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Veröffentlicht am 28.01.2022

Bleibt deutlich hinter Band 1 zurück

Das Libby Garrett Projekt
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Handlung: "Das Libby Garrett Projekt" ist mein siebtes Buch von Kelly Oram. Nachdem mich ihre letzte Reihe um Virgin Val und Rockstar Kyle eher enttäuscht hat und erst ihr Standalone-Young-Adult-Roman ...

Handlung: "Das Libby Garrett Projekt" ist mein siebtes Buch von Kelly Oram. Nachdem mich ihre letzte Reihe um Virgin Val und Rockstar Kyle eher enttäuscht hat und erst ihr Standalone-Young-Adult-Roman "Girl at Heart" an den zuckersüßen Lesezauber von "Cinder & Ella" anknüpfen konnte, war ich natürlich sehr gespannt, wie es um ihre neue YA-Dulogie steht und habe mich im Sommer 2021 neugierig auf "Das Avery Shaw Experiment" gestürzt. Genau wie erwartet, war die Geschichte um Grayson und Avery vor allem eines: ZUCKERSÜß! Da ich mich schon beim Lesen von Band 1 Hals über Kopf in die schräge, selbstbewusste Libby verliebt hatte, habe ich also auch große Erwartungen in Band 2 der Science-Squad-Dilogie gesetzt.
Sehr enttäuscht war ich deshalb, dass "Das Libby Garrett Projekt" mich zu Beginn gar nicht packen konnte. Das könnte zum einen daran liegen, dass wir schon im ersten Kapitel mit einer Libby konfrontiert werden, die - in den Fängen einer toxischen Beziehung zu Owen - gar nicht wieder zu erkennen ist. Libby ist süchtig nach ihm, nach seiner Aufmerksamkeit, ihrer körperlichen Beziehung und dem Gefühl, begehrenswert zu sein - da ist sich das Wissenschaftsteam einig - und um ihre Freundin nicht zu verlieren planen sie ruckzuck ein 12-Punkte-Programm, um sie aus Owens Bann zu befreien. Auch wenn dem Roman die Einbindung des 12-Punkte-Programms und die unromantisierte Darstellung einer toxischen Beziehungen definitiv Pluspunkte einbringen, bleibt vieles davon eher oberflächlich und erscheint gerade in ersten Drittel doch stark übertrieben. Nach dem holprigen Start, als ich die Geschichte schon fast aufgeben wollte, wird es jedoch von Seite zu Seite besser. Mit jedem Schritt, den Libby wieder mehr zu sich selbst findet und auch Adam näher kommt, konnte mich die Geschichte rund ums Skaten, Snowboarden, die Zukunft, Sucht, Selbstvertrauen, toxische Beziehungen, Freundschaft und Liebe emotional besser erreichen. Zwar kann man auch hier mit unvorhersehbaren Wendungen, tiefschürfendem Philosophieren oder ernsthaften Probleme, die über die wohl ausbalancierte Mischung von Drama und Kitsch hinausgehen, nicht rechnen und ich habe die einfallsreiche Konzeption aus Band 1 etwas vermisst (dieser war ja nicht nur aus zwei Perspektiven, sondern auch im Stil eines Forschungstagesbuchs verfasst), unterm Strich hatte ich dank der letzten 150 Seiten und eines grandiosen Endes aber wieder viel Spaß beim Lesen.

Schreibstil:
Wenn man ein Buch von Kelly Oram aufschlägt, kann man eigentlich immer damit rechnen, dass man an einigen Stellen lachen, an anderen verträumt aufseufzen und vielleicht auch mal traurig den Mund verziehen wird. Die Autorin mischt auch hier wieder die Hierarchien der Highschool ordentlich auf, lässt ihre Protagonistin einige Hochs und Tiefs erleben und nach einigem Hin und Her dann ihre wahre Liebe finden. Dabei gelingt durch flotte Dialoge und mit viel Witz und Gefühl der Spagat zwischen zuckersüßem Märchen-Flair und authentischer Realität, sodass die Geschichte locker und leicht daherkommt, man aber trotzdem davon berührt wird. Auch in diesem Roman, in dem die Handlung an einigen Stellen auf Messers Schneide verläuft, gelingt es der Autorin in den allermeisten Fällen Kitsch zu umschiffen und immer wenn man schon kurz davor ist, die Augen zu verdrehen, gerade noch die Kurve zu bekommen. Wie gesagt birgt die Geschichte zwar keine großen Überraschungen, wirkt aber den typischen Kelly-Oram-Zauber, sodass man sich trotzdem zwischen den Seiten verliert.

