen zerbrochen wurde. Innstetten ist nicht der rücksichts- und gefühllose Mistkerl, der seine Frau schlecht behandelt, auch wenn dies gerne so gesehen wird. Fontane ermöglicht es dem Leser, sich ein genaueres Bild zu machen, wenn man richtig liest und bietet eben keine einfachen "gut-und-böse"-Lösungen an.

Die Kritik an der Gesellschaft ist hervorragend gestaltet - sie ist nie direkt, zeigt sich aber unmittelbar in den Reden und Aktionen der Charaktere, bis hin zu Nebenfiguren. Das ganze Buch ist ein großes Gesellschaftspanorama mit wundervollen Details. Es wird gut aufgezeigt, wie schwer es war, sich gegen diese Normen aufzulehnen, daß es aber doch durchaus möglich war. Genau diese Vielschichtigkeit macht das Buch so interessant und lesenswert.

Veröffentlicht am 03.02.2019

Hervorragende Biographie, im zweiten Teil wäre mehr "Mensch" schön gewesen

Schiller
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Wie immer war ich von Safranskis Schreibstl sehr angetan. Man ist in seine Bücher sofort "drin", er schafft es, seine Biographien mit viel Leben zu füllen, die Personen regelrecht wieder auferstehen zu ...

Wie immer war ich von Safranskis Schreibstl sehr angetan. Man ist in seine Bücher sofort "drin", er schafft es, seine Biographien mit viel Leben zu füllen, die Personen regelrecht wieder auferstehen zu lassen. Auch Schiller wird hier sofort greifbar, teilweise liest sich dieses Buch wie ein spannender Roman (was Schillers Leben auch durchaus angemessen beschreibt). Gerade die schweren Jugendjahre, die Flucht, die schwierigen Anfänge, die emotionalen Höhen und Tiefen Schillers in dieser Zeit werden hervorragend beschrieben und dem Leser nahegebracht. Auch wenn man weiß, wie es weitergeht, fiebert man doch regelrecht mit diesem leidenschaftlichen jungen, vom Schicksal ungerecht behandelten, Schiller mit.

Auch wie immer fand ich Safranskis Neigung zu sehr ausführlichen philosophischen Exkursen etwas anstrengend und weit weniger packend. Das Thema liegt ihm am Herzen, es hat auch in Leben Schillers einen wichtigen Platz, aber hier wird es doch manchmal viel zu viel. Kapitel vier und fünf sind fast durchgängig philosophische Betrachtungen - mehr Schiller, weniger Philosophie wäre mir hier (und auch an recht vielen weiteren Stellen) lieber gewesen.

Schillers Werke werden gut vorgestellt, mit wichtigen Hintergründen, Gedanken und einer Beschreibung der Lebensumstände Schillers bei Schreiben des jeweiligen Werkes. Leider ist es auch hier manchmal des philosophisch-theoretischen Hingergrundes (für mich jedenfalls) zu viel.

Ein wenig überrascht war ich, wie wenig Raum Schillers Beziehung und Ehe zu/mit seiner Lolo in diesem Buch findet. Gerade im Vergleich zu der Beschreibung von Schillers Jugend, in der die Eltern, die Beziehung zu ihnen, der Freundeskreis - das Persönliche eben gut und detailliert beschrieben werden, fand ich es enttäuschend, daß in der zweiten Hälfte der Buches der Mensch Schiller hinter dem Werk Schiller(s) zurücktritt. Die Beziehung zu Lolo war ein wichtiger Teil seines Lebens, findet hier aber nur in Nebensätzen und kurzen Absätzen Beachtung - sogar, als es um seinen Todeskampf geht. Auch die Freundschaft zu Goethe wird knapp behandelt (aber dafür hat Safranski diesem Thema ein hervorragendes eigenes Buch gewidmet). Der im ersten Teil des Buches so lebhaft geschilderte Mensch Schiller verschwindet im zweiten Teil sehr, persönliche Entwicklungen werden im Vergleich zu den ausführlichen Betrachtungen seiner Werke sehr knapp und ein wenig lieblos abgehandelt.

Es ist aber im Ganze eine hervorragende Biographie, in Stil und Thematik sehr lesenswert und informativ.