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Veröffentlicht am 29.01.2019

Beeindruckend intensiv, exotisch-kunterbunt und absolut authentisch!

Children of Blood and Bone
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"Wir alle sind Kinder von Blut und Bein.
Und genau wie Zélie und Amari haben wir die Macht, etwas gegen das Böse in unserer Welt zu tun.
Viel zu lange sind wir in die Knie gezwungen worden.
Erheben wir ...

"Wir alle sind Kinder von Blut und Bein.
Und genau wie Zélie und Amari haben wir die Macht, etwas gegen das Böse in unserer Welt zu tun.
Viel zu lange sind wir in die Knie gezwungen worden.
Erheben wir uns.“

Dieses Zitat stammt nicht etwa von einem Protagonisten aus dem Buch sondern von der Autorin selbst. Denn in ihrem Nachwort bezieht sie sich auf den Rassismus, die Ungerechtigkeiten und die Unterdrückung gegenüber Afroamerikanern, die in der USA leider immer noch vorherrschen und gibt an, das Buch in den Tagen geschrieben zu haben, als sie Tag für Tag in den Nachrichten sah, wie wehrlose und unschuldige Schwarze von der Polizei erschossen wurden und das keinerlei Konsequenzen hatte.

"Beim Schreiben dieses Buches habe ich viele Tränen vergossen. Beim Überarbeiten noch einmal. Auch wenn Löwenessen und heilige Rituale ins Reich der Phantasie gehören, sind der Schmerz, die Angst und das Leid in diesem Buch echt."

Das schreibt Tomi Adeyemi zu Beginn ihres Nachworts und dass dieser Schmerz echt ist, spürt man als Leser auch. Man kann diesen Roman also durchaus als Kampfansage gegen Rassismus und Unterdrückung aber vor allem gegen die Ignoranz der Menschen lesen. Und auch wenn das nicht die einzige Bedeutungsebene dieses Romans umfasst finde ich es doch wichtig, das im Hinterkopf zu haben, während man diese Geschichte liest.

Erster Satz: „Wähl mich!“

Das hat dieses wundervolle Cover zu mir gesagt als ich durch die Neuerscheinungen der letzten Monate gestöbert bin und überlegt habe, was ich als nächstes lesen will. Mit dem Mädchen mit der wunderschönen, dunklen Haut, den wallenden, weißen Haaren und dem stechenden Blick wurde das wohl passendste Motiv überhaupt gefunden, was grafisch wunderschön umgesetzt wurde. Die starken Kontraste der weißen Haare zum Hintergrund, zum Titel und zur Hautfarbe des Mädchens sowie die farbigen Akzente bereiten gut auf die ausdrucksstarke, kraftvolle und exotische Geschichte vor, die sich zwischen den Buchdeckeln verbirgt. Auch unter dem Umschlag ist das Buch wundervoll gestaltet: die nackten Buchdeckel sind mit goldenen Symbolen verziert und die Innenseiten zeigen eine Karte von Orïsha. Neben einer Übersicht über die Maji-Clans finden sich 85 wundervoll verzierte Kapitelanfänge, ein Prolog, ein Epilog, die Anmerkungen der Autorin und eine siebenseitige (!) Danksagung auf den 624 Seiten.


„Mut kann im Verborgenen wachsen, sagte sie damals. Tapferkeit in der Dunkelheit erblühen.“


Tomi Adeyemi entführt gleich von der ersten Seite an in eine bunte, lebendige Welt inspiriert von der Kultur und den Mythen Westafrikas. Neben viel Fantasie und innovativen Ideen steckt also auch eine Menge Wahrheit im Setting. Das Land Orïsha, wurde nach den Orïshas benannt, den Göttern und Göttinnen der Yoruba-Religion, welche wiederum den Namen für die Sprache der Maji bereitgestellt hat. Die Meere und Berge tragen die Namen ihrer verstorbenen Großeltern, auch Essen, Klima und Kleidung erinnern stark an die Westafrikanische Kultur. Ansonsten ist die Welt frei erfunden und erzählt die Geschichte eines unterdrückten Volks, den Maji und ihren Kindern, den Divînés. Einst gab es zehn verschiedene Maji-Clans in Orïsha, die die mit unterschiedlichen Gaben gesegnet waren und in direkter Verbindung mit der Himmelsmutter und ihren Göttern Magie üben konnten. Doch aus Hass und Machtgier des herrschenden Königs Saran wurde aus Angst vor der Magie der Maji in der sogenannten Blutnacht die Ermordung aller erwachsenen Magienutzer veranlasst, was die Magie verschwinden ließ und die Divînés zu Waisen machte. Auf sich alleingestellt wandern viele der Kinder, ihrer magischen Zukunft und ihrer Würde beraubt in Arbeitslager und müssen in ständigem Angst und Schrecken vor der Willkür der privilegierten Kosidán, also der Menschen ohne magisches Talent und der Unterdrückung des Regimes leben. Ihr einst stolzes Erbe, ausgedrückt durch ihre weißen Haare und ihre dunkle Haut, ist nun ein Zeichen der Schande und des Schmerzes geworden.


"Wir sind das Volk, das die Gefängnisse füllt, das vom König als Zwangsarbeiter missbraucht wird. Das Volk, das die Bewohner von Orïsha aus ihren Gesichtszügen verbannen möchten. Sie ächten uns, als wären weißes Haar und frühere magische Kräfte ein gesellschaftlicher Makel. Mama erzählte immer, dass weißes haar einmal das Zeichen der Mächte von Himmel und Erde gewesen sei. Es kündete von Schönheit, Tugend und Liebe, und zeigte, dass wir vor den Göttern gesegnet waren. Doch dann änderte sich alles und plötzlich galt die Magie als Verbrechen. Unsere Abstammung wurde zu einer Last und einer Gefahr."


Vor diesem Hintergrund, der der Geschichte einen exotischen Touch gibt und sehr frisch, authentisch und absolut unverbraucht daherkommt, entfaltet sich die spannende Geschichte um Zélie, die in der Blutnacht ihre Mutter verloren hat und in der seither ein namenloser Zorn brodelt, der nur darauf wartet von den Göttern in die richtige Richtung gelenkt zu werden; um Zélies Kosidán-Bruder, der sie vor allem Übel auf der Welt beschützen will; um die Prinzessin Amari, die sich der Unrechtsherrschaft ihres Vaters bewusst wird, als dieser ihre beste Freundin ermorden lässt und mit einem wichtigen Artefakt aus ihrem goldenen Käfig flieht und um den Prinzen Inan, der sich zwischen der Ehre und Pflichterfüllung seinem Vater gegenüber und seinem Drang, das Richtige zu tun entscheiden muss. Gerade zu Beginn ist es recht schwierig, über die ganzen fremdartigen Begriffe, also Namen, Titel, Gottheiten, etc. einen Überblick zu behalten, doch da der Handlungsverlauf nicht unbedingt neuartig und bahnbrechend ist, macht sich die Exotik des Settings durchaus bezahlt. Denn auch wenn die Geschichte dem typischen Fantasy-Aufbau eines Auftaktromans folgt (die starke, vom Schicksal gebeutelte Protagonistin wird zur Galionsfigur einer Revolution auserkoren, versucht mit Hilfe von Freund und Feind essentiell wichtige Artefakte zusammenzutragen, scheitert aber immer wieder und bezwingt schließlich scheinbar unüberwindbare Hindernisse und entdeckt ihre einzigartige, magische Begabung) schafft es der Roman, sich von der Masse abzuheben und hält noch sehr viel Potential bereit.

"Spuren.
Sie war hier.
Sie ist ganz in der Nähe.
Ich habe sie fast eingeholt.
Töte sie, trommelt mein Herz. Ich kralle die Finger in den Abhang. Töte das Mädchen. Vernichte die Magie. Wenn sie endlich in meiner Gewalt ist, wird sich das alles gelohnt haben. Ich werde mir mein Königreich zurückholen."


