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Veröffentlicht am 22.01.2021

Wer kennt nicht das Museum of Modern Art?

Miss Guggenheim
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Wohl jeder hat schon mal von dem Guggenheim Museum in New York gehört oder gelesen. Mir war durch dieses Museum der Name Guggenheim ein Begriff und ich ging mit ganz bestimmten Vorstellungen an dieses ...

Wohl jeder hat schon mal von dem Guggenheim Museum in New York gehört oder gelesen. Mir war durch dieses Museum der Name Guggenheim ein Begriff und ich ging mit ganz bestimmten Vorstellungen an dieses Hörbuch. Wahrscheinlich war dies mein größter Fehler, denn nach knapp der Hälfte von "Miss Guggenheim" von Leah Haydan, wünschte ich mir nur noch, dass es doch bald zu Ende sei.

Der Roman spielt auf zwei Zeitebenen, beginnt im Jahre 1957 in Venedig und wandert zurück in die Kriegszeit, als Miss Guggenheim in Europa weilte. Sie ist Jüdin und nur ihr amerikanischer Pass schützt sie vor der Verhaftung. Hier lernt sie auch den Maler Max Ernst kennen, mit dem sie später in New York lebte. In der Welt der Kunst hatte sie schon lange einen guten Namen als Kunstkenner und Sammlerin. Peggy hatte ein Gespür dafür. Allerdings muss man sich dies auch leisten können. Und sie konnte es, dafür hat ihr Großvater gesorgt und Peggy mit einem dicken finanziellen Polster ausgestattet das ihr ermöglichte, ein Leben in Luxus zu führen. Doch für sie bedeutet Luxus nicht so sehr Mode oder Schmuck und Brillanten, sondern moderne Bilder kaufen zu können, die ihr gefielen - egal was diese kosteten.

Im Grunde wurde in dem Hörbuch nur ihre Zeit mit Max Ernst zum Thema. Das waren mal gerade drei Jahre. Dass sie vorher schon einmal verheiratet war und auch Nachwuchs hatte, erwähnt die Autorin immer mal wieder nebenbei. Dieser Teil des Lebens von Miss Guggenheim bleibt eher schemenhaft.

Damit wäre ich auch schon bei den Mängeln des Buches. Geschrieben ist dieses Buch im typischen Stil von Frauenromanen. Alles wirkt auf mich etwas "süßlich". Bekannt ist, dass Peggy Guggenheim kein Kind von Traurigkeit war und in ihrem Leben gerne und öfters die Männer wechselte. Doch beschrieben wird sie von der Autorin als sei sie in ihrem Auftreten hausbacken und bieder. Diese Beschreibung und das, was über Peggys Leben bekannt wurde, ist nicht deckungsgleich. Allerdings hat mich dieses Hörbuch neugierig auf die tatsächliche Peggy Guggenheim gemacht und ich machte mich im Internet auf die Suche nach dieser Kunstsammlerin. Dort wurde ich dann auch fündig.

Für mich ist es ein Hörbuch, das mich nicht zu fesseln vermochte und über dem ich regelmäßig eingeschlafen bin. Dazu trug allerdings auch diese gleichförmige und monotone Stimme der Sprecherin bei.

3 Sternchen Bewertung, ist sogar etwas mehr, als mir dieses Hörbuch gefällt. Einräumen möchte ich allerdings auch, wer voll auf Frauenromane steht, dem wird dieses Hörbuch ganz sicher besser gefallen als mir.

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Veröffentlicht am 03.12.2020

Aus Sicht von Ada: "Meine Familie, wo seid ihr gewesen, als ich euch brauchte?"

Ada, wo bist du?
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"Ada, wo bist du?" von Melanie Kleinloh ist ein sehr emotionales Buch. Wer bereits schon mal Bücher des fontis Verlages gelesen hat der weiß, dass einen keinen dieser Allerweltsromane erwartet. Dieses ...

"Ada, wo bist du?" von Melanie Kleinloh ist ein sehr emotionales Buch. Wer bereits schon mal Bücher des fontis Verlages gelesen hat der weiß, dass einen keinen dieser Allerweltsromane erwartet. Dieses Buch hat auch sehr viel Gottesbezug.