Figuren
: Zu diesem Kelly-Oram-Zauber gehört auch, dass die Klischees der Figuren durch das typisch charmante Augenzwinkern ihres Schreibstils kaschiert werden. Mit Libby und Adam haben wir zwei sehr unsichere Teenager, die beide daran arbeiten müssen, ihr Selbstvertrauen zu stärken, Selbstakzeptanz und schließlich sogar Selbstliebe zu erreichen, bevor sie sich in eine (neue) Beziehung stürzen können. Bei dieser Entwicklung holt die Autorin wieder viel der bei Handlung und Rahmenidee verlorengegangenen Tiefe wieder rein und ließ mich auch großzügig darüber hinwegsehen, dass von der Liebesgeschichte der beiden nur wenig bei mir angekommen ist. Schön sind allerdings wieder Nebenfiguren wie das nerdige Genie Levi, Adams Schwester Kate, Libbys coole Hippie-Eltern oder der Physiklehrer Mr. Walden, die allerdings nicht darüber hinwegtäuschen können, dass "Das Libby Garrett Projekt" deutlich schwächer ist als der Auftakt der Science-Squad-Dilogie.



Die Zitate

Libby: "Das Mädchen ist praktisch Cinderella. Sie war das Nerdmädchen, das den perfekten Prinz abbekommen hat. Grayson ist nett, witzig, gutaussehend und treu. Es ist schon fast lächerlich, wie er sie liebt. Außerdem ist Avery auch nicht gerade unattraktiv. Ja, sie ist vielleicht ein Nerd, aber eher so wie im Film - unsichtbar, bis sie ihre Brille abnimmt und ihre Haare schüttelt. Dann wollen die Jungs sie plötzlich alle. Versteh mich nicht falsch", fuhr ich fort, als mir Adam einen neugierigen Blick zuwarf. "Ich habe Avery unglaublich gern und finde, dass sie Grayson mehr als verdient at, aber jetzt ist ihre Wahrnehmung der Realität total verzerrt. Sie denkt, dass auf jeden von uns ein Märchenende wartet. Sie versteht nicht, dass die meisten Leute nicht so viel Glück haben werden. Besonders nicht jemand wie ich."

Adam: "Zwischen uns war eine unbestreitbare Anziehung, die sich hochexplosiv anfühlte. Wir spielten mit dem Feuer, und es war nur eine Frage der Zeit, bis die Flammen außer Kontrolle geraten würden."




Das Urteil:

"Das Libby Garrett Projekt" hat es mir zu Beginn nicht gerade leicht gemacht: Ich brauchte viel Zeit, um mit der stark veränderten Hauptfigur warmzuwerden und auch die gesamte Handlung wirkt zu Beginn sehr überzogen. Nach dem schwachen Beginn wird es dann jedoch von Seite zu Seite besser und Libbys und Adams Reise hin zu mehr Selbstvertrauen konnte mich doch noch erreichen. Aufgrund der recht oberflächlich bleibenden Handlung, der geringen emotionalen Tiefe der Liebesgeschichte und den schwierigen ersten 100 Seiten, bleibt dieser Roman aber deutlich hinter Band 1 zurück.

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Veröffentlicht am 27.01.2022

Hat mich berührt, bewegt und begeistert wie lange kein Buch mehr

Weil wir träumten
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"Weil wir träumten", welches heute seinen Erscheinungstermin feiert, ist in vielerlei Hinsicht ein hervorstechender Roman, der in mir alle möglichen emotionalen Extreme hervorgerufen und mich so fertig ...

"Weil wir träumten", welches heute seinen Erscheinungstermin feiert, ist in vielerlei Hinsicht ein hervorstechender Roman, der in mir alle möglichen emotionalen Extreme hervorgerufen und mich so fertig zurückgelassen hat, dass ich auch nach Tagen noch keine Rezension schreiben konnte. Nun wage ich einen ersten Versuch, meine Gedanken, Gefühle und Erfahrungen mit der Geschichte in Worte zu fassen und will mit einer Liebeserklärung an das Cover beginnen.