Besonders durch das rasante Erzähltempo und den bildhaften, fesselnden und leidenschaftlichen Schreibstil Tomi Adeyemis können die leichten Logiklücken und die arg gewollt wirkende Liebesgeschichte(n) ausgeglichen werden. So wird das eher mittelalterlich geprägte Setting immer wieder durch seltsame Dinge wie Motorboote oder Brandbomben unterbrochen, die sich mir in dem Zusammenhang mit Schwertern und Kutschen nicht ganz erschlossen. Außerdem werden hier gleich zwei Liebesgeschichten entwickelt, wobei die eine ja ganz authentisch wirkt und sehr zart bleibt, die andere aber viel zu schnell von purem Hass zur großen Liebe wechselt und mich dabei ein wenig ratlos zurückließ. Die Art und Weise, wie die Autorin hier kraftvoll und zornig durch den Schmerz ihrer Protagonisten anklagend die Stimme erhebt und dabei bei einem lockeren und flüssigen Stil bleibt, der nie gezwungen oder übertrieben wirkt, hat mir jedoch sehr gut gefallen. Durch magische Träume, Visionen, spirituelle Begegnungen mit Göttern und die aufkeimende Liebesbeziehung(en) kommt noch eine atmosphärische Note hinzu, die sich wunderbar in den berührenden, majestätischen Grundton einfindet.


"Ihr Geist fährt durch mich wie ein Blitz aus einer Gewitterwolke. Es ist mehr als das Gefühl, richtig atmen zu können. Es ist der Inbegriff des Lebens. "Èmí àwon tí ó sùn - " Leise murmele ich die ersten Worte der Beschwörungsformel und werde mit einem noch nie dagewesenen Rausch belohnt. Mit der Kraft des Sonnensteins könnte ich Hunderte von Toten zum Leben erwecken. Ich könnte eine unaufhaltsame Armee befehligen. (…) Oya leuchtet in meinem Geist wie eine Fackel im Dunkeln. Reglos steht die Göttin da, doch es ist, als würde die ganze Welt in ihrer Nähe beben. Ein siegesgewisses Lächeln breitet sich auf ihrem Gesicht aus."


Neben der politischen Relevanz, die man in der Geschichte sehen kann oder eben nicht, geht es ganz klar um Themen wie Unschuld, Zerbrechlichkeit, Macht, innere Stärke, Glaube und Vertrauen, Unterdrückung Demütigung und Respekt, was durch die starken Protagonisten eindrücklich vermittelt wird. Die vier Hauptprotagonisten, die außer Tzain abwechselnd aus ihrer Perspektive berichten, werden dabei durch etliche liebenswerte (und auch sehr hassenswerte) Nebencharaktere unterstützt, die bunter und lebendiger nicht sein könnten. Da wäre die mutige und weise Lehrerin und Seherin Mama Agba, die ihre Schülerinnen lehrt, "Kriegerinnen im Garten zu sein, damit ihr nie Gärtnerinnen im Krieg werden müsst.". Oder die junge Zulaihka, die sich eine eigene Utopie aufgebaut hat und für ihre Gastfreundschaft bitter bezahlen muss. Lekan, der sein Leben für den Traum einer besseren Welt gibt oder Tzains und Zélies Vater, der nach dem Tod seiner Frau zerbrach aber seinen Kindern mit auf den Weg gibt: "Solange wir keine Magie haben, werden wir niemals mit Respekt behandelt werden. (…) Sie müssen wissen, dass wir uns wehren können.“ Leider geht die Autorin mit ihnen besonders verschwenderisch um, sodass wir uns von vielen sehr schnell schon wieder verabschieden müssen.


"Das war die Nacht, in der sich unser Leben änderte. Die Nacht, in der König Saran die Angehörigen meines Volkes aufhängen ließ, damit es die ganze Welt sah. Eine Kriegserklärung an die Maji von heute und morgen. Die Nacht, als die Magie starb. Die Nacht, in der wir alles verloren."


Mit Zélie haben wir eine starke Hauptprotagonistin, deren Innenleben sehr von Angst und Hass auf das Königshaus von Orïsha und vor allem König Saran geprägt ist. Seit dieser ihre Mutter und alle anderen Maji ermorden ließ muss sie ständig auf der Hut sein und mit ihrer Familie gegen die Anfeindungen wegen ihres Aussehens und gegen die hohen Steuern ankämpfen. Als ihr die Prinzessin Amari zufällig über den Weg läuft und sie ihr hilft, eine magische Schriftrolle zu entwenden, erwacht in ihr die Magie ihrer Mutter, die Magie einer Seelenfängerin und nichts ist mehr wie zuvor. Als sie hört, dass sie die einzige ist, die ein Ritual durchführen kann, um die Magie zurückzubringen und die Divînés ein für alle Mal aus der Unterdrückung und Sklaverei zu befreien, ist sie sich nicht sicher, ob sie diese Rolle wirklich erfüllen kann.
An ihrer Seite stehen unverrückbar ihr Bruder Tzain und ihre Löwenesse Nailah, die ihr zugleich Reittier, Beschützerin und Freundin ist.

Amari führt als Tochter von König Saran ein ganz anderes Leben. Doch als sie mit ansieht wie ihr Vater ihre beste Freundin Binta ermordet, kann sie ihr eingeschränktes Leben im Palast nicht länger ertragen und flieht. Von der schwachen, verwöhnten Prinzessin bis zur selbstbewussten Kämpferin und Rebellion macht sie eine umfassende Entwicklung durch.


"Ehre und Pflichterfüllung. Sein Leitspruch klingt mir in den Ohren.
Mein Vater.
Ihr König.
Die Ursache all dieses Leids.
(…) Als ich Zélie ansehe, bekomme ich endlich die Antwort auf die Frage, die ich Angst hatte zu stellen. Ich bin nicht wie Vater. So ein König will ich nicht sein."



Als vierter im Bunde bekommen wir ihren Bruder Inan, den Thronfolger von Orïsha präsentiert, der seinem Vater Saran hörig ist, bis er selbst beginnt, Magie zu entwickeln und ein wunderschönes und beeindruckendes Mädchen ihn zum Umdenken bringt...


"Es wird ein neues Orïsha." Inan wird ruhiger. "Unser Orïsha. Ohne Kämpfe. Ohne Krieg. Nur Frieden." (…) "Zusammen wären wir unschlagbar. Ein Gespann, wie es Orïsha noch nie gesehen hat."


Die Story schreitet, nein rennt, mit den Sprüngen einer Löwenesse voran und gipfelt am Ende in einem explosiven und sehr emotionalen Showdown, der mich noch einmal mitriss, beeindruckte, am Ende aber wütend zurückließ. Wütend deshalb weil Tomi Adeyemi uns so ein Ende vorsetzt wo doch erst frühestens nächstes Jahr eine Fortsetzung erscheint - wirklich mies von ihr! Eine sehr gute Neuigkeit hingegen ist aber, dass die Filmrechte schon verkauft sind und der Film sogar schon produziert wird. Eine Verfilmung dieses umfassenden, kunterbunten und sehr lebendigen Romans kann ich mir wunderbar vorstellen - ich kann es kaum erwarten, diese schillernde Welt mit ihren starken Helden auch außerhalb meiner Fantasie zu sehen.


"Man darf kein ganzes Volk wegen der Vergehen einiger weniger versklaven."


Fazit:


Ein berührender, aufrüttelnder Hintergrund von politischer Relevanz und ein lebendiges, unverbrauchtes Setting inspiriert von der Kultur und den Mythen Westafrikas treffen auf eine eher gewöhnliche Handlung mit vielen Fantasy-Klischees.
Beeindruckend intensiv, exotisch-kunterbunt und absolut authentisch werden Themen wie Unschuld, Zerbrechlichkeit, Macht, innere Stärke, Glaube und Vertrauen, Unterdrückung Demütigung und Respekt in einem mitreißenden Auftakt vereint.