Das Buch wird vom Ende her erzählt, als sich Ada mit dem Fahrrad auf den Weg zu einer Verabredung mit ihrer Tochter und ihrem Enkel macht. Gegenwart und Vergangenheit fließen ineinander. Das Heute wäre nichts ohne das Gestern.

Im Mittelpunkt stehen Ada und Johan die sich bei einer christlichen Jugendfreizeit kennenlernen. Von der Autorin sehr schön beschrieben, wie sie sich Zeit lassen und die Liebe zwischen ihnen langsam aber stetig wachsen kann. Haben sie von Anfang an gewusst, dass es die Lieben fürs Leben ist? Man könnte es fast glauben, wie beharrlich sie sind. Ada im Schwarzwald beheimatet und Johan in Berlin.

Der Weg führt beide nach Afrika in ein fremdes und auch aufregendes Leben. Das Glück lebt mitten unter ihnen und scheint vollkommen, als nacheinander drei Kinder zur Welt kommen. Doch wo Glück ist, gibt es auch Kummer. Ihr kleiner Sohn ist ein schwaches Kind, das viel Zuneigung und Fürsorge braucht. Trotzdem liegt er eines morgens tot in seinem Bettchen. Plötzlicher Kindstod.

Das Glück ist aufgebraucht. Gerade jetzt brauchten die beiden Mädchen ihre Mutter, doch sie ist nicht erreichbar. Lebt in ihrer tiefen Trauer. "Ada, wo bist du?" könnte man erstmals fragen.

Zurück in Deutschland leben sie ein ganz normales Familienleben. Vater, Mutter und zwei Kinder. Der Tod des Sohnes scheint überwunden. Doch etwas läuft nicht richtig. Haben sie zu wenig über ihre Gefühle, ihre Trauer gesprochen? Das die jüngste Tochter im Leben keinen richtigen Halt findet, mit Drogen in Kontakt kommt, bleibt lange unbemerkt. Sie strebt aus dieser Familie. Nur weg.

"Ada, wo bist du?", könnten Johan und ihre Kinder fragen, als in frühen Jahren bei Ada Alzheimer diagnostiziert wird und sie langsam aber stetig in ihrer eigenen Welt versinkt, immer weniger für ihre Familie erreichbar ist. Endlich ist sie wieder glücklich. Alles Belastende ist abgefallen. Sie ist frei.

Unglücklich und sehr oft ungehalten ist Johan, an dem nun alles hängt. Sein Beruf als Architekt und das Leben mit Ada, die er kaum mehr alleine zu Hause lassen kann.

"Ada, wo bist du?" fragt Johan, als er von der Arbeit nach Hause kommt und feststellt, seine Frau ist weg. Die sofort eingeleitete Suchaktion bleibt erfolglos. Es sind die kleinen, unglücklichen Zufälle des Lebens, dass sie nicht schnell genug gefunden wird.

Es ist, als hätte es dieses Verschwinden Adas bedurft, damit sich Johan der Liebe, die so schwierig geworden war, zu seiner Frau wieder bewusst wird.

Es ist ein sehr berührendes Buch. Wie ist es, wenn der Ehepartner oder die Mutter zwar physisch anwesend ist, sich jedoch als Person endlos weit entfernt hat, nicht mehr erreichbar ist?

Die Handlung des Buches und wie es der Autorin gelingt die einzelnen Situationen einzufangen ist auf jeden Fall fünf Sterne wert. Allerdings erinnert mich der Schreibstil der Autorin stellenweise an einen Schulaufsatz. Doch das ist nur eine Kleinigkeit als Makel.

Es ist ein lesenswertes Buch. Zeigt es doch, wie nah das große Glück und das tiefe Leid im Leben beieinander liegen.

"Ada, wo bist du?". Aus Adas Sicht könnte es auch heißen: "Meine Familie wo seid ihr gewesen, als ich mich verlor?".

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Veröffentlicht am 24.09.2020

Aus der Fremde zurück nach Hause - ohne ankommen zu können

Der Fremde aus Paris
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Um es vorweg zu sagen, das Buch "Der Fremde aus Paris" ist ganz nach meinem Geschmack. Es wird eine faszinierende Lebensgeschichte - angelehnt an das Leben des Großvaters der Autorin - erzählt und gleichzeitig ...