"Ich sah Kraken in ihren Höhlen, ich sah zwei Wale, eine Mutter und Kalb. Wir tauchten zu ihnen hinab und wir schwammen mit ihnen und ich wusste, wer sie waren, ich musste nicht fragen. Zwei andere junge Wale stießen zu uns, einer hatte Wunden auf seinem Rücken, tiefe Striemen. Doch sie hatten bereits begonnen zu heilen. "Die Mitte des Lebens", sage ich, "wir sind da. Dies ist die Mitte des Lebens."


Auch wenn ich die beiden Gesichter (das sommersprossig-blasse von Emma und das dunkel strahlende von Fy) und den Leuchtturm vor dem ausgeblichenen blau-grauen Hintergrund für eine sehr gute Wahl für diese Geschichte halte, ist es der dunkelblaue Aufkleber, für den ich meine Begeisterung aussprechen will. Dieser verkündet nämlich, dass mit dem Kauf eines Exemplars von "Weil wir träumten" 1€ an den "Kinder für die Zukunft E.V." gespendet wird. Wenn das noch kein Grund genug ist, sich den Roman zuzulegen folgt nun eine ausführliche Liebeserklärung an diese Geschichte, die hoffentlich verdeutlicht, warum ich finde, dass jeder "Weil wir träumten" gelesen haben sollte!


Erster Satz: "Es ist so schön hier.


Mit diesem ersten Satz entführt uns Antonia Michaelis in ein wunderschönes, paradiesisch anmutendes Setting: eine madagassische Insel voller Leben mit unberührtem Urwald, weißem Strand, bunten Muscheln, gewaltigen Walen und französisch sprechenden Piraten. Die schiere Schönheit dieses Ortes, an dem die herzkranke, 16jährige Emma zusammen mit ihrer Urgroßmutter Elise versucht, ein wenig Frieden zu finden und sich lebendig zu fühlen, da er in krassem Gegensatz zu den sterilen Krankenhauszimmern steht, in denen sie sonst lebt, erscheint einem dabei wie ein Traum, aus dem man nicht aufwachen möchte. Antonia Michaelis schnörkeliger, bildhafter Schreibstil gleicht dem Stil eines Märchens, in dem alles irgendwie magisch und auf unwirkliche Weise schmerzlich schön erscheint. Manche Passagen lesen sich dabei wie Lyrik - "Mondlicht strömte herein wie Wasser. Der geschnitzte Delfin und die Meerjungfrau, die aus dem Mittelbalken ragten, regten sich, bereit, nach draußen zu entkommen - doch sie waren gefangen, steckten im Holz fest: unglückliche Geister." oder "Eine Tasse Milchkaffee, weiße Baumorchideem mit hellgrünen Blättern dazwischen: ein Stillleben. Elise hatte ein paar Muscheln dazugelegt. Und in der Ferne floss das Meer türkisblau in den Horizont." - und zergehen beim Lesen geradezu auf der Zunge. So war ich schon nach wenigen Kapiteln komplett verzaubert, was der zweite Grund ist, weshalb ich "Weil wir träumten" liebe.


"Darin sind sie alle wie Kinder: Sie sehen immer nur das Schöne. Niemals hindurch."


Leider steht der verträumte, wunderschöne Schreibstil der Autorin der harter Realität, die sie damit verschleiert, in einem krassen Gegensatz gegenüber. Denn der wunderschöne Schleier, der zu Beginn über Madagaskar liegt, wird nach und nach gelüftet, während die sechzehnjährige Madagassin Fy uns und Emma ihre Geschichte erzählt. Antonia Michaelis hat für "Weil wir träumten" zwei spannende Erzählperspektiven gewählt. Sie erzählt abwechselnd aus der Ich-Perspektive von Emma, die ihre Erlebnisse auf Madagaskar in einem Tagebuch niederschreibt, und in einer Art Gedankenstrom von Fy, die in "Du"-Form mit ihrem Kind Onja spricht. Zwischen touristischen Abenteuern auf der Insel und Begegnungen mit dem jungen Weltreisenden Luc wird die Freundschaft zwischen Fy und Emma tiefer und wir erfahren bruchstückhaft, wie Fy - als minderjährige Mutter - auf dieser vermeintlichen Trauminsel gelandet ist. Fys Geschichte zu hören ist dabei wie Aufwachen: erst langsam und dann immer schneller werden wir mit der grausamen Realität konfrontiert und ist man dann erstmal wach, kann man nicht mehr zurück in den süßen Taumel des Schlafs und die Welt mit denselben Augen sehen.