Mit Ausbaupotential aber definitiv lesenswert!

Veröffentlicht am 29.01.2019

Beeindruckend intensiv, exotisch-kunterbunt und absolut authentisch!

Children of Blood and Bone
0

"Wir alle sind Kinder von Blut und Bein.
Und genau wie Zélie und Amari haben wir die Macht, etwas gegen das Böse in unserer Welt zu tun.
Viel zu lange sind wir in die Knie gezwungen worden.
Erheben wir ...

"Wir alle sind Kinder von Blut und Bein.
Und genau wie Zélie und Amari haben wir die Macht, etwas gegen das Böse in unserer Welt zu tun.
Viel zu lange sind wir in die Knie gezwungen worden.
Erheben wir uns.“

Dieses Zitat stammt nicht etwa von einem Protagonisten aus dem Buch sondern von der Autorin selbst. Denn in ihrem Nachwort bezieht sie sich auf den Rassismus, die Ungerechtigkeiten und die Unterdrückung gegenüber Afroamerikanern, die in der USA leider immer noch vorherrschen und gibt an, das Buch in den Tagen geschrieben zu haben, als sie Tag für Tag in den Nachrichten sah, wie wehrlose und unschuldige Schwarze von der Polizei erschossen wurden und das keinerlei Konsequenzen hatte.

"Beim Schreiben dieses Buches habe ich viele Tränen vergossen. Beim Überarbeiten noch einmal. Auch wenn Löwenessen und heilige Rituale ins Reich der Phantasie gehören, sind der Schmerz, die Angst und das Leid in diesem Buch echt."

Das schreibt Tomi Adeyemi zu Beginn ihres Nachworts und dass dieser Schmerz echt ist, spürt man als Leser auch. Man kann diesen Roman also durchaus als Kampfansage gegen Rassismus und Unterdrückung aber vor allem gegen die Ignoranz der Menschen lesen. Und auch wenn das nicht die einzige Bedeutungsebene dieses Romans umfasst finde ich es doch wichtig, das im Hinterkopf zu haben, während man diese Geschichte liest.

Erster Satz: „Wähl mich!“

Das hat dieses wundervolle Cover zu mir gesagt als ich durch die Neuerscheinungen der letzten Monate gestöbert bin und überlegt habe, was ich als nächstes lesen will. Mit dem Mädchen mit der wunderschönen, dunklen Haut, den wallenden, weißen Haaren und dem stechenden Blick wurde das wohl passendste Motiv überhaupt gefunden, was grafisch wunderschön umgesetzt wurde. Die starken Kontraste der weißen Haare zum Hintergrund, zum Titel und zur Hautfarbe des Mädchens sowie die farbigen Akzente bereiten gut auf die ausdrucksstarke, kraftvolle und exotische Geschichte vor, die sich zwischen den Buchdeckeln verbirgt. Auch unter dem Umschlag ist das Buch wundervoll gestaltet: die nackten Buchdeckel sind mit goldenen Symbolen verziert und die Innenseiten zeigen eine Karte von Orïsha. Neben einer Übersicht über die Maji-Clans finden sich 85 wundervoll verzierte Kapitelanfänge, ein Prolog, ein Epilog, die Anmerkungen der Autorin und eine siebenseitige (!) Danksagung auf den 624 Seiten.


„Mut kann im Verborgenen wachsen, sagte sie damals. Tapferkeit in der Dunkelheit erblühen.“


Tomi Adeyemi entführt gleich von der ersten Seite an in eine bunte, lebendige Welt inspiriert von der Kultur und den Mythen Westafrikas. Neben viel Fantasie und innovativen Ideen steckt also auch eine Menge Wahrheit im Setting. Das Land Orïsha, wurde nach den Orïshas benannt, den Göttern und Göttinnen der Yoruba-Religion, welche wiederum den Namen für die Sprache der Maji bereitgestellt hat. Die Meere und Berge tragen die Namen ihrer verstorbenen Großeltern, auch Essen, Klima und Kleidung erinnern stark an die Westafrikanische Kultur. Ansonsten ist die Welt frei erfunden und erzählt die Geschichte eines unterdrückten Volks, den Maji und ihren Kindern, den Divînés. Einst gab es zehn verschiedene Maji-Clans in Orïsha, die die mit unterschiedlichen Gaben gesegnet waren und in direkter Verbindung mit der Himmelsmutter und ihren Göttern Magie üben konnten. Doch aus Hass und Machtgier des herrschenden Königs Saran wurde aus Angst vor der Magie der Maji in der sogenannten Blutnacht die Ermordung aller erwachsenen Magienutzer veranlasst, was die Magie verschwinden ließ und die Divînés zu Waisen machte. Auf sich alleingestellt wandern viele der Kinder, ihrer magischen Zukunft und ihrer Würde beraubt in Arbeitslager und müssen in ständigem Angst und Schrecken vor der Willkür der privilegierten Kosidán, also der Menschen ohne magisches Talent und der Unterdrückung des Regimes leben. Ihr einst stolzes Erbe, ausgedrückt durch ihre weißen Haare und ihre dunkle Haut, ist nun ein Zeichen der Schande und des Schmerzes geworden.


"Wir sind das Volk, das die Gefängnisse füllt, das vom König als Zwangsarbeiter missbraucht wird. Das Volk, das die Bewohner von Orïsha aus ihren Gesichtszügen verbannen möchten. Sie ächten uns, als wären weißes Haar und frühere magische Kräfte ein gesellschaftlicher Makel. Mama erzählte immer, dass weißes haar einmal das Zeichen der Mächte von Himmel und Erde gewesen sei. Es kündete von Schönheit, Tugend und Liebe, und zeigte, dass wir vor den Göttern gesegnet waren. Doch dann änderte sich alles und plötzlich galt die Magie als Verbrechen. Unsere Abstammung wurde zu einer Last und einer Gefahr."


Vor diesem Hintergrund, der der Geschichte einen exotischen Touch gibt und sehr frisch, authentisch und absolut unverbraucht daherkommt, entfaltet sich die spannende Geschichte um Zélie, die in der Blutnacht ihre Mutter verloren hat und in der seither ein namenloser Zorn brodelt, der nur darauf wartet von den Göttern in die richtige Richtung gelenkt zu werden; um Zélies Kosidán-Bruder, der sie vor allem Übel auf der Welt beschützen will; um die Prinzessin Amari, die sich der Unrechtsherrschaft ihres Vaters bewusst wird, als dieser ihre beste Freundin ermorden lässt und mit einem wichtigen Artefakt aus ihrem goldenen Käfig flieht und um den Prinzen Inan, der sich zwischen der Ehre und Pflichterfüllung seinem Vater gegenüber und seinem Drang, das Richtige zu tun entscheiden muss. Gerade zu Beginn ist es recht schwierig, über die ganzen fremdartigen Begriffe, also Namen, Titel, Gottheiten, etc. einen Überblick zu behalten, doch da der Handlungsverlauf nicht unbedingt neuartig und bahnbrechend ist, macht sich die Exotik des Settings durchaus bezahlt. Denn auch wenn die Geschichte dem typischen Fantasy-Aufbau eines Auftaktromans folgt (die starke, vom Schicksal gebeutelte Protagonistin wird zur Galionsfigur einer Revolution auserkoren, versucht mit Hilfe von Freund und Feind essentiell wichtige Artefakte zusammenzutragen, scheitert aber immer wieder und bezwingt schließlich scheinbar unüberwindbare Hindernisse und entdeckt ihre einzigartige, magische Begabung) schafft es der Roman, sich von der Masse abzuheben und hält noch sehr viel Potential bereit.