Um es vorweg zu sagen, das Buch "Der Fremde aus Paris" ist ganz nach meinem Geschmack. Es wird eine faszinierende Lebensgeschichte - angelehnt an das Leben des Großvaters der Autorin - erzählt und gleichzeitig bekomme ich als Leser Einblicke in arabische Familienstrukturen, die uns in der westlichen Welt fremd sind. Für mich begann es schon mit dem wunderschönen Cover, welches die Düfte arabischer Gärten und Märkte in meiner Vorstellung beflügelte. Doch was wäre ein eindrucksvolles Buchcover ohne mitreißenden Text? Meine Bedenken, dass ich bei den vielen aufgeführten arabischen Namen nicht den Überblick behalten würde, erwies sich als gegenstandslos.

Was mich an diesem Buch von der ersten Seite an fesselte, war die wunderschöne, fast blumige Sprache der Autorin. Die harten und abgehackten Sätze, wie sie in der modernen Literatur vielfach Verwendung finden, sind nicht ihr Stil. Für mich ein sehr gelungenes Erstlingswerk.

Um den Roman zu verstehen, denken wir uns zurück in die Zeit des 1. Weltkrieges. Midhat, ein junger Palästinenser kommt zum Medizinstudium nach Frankreich und findet sich in einer ihm fremden Kultur. Er ist ein Fremder. Doch er hat das Glück, im Hause eines weltoffenen Mannes wohnen zu dürfen. Nach und nach fühlt er sich heimisch, schließt Freundschaften, verliebt sich in die Tochter des Hauses und glaubt, dazu zu gehören, um letztlich festzustellen, dass er immer ein Fremder blieb. (S.114) "...er ist eindeutig ein Beweis dafür, dass man Araber erziehen kann..." Diese Feststellung seines Gastgebers, bringt ganz deutlich zum Ausdruck wie man ihn einschätzt und verletzt ihn zutiefst. Überstürzt flüchtet er nach Paris, lebt dort mit anderen Arabern und führt ein freies Leben mit vielen unverbindlichen Liebschaften. Midhat, der Frauenliebling. Doch als das Geld aufgebraucht ist, musste er zurück zu seinem Vater. Bis zu dieser Episode lernen wir einen jungen Mann kennen, dem die Welt zu Füßen liegen wird.

Ortswechsel: Midhat ist wieder in Nablus bei seiner Familie. Doch auch hier ist er nun ein Fremder. Zu sehr hatte er sich and das europäische Leben gewöhnt. Ihm bleibt nichts übrig, als ein folgsamer Sohn zu werden und sich dem Willen seines Vaters zu beugen. Nichts bleibt von dem Midhat, der er in Frankreich geworden ist.

Als Leser bekommt man in dem Roman zusätzlich eine geschichtliche Lehrstunde. Waren es zuvor Türken, die das Land eroberten, so bestätigte nun der Völkerbund die Mandate der europäischen Mächte Frankreich und Großbritannien. (S.428) Doch die dortigen Menschen fanden sich mit der Unterdrückung nicht ab und es brodelte. Überall regte sich der Widerstand. Selbst beim Lesen wird man erfasst von dieser Energie der Menschen, dem Aufbruch und dem Wunsch nach Selbstbestimmung. Das Tragen des Kopftuches wird für die Frauen ein Symbol ihrer Abgrenzung zu den Kolonialmächten. Nur Midhat bleibt ängstlich distanziert. Hat ihn sein Vater, die erzwungene Unterordnung - gebrochen? Wie von der Familie gewünscht entschließt er sich zur Brautwerbung (S.430). Es ist, als werde er von seiner Familie gelebt. Ganz deutlich kommt dies auf S. 446 zum Ausdruck: "Er war wütend. Er hatte alles für diesen Mann getan. Hatte sich all seinen Ansichten gefügt, jeder Entscheidung. Und das mit Erfolg!... Midhat hatte das Gefühl, dass sein Leben ein schwankendes Gebilde war, das rings um ihn zusammenbrach." Als Leser hat man Mitleid mit diesem Mann, der es jedem in seiner Familie recht machen wollte, um seine große Liebe betrogen wurde und sich selbst, seine eigenen Wünsche dabei aus den Augen verlor.

