Profilbild von Viv29

Viv29

Lesejury Star
online

Viv29 ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Viv29 über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 23.01.2019

Facettenreicher Guernseykrimi

Cyrus Doyle und die Kunst des Todes
0

„Die Kunst des Todes“ ist der dritte Band einer Serie von auf Guernsey spielenden Krimis mit dem Ermittler Cyrus Doyle. Ich habe die vorherigen Bände nicht gelesen, was aber dem Verständnis keinen Abbruch ...

„Die Kunst des Todes“ ist der dritte Band einer Serie von auf Guernsey spielenden Krimis mit dem Ermittler Cyrus Doyle. Ich habe die vorherigen Bände nicht gelesen, was aber dem Verständnis keinen Abbruch tut. Es sind wenig Hintergrundinformationen notwendig, und diese werden im Buch gut vermittelt.

Das Buch beginnt gleich recht flott mit der Entdeckung des Mordopfers und einigen zum Weiterlesen animierenden Informationen. Dieses gute Tempo hält sich allerdings nicht; an manchen Stellen liest sich das Ganze etwas zäh und es gibt oft zu viele unnötige Details, wie zB die genaue Speisenfolge eines Mittagsessens, die eine halbe Seite einnimmt, oder die ausführliche Beschreibung eines Polizeihubschraubers inkl Guernsey-Wappen. Ein Kapitel zwischen zwei weiteren Ermittlern mit langgezogenen Informationen über Napoleon war wohl nur dazu da, die Spannung zwischen dem vorherigen und folgenden Kapitel zu strecken und hat mich ein wenig geärgert. Diese immer wieder vorkommenden Längen führten auch dazu, daß ich nicht wirklich gefesselt von dem Buch war und nach dem ersten Drittel ohne Bedauern kleinere Lesepausen einlegte.

Der Schreibstil selbst gefiel mir gut, er ist anschaulich, liest sich angenehm, der Umgang mit Sprache gefällt mir. Details über Guernsey werden mal mehr, mal weniger geschickt eingeflochten und ich sah die sommerliche Küstenstadtatmosphäre gut vor mir. Im Anhang geht der Autor auf sehr sympathische Weise auf die im Buch vorkommenden Orte ein, gibt im flotten Stil Hintergrundinformationen und Links. Man merkt, daß er sich mit Guernsey beschäftigt hat und es ihm am Herzen liegt. Ich habe im Buch auch interessante Fakten über Guernsey erfahren, was Spaß gemacht hat.

Die englische Atmosphäre dagegen kommt nicht wirklich durch. Ich lese viele in Großbritannien spielende Krimis und mag es, wie man dies beim Lesen immer spürt. Hier hätten die Ermittler aber auch genauso gut in einem Ostseebad ermitteln können, irgendwie fehlte mir das Britische. Ich weiß nicht, ob es an den Charakteren lag, Atmosphäre oder ihr Fehlen ist schwer an etwas Konkretem festzumachen, aber die ganze Ermittlergruppe wirkte einfach eher deutsch auf mich.

Der Fall ist gut aufgebaut, es gibt hinreichend Verdächtige und Motive, und er wird durch (fast durchweg) solide Ermittlerarbeit, ohne seltsame Zufälle oder übertrieben dramatische Szenen, gelöst. So mag ich Krimis. An manchen Stellen zerfasert sich die Handlung etwas, aber im Ganzen baut alles recht gut aufeinander auf.

Wie in jeder Serie gibt es auch Privatkram der Ermittler, dies hielt sich hier meistens recht angenehm unaufdringlich im Hintergrund oder war für den Fall relevant. Anstrengend fand ich nur Cyrus und seine Kollegin und Ex-Beziehung Pat, die einander noch zugetan sind, sich das aber nicht richtig eingestehen wollen, so daß sie giftig auf jede Frau reagiert, mit der er im Rahmen der Ermittlungen ein Wort wechselt, und er ständig an sie denkt und sich selbst erklärt, daß er nicht an sie denkt. Sogar im tiefsten Ermittlungsstreß ist Platz für dieses Teenagerverhalten, zum Glück meistens aber nur in wenigen Sätzen.

