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Veröffentlicht am 28.09.2018

Nette Unterhaltung

Ich hab's auch nicht immer leicht mit mir
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Anne Vogd ist eine gestandene Frau: Sie kümmert sich um ihr inzwischen fast erwachsenes Kind, Katze, Ehemann, hat ihre erste Schönheits-OP genauso überlebt wie die Pubertät ihrer Tochter und sich mental ...

Anne Vogd ist eine gestandene Frau: Sie kümmert sich um ihr inzwischen fast erwachsenes Kind, Katze, Ehemann, hat ihre erste Schönheits-OP genauso überlebt wie die Pubertät ihrer Tochter und sich mental schon einmal auf das meiste vorbereitet, was in der zweiten Lebenshälfte so kommen kann. Wäre ich im gleichen Lebensabschnitt wie die Autorin, hätte ich mich mit ihrem Hörbuch eventuell besser identifizieren können und es noch lustiger gefunden. Auch so fand ich Anne Vogd durchaus sympathisch. Vieles in „Ich hab’s auch nicht immer leicht mit mir“ kommt authentisch rüber und dass die Comedienne auf ihre offene Art auch Themen anschneidet, über die viele Frauen nicht so gerne in der Öffentlichkeit reden – zum Beispiel die Besuche beim plastischen Chirurgen und Hörgeräte-Akustiker – fand ich super. Etwas gestört hat mich dagegen, dass ich nicht wenige der Gags schon kannte und sich Vogd großzügig an Bonmots aus dem Internet bedient hat à la „wenn Du glücklich bist, sag es doch auch Deinem Gesicht“ etc. Das machen auch Kollegen von ihr, keine Frage, aber da sie das meiste in einen persönlichen Kontext setzt, in dem die Tochter, die Freundin oder jemand anderes aus ihrem Umkreis die Sprüche klopfen, fiel es sehr auf.

Ihr Hörbuch liest die Autorin selbst. An ihre Art der Betonung musste ich mich etwas gewöhnen, was aber dann doch schneller ging als anfangs befürchtet. Ich nehme an, als Live-Lesung vor Publikum hätte das Ganze noch besser gewirkt. Vogd hat eine sehr lebendige Art zu lesen, auf der Bühne könnte ich mir das prima vorstellen.
Insgesamt habe ich mich meist gut unterhalten gefühlt. Auch wenn Anne Vogd das Rad nicht neu erfunden hat, sind ihre Schilderungen amüsant. Empfehlen würde ich sie vor allem Frauen in ähnlichen Lebenssituationen.

Veröffentlicht am 06.08.2018

Verlorene Seelen auf Abwegen

Kampfsterne
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Die Verlagsankündigung von „Kampfsterne“ beginnt wie folgt: „1985 – Es ist ein verrückter, heißer Sommer, in dem Boris Becker Wimbledon gewinnt, vier Passagierflugzeuge innerhalb eines Monats abstürzen, ...

Die Verlagsankündigung von „Kampfsterne“ beginnt wie folgt: „1985 – Es ist ein verrückter, heißer Sommer, in dem Boris Becker Wimbledon gewinnt, vier Passagierflugzeuge innerhalb eines Monats abstürzen, alle großen Rockstars bei Life Aid für das hungernde Afrika singen und in einer Siedlung am Rand der Stadt drei Familien zu zerbrechen drohen.“
Das Buch machte mich neugierig, weil ich mehr über den verrückten, heißen Sommer 1985 erfahren wollte – ich dachte, es könnte spannend sein, mit Hilfe dieses Romans in diese Zeit einzutauchen. Boris Becker und Life Aid werden allerdings nur sehr am Rande erwähnt und über den Absturz der vier Passagierflugzeuge habe ich eigentlich gar nichts gelesen. Stattdessen kreist das Buch allein um die erwähnten drei Familien, die von außen betrachtet alles haben: ein Eigenheim im Grünen, gesunde Kinder und genügend Geld, um deren Musikstunden zu bezahlen. Glückliches Bildungsbürgertum, könnte man meinen. Aber niemand ist glücklich, das weiß der Leser aus erster Hand, lernt er doch fast alle Figuren dank der „stream of consciousness“-Technik teils besser kennen, als ihm lieb ist. Selbst Lexchen (kurz für „Alexa“, also eine Namensvetterin der Autorin), mit ihren acht Jahren das jüngste erwähnte Kind, das sich alle Mühe gibt, Glück zu verbreiten, stößt schließlich an ihre Grenzen.