"Spuren.
Sie war hier.
Sie ist ganz in der Nähe.
Ich habe sie fast eingeholt.
Töte sie, trommelt mein Herz. Ich kralle die Finger in den Abhang. Töte das Mädchen. Vernichte die Magie. Wenn sie endlich in meiner Gewalt ist, wird sich das alles gelohnt haben. Ich werde mir mein Königreich zurückholen."


Besonders durch das rasante Erzähltempo und den bildhaften, fesselnden und leidenschaftlichen Schreibstil Tomi Adeyemis können die leichten Logiklücken und die arg gewollt wirkende Liebesgeschichte(n) ausgeglichen werden. So wird das eher mittelalterlich geprägte Setting immer wieder durch seltsame Dinge wie Motorboote oder Brandbomben unterbrochen, die sich mir in dem Zusammenhang mit Schwertern und Kutschen nicht ganz erschlossen. Außerdem werden hier gleich zwei Liebesgeschichten entwickelt, wobei die eine ja ganz authentisch wirkt und sehr zart bleibt, die andere aber viel zu schnell von purem Hass zur großen Liebe wechselt und mich dabei ein wenig ratlos zurückließ. Die Art und Weise, wie die Autorin hier kraftvoll und zornig durch den Schmerz ihrer Protagonisten anklagend die Stimme erhebt und dabei bei einem lockeren und flüssigen Stil bleibt, der nie gezwungen oder übertrieben wirkt, hat mir jedoch sehr gut gefallen. Durch magische Träume, Visionen, spirituelle Begegnungen mit Göttern und die aufkeimende Liebesbeziehung(en) kommt noch eine atmosphärische Note hinzu, die sich wunderbar in den berührenden, majestätischen Grundton einfindet.


"Ihr Geist fährt durch mich wie ein Blitz aus einer Gewitterwolke. Es ist mehr als das Gefühl, richtig atmen zu können. Es ist der Inbegriff des Lebens. "Èmí àwon tí ó sùn - " Leise murmele ich die ersten Worte der Beschwörungsformel und werde mit einem noch nie dagewesenen Rausch belohnt. Mit der Kraft des Sonnensteins könnte ich Hunderte von Toten zum Leben erwecken. Ich könnte eine unaufhaltsame Armee befehligen. (…) Oya leuchtet in meinem Geist wie eine Fackel im Dunkeln. Reglos steht die Göttin da, doch es ist, als würde die ganze Welt in ihrer Nähe beben. Ein siegesgewisses Lächeln breitet sich auf ihrem Gesicht aus."


Neben der politischen Relevanz, die man in der Geschichte sehen kann oder eben nicht, geht es ganz klar um Themen wie Unschuld, Zerbrechlichkeit, Macht, innere Stärke, Glaube und Vertrauen, Unterdrückung Demütigung und Respekt, was durch die starken Protagonisten eindrücklich vermittelt wird. Die vier Hauptprotagonisten, die außer Tzain abwechselnd aus ihrer Perspektive berichten, werden dabei durch etliche liebenswerte (und auch sehr hassenswerte) Nebencharaktere unterstützt, die bunter und lebendiger nicht sein könnten. Da wäre die mutige und weise Lehrerin und Seherin Mama Agba, die ihre Schülerinnen lehrt, "Kriegerinnen im Garten zu sein, damit ihr nie Gärtnerinnen im Krieg werden müsst.". Oder die junge Zulaihka, die sich eine eigene Utopie aufgebaut hat und für ihre Gastfreundschaft bitter bezahlen muss. Lekan, der sein Leben für den Traum einer besseren Welt gibt oder Tzains und Zélies Vater, der nach dem Tod seiner Frau zerbrach aber seinen Kindern mit auf den Weg gibt: "Solange wir keine Magie haben, werden wir niemals mit Respekt behandelt werden. (…) Sie müssen wissen, dass wir uns wehren können.“ Leider geht die Autorin mit ihnen besonders verschwenderisch um, sodass wir uns von vielen sehr schnell schon wieder verabschieden müssen.


"Das war die Nacht, in der sich unser Leben änderte. Die Nacht, in der König Saran die Angehörigen meines Volkes aufhängen ließ, damit es die ganze Welt sah. Eine Kriegserklärung an die Maji von heute und morgen. Die Nacht, als die Magie starb. Die Nacht, in der wir alles verloren."


Mit Zélie haben wir eine starke Hauptprotagonistin, deren Innenleben sehr von Angst und Hass auf das Königshaus von Orïsha und vor allem König Saran geprägt ist. Seit dieser ihre Mutter und alle anderen Maji ermorden ließ muss sie ständig auf der Hut sein und mit ihrer Familie gegen die Anfeindungen wegen ihres Aussehens und gegen die hohen Steuern ankämpfen. Als ihr die Prinzessin Amari zufällig über den Weg läuft und sie ihr hilft, eine magische Schriftrolle zu entwenden, erwacht in ihr die Magie ihrer Mutter, die Magie einer Seelenfängerin und nichts ist mehr wie zuvor. Als sie hört, dass sie die einzige ist, die ein Ritual durchführen kann, um die Magie zurückzubringen und die Divînés ein für alle Mal aus der Unterdrückung und Sklaverei zu befreien, ist sie sich nicht sicher, ob sie diese Rolle wirklich erfüllen kann.
An ihrer Seite stehen unverrückbar ihr Bruder Tzain und ihre Löwenesse Nailah, die ihr zugleich Reittier, Beschützerin und Freundin ist.

Amari führt als Tochter von König Saran ein ganz anderes Leben. Doch als sie mit ansieht wie ihr Vater ihre beste Freundin Binta ermordet, kann sie ihr eingeschränktes Leben im Palast nicht länger ertragen und flieht. Von der schwachen, verwöhnten Prinzessin bis zur selbstbewussten Kämpferin und Rebellion macht sie eine umfassende Entwicklung durch.


"Ehre und Pflichterfüllung. Sein Leitspruch klingt mir in den Ohren.
Mein Vater.
Ihr König.
Die Ursache all dieses Leids.
(…) Als ich Zélie ansehe, bekomme ich endlich die Antwort auf die Frage, die ich Angst hatte zu stellen. Ich bin nicht wie Vater. So ein König will ich nicht sein."



Als vierter im Bunde bekommen wir ihren Bruder Inan, den Thronfolger von Orïsha präsentiert, der seinem Vater Saran hörig ist, bis er selbst beginnt, Magie zu entwickeln und ein wunderschönes und beeindruckendes Mädchen ihn zum Umdenken bringt...


"Es wird ein neues Orïsha." Inan wird ruhiger. "Unser Orïsha. Ohne Kämpfe. Ohne Krieg. Nur Frieden." (…) "Zusammen wären wir unschlagbar. Ein Gespann, wie es Orïsha noch nie gesehen hat."


Die Story schreitet, nein rennt, mit den Sprüngen einer Löwenesse voran und gipfelt am Ende in einem explosiven und sehr emotionalen Showdown, der mich noch einmal mitriss, beeindruckte, am Ende aber wütend zurückließ. Wütend deshalb weil Tomi Adeyemi uns so ein Ende vorsetzt wo doch erst frühestens nächstes Jahr eine Fortsetzung erscheint - wirklich mies von ihr! Eine sehr gute Neuigkeit hingegen ist aber, dass die Filmrechte schon verkauft sind und der Film sogar schon produziert wird. Eine Verfilmung dieses umfassenden, kunterbunten und sehr lebendigen Romans kann ich mir wunderbar vorstellen - ich kann es kaum erwarten, diese schillernde Welt mit ihren starken Helden auch außerhalb meiner Fantasie zu sehen.


"Man darf kein ganzes Volk wegen der Vergehen einiger weniger versklaven."