Im Ganzen ein unterhaltsamer, sorgsam aufgebauter Krimi im gut lesbaren Stil, wenn auch mit einigen – aus meiner persönlichen Sicht - Schwächen und Längen.

Veröffentlicht am 23.01.2019

Unterhaltsame Reise durch 300 Jahre Hohenzollerngeschichte

Anmut im märkischen Sand
0

In diesem ausgesprochen unterhaltsamen Buch werden die Lebensgeschichten der Hohenzollernehefrauen über 300 Jahre hinweg behandelt. Sechzehn vielseitige Kapitel bringen uns diese verschiedenen Frauen, ...

In diesem ausgesprochen unterhaltsamen Buch werden die Lebensgeschichten der Hohenzollernehefrauen über 300 Jahre hinweg behandelt. Sechzehn vielseitige Kapitel bringen uns diese verschiedenen Frauen, ihre Ehen und ihre Lebensumstände näher und begleiten uns durch die Entwicklung, die Größe und den Untergang Preußens.

Jedem Kapitel ist eine Abbildung der jeweiligen Frau vorangestellt, ihr Leben wird auf etwa je dreißig Seiten erzählt. Dies geschieht in einem sehr angenehmen und gut zu lesenden Stil. Nicht trocken, sondern sehr lebendig werden hier Fakten vermittelt und die jeweilige Persönlichkeit erzählt. Man kann sich diese Frauen gut vorstellen. Auf ihr Elternhaus und die Bedingungen, in denen sie aufwuchsen, wird gut eingegangen und es ist interessant, mit welch unterschiedlichen Voraussetzungen sie ihre Aufgabe als Landesmutter antraten und was sie aus ihrer Situation machten. Einige leisteten Erstaunliches, andere stellten sich widrigsten Umständen mit Haltung, wieder andere zerbrachen oder starben zu früh, um Bleibendes zu hinterlassen. Auch ihre Ehemänner werden hier von einer persönlichen Seite betrachtet, was eine neue Komponente in bekanntes Geschichtswissen bringt.

Detailwissen, insbesondere der historischen Begebenheiten, kann man aufgrund des Formats und der Vielzahl behandelter Biographien nicht erwarten, auch ist die Ausrichtung eher persönlich als geschichtlich. An manchen Stellen wurden mir epochale Ereignisse, wie die 1848er Revolution oder die Einigung Deutschlands 1871, viel zu kurz abgehandelt. Zwei, drei Sätze für auch das persönliche Leben dieser Frauen beeinflussende wichtige Geschichte sind zu wenig. Auch sonst fehlte es mir manchmal etwas an Details und an einigen Stellen ist zudem eine gewisse Schönfärberei nicht zu leugnen.

In den meisten Kapiteln wird das Schicksal der betreffenden Frau mit einem Schloß verknüpft. Dies ist als Fokus an sich nicht übel, aber oft nehmen die detaillierten Beschreibungen von Gebäuden, Räumen und Gärten sehr überhand und sind auch nicht immer interessant. Im Verhältnis zu interessanteren Informationen über Person, Ehe und geschichtliche Hintergründe wird diesen Beschreibungen eindeutig zu viel Raum gewidmet. Schon deshalb sind die hier vergebenen fünf Sterne nur knapp erreicht. Abgesehen vom letzten Kapitel enthält jedes Kapitel auch ein Foto des jeweiligen Gebäudes. Diese Fotos sind schwarz-weiß und ziemlich klein, manche auch recht dunkel, so daß sie nicht unbedingt zur ansonsten sehr schönen Gestaltung des Buches beitragen. Anstrengend ist es, wenn eines der Fotos dann noch en detail beschrieben wird.

Im Ganzen habe ich das Buch aber mit fast durchgehend großem Vergnügen gelesen, gerade auch wegen des zugänglichen Stils. Es ist ein empfehlenswerter Überblick über sechzehn Frauen, ihre Familien und Jahrhunderte preußischer Geschichte.