"Ich dachte überhaupt nicht mehr nach als andere Leute. Ich hatte nur das Glück gehabt, dass Fy mir Dinge erzählt hatte. Oder das Pech. Sonst wäre ich für immer blind geblieben. Sonst wäre der weiße Sand, in dem meine Zehen einsanken, für immer nur schön geblieben. Sonst hätte ich nicht geahnt, dass die Kinder, die mir mit Eimern voller Krabben entgegenkamen, nicht spielten, sondern arbeiteten. Dass sie die Krabben an Restaurants verkauften, statt zur Schule zu gehen. Sonst hätte ich beim Geruch von Vanille weiter an Pudding gedacht."


Auch Emma hat eine Geschichte zu erzählen, die sie erst im letzten Drittel mit den LeserInnen teilt. Genau wie Fys ändert auch diese Erzählung das Bild, das man von der Protagonistin hatte. Während man zu Beginn noch dachte, Emma würde verantwortungslos handeln, ihr Wohlergehen aufs Spiel setzen und sich gedankenlos treiben lassen, verstehen wir auch sie im Verlauf der Handlung besser und können tief im eigenen Herzen nachfühlen, wie sie die Suche nach purem Leben, Intensität, Liebe, Sinn und Bedeutung innerlich zerreißt. "Weil wir träumten" hat mich bewegt, berührt, ganz tief erreicht und mich genau wie Emma an meine Ideale erinnert, an den tiefen Wunsch, die Welt zu verändern, hinauszuziehen und etwas zu bewirken, Menschen zu treffen, hinter Fassaden zu blicken und Schicksale zu verändern. Wünsche, die ich als Kind hatte, beim Erwachsenwerden aber vergessen habe und von denen ich hoffe, dass ich sie nicht mehr verliere.
Und auch dafür liebe ich diesen Roman!


"Schlaf gut, Emma", flüsterte Elise. "Ich werde hier sitzen bleiben. Ich passe auf dich auf." Aber wer passt auf die anderen auf?, dachte ich. Auf die, die im Winter ihr Zimmer mit den Ratten teilen?"


Doch selbst nachdem die Autorin den schönen Schleier gelüftet hat und wir sehen, was sich darunter verbirgt, bleibt der Traum ganz dem Titel entsprechend ein wichtiges Motiv der Handlung und das unwirkliche Gefühl, das durch die leicht entrückte Atmosphäre entsteht, begleitet die Geschichte bis zum Ende. Aufrechterhalten wird diese dadurch, dass Träume, in denen Figuren zu Wale werden, mit Toten sprechen oder Visionen einer besseren Zukunft herbeiträumen, zwischen die bittere Realität gemischt werden. Bedrohungen werden durch Geister, Flüche oder Figuren wie der Herzenssammler der Realität entrückt und viele heftige Szenen sprachlich eingetrübt, sodass das Lesen erträglicher gemacht wird, ohne sie zu verharmlosen. Das sollte theoretisch nicht ganz zusammenpassen, trägt aber auf sehr stimmige Art und Weise zum Verständnis der Figuren und deren innersten Wünschen bei und sorgt dafür, dass man es überhaupt aushält, diese Geschichte zu lesen.


"Langsam nahm ich Umrisse in der Dunkelheit wahr - Umrisse von Blättern aller Formen vor dem Himmel, der hoch oben hing und ein wenig Mondlicht auf mich träufelte, Mondlicht wie Medizin. Da war sie wieder, die Schönheit - jedes Blatt ein Ornament. Ehe ich gehe, eines Tages, möchte ich Blätter sehen."


