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Veröffentlicht am 26.06.2024

Hass – Leid – Liebe

Wenn sie lügt
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Waldesroda ist ein kleiner trister Ort in Thüringen, wo ein verschlossener Menschenschlag lebt. Dort ist damals vor neunzehn Jahren ein unfassbares Verbrechen geschehen, das das Leben komplett verändert ...

Waldesroda ist ein kleiner trister Ort in Thüringen, wo ein verschlossener Menschenschlag lebt. Dort ist damals vor neunzehn Jahren ein unfassbares Verbrechen geschehen, das das Leben komplett verändert hat. Diese Vergangenheit hat Auswirkungen auf die Gegenwart.

In zwei verschiedenen Zeitebenen erzählt der Autor abwechselnd aus der Vergangenheit und der Gegenwart. Zum besseren Verständnis sind die Kapitel jeweils mit »NORAH«, »GORAN« und »ER« übertitelt. Cliffhanger an den Kapitelenden dienen dazu, zum Weiterlesen anzuspornen. Das hat Geschke sehr gut umgesetzt.

Rolaf, Peggy, Marcel, Lisa, Daniel, Norah und Goran sind eine eingeschworene Teenager-Clique. Als sich Norah in den vier Jahre älteren David verliebt, bekommt die Clique erste Risse. David will nicht, dass Norah sich weiter mit ihren Freunden trifft. Aus unerklärlichen Gründen ermordet David ein Liebespärchen und wird kurz nach der Tat und seiner Flucht von der Polizei für tot erklärt. Norah ist fortan nur noch die »Freundin des Killers«. Schweigen nach der Tat bringt die Clique endgültig auseinander.

Weil beide der Vergangenheit entfliehen wollen, zieht Norah nach Dresden und Goran nach Berlin.

Neunzehn Jahre später – Norah ist längst wieder in ihre Heimat zurückgezogen – brechen die alten Wunden wieder auf. Mysteriöse Drohbriefe tauchen plötzlich bei Norah auf. Dort werden Dinge erwähnt, die außer ihr nur noch David wissen konnte. Zudem nennt sie der Briefeschreiber »Äffchen«, so wie David sie liebevoll genannt hatte. Ist es ein Indiz dafür, dass er bei seiner Flucht nicht ums Leben gekommen und jetzt zurückgekehrt ist? Ein spannendes Element, das der Autor hier eingebaut hat.

Auch Goran kehrt aus Berlin zurück. Norahs Mutter Elisabeth, zu der Goran immer ein besonderes Verhältnis hatte, erzählt ihm von den Drohbriefen und bittet ihn, zurückzukommen. Norah und Goran hatten schon immer eine engere Beziehung zueinander, wollten sich dies aber nie eingestehen.

In einer auktorialen Erzählweise wird uns das Leben der Protagonisten Norah und Goran vor neunzehn Jahren und in der Gegenwart als Erwachsene mit Mitte dreißig geschildert. Dazwischen erfahren wir aus den Kapiteln, die mit »ER« beginnen, von einer Person voller Wut und Hass, die sich rächen will. Aber an wem und für was?

Im Laufe der Handlung wird »ER« immer mehr zum zentralen Thema. Norah und Goran versuchen, sie oder ihn ausfindig zu machen. Es kann sich nur um jemanden im näheren Umfeld von Norah handeln. Im Ausschlussverfahren derer, die es sein könnten, wird der Kreis immer kleiner.

Wenn man als aufmerksamer Leser die richtigen Schlüsse zieht, kommt man der Lösung schon bald auf die Spur. Es gibt nur eine Person, die die Drohbriefe geschrieben haben kann, auch wenn Geschke versucht, immer wieder andere Fährten zu legen.

Fazit:

Nach »Das Loft« (2022) und »Die Verborgenen« (2023) ist dies der dritte Stand Alone-Thriller von L. Geschke. Wie man hört, will der Autor sich demnächst wieder einer neuen Reihe widmen.
Die Charaktere der einzelnen Figuren sind sehr gut ausgearbeitet. Das trifft in erster Linie auf Norah und Goran zu.
Was in diesem Thriller weiterhin auffällt, ist die Tatsache, dass wir keine polizeilichen Ermittlungen haben, geschweige denn ein Ermittlerteam – lediglich ein oder zweimal wird ein Polizeieinsatz am Rand erwähnt.
Eingefügte Absätze mit Fallzahlen aus der Kriminalstatistik sind interessant und aufschlussreich. Das hat mir sehr gut gefallen.
Leider konnte mich das Setting nicht ganz überzeugen. Eingefügte Plot-Twists hätten die Handlung bereichert. Von der Dynamik her ist »Wenn sie lügt« nicht der stärkste Stand-Alone des Autors.