Veröffentlicht am 23.01.2019

Direkter Einblick in die bayerische Königsfamilie

Eben noch unter Kronleuchtern ...
0

Über die Revolution von 1918 gibt es verhältnismäßig wenige Bücher und schon alleine deshalb ist "Eben noch unter Kronleuchtern" eine gute Idee. Christiane Böhm wählt in diesem Buch den interessanten ...

Über die Revolution von 1918 gibt es verhältnismäßig wenige Bücher und schon alleine deshalb ist "Eben noch unter Kronleuchtern" eine gute Idee. Christiane Böhm wählt in diesem Buch den interessanten Weg, dem Leser das Revolutionsgeschehen durch Zeitzeugenberichte nahezubringen, und zwar von jenen, die unmittelbar betroffen waren. Es hat mich sehr neugierig gemacht, zu lesen, wie die bayerische Königsfamilie die Revolution, die völlige Umkehrung ihres Lebens, empfunden hat.

Hauptsächlich kommt die bayerische Prinzessin Wiltrud zu Wort, deren Tagebuch wir hier in Auszügen lesen können. Ergänzt werden ihre Tagebucheinträge durch Berichte der Kammerfrau der bayerischen Königin, Fanny Scheidl, und einigen Schwestern Wiltruds. Fanny Scheidls Bericht bringt eine weitere Perspektive in das Geschehen und war mir sehr willkommen. Diese zeitgenössischen Texte werden angereichert durch Anmerkungen der Autorin, ein Personenverzeichnis sowie zahlreiche Fotos und Landkarten. Eine Einführung gibt einen Überblick über die Situation direkt vor der Revolution, ein Anhang berichtet kurz über die weiteren Schicksale der Königsfamilie. Sowohl Einführung wie auch Anhang waren mir zu kurz. Sie hätten gerne doppelt so lang sein können. In der Einführung fehlten mir zB Informationen zum bayerischen König, seiner Stellung beim Volk, seinem Regierungsstil.

Die Autorin hat die meisten ihrer Anmerkungen per Fußnoten in einem Anhang zusammengefaßt, so daß die zeitgenössischen Texte nicht unterbrochen werden. Dies führt zu recht häufigem Hin- und Herblättern (was aber für gut recherchierte Sachbücher normal ist), zu diesem Zweck hat der Verlag das Buch mit einem Lesebändchen versehen, welches gute Dienste leistete. Manchen Textabschnitten folgt noch eine Zusammenfassung der Autorin. Die war oft recht nützlich, gerade bei der sich teils verwirrend lesenden Flucht der verschiedenen Familienmitglieder, die dann in der Zusammenfassung klarer wurde. Auch gibt die Autorin oft wertvolle Hinweise, wie manche Äußerungen einzuordnen sind oder welche politischen Hintergründe/Ereignisse sich hier auswirkten. An manchen wenigen Stellen waren die Zusammenfassungen für meinen Geschmack zu wiederholend, überwiegend aber nützlich und hilfreich. Ich finde es gut gewichtet, wie die Autorin Wiltrud und ihre Zeitgenossen für sich sprechen läßt und sich weitgehend zurückhält, aber eben mit ihren Anmerkungen an den richtigen Stellen Hilfreiches und/oder Interessantes beiträgt.

Die Fußnoten-Anmerkungen im Anhang haben mich mit etwas gemischten Gefühlen zurückgelassen. Es steht auch hier viel Informatives, dafür fehlt aber auch viel Informatives. Es gab einige Stellen im Buch, an denen mir eine Erklärung/Anmerkung sehr gefehlt hat. Dafür sind eigentlich nicht fragliche Begriffe (wie "Leib" anstelle von Bauch oder "Laternen" am Auto) extra erklärt, was nicht notwendig gewesen wäre. Fußnoten zu Personen führen manchmal lediglich zur Anmerkung "vgl Personenverzeichnis", was nicht notwendig gewesen wäre, denn dort würden die Leser sicher auch so nachschauen, wenn es keine Fußnote zur Person gibt.