Die tiefe persönliche Not von Midhat kommt bei einem Gespräch mit Antoine zutage, als er sagen kann: "Vater... ich vergebe dir".

Die Zeittafel am Ende des Romans erleichtert dem Leser, die geschichtlichen Abfolge der Ereignisse zu erfassen.

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Veröffentlicht am 15.08.2020

Die Begegnung von Menschen erfolgt nicht zufällig

Pietà
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Das Buch "Pietà" von Markus Günther ist kein alltäglicher Roman. Wahrscheinlich wird sich nicht die große Masse darauf stürzen, ist der Inhalt doch sehr speziell und passt nicht in den Modus - "wir wollen ...

Das Buch "Pietà" von Markus Günther ist kein alltäglicher Roman. Wahrscheinlich wird sich nicht die große Masse darauf stürzen, ist der Inhalt doch sehr speziell und passt nicht in den Modus - "wir wollen Spaß". Es geht um das Leben - oder besser gesagt um den Tod, dem wir uns mit jedem Tag unseres Lebens nähern.

Zuerst einmal etwas über das Äußere. Das Buch fasst sich wunderbar an, liegt herrlich in der Hand und ich musste immer wieder über den Einband streichen. Eine liebevolle Geste, die vielleicht auch dem Cover gilt. Genau so wie der junge Mann dort steht, stelle ich mir Lutz vor, den Kopf unschlüssig nach vorn gebeugt, den Blick auf den Boden gerichtet.

Lutz, der Protagonist, verbrachte seine Schulzeit in einem kath. Internat. Wessen Gedanken nun sofort auf sex. Missbrauch gerichtet sind, denkt falsch. In der überwiegenden Zahl von kath. Schulen, wurden schon immer junge Menschen ganz normal ausgebildet und auf das Leben vorbereitet. Erstmals im Leben wird Lutz mit dem Tod konfrontiert, als einer der Padres stirbt. Doch es berührt die Schüler nur in der Beziehung, dass sie neugierig sind, wie ein Toter aussieht. Auch als Freunde von ihm (Lutz) ums Leben kommen, weiß er nicht damit umzugehen. Linkisch steht er vor deren Eltern und weiß nicht was zu sagen ist. In seinem Leben hat der Tod noch keinen Platz. Das Leben liegt vor ihm und verspricht großartig zu werden. Das Studium bringt ganz neue Freiheiten und auch Erkenntnisse. Was ist Geschichte? fragt sein Professor. Und je mehr Lutz nach einer Antwort sucht, umso mehr stellen sich ihm Fragen nach dem Leben, auch seinem eigenen. Seite 115: "Natürlich habe auch ich, wie viele andere, oft davon geträumt, alle Fesseln abzustreifen. ..." Doch unaufhörlich drängt sich das wirkliche Leben und der Umgang mit dem Tod in seinen Alltag, als bei seiner Mutter Krebs festgestellt wird. Unheilbar. Das Unfassbare nicht wahrhaben wollen. Nicht annehmen können, bis es sich nicht mehr leugnen lässt. Seite 130: "Ich ahnte nicht, dass ich die letzte Chance vertan hatte, mich von Mensch zu Mensch mit ihr auszutauschen, bevor die Wesensveränderungen einsetzen, die jeden todkranken Menschen zu einem Fremden machen und unüberbrückbare Gräben aufreißt". Noch immer die albernen Reden: "Weiterkämpfen und nicht aufgeben". Bis seine Mutter sagt: "Ich kann nicht mehr". Jedoch, wann ist man als junger Mensch bereit, seine Mutter herzugeben? Wahrscheinlich glauben selbst erwachsene Kinder noch immer wider besseres Wissen, die eigenen Eltern würden sie durch ihr ganzes Leben begleiten, bis sie selbst alt werden. Welch ein Trugschluss!