Die Verkorkstheit der übrigen Kinder und Teenager ließe sich größtenteils auf normale Eifersüchteleien und die Pubertät schieben, wären da nicht ihre Eltern: Ignorant. Einsam. Verkrampft. Schwach. Überspannt. Betrogen. Missverstanden. Größenwahnsinnig. Emanzipiert. Opfer. Täter. Allesamt verlorene Seelen. Fliegende Kampfsterne, zumindest einige von ihnen. Dankenswerterweise lässt Alexa Hennig von Lange ihren Lesern trotzdem die Hoffnung, dass die heranwachsende Generation etwas glücklicher, ehrlicher und aufrechter durchs Leben gehen wird als ihre Eltern. Und vielleicht besteht sogar noch mehr Hoffnung: Am Ende des Buches gibt es gleich mehrere große Knalle, die die bestehende Siedlungsordnung in ihren Grundfesten erschüttern. Vielleicht entsteht daraus tatsächlich etwas Gutes, wer weiß das schon – vermutlich nur die Autorin, denn das Buch endet so abrupt, dass mein erster Impuls war, den Verlag anzuschreiben und nachzufragen, ob es sein kann, dass die E-Book-Version unvollständig ist.

Wie haben mir die „Kampfsterne“ nun gefallen? Zunächst fand ich die Charaktere skurril. Dann war ich etwas enttäuscht, als ich realisierte, dass der Roman ausschließlich vom Siedlungs-Leben handelt – das restliche 1985 geht relativ spurlos an der Erzählung vorbei. Die Enttäuschung wich irgendwann der Erleichterung: Eine ganz eigene und durchaus auch eigenartige Stimmung zieht sich durch den Roman, und wenn das die Stimmung dieser Zeit auch nur ansatzweise widerspiegelt, sollte ich vielleicht froh sein, dass ich damals noch zu jung war, um sie mitzubekommen.
Tja, und dann – packte mich das Buch irgendwann doch noch. Nachdem die Protagonisten mehr als den halben Roman lang durch ihre festgefahrenen Leben dümpeln, wird ihre Welt immens durcheinandergeschüttelt. Wie sich schließlich etwas in Gang setzte, erst zögerlich, dann aber immer unaufhaltbarer – das faszinierte mich dann, denn es war richtig gut geschrieben. Und plötzlich konnte ich sogar mitfühlen. Das kam spät und war für mich um so erstaunlicher, aber jetzt sitze ich hier und bedaure, dass ich schreibe, statt noch zu lesen, dass das Buch einfach schon zu Ende ist, nachdem mir das Wohlergehen seiner schrägen Charaktere endlich am Herzen liegt. So kann’s gehen.

Veröffentlicht am 17.06.2018

Auf den Spuren eines Familiengeheimnisses

Ein Himmel voller Bücher
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Die 28-jährige Miranda Brooks scheint eigentlich zufrieden. Sie ist Geschichtslehrerin, unterrichtet Achtklässler in Philadelphia und ist mit ihrem Kollegen Jay liiert. Ihr Leben verläuft in ruhigen Bahnen, ...

Die 28-jährige Miranda Brooks scheint eigentlich zufrieden. Sie ist Geschichtslehrerin, unterrichtet Achtklässler in Philadelphia und ist mit ihrem Kollegen Jay liiert. Ihr Leben verläuft in ruhigen Bahnen, bis sie erst eine anonyme Büchersendung erhält und kurz darauf vom Tod ihres Onkels Billy erfährt, zu dem ihre Familie seit 16 Jahren keinerlei Kontakt mehr hatte. Dennoch beschließt Miranda, zu seiner Beerdigung heim nach Los Angeles zu fliegen. Und macht zwei Entdeckungen: Ihr Onkel hat ihr seinen kleinen Buchladen Prospero Books vermacht. Und: Die anonyme Büchersendung war von ihm – er lädt sie auf eine letzte Schnitzeljagd ein, ähnlich denen, die er sich für Miranda ausgedacht hat, als sie noch ein Kind war. Zunächst weiß Miranda weder mit der Buchhandlung noch mit dem ersten literarischen Hinweis der Schnitzeljagd viel anzufangen. Doch dann lässt sie sich auf das Abenteuer ein – nicht ahnend, dass es ihr Leben gehörig durcheinanderwirbeln und für immer verändern wird.