Die Fotos ergänzen den Text sehr gut, hier kann man sich im wahrsten Sinne des Wortes ein Bild der Personen und Lokalitäten machen. Sie sind informativ und gut, abgesehen von einem sehr dunklen Foto auf Seite 43. Es ist ein Nachtfoto und die sind naturgemäß eher dunkel, aber es hilft ja nichts, wenn man auf dem Foto so gut wie nichts erkennen kann. Dafür sind aber die anderen Fotos von guter Qualität. Die nicht gut erkennbaren, und somit nicht hilfreichen, Landkarten werden laut Verlag in der Neuauflage überarbeitet und werden dann hoffentlich auch die nützliche Ergänzung sein, als die sie gedacht waren.

Die Tagebucheinträge der Prinzessin Wiltrud hinterlassen ebenfalls gemischte Eindrücke bei mir. Im ersten Teil, der doch gerade die Flucht der Familie vor der Revolution behandelt, und somit über höchst dramatisches Geschehen berichtet, sind keine Emotionen spürbar, die Familie bleibt einem gänzlich fremd, die Monumentalität der Ereignisse und ihre Auswirkungen auf die Königsfamilie haben mich als Leser nicht erreicht. Wiltrud verliert sich hier in ausführlichen und nebensächlichen Details und so wurde mir das Lesen dieser Passagen eher zäh. Dies ändert sich in den folgenden Buchabschnitten, die persönlicher werden und auch größtenteils - nicht ganz allerdings - auf überflüssige Alltagsroutinedetails verzichten. Hier kann man als Leser schon eher teilhaben, kann dank der Erklärungen der Autorin vieles besser einsortieren. Hier habe ich am Schicksal der Familie richtig Anteil genommen, mitgefühlt. Hier kommt auch die Verzweiflung, die nervliche Belastung aber ebenso der große Mut insbesondere Wiltruds durch. Ich habe hier zudem viel über die fortgehenden Unruhen in München gelernt.

Obwohl ich mir nach Buchbeschreibung und Klappentext tiefergehendere Informationen erwartet hatte, hat mir das Buch einen guten Eindruck der bayerischen Königsfamilie in den turbulenten Revolutionsmonaten und Bayern in der Revolutionszeit vermittelt. Auch mein Interesse wurde angeregt, zur Familie noch mehr zu lesen und zu erfahren.

Zum Abschluß noch ein Lob für die Ausstattung des Buches. Es ist ansprechend gebunden, mit einer schlichten, stilvollen Umschlaggestaltung. Das Vorsatzpapier ist ansprechend und die gesamte Gestaltung ist hochwertig und sorgfältig.

Veröffentlicht am 23.01.2019

Bewegende Geschichte, meisterhafter Umgang mit Sprache

Der Weg zurück
0

In jedem Buch Remarques bin ich voller Begeisterung und Bewunderung über seinen Umgang mit Sprache. Es ist ein so eigener Stil, voller Können und doch so eingängig. "Der Weg zurück" hat mich in dieser ...

In jedem Buch Remarques bin ich voller Begeisterung und Bewunderung über seinen Umgang mit Sprache. Es ist ein so eigener Stil, voller Können und doch so eingängig. "Der Weg zurück" hat mich in dieser Hinsicht ebenfalls wieder sehr erfreut.

Es ist das Folgebuch zum tief berührenden "Im Westen nichts Neues" und wir treffen einige Charaktere wieder. In den letzten Tagen des Ersten Weltkrieges begegnen wir ihnen und begleiten sie durch die erste Nachkriegszeit. Wie auch schon im Vorgängerbuch kann Remarque die Grausamkeit des Krieges, die Sinnlosigkeit und erschreckende Beiläufigkeit des Sterbens ganz hervorragend vermitteln. Er tut dies ohne jegliches Pathos, eher sogar lakonisch und gerade dadurch wirkt es noch viel stärker. Auch als der Friedensschluß greifbar nahe ist, wird noch reichlich Leben verheizt, es graust einen beim Lesen. Die Erschöpfung und Resignation dieser jungen Männer - die hier größtenteils direkt von der Schulbank ins große Morden beordert wurden - ist greifbar. Sie wirken viel älter.

Diese letzten Tage des Krieges, die ersten Tage nach dem Friedensschluß, die beschwerliche Rückreise in die Heimat berichtet Remarque mit vielen interessanten Details. Immer wieder blitzt sein trockener Humor durch. Es gibt so meisterhaft amüsante Passagen, die dann ein paar Absätze später von eindringlicher Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit abgelöst werden.