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Veröffentlicht am 18.06.2024

Das Böse ist immer und überall

Der Totenarzt (Ein Hunter-und-Garcia-Thriller 13)
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Dies ist bereits der 13. Fall für Hunter und Garcia. Einleitend erfahren wir, dass diese Geschichte durch wahre Begebenheiten inspiriert wurde. Aber dann ist man schon mittendrin. Der Autor hält sich nicht ...

Dies ist bereits der 13. Fall für Hunter und Garcia. Einleitend erfahren wir, dass diese Geschichte durch wahre Begebenheiten inspiriert wurde. Aber dann ist man schon mittendrin. Der Autor hält sich nicht lange mit Füllpassagen oder langatmigen Erläuterungen auf.

Was zunächst wie ein Verkehrsunfall mit Todesfolge aussieht, erweist sich als ein gut getarnter Mord. Das Opfer, der 46 Jahre alte Shaun Daniels, landet durch einen Zufall in der Rechtsmedizin. Dr. Carolyn Hove entdeckt bei der Autopsie Spuren, die eine andere Todesursache vermuten lassen.

Bei einem weiteren Opfer spielt ebenfalls Kommissar Zufall eine Rolle. Der 38 Jahre alte Terry Wilford ist allem Anschein nach von einer Brücke in den Tod gesprungen. Das Opfer landet im Sektionssaal zur Leichenbeschau, die zu Übungszwecken von Studenten durchgeführt wird. Bei diesem Opfer werden Spuren von Misshandlungen und Folter entdeckt, die ebenfalls nicht auf einen Suizid hinweisen.

Bei beiden Opfern gibt es Parallelen. Sie leben allein und haben kaum soziale Kontakte. Bei den weiteren Ermittlungen stellt sich heraus, dass sie nicht immer Einzelgänger waren und eine dunkle Vergangenheit aufweisen. Könnte das ein Schlüssel für die Taten sein?

Das ruft das LAPD auf den Plan. Die Detectives Robert Hunter und Carlos Garcia gehören der Spezialeinheit UV-Unit (Special Victims Unit) des Raub- und Morddezernats beim LAPD an. Sie befassen sich mit außergewöhnlichen Mordfällen. Sie sind ein eingespieltes und perfektes Team, was auch ihre Vorgesetzte Captain Blake zu schätzen weiß. Genau genommen, besteht dieses Team nur aus Hunter und Garcia.

Hunter besitzt eine ausgezeichnete Beobachtungsgabe. Garcia stellt bei Zeugenbefragungen und Verhören von Verdächtigen meistens die Fragen und Hunter hört lediglich zu, um aus den Antworten die richtigen Schlüsse zu ziehen. Auch in brenzligen oder fast aussichtslosen Situationen legt Carter seinen Protagonisten coole Sprüche und humorvolle Dialoge in den Mund. Das mildert die Grausamkeit zumindest etwas ab. Das hat mir gefallen und beide Detectives waren mir von Anfang an sympathisch.

Zunächst jagen sie einem Phantom hinterher und es fällt schwer, die richtigen Ansätze zu finden. Fragen über Fragen tauchen auf. Warum tötet der Mörder auf diese Weise – ist er traumatisiert? Gibt es noch weitere Opfer, die in dieses Schema passen? Handelt es sich um einen psychopathischen Arzt oder hat er zumindest medizinische Kenntnisse? Sucht er seine Opfer wahllos aus oder nach bestimmten Kriterien? Gibt es etwas in seiner Vergangenheit, das ihn verfolgt und antreibt?

Wie abgrundtief böse muss ein Mensch sein, um solche Taten auszuführen. Aber der Täter ist auch gerissen, sonst würde er die Morde nicht als Suizid tarnen, um unerkannt zu bleiben.

Der Grund, warum er die Morde als Suizide darstellt, ist bei genauerer Betrachtung simpel. Leichen mit offensichtlichen Todesursachen wie z.B. Verkehrsunfällen oder Suiziden wandern in der Obduktionsliste ganz nach unten. Sie genießen keine Priorität, denn die Todesursache steht offensichtlich fest. Und landen sie bei Studierenden der forensischen Fakultät, wird bei der Autopsie meistens nur die vordergründige Todesursache erkannt.