Den Titel „Ein Himmel voller Bücher“ habe ich als ziemlich kitschig empfunden, der Inhalt ist es dagegen nicht. Im Zentrum des Romans steht die bibliophile Schnitzeljagd, bei der auch die Leser miträtseln können, wenn sie sich denn mit klassischer englischer Literatur auskennen. Gleichzeitig ist „Ein Himmel voller Bücher“ eine Familiengeschichte, mal dramatisch, mal mysteriös, mal herzzerreißend. Sie hat mich nicht mehr losgelassen, obwohl ich das Handeln und Fühlen der Hauptfiguren längst nicht immer nachvollziehen konnte und es außerdem einige Längen zu überstehen galt. Leichte Kürzungen hätten dieser Geschichte gutgetan, stattdessen geht es am Ende plötzlich hopplahopp, weswegen die Erzählweise etwas unausgewogen auf mich wirkte. Dennoch habe ich mitgefühlt und mitgerätselt und den wunderschön beschriebenen Buchladen Prospero Books konnte ich richtiggehend vor mir sehen. Trotz einer gehörigen Prise Drama war es alles in allem doch ein Wohlfühlbuch über zwischenmenschliche Beziehungen aller Art und vor allem viele lesenswerte Bücher.

Veröffentlicht am 14.05.2018

Eine Hommage an die Literatur – leider mit unausgegorener Handlung

Das Mädchen, das in der Metro las
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Das wunderschöne Cover dieses Buches hat mich gleich angesprochen. Es zeigt Bücher über Bücher und illustriert den Romaninhalt damit ganz wunderbar. „Das Mädchen, das in der Metro las“ ist Protagonistin ...

Das wunderschöne Cover dieses Buches hat mich gleich angesprochen. Es zeigt Bücher über Bücher und illustriert den Romaninhalt damit ganz wunderbar. „Das Mädchen, das in der Metro las“ ist Protagonistin Juliette. Sie liest vor allem morgens und abends, auf dem Hin- und Rückweg zu ihrer sie langweilenden Arbeit in einem Maklerbüro. Außerdem beobachtet sie die anderen pendelnden Leser und ihre Bücher und macht einige skurrile Beobachtungen. Insgesamt führt sie ein ruhiges, ereignisloses Leben – ein Leben, wie es sich ihre Mutter immer für sie gewünscht hat: ohne größere Probleme, Sorgen, Aufregungen. Dass es zu einer radikalen Veränderung ihres Lebens führt, als sie einmal spontan beschließt, ein paar Stationen früher aus der Metro auszusteigen und einen kleinen Spaziergang zu machen, ist dann auch am wenigsten für Juliette selbst abzusehen. Doch als sie den Antiquariats-ähnlichen Laden „Bücher ohne Grenzen“ bemerkt und betritt, kommen Ereignisse ins Rollen, die Hauptfigur und Leser gleichermaßen überraschen.

Ich möchte diese Ereignisse nicht vorwegnehmen – bei einem nur 174 Seiten umfassenden Buch ist sonst schnell der halbe Roman erzählt. Nur so viel: Es geht immer wieder um Bücher, Autorin Christine Féret-Fleury betreibt ein richtiggehendes Literatur-Namedropping. Immer wieder wird thematisiert, dass das richtige Buch zur richtigen Zeit durchaus etwas bewirken und ein Leben verändern kann. Trotz aller Bibliophilie bleibt jedoch nicht unerwähnt, dass Lesen kein Ersatz für leben ist – Bücher können ein Leben bereichern, aber wer über das Lesen sein Leben vergisst, verpasst ebenfalls etwas. Protagonistin Juliette erfährt all das am eigenen Leib. Die Häufung dieser Ereignisse gerade gegen Romanende hat mich dabei sehr überrascht; ich bin mir immer noch nicht ganz klar darüber, was ich nun eigentlich davon halte. „Das Mädchen, das in der Metro las“ hat stellenweise etwas Zauberhaftes, das mich an „Die fabelhafte Welt der Amélie“ erinnerte. Andere Elemente wollten nicht so recht zu dieser märchenhaften Stimmung passen, wie der Leser wird auch „Das Mädchen, das in der Metro las“ schmerzhaft in die Realität zurückgeholt. Und das Romanende ist eigentlich wieder ein Anfang, dem dann auch noch eine Bücherliste folgt, die schon ein halber Klassikerkanon ist. Puh!

Der träumerische Grundton zu Beginn des Buches verliert sich über die Langstrecke zwar, aber dass am Ende dann alles so schnell ging – so ganz kam ich da doch nicht mit. Vielleicht wollte Autorin Féret-Fleury hier zu viel auf zu wenig Seiten erreichen. Die Autorin hat lange als Verlagslektorin gearbeitet und bringt ihre Liebe zu Büchern auf vielfache Weise zum Ausdruck, aber ihrer eigentlichen Handlung hätte sie für meinen Geschmack mehr Seiten einräumen sollen.