Denn auch wenn "Weil wir träumten" ohne Triggerwarnung daherkommt und offiziell für LeserInnen ab 14 Jahren empfohlen wird, kann ich nur nochmal betonen, dass wir es hier mit einem Drama zu tun haben, das tiefste Abgründe zeigt. Hier geht es um Zwangsprostitution, Gewalt, Armut, Hunger, Krankheit, Tod, Mord, Gefängnis, Missbrauch und Kinderarbeit. Besonders unter die Haut geht das Geschilderte, dadurch, dass die Autorin zwei Jahre lang vor Ort war und mit ihrer Familie eine Schule und ein Kinderhaus aufgebaut hat. Dadurch, dass sie in dieser Zeit sowohl aus eigener Erfahrung als auch durch Erzählungen von echten Schicksalen Einblicke in das Leben der Madagassen erhielt, kann sie Emmas und Fys Perspektiven so authentisch wiedergeben, dass man meinen könnte, es sei eine echte Geschichte. Und das macht sie sich zunutze: Antonia Michaelis zeigt wie düster ein schönes Land, wie zerstörerisch verzweifelte Menschen und wie blind eine ganze Gesellschaft sein können. Dabei macht sie keine Kompromisse und treibt uns LeserInnen über Grenzen hinaus. Sie beschreibt Dinge, die man nicht lesen will, aber man folgt ihr dennoch auf diese Reise, man kann gar nicht anders. Denn trotz all der emotionalen Arbeit, wärmt es das Herz, wie die Geschichte Schönheit im Hässlichen und Hässlichkeit im Schönen findet.


"Emma hat es selbst gemerkt: Zuerst sieht man nur die schönen Dinge an der Oberfläche, die Dinge, die Besucher sehen sollen. Dann, irgendwann, sieht man die Hässlichkeit darunter, und erst danach sieht man das wahrhaft Schöne unter dem Hässlichen: die Sonne auf einem Abwasserkanal. Eine Blume im Müll. Das Lächeln der Menschen in ihren abgerissenen Kleidern. Die Hoffnung in ihren Augen. Das Lachen, das niemals ganz verschwindet. Ja, mein Land ist schön. Aber nicht wegen der Palmen, der Muscheln, der Lemuren."


So kommt es, dass auch die Liebe einen großen Teil des Romans in Beschlag nimmt. Anhand der Hauptfiguren und den ebenso liebevoll und detailliert ausgearbeiteten Nebenfiguren werden alle Facetten der Liebe beschrieben und zum Leben erweckt. Die zwischen einem Jungen und einem Mädchen. Zwischen Bruder und Schwester. Zwischen Eltern und Kind. Enkelin und Uroma. Zwischen Freundinnen. Zwischen Schicksalsgefährten. Zwischen einer Madagassin und ihrer Heimat. Zwischen einer Leserin und ihren Protagonisten....

Wegen genau dieser Liebe und Nähe zu den Figuren ist "Weil wir träumten" eines der traurigsten Bücher, die ich jemals gelesen habe. Es hat einen solchen Schmerz in mir hervorgerufen, dass ich es kaum ausgehalten habe, es zu Ende zu lesen, dass ich an mehreren Stellen "bitte nicht, bitte nicht" geflüstert habe und an noch viel mehr Stellen in Tränen ausgebrochen bin. Doch obwohl es schmerzlich grausam war, war es auch das schönste Buch, das ich seit Langem gelesen habe. Ich habe selten eine so intensive Geschichte gelesen, die die Schönheit des Lebens so feiert, wie "Weil wir träumten". Und ich habe auch selten ein Buch gelesen, bei dem ich schon in der Hälfte wusste, dass es mir für immer im Gedächtnis bleiben wird. In kurz: ICH LIEBE ES! LEST DIESES BUCH!


"Ich war hier, weil ich gedacht hatte, ich könnte alle retten, ganz leicht, nur weil ich aus Europa kam, aber im Grund dachte ich, im Grund, hatten sie mich gerettet. Diese Menschen. Sie hatten etwas bewirkt, was kein Medikament bewirken kann. Etwas in mir ausgelöst. Ein Gefühl von Glück."





Fazit:


Diese Mischung zwischen Traum und Wachen, zwischen Realität und Übersinnlichem, Schönheit und Grausamkeit, Traurigkeit und Freude hat mich berührt, bewegt und beschämt wie lange kein Buch mehr. In "Weil wir träumten" erzählt Antonia Michaels auf absolut atemberaubende und authentische Art und Weise von Freundschaft, Liebe und den Schattenseiten der Mitte des Lebens: Madagaskar.

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Veröffentlicht am 26.01.2022

Zu vorhersehbar, zu oberflächlich und zu knapp...

Der Zopf
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Handlung: "Der Zopf" war vor ein paar Jahren in aller Munde und erhielt auch einige Auszeichnungen, sodass er sich lange Zeit ganz oben auf meiner Wunschliste gehalten hatte. Nachdem ich den Roman nun ...