Fazit:

Wie eingangs der Rezension bereits erwähnt, ist die Geschichte an wahre Begebenheiten angelehnt, wenn die Erzählung auch fiktiv ist. Erfahrungen aus seinem forensischen Psychologiestudium lässt Carter gekonnt einfließen.
Der Schreibstil ist flüssig, Cliffhanger an den Kapitelenden halten die Spannung auf einem hohen Niveau. Das Setting ist zu keinem Zeitpunkt langatmig. Man fiebert mit, damit diese abscheulichen Taten endlich aufgeklärt werden und ist auf die Auflösung gespannt.
Die grafische Gestaltung des Covers ähnelt in seiner Aufmachung den meisten anderen Bänden aus dieser Reihe, aber ich kann keine Assoziation zum Inhalt herstellen. Das hat aber nicht meine Bewertung beeinflusst, es ist eine reine Feststellung meinerseits.
Dieses Buch kann ich ohne Übertreibung als Pageturner weiterempfehlen. Deshalb gibt es von mir fünf Sterne.

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Veröffentlicht am 27.05.2024

Das Ultimatum

Stunde um Stunde
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In diesem Thriller erzählt uns die Autorin Candice Fox von einem Cold Case, der bereits zwei Jahre zurückliegt. Die damals fünfjährige Tilly ist spurlos verschwunden und nie wieder aufgetaucht. Die Eltern ...

In diesem Thriller erzählt uns die Autorin Candice Fox von einem Cold Case, der bereits zwei Jahre zurückliegt. Die damals fünfjährige Tilly ist spurlos verschwunden und nie wieder aufgetaucht. Die Eltern Ryan und Elsie Delaney sind verzweifelt. Sie haben ständig die Polizei angerufen und nach dem Stand der Ermittlungen gefragt, sind auf der Wache aufgekreuzt, haben mit der Presse gedroht, Mails an Senatoren geschrieben, Interviews im Radio gegeben. Nachdem keine Spur von Tilly aufgetaucht ist, hat die Polizei die Ermittlungen eingestellt.

Die Delaneys sind der Meinung, dass die Polizei nicht alles Mögliche unternommen hat, um die kleine Tilly zu finden und sie sind auch nach zwei Jahren davon überzeugt, dass ihre Tochter noch lebt. Was macht sie da so sicher?

Sie wollen erzwingen, dass die Polizei weitersucht nach ihrer vermissten Tochter. Deshalb verschaffen sie sich Zutritt zum Hertzberg-Davis Institut in LA und bringen drei Geiseln in ihre Gewalt. Wie sind sie in dieses Labor gelangt, von wo hatten sie Unterstützung?

In diesem forensischen Labor der Strafermittlungsbehörden sind DNA-Proben zu bisher ungeklärten Verbrechen gelagert. Alle zwei Stunden wollen die Delaneys eine Probe vernichten, bis die Polizei ihre Tochter gefunden hat. Und damit vernichten sie wichtige Spuren, um bisher ungelöste Fälle aufklären zu können.

In zwei Handlungssträngen erzählt die Autorin, wie sich die Lage entwickelt. Zum einen erfahren wir Einzelheiten über die drei Geiseln im Labor und wie Ryan Delaney mit der Vernichtung der DNA-Proben beginnt. Mit fortschreitender Zeit spitzt sich die Lage immer mehr zu und droht zu eskalieren.

In einem zweiten Handlungsstrang, der sich außerhalb des Labors abspielt, versuchen die Ermittler, die Lage zu beruhigen und Licht in die Vergangenheit zu bringen. Der Undercover-Cop Charlie Hoskins (Hoss), der nach seiner Enttarnung von der Outlaw-Motorradgang »Death Machines« verfolgt wird, Jeanette Lamb, und der ehemalige Polizist Wyatt Hill (genannt Surge) versuchen gemeinsam und ohne Wissen oder Einverständnis der Polizeibehörde den Fall zu lösen.

Lamb wurde bei Ihrem vermeintlichen Dienstantritt aufgrund eines folgenschweren Fehlers wieder entlassen. Jetzt setzt sie alles daran, wieder in den Polizeidienst aufgenommen zu werden.

Teilweise schräge und lustige Dialoge (Bsp.: Surge nennt Lamb »Hammelbein«; Tilly wird von ihrer Schwester Jonie als beschissene, kleine Nervensäge, Moms und Dads Huch-Baby bezeichnet). Eindrucksvolle Twists an den richtigen Stellen bereichern diesen Thriller. Cliffhanger an den Kapitelenden haben zudem die Spannung hochgehalten.