Fazit:


Ein berührender, aufrüttelnder Hintergrund von politischer Relevanz und ein lebendiges, unverbrauchtes Setting inspiriert von der Kultur und den Mythen Westafrikas treffen auf eine eher gewöhnliche Handlung mit vielen Fantasy-Klischees.
Beeindruckend intensiv, exotisch-kunterbunt und absolut authentisch werden Themen wie Unschuld, Zerbrechlichkeit, Macht, innere Stärke, Glaube und Vertrauen, Unterdrückung Demütigung und Respekt in einem mitreißenden Auftakt vereint.

Mit Ausbaupotential aber definitiv lesenswert!

Veröffentlicht am 29.01.2019

Beeindruckend intensiv, exotisch-kunterbunt und absolut authentisch!

Children of Blood and Bone
0

"Wir alle sind Kinder von Blut und Bein.
Und genau wie Zélie und Amari haben wir die Macht, etwas gegen das Böse in unserer Welt zu tun.
Viel zu lange sind wir in die Knie gezwungen worden.
Erheben wir ...

"Wir alle sind Kinder von Blut und Bein.
Und genau wie Zélie und Amari haben wir die Macht, etwas gegen das Böse in unserer Welt zu tun.
Viel zu lange sind wir in die Knie gezwungen worden.
Erheben wir uns.“

Dieses Zitat stammt nicht etwa von einem Protagonisten aus dem Buch sondern von der Autorin selbst. Denn in ihrem Nachwort bezieht sie sich auf den Rassismus, die Ungerechtigkeiten und die Unterdrückung gegenüber Afroamerikanern, die in der USA leider immer noch vorherrschen und gibt an, das Buch in den Tagen geschrieben zu haben, als sie Tag für Tag in den Nachrichten sah, wie wehrlose und unschuldige Schwarze von der Polizei erschossen wurden und das keinerlei Konsequenzen hatte.

"Beim Schreiben dieses Buches habe ich viele Tränen vergossen. Beim Überarbeiten noch einmal. Auch wenn Löwenessen und heilige Rituale ins Reich der Phantasie gehören, sind der Schmerz, die Angst und das Leid in diesem Buch echt."

Das schreibt Tomi Adeyemi zu Beginn ihres Nachworts und dass dieser Schmerz echt ist, spürt man als Leser auch. Man kann diesen Roman also durchaus als Kampfansage gegen Rassismus und Unterdrückung aber vor allem gegen die Ignoranz der Menschen lesen. Und auch wenn das nicht die einzige Bedeutungsebene dieses Romans umfasst finde ich es doch wichtig, das im Hinterkopf zu haben, während man diese Geschichte liest.

Erster Satz: „Wähl mich!“

Das hat dieses wundervolle Cover zu mir gesagt als ich durch die Neuerscheinungen der letzten Monate gestöbert bin und überlegt habe, was ich als nächstes lesen will. Mit dem Mädchen mit der wunderschönen, dunklen Haut, den wallenden, weißen Haaren und dem stechenden Blick wurde das wohl passendste Motiv überhaupt gefunden, was grafisch wunderschön umgesetzt wurde. Die starken Kontraste der weißen Haare zum Hintergrund, zum Titel und zur Hautfarbe des Mädchens sowie die farbigen Akzente bereiten gut auf die ausdrucksstarke, kraftvolle und exotische Geschichte vor, die sich zwischen den Buchdeckeln verbirgt. Auch unter dem Umschlag ist das Buch wundervoll gestaltet: die nackten Buchdeckel sind mit goldenen Symbolen verziert und die Innenseiten zeigen eine Karte von Orïsha. Neben einer Übersicht über die Maji-Clans finden sich 85 wundervoll verzierte Kapitelanfänge, ein Prolog, ein Epilog, die Anmerkungen der Autorin und eine siebenseitige (!) Danksagung auf den 624 Seiten.


„Mut kann im Verborgenen wachsen, sagte sie damals. Tapferkeit in der Dunkelheit erblühen.“


Tomi Adeyemi entführt gleich von der ersten Seite an in eine bunte, lebendige Welt inspiriert von der Kultur und den Mythen Westafrikas. Neben viel Fantasie und innovativen Ideen steckt also auch eine Menge Wahrheit im Setting. Das Land Orïsha, wurde nach den Orïshas benannt, den Göttern und Göttinnen der Yoruba-Religion, welche wiederum den Namen für die Sprache der Maji bereitgestellt hat. Die Meere und Berge tragen die Namen ihrer verstorbenen Großeltern, auch Essen, Klima und Kleidung erinnern stark an die Westafrikanische Kultur. Ansonsten ist die Welt frei erfunden und erzählt die Geschichte eines unterdrückten Volks, den Maji und ihren Kindern, den Divînés. Einst gab es zehn verschiedene Maji-Clans in Orïsha, die die mit unterschiedlichen Gaben gesegnet waren und in direkter Verbindung mit der Himmelsmutter und ihren Göttern Magie üben konnten. Doch aus Hass und Machtgier des herrschenden Königs Saran wurde aus Angst vor der Magie der Maji in der sogenannten Blutnacht die Ermordung aller erwachsenen Magienutzer veranlasst, was die Magie verschwinden ließ und die Divînés zu Waisen machte. Auf sich alleingestellt wandern viele der Kinder, ihrer magischen Zukunft und ihrer Würde beraubt in Arbeitslager und müssen in ständigem Angst und Schrecken vor der Willkür der privilegierten Kosidán, also der Menschen ohne magisches Talent und der Unterdrückung des Regimes leben. Ihr einst stolzes Erbe, ausgedrückt durch ihre weißen Haare und ihre dunkle Haut, ist nun ein Zeichen der Schande und des Schmerzes geworden.


"Wir sind das Volk, das die Gefängnisse füllt, das vom König als Zwangsarbeiter missbraucht wird. Das Volk, das die Bewohner von Orïsha aus ihren Gesichtszügen verbannen möchten. Sie ächten uns, als wären weißes Haar und frühere magische Kräfte ein gesellschaftlicher Makel. Mama erzählte immer, dass weißes haar einmal das Zeichen der Mächte von Himmel und Erde gewesen sei. Es kündete von Schönheit, Tugend und Liebe, und zeigte, dass wir vor den Göttern gesegnet waren. Doch dann änderte sich alles und plötzlich galt die Magie als Verbrechen. Unsere Abstammung wurde zu einer Last und einer Gefahr."


Vor diesem Hintergrund, der der Geschichte einen exotischen Touch gibt und sehr frisch, authentisch und absolut unverbraucht daherkommt, entfaltet sich die spannende Geschichte um Zélie, die in der Blutnacht ihre Mutter verloren hat und in der seither ein namenloser Zorn brodelt, der nur darauf wartet von den Göttern in die richtige Richtung gelenkt zu werden; um Zélies Kosidán-Bruder, der sie vor allem Übel auf der Welt beschützen will; um die Prinzessin Amari, die sich der Unrechtsherrschaft ihres Vaters bewusst wird, als dieser ihre beste Freundin ermorden lässt und mit einem wichtigen Artefakt aus ihrem goldenen Käfig flieht und um den Prinzen Inan, der sich zwischen der Ehre und Pflichterfüllung seinem Vater gegenüber und seinem Drang, das Richtige zu tun entscheiden muss. Gerade zu Beginn ist es recht schwierig, über die ganzen fremdartigen Begriffe, also Namen, Titel, Gottheiten, etc. einen Überblick zu behalten, doch da der Handlungsverlauf nicht unbedingt neuartig und bahnbrechend ist, macht sich die Exotik des Settings durchaus bezahlt. Denn auch wenn die Geschichte dem typischen Fantasy-Aufbau eines Auftaktromans folgt (die starke, vom Schicksal gebeutelte Protagonistin wird zur Galionsfigur einer Revolution auserkoren, versucht mit Hilfe von Freund und Feind essentiell wichtige Artefakte zusammenzutragen, scheitert aber immer wieder und bezwingt schließlich scheinbar unüberwindbare Hindernisse und entdeckt ihre einzigartige, magische Begabung) schafft es der Roman, sich von der Masse abzuheben und hält noch sehr viel Potential bereit.