Handlung: "Der Zopf" war vor ein paar Jahren in aller Munde und erhielt auch einige Auszeichnungen, sodass er sich lange Zeit ganz oben auf meiner Wunschliste gehalten hatte. Nachdem ich den Roman nun gelesen habe, bin ich aber ein wenig ernüchtert. Ich finde die Erzählung keineswegs schlecht - sie konnte mich nur einfach nicht erreichen. Die Idee mit den drei über die gesamte Welt verteilte Erzählsträngen, die immer in derselben Reihenfolge durchgegangen werden, auf den ersten Blick nicht viel miteinander zu tun haben und zusammengebracht werden wollen, hat mich beim Lesen des Klapptextes sofort angesprochen. Leider ist hier schon von Beginn an aber schon vorhersehbar, wie die Autorin plant, die Handlungsstränge zusammenzuführen ( Schon während der ersten Kapitel wurde erwähnt, dass die eine Figur ihre Haare wachsen lässt, die nächste Perücken macht und die dritte Krebs hat - um zu kombinieren wohin das führen wir muss man wahrlich kein Genie sein ). Am meisten an der Umsetzung der Idee enttäuscht hat mich aber nicht die Vorhersehbarkeit, sondern dass die Autorin während der Verbindung ihrer drei Handlungsstränge komplett vergisst, die globale Ungerechtigkeit anzuprangern, die dahintersteckt ( Ich hatte die ganze Zeit darauf gewartet, dass Laetitia Colombani problematisiert, dass die religiöse Geste einer mittellosen Frau aus einem Entwicklungsland einer Europäerin den Betrieb rettet, nur um dann als Endprodukt einer kanadischen Frau aus der Oberschicht als inspirierendes Accessoire zu dienen. Das geschieht aber leider nie. ). "Der Zopf" hätte Ausgangspunkt und Denkanstoß für Überlegungen sein können, mit welchen über die gesamte Welt verteilten Menschen unser Schicksal unwissentlich verbunden ist. Durch die hier dargestellte Romantisierung von globalisiertem Ungleichgewicht, bekommt dieser Gedanke aber einen etwas bitteren Beigeschmack, der - so denke ich zumindest - nicht beabsichtigt war.

Schreibstil: Überrascht war ich auch, dass mich hier statt eines schwergängigen, literarischen Werks eine einfacher, schlichter Schreibstil mit vielen lebensnahen Redewendungen erwartete, der mir auf Anhieb gut gefallen hat. Obwohl der Roman viele ernste Themen anschneidet, auch unliebsame Informationen über die Lebenswelt der Figuren einfließen lässt und von persönlichen Lebenskrisen erzählt, liest sich "Der Zopf" doch eher wie eine leichte Feierabendlektüre. In Kombination mit der auffallend großen Schrift, konnte ich die 288 Seiten demnach schnell hinter mich bringen. Positiv anzumerken ist auch, dass die Autorin an einigen Stellen Beobachtungen auf der Metaebene in Gedichtform einflicht und ihrer Geschichte so einen Rahmen verschafft. Zwar ist dieser genau wie die Zusammenführung der Handlungsstränge recht offensichtlich, strukturiert den Roman aber auf angenehme Weise. Schade ist aber, dass sich gerade bei den Zeitformen der Erzählung einige Übersetzungsfehler eingeschlichen haben...