Fazit:

Wir haben es hier mit einem intelligent aufgebauten Thriller zu tun. Alles Geschriebene wirkt in sich schlüssig, auch wenn es unvorstellbar ist, dass so etwas in der Realität geschehen könnte.
Die Handlung wirkt zunehmend überdrehter. Zum Teil skurrile Personen und die Art der Dialoge halten die Spannung auf einem hohen Level und steigern diese in zunehmendem Maße.
Candice Fox hat es verstanden, die Verzweiflung der Eltern und die Ängste der Geiseln eindrucksvoll zu beschreiben. Auch die unterschiedlichen Charaktere auf der Seite der Ermittler wurden gut herausgearbeitet.
Für die innovative Schreibweise, die mir sehr gut gefallen hat, gebe ich eine klare Leseempfehlung mit fünf Sternen.

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Veröffentlicht am 21.05.2024

Eine verschmähte Liebe

Die Sehenden und die Toten
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Kriminalkommissarin Clara Seidel hat sich vor zwei Jahren vom Morddezernat in Hamburg zur Polizeistation Dannenberg ins beschauliche Wendland versetzen lassen. Sie hat dort ein Fachwerkhaus gekauft und ...

Kriminalkommissarin Clara Seidel hat sich vor zwei Jahren vom Morddezernat in Hamburg zur Polizeistation Dannenberg ins beschauliche Wendland versetzen lassen. Sie hat dort ein Fachwerkhaus gekauft und ist zusammen mit ihrer siebzehnjährigen Tochter Lana eingezogen.

Es muss in der Vergangenheit etwas in ihrem privaten Bereich passiert sein, das Clara zu diesem Schritt bewogen hat. Sowohl Mutter als auch Tochter versuchen das Geschehene zu verarbeiten – es ist aber mehr ein Verdrängen. Clara hat ein Alkoholproblem und sie leidet hin und wieder an Panikattacken. Ist sie unter diesen Umständen noch für den Polizeidienst tauglich? Lana möchte nur Kontakt mit ihrer Mutter haben und interessiert sich sehr für die Arbeit ihrer Mutter. Beide verbindet die Erinnerung an die Vergangenheit und sie sind auch sonst ein gut eingespieltes Team.

Man kann sich nicht daran erinnern, wann die Polizeistation Dannenberg ein Tötungsdelikt aufzuklären hatte. Aber genau das ist jetzt der Fall. Es geschieht ein Mord an einem achtzehnjährigen Jungen. Justus Libermann wird tot in den Elbtalauen gefunden. Seine Augäpfel wurden entfernt und durch Spiegelscherben ersetzt. Was will uns der Täter mitteilen? Ist es ein möglicher Hinweis auf einen Fetisch, haben wir es mit einem Psychopathen oder einem perversen Mörder zu tun?

Clara Seidel ist für die Polizeistation Dannenberg überqualifiziert und die anderen Mitarbeiter zunächst mit dem aktuellen Fall überfordert. Es fehlen die richtigen Ansätze für die Ermittlungen. Eine Soko wird zusammengestellt. Die Leitung übernimmt Kai Wächter vom Staatsschutz in Hannover. Warum wurde dieser Beamte nach Dannenberg versetzt? Gibt es dafür einen Grund?

Wächter sowie Alexander Libermann, der Vater des Opfers haben einen fiesen Charakter. Wächter ist arrogant und herablassend seinen Mitarbeitern gegenüber. Spannungen zwischen Wächter und Seidel sind unübersehbar. Der Tod seines Sohnes Justus lässt Libermann offensichtlich kalt.

Mit Clara Seidel und deren Tochter Lana habe ich während des Lesens in gewisser Weise Mitgefühl entwickelt. Von Beginn an wird ein Spannungsfeld aufgebaut, das nicht abebbt, aber auch im weiteren Verlauf nicht zunimmt. Während der Erzählung legt die Autorin immer wieder neue Spuren bzw. Hinweise zu Ereignissen und möglichen Tätern aus, um den Leser in die Irre zu führen. Ist ein neuer Verdacht aufgekommen, erweist er sich schnell wieder als haltlos.

Gerade zum Ende hin hätte ich mir aber gewünscht, dass etwas Unvorhersehbares geschieht. So kam es lediglich zu einem anonymen Anruf mit einem Glückwunsch zum Erfolg, den Clara Seidel schaudern lässt. Ein »Woweffekt« ist bei mir nicht eingetreten.