"Spuren.
Sie war hier.
Sie ist ganz in der Nähe.
Ich habe sie fast eingeholt.
Töte sie, trommelt mein Herz. Ich kralle die Finger in den Abhang. Töte das Mädchen. Vernichte die Magie. Wenn sie endlich in meiner Gewalt ist, wird sich das alles gelohnt haben. Ich werde mir mein Königreich zurückholen."


Besonders durch das rasante Erzähltempo und den bildhaften, fesselnden und leidenschaftlichen Schreibstil Tomi Adeyemis können die leichten Logiklücken und die arg gewollt wirkende Liebesgeschichte(n) ausgeglichen werden. So wird das eher mittelalterlich geprägte Setting immer wieder durch seltsame Dinge wie Motorboote oder Brandbomben unterbrochen, die sich mir in dem Zusammenhang mit Schwertern und Kutschen nicht ganz erschlossen. Außerdem werden hier gleich zwei Liebesgeschichten entwickelt, wobei die eine ja ganz authentisch wirkt und sehr zart bleibt, die andere aber viel zu schnell von purem Hass zur großen Liebe wechselt und mich dabei ein wenig ratlos zurückließ. Die Art und Weise, wie die Autorin hier kraftvoll und zornig durch den Schmerz ihrer Protagonisten anklagend die Stimme erhebt und dabei bei einem lockeren und flüssigen Stil bleibt, der nie gezwungen oder übertrieben wirkt, hat mir jedoch sehr gut gefallen. Durch magische Träume, Visionen, spirituelle Begegnungen mit Göttern und die aufkeimende Liebesbeziehung(en) kommt noch eine atmosphärische Note hinzu, die sich wunderbar in den berührenden, majestätischen Grundton einfindet.


"Ihr Geist fährt durch mich wie ein Blitz aus einer Gewitterwolke. Es ist mehr als das Gefühl, richtig atmen zu können. Es ist der Inbegriff des Lebens. "Èmí àwon tí ó sùn - " Leise murmele ich die ersten Worte der Beschwörungsformel und werde mit einem noch nie dagewesenen Rausch belohnt. Mit der Kraft des Sonnensteins könnte ich Hunderte von Toten zum Leben erwecken. Ich könnte eine unaufhaltsame Armee befehligen. (…) Oya leuchtet in meinem Geist wie eine Fackel im Dunkeln. Reglos steht die Göttin da, doch es ist, als würde die ganze Welt in ihrer Nähe beben. Ein siegesgewisses Lächeln breitet sich auf ihrem Gesicht aus."


Neben der politischen Relevanz, die man in der Geschichte sehen kann oder eben nicht, geht es ganz klar um Themen wie Unschuld, Zerbrechlichkeit, Macht, innere Stärke, Glaube und Vertrauen, Unterdrückung Demütigung und Respekt, was durch die starken Protagonisten eindrücklich vermittelt wird. Die vier Hauptprotagonisten, die außer Tzain abwechselnd aus ihrer Perspektive berichten, werden dabei durch etliche liebenswerte (und auch sehr hassenswerte) Nebencharaktere unterstützt, die bunter und lebendiger nicht sein könnten. Da wäre die mutige und weise Lehrerin und Seherin Mama Agba, die ihre Schülerinnen lehrt, "Kriegerinnen im Garten zu sein, damit ihr nie Gärtnerinnen im Krieg werden müsst.". Oder die junge Zulaihka, die sich eine eigene Utopie aufgebaut hat und für ihre Gastfreundschaft bitter bezahlen muss. Lekan, der sein Leben für den Traum einer besseren Welt gibt oder Tzains und Zélies Vater, der nach dem Tod seiner Frau zerbrach aber seinen Kindern mit auf den Weg gibt: "Solange wir keine Magie haben, werden wir niemals mit Respekt behandelt werden. (…) Sie müssen wissen, dass wir uns wehren können.“ Leider geht die Autorin mit ihnen besonders verschwenderisch um, sodass wir uns von vielen sehr schnell schon wieder verabschieden müssen.


"Das war die Nacht, in der sich unser Leben änderte. Die Nacht, in der König Saran die Angehörigen meines Volkes aufhängen ließ, damit es die ganze Welt sah. Eine Kriegserklärung an die Maji von heute und morgen. Die Nacht, als die Magie starb. Die Nacht, in der wir alles verloren."


Mit Zélie haben wir eine starke Hauptprotagonistin, deren Innenleben sehr von Angst und Hass auf das Königshaus von Orïsha und vor allem König Saran geprägt ist. Seit dieser ihre Mutter und alle anderen Maji ermorden ließ muss sie ständig auf der Hut sein und mit ihrer Familie gegen die Anfeindungen wegen ihres Aussehens und gegen die hohen Steuern ankämpfen. Als ihr die Prinzessin Amari zufällig über den Weg läuft und sie ihr hilft, eine magische Schriftrolle zu entwenden, erwacht in ihr die Magie ihrer Mutter, die Magie einer Seelenfängerin und nichts ist mehr wie zuvor. Als sie hört, dass sie die einzige ist, die ein Ritual durchführen kann, um die Magie zurückzubringen und die Divînés ein für alle Mal aus der Unterdrückung und Sklaverei zu befreien, ist sie sich nicht sicher, ob sie diese Rolle wirklich erfüllen kann.
An ihrer Seite stehen unverrückbar ihr Bruder Tzain und ihre Löwenesse Nailah, die ihr zugleich Reittier, Beschützerin und Freundin ist.

Amari führt als Tochter von König Saran ein ganz anderes Leben. Doch als sie mit ansieht wie ihr Vater ihre beste Freundin Binta ermordet, kann sie ihr eingeschränktes Leben im Palast nicht länger ertragen und flieht. Von der schwachen, verwöhnten Prinzessin bis zur selbstbewussten Kämpferin und Rebellion macht sie eine umfassende Entwicklung durch.


"Ehre und Pflichterfüllung. Sein Leitspruch klingt mir in den Ohren.
Mein Vater.
Ihr König.
Die Ursache all dieses Leids.
(…) Als ich Zélie ansehe, bekomme ich endlich die Antwort auf die Frage, die ich Angst hatte zu stellen. Ich bin nicht wie Vater. So ein König will ich nicht sein."



Als vierter im Bunde bekommen wir ihren Bruder Inan, den Thronfolger von Orïsha präsentiert, der seinem Vater Saran hörig ist, bis er selbst beginnt, Magie zu entwickeln und ein wunderschönes und beeindruckendes Mädchen ihn zum Umdenken bringt...


"Es wird ein neues Orïsha." Inan wird ruhiger. "Unser Orïsha. Ohne Kämpfe. Ohne Krieg. Nur Frieden." (…) "Zusammen wären wir unschlagbar. Ein Gespann, wie es Orïsha noch nie gesehen hat."


Die Story schreitet, nein rennt, mit den Sprüngen einer Löwenesse voran und gipfelt am Ende in einem explosiven und sehr emotionalen Showdown, der mich noch einmal mitriss, beeindruckte, am Ende aber wütend zurückließ. Wütend deshalb weil Tomi Adeyemi uns so ein Ende vorsetzt wo doch erst frühestens nächstes Jahr eine Fortsetzung erscheint - wirklich mies von ihr! Eine sehr gute Neuigkeit hingegen ist aber, dass die Filmrechte schon verkauft sind und der Film sogar schon produziert wird. Eine Verfilmung dieses umfassenden, kunterbunten und sehr lebendigen Romans kann ich mir wunderbar vorstellen - ich kann es kaum erwarten, diese schillernde Welt mit ihren starken Helden auch außerhalb meiner Fantasie zu sehen.