Zuerst stirbt seine Mutter und kaum ist sie unter der Erde, erkrankt auch sein Vater allerschwerst. Bezeichnend Seite 143: " ... Ich hatte verstanden, dass man ärztliche Warnungen dieser Art doch ernst nehmen musste und dass Menschen auch gegen meinen ausdrücklichen Willen sterben können".

Auf Seite 144: " Der Tod ist nicht einfach ein Ereignis, er ist ein Wesen, das kommt, manchmal mit Radau hineinplatzt mitten ins Leben, sich manchmal aber auch katzengleich auf leisen Pfoten unbemerkt hineinschleicht und behende sein grauenhaftes Geschäft verrichtet".

"Trauer macht einsam", lesen wir auf Seite 152. Wie wahr. Niemand kann uns die Trauer abnehmen, niemand kann sie uns erleichtern. Trauer ist immer individuell und nicht auf mehrere Schultern zu verteilen.

Doch das Buch wäre zu traurig, gäbe es nicht auch ein Blick auf die Zukunft. Seite 188: "Die Wege der Menschen kreuzen sich nicht zufällig". Lutz lernt seine neue Freundin Michaela kennen.

Besonders gut gefiel mit ein kurzer Abschnitt auf S. 227: " Von allen Metaphern und Redensarten, mit denen Menschen versuchen, über Sterbende zu sprechen ist diese vielleicht die treffendste: Wer stirbt, macht sich auf den Weg. Das heißt, dass er sich langsam entfernt, dass er eine Zeitlang noch in Ruf- und Sichtweite ist, dass er dann aber in unerreichbarer Ferne verschwindet. Und es heißt auch, dass er nur ein Stück weit begleitet werden kann; die letzten Schritte aber tut er ganz allein".

"Pietà" ist ein wundervolles Buch über das Leben, welches für uns alle eines Tages mit unserem Tod zu Ende geht. Der Autor ist ein Meister der leisen Töne und vermag auch noch die schlimmsten Ängste und Gefühle in versöhnliche Worte zu kleiden, was selbst das Unfassbare für uns Menschen durchlebbar erscheinen lässt. Wir halten das alles aus.

Der fontis Verlag hat mit diesem Buch wieder ein außergewöhnliches Werk verlegt.


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Veröffentlicht am 01.08.2020

Keine gute alte Zeit

Schatten der Welt
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Der Roman "Schatten der Welt" von Andreas Izquierdo nimmt den Leser mit in die "gute alte Zeit", wie man immer sagte. Doch gut war diese Zeit vor dem 1. Weltkrieg nur für die Oberschicht. Bei den adligen ...

Der Roman "Schatten der Welt" von Andreas Izquierdo nimmt den Leser mit in die "gute alte Zeit", wie man immer sagte. Doch gut war diese Zeit vor dem 1. Weltkrieg nur für die Oberschicht. Bei den adligen Großgrundbesitzern und Unternehmern war das Geld und sonstige Besitztümer gehortet. Man arbeitete nicht selbst, man ließ arbeiten. Egal ob es sich um die Verwaltung des Gutes handelte oder den Haushalt, für alles gab es Personal, denn Arbeitskräfte waren billig zu haben. "Zum Leben zu wenig, zum Sterben zu viel" sagte mal jemand. Die Menschen waren vom Wohlwollen der Herrschaft abhängig und diese Gesellschaftsschicht nützte diese Abhängigkeit ohne Skrupel aus. Wer auf der Sonnenseite des Lebens stand, nahm es als pure Selbstverständlichkeit dass die "Niederen" ihnen dienen mussten.