Die Revolutionswirren in Deutschland mit ihren teils absurden Auswüchsen werden gut dargestellt, ebenso wie am Ende des Buches die Verherrlichung von Krieg und Gewalt, als in einem friedlichen Wald eine Gruppe Jungs militärisch gedrillt wird. Sehr gut hat Remarque zu diesen Zeitpunkt, 1930/31, erkannt, daß auch der grausame Krieg zu keinem Umdenken geführt hat. Da wird Pazifist als Schimpfwort benutzt; wer sich gegen die Gewalt ausspricht, ist ein Bolschewist, ein Vaterlandsverräter. Zum Glück gibt es auch Leute, die so denken: "Ich will meinen Jungens da beibringen, was wirklich ihr Vaterland ist. Ihre Heimat nämlich und nicht eine politische Partei. Ihre Heimat aber sind Bäume, Äcker, Erde und keine großmäuligen Schlagworte." Leider lehrt uns die Geschichte, daß nur allzubald die Großmäuler mit ihren Parolen die Welt wieder in Schutt und Asche legen werden (und manche Großmäuler auch bis heute nicht dazugelernt haben). Eine dunkle Vorahnung dessen ist in diesem Buch schon spürbar.

Remarque verfolgt den Weg verschiedener Kriegsrückkehrer, einst größtenteils Schulkameraden. Ich muß gestehen, daß ich die vielen Namen nicht immer ganz zuordnen konnte, aber das tat dem Lesen keinen Abbruch. Durch die Vielfalt der Personen bekommen wir einen guten Überblick über die verschiedenen Arten, in der die Heimkehrer versuchten, mit ihrem Leben fertigzuwerden. Das gelingt manchen, die zu erfolgreichen Schiebern werden oder günstig heiraten. Andere müssen feststellen, daß Ehe und Familie sie nicht mehr auffangen können. Wieder andere merken, daß sie keinen Anschluß mehr im zivilen Leben finden - Arbeitslosigkeit, schlechtbezahlte Stellen treffen mehrere in der Gruppe.

Sehr deutlich, an manchen (wenigen) Stellen für meinen Geschmack etwas zu plakativ, scheint aber das grundlegende Problem durch: diese Jungen wurden aus ihrer Jugend, ihrem Schülerdasein herausgerissen und zu Tötungsmaschinen geformt. Außer dem Töten haben sie nichts gelernt. Jahrelang bewegten sie sich im Krieg abseits der Normen, lösten Probleme ohne das Gesetz, wurden für erfolgreiches Töten belohnt. Nun sollen sie sich einfinden in ein bürgerliches Leben, sich dessen Regeln unterwerfen, ohne auf sie vorbereitet worden zu sein. Sie kommen aus dem Krieg und man wirft sie ins Leben und ist überrascht, daß diese Umgewöhnung nicht mal eben so geht. Hilfestellung bekommen sie keine. Und so ist es nicht überraschend, daß viele von ihnen daran zerbrechen, auf vielfältige Weise. Das Buch endet, entgegen der ersten Version der Manuskriptes, mit einer leicht hoffnungsvollen Note zumindest für den Ich-Erzähler, aber das ganze geschehene Leid bleibt. Fast am Ende findet sich diese eindrückliche Passage: "Hier stehen die verlorenen Jahre, die nicht erfüllt worden sind, wie ein gespenstischer Nebel über den Gräbern, hier schreit das ungelebte Leben, das keine Ruhe findet, in dröhnendem Schweigen zum Himmel, hier strömt die Kraft und der Wille einer Jugend, die starb, bevor sie zu leben beginnen konnte, wie eine ungeheure Klage durch die Nacht."

Remarque ist, wie Walter Kempowski, ein ganz großer Chronist der deutschen Geschichte des 20. Jahrhunderts. Dieses Buch läßt mich beeindruckt und bewegt zurück.