"Man darf kein ganzes Volk wegen der Vergehen einiger weniger versklaven."


Fazit:


Ein berührender, aufrüttelnder Hintergrund von politischer Relevanz und ein lebendiges, unverbrauchtes Setting inspiriert von der Kultur und den Mythen Westafrikas treffen auf eine eher gewöhnliche Handlung mit vielen Fantasy-Klischees.
Beeindruckend intensiv, exotisch-kunterbunt und absolut authentisch werden Themen wie Unschuld, Zerbrechlichkeit, Macht, innere Stärke, Glaube und Vertrauen, Unterdrückung Demütigung und Respekt in einem mitreißenden Auftakt vereint.

Mit Ausbaupotential aber definitiv lesenswert!

Veröffentlicht am 25.01.2019

Ein kurzer aber inspirierender Ausflug ins Eragon-Universum - ABER: mieses Preisleistungsverhältnis!

Die Gabel, die Hexe und der Wurm. Geschichten aus Alagaësia. Band 1: Eragon
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Als ich gesehen habe, dass Christopher Paolini nach seinen Ausflügen ins Science-Fiction-Genre endlich wieder nach Alagaësia zurückkehren will, war ich natürlich sehr aufgeregt und musste mir das Buch ...

Als ich gesehen habe, dass Christopher Paolini nach seinen Ausflügen ins Science-Fiction-Genre endlich wieder nach Alagaësia zurückkehren will, war ich natürlich sehr aufgeregt und musste mir das Buch sofort zulegen. Um wie viele andere Leser nicht enttäuscht zu werden (sieht man an den vielen wütenden Rezensionen) habe ich mich gleich richtig informiert und mir klargemacht, dass es sich hier um eine Kurzgeschichtensammlung an Geschichten rund um Eragon und seine Mitstreiter handelt und keineswegs um eine Fortsetzung. Und wenn man sich dies vor Augen hält kann man mit diesem kurzen Band sehr viel Spaß haben.

Das Cover ist in sehr düsteren, dunklen Farben gehalten und zeigt einen Drachen, der sich um einen Berggipfel schlingt. Damit bezieht sich das Motiv auf die letzte der drei Kurzgeschichten. Denn nachdem wir in "Die Gabel" Murtagh wieder treffen durften, der sich mit seinem Drachen Dorn versteckt hält und eine sehr interessante, aber auch beunruhigende Entdeckung macht, "Die Hexe" mehr auf die Kräterhexe Angela eingeht, bekommen wir in "Der Wurm" eine Legende der Urgals um den Kampf einer jungen Urgralgra gegen den bösen Drachen Vêrmund vorgesetzt, der sich wie im Bild gezeigt um den Gipfel des Kulkaras wickelt. Unter dem papiernen Umschlag, in den der Titel mit goldenen Lettern eingraviert ist, ist das Büchlein in schlichtem grau-braun gehalten. Die Karte der östlichen Gebiete und die drei Zeichnungen Paolinis, die jedem Anfang der Kurzgeschichten vorstehen, vervollständigen die Gestaltung auf angenehme Art und Weise. In einem Kritikpunkt muss ich mich der Masse an negativen Rezensionen aber doch anschließen: durch eine geradezu aufdringliche große Schriftgröße und einen lächerlichen Seitenabstand wurde die Geschichte klar auf die 300 Seiten gestreckt. Ich habe kein Problem damit, dass der Roman so kurz ist - ich finde es nur ein wenig unehrlich vom Verlag, die Seitenanzahl durch das Layout zu verfälschen und für das Büchlein dann 18 Euro zu verlangen. Gerade unter Anbetracht der Tatsache, dass die Geschichte nur als gebundenes Buch erschienen ist, man also nicht auf ein Taschenbuch ausweichen kann und alleine 18 Seiten Anhang und Danksagung und Anmerkungen des Autors ausmachen (natürlich interessant aber eben auch ein wenig betrügerisch) finde ich diesen Preis geradezu lächerlich. Bis auf das Preisleistungsverhältnis bin ich mit der Gestaltung jedoch einverstanden.

Erster Satz: "Der Tag war nicht gut gelaufen"

Ich war sehr überrascht, wie einfach es für mich war, wieder in Eragons Gedankenwelt einzutauchen auch wenn meine Lektüre des letzten Bandes schon mehrere Jahre her sein muss. Christopher Paolini gelingt es meisterhaft mit seinem typischen einfachen Stil an seine aufgebaute Welt und die vorgestellten Protagonisten anzuknüpfen und uns Lesern somit den Wiedereinstieg ins Reich Alagaësia zu erleichtern. Wir steigen in den Alltag von Eragon und Saphira ein, die damit beschäftigt sind, auf dem Berg Arngor eine Zitadelle für die letzten Dracheneier, sowie für die Eldunarí zu errichten und sich mit verschiedenen Völkern und einer Menge Papierkram herumschlagen müssen. So können wir einen kurzen Einblick in ihren Alltag erhalten, während die beiden Helden als Bindeglied und Überleitung für die drei unterschiedlichen Geschichten bilden, woraus sich dann ein fortlaufender Handlungsstrang entwickelt. So bekommt er von den Eldunarí eine Vision von Murtagh gezeigt, liest die etwas durcheinander geratene Biografie der Kräuterhexe Angela und lauscht am Lagerfeuer der Urgals der Erzählung einer Legende. Den kurzen Teil über unsere geliebte Kräuterhexe wurde von Paolinis Schwester Angela geschrieben und auch wenn keine wirklichen neuen Erkenntnisse ans Licht kommen, sondern zum Mythos um Angela nur noch mehr Geheimnisse dazukommen und ich mir nicht ganz sicher war, was mir der Abschnitt sagen wollte, fand ich ihn ganz amüsant. Durch Angela treffen wir auch das gruselige Mädchen Elva wieder, die von Eragon im Glauben etwas Gutes zu tun, verflucht wurde und immer noch auf ihren Teil in der Geschichte wartet.

Ganz besonders schön fand ich aber vor allem die spannende Geschichte aus der Legendenwelt der Urgals, die einen Großteil des Buches ausmacht. Durch die junge Ilgra und ihr Abenteuer um den Drachen Vêrmund und die Lethrblaka können wir die Kultur und die Denkweise der Urgals besser verstehen. Es ist besonders interessant dass hier nochmals verdeutlicht wird, dass die Urgals nicht nur hässliche gesichtslose Abschlachtungsmaschinen wie die Orks in "Herr der Ringe", sondern intelligente, fühlende Wesen mit eigener Kultur sind. Super ist auch die Lektion, die die Urgals Eragon damit vermitteln wollen und die auch beim Leser ankommt.

So verflogen die Seiten wie im Rausch und innerhalb von knappen zwei Stunden war ich durch mit diese kleinen Vorgeschmack auf eine Fortsetzung. Auch wenn die Freude nur kurz währte, habe ich es sehr genossen, wieder ins Eragon-Universum eintauchen und altbekannte und liebgewonnene Charaktere wieder treffen zu können. Leider tauchen viele andere Charaktere nur in einem Nebensatz oder gar nicht auf - aber das war ja bei diesem Umfang und diesem Format auch nicht anders zu erwarten. Dass jede der Geschichten mit einem offenen Ende verbleibt und es zum Abschluss für Eragon und die ganze Leserschaft eine sehr wichtige Neuigkeit gibt, deutet auf die baldige Fortsetzung durch einen weiteren Kurzgeschichtenband (aber auch durch einen vollwertigen Eragon Teil 5) hin. Hier werden also die Fäden neu in die Hand genommen, das Leserinteresse geweckt und auf einen neuen "großen" Nachfolgeband vorbereitet.


"Glück, hatte Eragon befunden, war zu flüchtig und nutzlos, um Ihm nachzulaufen. Zufriedenheit dagegen war ein viel lohnenderes Ziel."