Fazit:

Dieser Kriminalroman ist atmosphärisch und kommt ohne Klischees aus. Schon nach wenigen Seiten kommt man leicht in diesen Plot hinein.
Die Kapitel sind relativ kurzgehalten, was das Lesen positiv beeinflusst. Manche Kapitel enden mit einem Cliffhanger, bei anderen Kapiteln wird die Handlung im darauffolgenden Kapitel fortgesetzt.
Die Autorin beschreibt die einzelnen Charaktere so, dass man sich gut in die Figuren und deren Verhalten hineinversetzen kann. Sie dringt dabei tief in deren Psyche ein. Dafür scheint Piontek ein »Händchen« zu haben.
Als Einstieg in die Kriminalliteratur nicht schlecht, obwohl noch einiges an Luft nach oben bleibt. Von mir gibt es drei Sterne.

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Veröffentlicht am 14.05.2024

Ein Experiment mit verheerenden Folgen

Der dreizehnte Mann
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Wer könnte so eine Geschichte besser in Szene setzen als der ehemalige Strafverteidiger Florian Schwiecker und der Rechtsmediziner Michael Tsokos. Sie lassen dabei tief hinter die Kulissen des deutschen ...

Wer könnte so eine Geschichte besser in Szene setzen als der ehemalige Strafverteidiger Florian Schwiecker und der Rechtsmediziner Michael Tsokos. Sie lassen dabei tief hinter die Kulissen des deutschen Rechtssystems blicken. Der spannende Fall um ein Tötungsdelikt vor dem Hintergrund eines Missbrauchs-Skandals ist in Anlehnung an ein reales Experiment entstanden. Die beiden Autoren legen allerdings Wert darauf, dass die hier vorkommenden Charaktere und die Handlung fiktiv und frei erfunden sind.

Pflegekinder wurden Anfang der 1970er-Jahre über einen längeren Zeitraum an pädophile Männer vermittelt. Dies alles geschah mit Duldung, Unterstützung und Ermöglichung von sexualisierter Gewalt durch die Jugendämter.

Jörg Grünwald und Timo Krampe leben beide in zerrütteten Familienverhältnissen, so dass sich das Berliner Jugendamt einschaltet und die beiden Jungen in die Obhut von Olaf Haarmann gibt. Da Haarmann pädophil ist, kann man erahnen, welchen seelischen und körperlichen Qualen die beiden Jungen ausgesetzt sind. Mit achtzehn verlässt Jörg diese Umgebung, und als Timo sechzehn ist, entzieht er sich der Obhut durch Flucht. Danach verlieren sich die beiden zunächst aus den Augen.

Jahre später treffen sich die beiden Freunde wieder und beschließen, mit ihrem Schicksal an die Öffentlichkeit zu gehen. Nachdem sie weder bei der Polizei noch beim Jugendamt oder sonstigen öffentlichen Einrichtungen Gehör finden, wenden sie sich an die Journalistin Anja Liebig, die ihre Geschichte als Artikel in der Zeitung veröffentlichen will.

Ab da nimmt das Schicksal seinen Lauf, und plötzlich ist einer der beiden Männer tot. Handelt es sich um Mord? Will jemand die Veröffentlichung des Missbrauchs-Skandals verhindern oder was steckt dahinter?

Ein renommierter Strafverteidiger und sein Freund sowie Privatermittler, eine Staatsanwältin, eine Journalistin, ein Rechtsmediziner, ein Hacker und die Leiterin des Jugendamtes Berlin-Nord versuchen gemeinsam Licht in diesen vertrackten Fall zu bringen.

Im letzten Drittel des Buches werden wir viel über das deutsche Rechtssystem erfahren. Es wird ausführlich und präzise erklärt. Erst ab diesem Zeitpunkt ist die Handlung für mich zu einem wahren Justiz-Krimi geworden.

Nachdem die Spannungskurve deutlich zunimmt, ist die Auflösung ein wahrer Paukenschlag, mit dem ich nicht gerechnet habe.

Fazit:

Ein solches Experiment wie das hier Geschilderte finde ich abartig und pervers. Wie kann man auffällig gewordene Kinder auf Vermittlung der Jugendämter in die Obhut von pädophilen Männern geben?
Kurze Kapitel, die zum Teil als Cliffhanger enden, sind immer ein gutes Stilmittel. Einige Male waren mir die Kapitel allerdings zu kurz (manchmal nur eine Seite). Diese jeweils mit Ortsangabe und Uhrzeit zu betiteln ist eine Geschmacksfrage – mich hat es nicht gestört.
Die Schreibweise ist flüssig, die Handlung nimmt einen spannenden Verlauf und zum Ende hin eine überraschende Wende. Ich vergebe vier Sterne.

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