Veröffentlicht am 23.01.2019

Informativer und differenzierter Blick auf NS-Künstler mit jüdischen Partnern

Mag’s im Himmel sein, mag’s beim Teufel sein
0

In diesem Buch wirft Evelyn Steinthaler einen Blick auf vier Künstler der NS-Zeit, die eines gemeinsam haben: die Partnerin/Ehefrau war Jüdin. Auf unterhaltsame und informative Weise stellt die Autorin ...

In diesem Buch wirft Evelyn Steinthaler einen Blick auf vier Künstler der NS-Zeit, die eines gemeinsam haben: die Partnerin/Ehefrau war Jüdin. Auf unterhaltsame und informative Weise stellt die Autorin dar, wie verschieden diese vier Männer damit umgingen, nach den menschenverachtenden Regelungen der Nazidiktatur "jüdisch versippt" zu sein. Dieser und andere widerlichen Ausdrücke aus der NS-Zeit werden im ganzen Buch in Anführungszeichen gesetzt, was ich sehr gut finde.

Zu Beginn des Buches erfolgt ein (etwas trockener) Überblick über die geschichtliche Entwicklung der Ehegesetzgebung und des Antisemitismus über Jahrzehnte, was bereits nützliches Hintergrundwissen gibt. Auch die Gesetzgebung der Nazis wird hier gut in den Zusammenhang gesetzt und erklärt, so kommt auch die Willkür und der Irrsinn dieses ganzen "Rassen"wahns gut heraus.

Bevor wir uns den vier behandelten Künstlerpaaren zuwenden, gibt die Autorin in einem Kapitel einen allgemeinen Überblick über die Lage der Künstler zur NS-Zeit. Dies liest sich sehr interessant, es waren für mich viele neue Informationen dabei und dieses Kapitel ist, wie auch die folgenden, gut erzählt. Lediglich die krampfhaft verwendete -Innen-Form (KünstlerInnen, FreundInnen, KollegInnen) ist anstrengend und nicht angenehm zu lesen. Dieser allgemeine Überblick über die Künstlerwelt jener Zeit zeigt gut, wie verschieden Künstler auf die Dikatur reagierten. Sehr mutige Lebensgeschichten sind hier enthalten, leider auch viele tragische, eine Vielfalt an gut berichteten Schicksalen.

Den vier näher behandelten Künstlerpaaren ist je ein Kapitel gewidmet. Diese Kapitel sind durchweg sehr gut zu lesen, hatten für mich viele neue Informationen und zeigen hervorragend auf, wie unterschiedlich die jeweiligen Paare mit ihrer Situation umgehen. Dies wird auf angenehm neutrale Weise berichtet. Evelyn Steinthaler gibt uns die Fakten, stellt einige Fragen und Überlegungen zu Motivationen an, urteilt aber nie. Gerade bei Stars wie Heinz Rühmann, deren Rolle in der NS-Zeit schwer einzuschätzen ist, wirkt diese differenzierte Art der Autorin sehr angenehm. Wir Leser können uns ein eigenes Bild machen, bekommen keine Antworten auf dem Silbertablett serviert und sehen auch, daß es manchmal schlichtweg keine Antworten gibt.

Das letzte (leider wieder etwas trockene) Kapitel wirft einen kritischen Blick auf die von NS-Künstlern so gerne genutzte Entschuldigung, man sei doch gänzlich unpolitisch und nur Künstler gewesen. Auch die Brücke zur heutigen Zeit wird geschlagen, mit dem leider wirklich wieder notwendigen Hinweis, daß Ausgrenzung und Diffamierung Anderer durchaus wieder bei einigen Leuten salonfähig ist. Der letzte Satz des Buches ist hervorragend gewählt: "Um es mit Primo Levi zu sagen: 'Es ist geschehen, und folglich kann es wieder geschehen.'"

Das Buch weist zudem zahlreiche Abbildungen auf, die den Text sehr anschaulich ergänzen. Im Anhang finden sich viele Literaturhinweise, von denen ich ganz sicher einige Bücher lesen werde.

So bietet "Mag's im Himmel sein, mag's beim Teufel sein" einen fast durchweg sehr gut geschriebenen Blick auf dieses Thema, mit für mich vielen neuen Informationen und Hintergründen. Ein sehr empfehlenswertes Buch!