Fazit:


Ein kurzer aber sehr inspirierender Ausflug ins Eragon-Universum, der die Fäden der Geschichte neu in die Hand nimmt, das Leserinteresse weckt und auf einen neuen "großen" Nachfolgeband vorbereitet. Ein süßer Vorgeschmack, der aber leider ein sehr schlechtes Preisleistungsverhältnis aufzuweisen hat.

Veröffentlicht am 25.01.2019

Ein kurzer aber inspirierender Ausflug ins Eragon-Universum - ABER: mieses Preisleistungsverhältnis!

Die Gabel, die Hexe und der Wurm. Geschichten aus Alagaësia. Band 1: Eragon
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Als ich gesehen habe, dass Christopher Paolini nach seinen Ausflügen ins Science-Fiction-Genre endlich wieder nach Alagaësia zurückkehren will, war ich natürlich sehr aufgeregt und musste mir das Buch ...

Als ich gesehen habe, dass Christopher Paolini nach seinen Ausflügen ins Science-Fiction-Genre endlich wieder nach Alagaësia zurückkehren will, war ich natürlich sehr aufgeregt und musste mir das Buch sofort zulegen. Um wie viele andere Leser nicht enttäuscht zu werden (sieht man an den vielen wütenden Rezensionen) habe ich mich gleich richtig informiert und mir klargemacht, dass es sich hier um eine Kurzgeschichtensammlung an Geschichten rund um Eragon und seine Mitstreiter handelt und keineswegs um eine Fortsetzung. Und wenn man sich dies vor Augen hält kann man mit diesem kurzen Band sehr viel Spaß haben.

Das Cover ist in sehr düsteren, dunklen Farben gehalten und zeigt einen Drachen, der sich um einen Berggipfel schlingt. Damit bezieht sich das Motiv auf die letzte der drei Kurzgeschichten. Denn nachdem wir in "Die Gabel" Murtagh wieder treffen durften, der sich mit seinem Drachen Dorn versteckt hält und eine sehr interessante, aber auch beunruhigende Entdeckung macht, "Die Hexe" mehr auf die Kräterhexe Angela eingeht, bekommen wir in "Der Wurm" eine Legende der Urgals um den Kampf einer jungen Urgralgra gegen den bösen Drachen Vêrmund vorgesetzt, der sich wie im Bild gezeigt um den Gipfel des Kulkaras wickelt. Unter dem papiernen Umschlag, in den der Titel mit goldenen Lettern eingraviert ist, ist das Büchlein in schlichtem grau-braun gehalten. Die Karte der östlichen Gebiete und die drei Zeichnungen Paolinis, die jedem Anfang der Kurzgeschichten vorstehen, vervollständigen die Gestaltung auf angenehme Art und Weise. In einem Kritikpunkt muss ich mich der Masse an negativen Rezensionen aber doch anschließen: durch eine geradezu aufdringliche große Schriftgröße und einen lächerlichen Seitenabstand wurde die Geschichte klar auf die 300 Seiten gestreckt. Ich habe kein Problem damit, dass der Roman so kurz ist - ich finde es nur ein wenig unehrlich vom Verlag, die Seitenanzahl durch das Layout zu verfälschen und für das Büchlein dann 18 Euro zu verlangen. Gerade unter Anbetracht der Tatsache, dass die Geschichte nur als gebundenes Buch erschienen ist, man also nicht auf ein Taschenbuch ausweichen kann und alleine 18 Seiten Anhang und Danksagung und Anmerkungen des Autors ausmachen (natürlich interessant aber eben auch ein wenig betrügerisch) finde ich diesen Preis geradezu lächerlich. Bis auf das Preisleistungsverhältnis bin ich mit der Gestaltung jedoch einverstanden.

Erster Satz: "Der Tag war nicht gut gelaufen"

Ich war sehr überrascht, wie einfach es für mich war, wieder in Eragons Gedankenwelt einzutauchen auch wenn meine Lektüre des letzten Bandes schon mehrere Jahre her sein muss. Christopher Paolini gelingt es meisterhaft mit seinem typischen einfachen Stil an seine aufgebaute Welt und die vorgestellten Protagonisten anzuknüpfen und uns Lesern somit den Wiedereinstieg ins Reich Alagaësia zu erleichtern. Wir steigen in den Alltag von Eragon und Saphira ein, die damit beschäftigt sind, auf dem Berg Arngor eine Zitadelle für die letzten Dracheneier, sowie für die Eldunarí zu errichten und sich mit verschiedenen Völkern und einer Menge Papierkram herumschlagen müssen. So können wir einen kurzen Einblick in ihren Alltag erhalten, während die beiden Helden als Bindeglied und Überleitung für die drei unterschiedlichen Geschichten bilden, woraus sich dann ein fortlaufender Handlungsstrang entwickelt. So bekommt er von den Eldunarí eine Vision von Murtagh gezeigt, liest die etwas durcheinander geratene Biografie der Kräuterhexe Angela und lauscht am Lagerfeuer der Urgals der Erzählung einer Legende. Den kurzen Teil über unsere geliebte Kräuterhexe wurde von Paolinis Schwester Angela geschrieben und auch wenn keine wirklichen neuen Erkenntnisse ans Licht kommen, sondern zum Mythos um Angela nur noch mehr Geheimnisse dazukommen und ich mir nicht ganz sicher war, was mir der Abschnitt sagen wollte, fand ich ihn ganz amüsant. Durch Angela treffen wir auch das gruselige Mädchen Elva wieder, die von Eragon im Glauben etwas Gutes zu tun, verflucht wurde und immer noch auf ihren Teil in der Geschichte wartet.

Ganz besonders schön fand ich aber vor allem die spannende Geschichte aus der Legendenwelt der Urgals, die einen Großteil des Buches ausmacht. Durch die junge Ilgra und ihr Abenteuer um den Drachen Vêrmund und die Lethrblaka können wir die Kultur und die Denkweise der Urgals besser verstehen. Es ist besonders interessant dass hier nochmals verdeutlicht wird, dass die Urgals nicht nur hässliche gesichtslose Abschlachtungsmaschinen wie die Orks in "Herr der Ringe", sondern intelligente, fühlende Wesen mit eigener Kultur sind. Super ist auch die Lektion, die die Urgals Eragon damit vermitteln wollen und die auch beim Leser ankommt.

So verflogen die Seiten wie im Rausch und innerhalb von knappen zwei Stunden war ich durch mit diese kleinen Vorgeschmack auf eine Fortsetzung. Auch wenn die Freude nur kurz währte, habe ich es sehr genossen, wieder ins Eragon-Universum eintauchen und altbekannte und liebgewonnene Charaktere wieder treffen zu können. Leider tauchen viele andere Charaktere nur in einem Nebensatz oder gar nicht auf - aber das war ja bei diesem Umfang und diesem Format auch nicht anders zu erwarten. Dass jede der Geschichten mit einem offenen Ende verbleibt und es zum Abschluss für Eragon und die ganze Leserschaft eine sehr wichtige Neuigkeit gibt, deutet auf die baldige Fortsetzung durch einen weiteren Kurzgeschichtenband (aber auch durch einen vollwertigen Eragon Teil 5) hin. Hier werden also die Fäden neu in die Hand genommen, das Leserinteresse geweckt und auf einen neuen "großen" Nachfolgeband vorbereitet.


"Glück, hatte Eragon befunden, war zu flüchtig und nutzlos, um Ihm nachzulaufen. Zufriedenheit dagegen war ein viel lohnenderes Ziel."


Fazit:


Ein kurzer aber sehr inspirierender Ausflug ins Eragon-Universum, der die Fäden der Geschichte neu in die Hand nimmt, das Leserinteresse weckt und auf einen neuen "großen" Nachfolgeband vorbereitet. Ein süßer Vorgeschmack, der aber leider ein sehr schlechtes Preisleistungsverhältnis aufzuweisen hat.