Der arme Schneider, ein Künstler seines Handwerks, erhielt Zeit seines ganzes Lebens nicht die Anerkennung seiner Kundinnen, die ihm gebührte. Den Männern schneiderte er den besten Anzug nachdem sie verstarben - als Totenbekleidung - die anschließend niemand mehr bewundern konnte. Vor jedem Kunden musste er buckeln und den launigen Kundinnen im Preis entgegen kommen, wenn diese ihre Macht ausspielten. Zu allem Übel war er auch noch ein Jude aus Riga, was seinem Ansehen noch mehr schadete. Dieser arme Schneider sowie Carl, sein Sohn, hausten in einer kleinen und im Winter schlecht geheizten Wohnung. Doch unter ihrem Dach war die grenzenlose Liebe vom Vater zum Sohn und vom Sohn zum Vater zu Hause. Dieses heimelige Gefühl durchzieht den ganzen Roman und macht diesen wohl so liebenswert. War die Welt da draußen auch noch so böse, den Beiden konnte sie nichts anhaben. Carl, ein geradliniger junger Mann der alles richtig machen und ein anständiger Mensch sein wollte, somit nicht so recht in diesen Ort Thorn und die Zeit passte, in der man viel besser überlebte wenn man tricksen, lügen und betrügen konnte.

Doch da sind auch noch Artur und Isi, beides Freunde von Carl. Artur, schon in jungen Jahren körperlich wie ein Schrank hat die verrücktesten Geschäftsideen, mit denen das Trio zu Geld kommen will. Ein richtiges Schlitzohr ist dieser große Junge, der nur dann die Schule besuchte, wenn er nichts besseres vorhat. Seine ausgeklügelten Einfälle, die dann äußerst wirksam umgesetzt wurden, geben dem Roman eine humoristische Pointe und sorgten bei mir für manch einen Lacher. Isi, ein Mädchen mit dem Herzen auf dem rechten Fleck, aufgeweckt und aufmüpfig, geriet zum Spielball ihres Vaters. Zu Beginn des vorigen Jahrhunderts galt das männliche Familienoberhaupt als unanfechtbar in der Familie, hatte das Sagen und die Macht über die Familienmitglieder. Prügel gehörten in vielen Familien zum Alltag, Mädchen als auch Jungen wurden gleichermaßen damit bedacht. Sie alle waren Kinder ihrer Zeit. Die Monarchie gab vor wie es zu laufen hatte. Die Kehrseite - Männer begingen aus purem Ehrgefühl unsinnige Selbstmorde.

Dem Autor gelingt es in diesem Roman, ein sehr einprägsames Sittengemälde dieser Zeit zu zeichnen. Die Sprache, derer er sich bedient lässt sich gut und flüssig lesen, obwohl die Sätze ausgefeilt und keinesfalls banal sind.

Nach unserem heutigen Verständnis wehrt sich alles in einem gegen diese sozialen und familiären Ungerechtigkeiten, in denen die Menschen der unteren Schichten leben mussten. Ich kam während des Lesens zu der Erkenntnis, dass diese Generation von Menschen, Meister des Erduldens waren. Mit dem niederen Volk konnten die Adligen, als auch wohlhabende Damen und Herren verfahren, wie es ihnen gerade beliebte. Dienstmädchen wurden vergewaltig und anstatt den Täter zur Rechenschaft zu ziehen, wurde den Mädchen gekündigt. Sie galten als "gefallen" hatten einen Makel.

Obwohl es sich abzeichnete, plötzlich war er da, der erste Weltkrieg. Die Welt stand Kopf und singend zog man in den Krieg der kurz und siegreich sein würde. Versprochen! Tod, Leid und Verstümmelung an Leib und Seele kamen im Vokabular der Kriegstreiber nicht vor. Von den Generälen und Machthabern angezettelt, jedoch auf dem Rücken armer Bauernburschen ausgetragen begann der unerbittliche Kampf. Nicht umsonst hieß es, der sicherste Platz den Krieg zu überleben, sei in der Nähe des Generals. Wer von Adel war hatte auch hier das Sagen - war er auch noch so ein großer Dummkopf.

Der Roman fesselte mich von der ersten Seite bis zum Schluss. Zwar sind einige Episoden etwas sehr glatt gebügelt und es gibt ein paar gute Zufälle zu viel - doch das braucht es auch, damit die Geschichte schlüssig bleibt. Der Krieg war zu Ende und die drei Freunde haben fern von einander überlebt.

Dieses Buch verlangt nach einer Fortsetzung der Geschichte. Viel zu sehr sind mir als Leser Carl in seiner Gradlinigkeit die ihm manchmal im Wege steht, Artur mit seiner Bauernschläue und Isi mit ihrem Durchsetzungsvermögen ans Herz gewachsen.

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