Was bleibt, ist das Gefühl, irgendetwas verpasst zu haben. „Das Mädchen, das in der Metro las“ ist kein schlechtes Buch, scheint aber inhaltlich nicht komplett ausgegoren. Eine gelungene Hommage an die Literatur, aber als Roman nicht komplett überzeugend. Vielleicht hätte mich das wunderschöne Cover doch vorwarnen sollen?

Veröffentlicht am 06.05.2018

Melancholische Lektüre

Die Lichter unter uns
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Was für ein stimmungsvolles Buchcover mit seinen Blau- und Weißtönen. Obwohl die abgebildete Frauenfigur nur von hinten zu sehen ist, lässt sich bestens vorstellen, dass sie sehnsüchtig aufs Meer schaut. ...

Was für ein stimmungsvolles Buchcover mit seinen Blau- und Weißtönen. Obwohl die abgebildete Frauenfigur nur von hinten zu sehen ist, lässt sich bestens vorstellen, dass sie sehnsüchtig aufs Meer schaut. Und sehnsüchtig ist auch Hauptfigur Anna. Ihre zweite (und letzte) Urlaubswoche auf Sizilien ist bereits angebrochen. Ihr Mann Jo und sie waren hier vor Jahren in den Flitterwochen in der vornehmen Villa Mare. Inzwischen haben sie zwei Kinder, den sechsjährigen Bruno und die elfjährige Judith und an einen Urlaub in dem Nobelhotel ist nicht mehr zu denken, die gebuchte, günstige Ferienwohnung jedoch nur ein schaler Ersatz. Und auch Flitterwochengefühle stellen sich nicht ein, das Paar scheint sich auseinandergelebt und nicht mehr viel zu sagen zu haben. Anna funktioniert als Mutter, wirkt jedoch abwesend und hängt meist ihren trüben Gedanken nach. Bis sie eines Abends Alexander beobachtet und es zu einem kurzen Blickkontakt zwischen ihnen kommt. Alexander, Anfang 50, gepflegt, erfolgreich, wohlhabend, auf der Sonnenseite des Lebens und im Urlaub mit seinem studierenden Sohn aus erster Ehe und seiner jungen, schwangeren Frau. Zumindest ist das die Fassade, die Anna sieht – und die sie anzieht. Ist sein Leben nicht viel attraktiver als ihres – bzw. wäre ihr Leben nicht viel attraktiver, wenn es an seiner Seite stattfände?

Der Romanbeginn ist in erster Linie aus Annas Perspektive geschildert und wirkt durch ihre Unzufriedenheit schnell deprimierend. Doch Autorin Carl lässt ihre Leser bald auch hinter die Fassade von Erfolgsmensch Alexander blicken. Nach und nach werden die anderen erwachsen Figuren ebenfalls zu Erzählern und es zeigt sich, dass nicht alles Gold ist, was glänzt. Die Kirschen in Nachbars Garten sind süßer – zumindest ist das die Vorstellung auf der eigenen Seite des Zauns. Über der ganzen Szenerie hängt ein Hauch von Vergänglichkeit, Herbst, Verwesung: Urlaub und Feriensaison gehen gleichermaßen zu Ende – und vielleicht auch Annas Ehe?

Carl formuliert sprachlich schöne Sätze, sie findet stimmige Metaphern für ihren von Molltönen durchzogenen Roman. Gekonnt lässt sie ihren Lesern einen gewissen Interpretationsspielraum, ohne dass diese komplett im Trüben fischen – das fand ich bei der Lektüre sehr angenehm und anregend. Dennoch brauchte ich eine Weile, um mich auf die Geschichte einzulassen. Es fällt nicht leicht, mit Anna warm zu werden, einer gestandenen Frau, die sich wie ein junges Mädchen einer gedanklichen Schwärmerei ergibt und für die das Familienleben oft nur noch eine Pflichtübung zu sein scheint. Auch die anderen Figuren sind nicht unbedingt Sympathieträger. Doch ihre Geschichten sind komplexer angelegt, als es auf den ersten Blick scheint und so entwickelt sich der Roman und zieht den Leser langsam mit. Als ich schon nicht mehr damit gerechnet habe, hat mich dieses Buch doch noch berührt und schließlich nachdenklich zurückgelassen. Als Sommer- oder gar Urlaubslektüre möchte ich es nicht empfehlen, aber zum Herbst könnte es stimmungsmäßig gut passen.