Figuren: Eine Konsequenz des mit 288 Seiten recht kurzen Romans ist, dass wir leider nur sehr oberflächlich in die drei Schicksale einsteigen können und wir alle Figuren nur für einen kurzen Ausschnitt von deren Leben begleiten können. Es fehlen Dialoge, Reflexionen, wirkliche Vertiefungen und auch viele der spannenden Entwicklungen passieren zwischen den Zeit- und Perspektivwechsel und gingen dadurch für mich als Leserin verloren. So wirklich nahbar und nachvollziehbar wirkte deshalb keine der drei Hauptfiguren auf mich. Im Gegenteil: Einiges erschien mir hier sogar ein wenig unglaubwürdig und das zieht sich durch alle Handlungsstränge. Zum Beispiel hat die bettelarme Dalit Smita plötzlich ein Fahrrad, kennt sich mit großen politischen Vorgängen aus und beginnt von heute auf Morgen, aus ihrer Erlebniswelt auszubrechen. Statt ihrem Mikrokosmos entsprechen zu denken und zu handeln, wird ihr die Denkweise unserer Gesellschaft übergestülpt. Auch Giulia konnte mich nicht immer überzeugen, ist sie doch am einen Tag eine überforderte, naive Arbeiterin, die die Schule abgebrochen hat, während sie am anderen banktaugliche Analysen für ein neues weltweites Geschäftsmodell aufstellt und sich gegen ihre Mutter und Schwestern durchsetzt. Woher kommt der plötzliche Sinneswandel? Diese Frage kann man auch auf Sarah beziehen, deren Welt aus den typischen Anwalts-Leistungsgesellschafts-Klischees aufgebaut ist, in der kein Platz für Schwäche oder Krankheit ist. Auch bei ihr ist der Zeitpunkt, an dem sie sich von ihrer Arbeit distanziert und neue Prioritäten steckt, sehr verschwommen und wenig nachvollziehbar gewählt. Klar, der Weg der drei Figuren erzählt von Stärke, Weiblichkeit, Mutterschaft, Sinnlichkeit, und zeigt auf unterschiedliche Art und Weise, dass es Frauen immer noch schwer haben auf dieser Welt. Dies geschieht aber leider auf eine mitleidheischende Art und ohne eine echte Verbindung zu den LeserInnen aufzubauen.



Die Zitate


Smita: "Niemand wird die wie einem Hund Essensreste hinwerfen. Du wirst nie wieder den Blick senken müssen. All das würde Smita ihrer Tochter so gern sagen. Aber ihr fehlen die Worte, um ihren Hoffnungen und ein wenig verrückten Träumen Ausdruck zu verleihen, um das Gefühl zu beschreiben, das sie hat, wenn dieser Schmetterling in ihrem Baum mit den Flügeln schlägt."


Giulia: "Sie kommt sich vor wie ein Seiltänzer, der bei jedem Windstoß ins Taumeln gerät. Manchmal, sagt sie sich, rückt das Leben die finstersten und die lichtesten Momente nah zusammen. Es nimmt und gibt gleichzeitig."


Sarah: "Sie lügen, allesamt. Sie sagen ihr Sei stark, sei sagen ihr Du wirst es schaffen, sie sagen ihr Wir sind bei dir, aber ihr Handeln spricht eine andere Sprache. Sie haben sie fallenlassen. Wie einen kaputten Gegenstand ausgemustert."



Das Urteil


"Der Zopf" hatte viele gute Ansätze, ein sehr interessantes Gesamtkonzept und Potential, eine kraftvolle Geschichte davon zu erzählen, was es heißt, eine Frau zu sein. Leider hat Laetitia Colombani ihren Roman aber zu vorhersehbar, zu oberflächlich und zu knapp ausgestaltet, sodass sie mich nur schwer erreichen und überzeugen konnte.

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Veröffentlicht am 26.01.2022

Zu vorhersehbar, zu oberflächlich und zu knapp...

Der Zopf
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Handlung: "Der Zopf" war vor ein paar Jahren in aller Munde und erhielt auch einige Auszeichnungen, sodass er sich lange Zeit ganz oben auf meiner Wunschliste gehalten hatte. Nachdem ich den Roman nun ...

Handlung: "Der Zopf" war vor ein paar Jahren in aller Munde und erhielt auch einige Auszeichnungen, sodass er sich lange Zeit ganz oben auf meiner Wunschliste gehalten hatte. Nachdem ich den Roman nun gelesen habe, bin ich aber ein wenig ernüchtert. Ich finde die Erzählung keineswegs schlecht - sie konnte mich nur einfach nicht erreichen. Die Idee mit den drei über die gesamte Welt verteilte Erzählsträngen, die immer in derselben Reihenfolge durchgegangen werden, auf den ersten Blick nicht viel miteinander zu tun haben und zusammengebracht werden wollen, hat mich beim Lesen des Klapptextes sofort angesprochen. Leider ist hier schon von Beginn an aber schon vorhersehbar, wie die Autorin plant, die Handlungsstränge zusammenzuführen ( Schon während der ersten Kapitel wurde erwähnt, dass die eine Figur ihre Haare wachsen lässt, die nächste Perücken macht und die dritte Krebs hat - um zu kombinieren wohin das führen wir muss man wahrlich kein Genie sein ). Am meisten an der Umsetzung der Idee enttäuscht hat mich aber nicht die Vorhersehbarkeit, sondern dass die Autorin während der Verbindung ihrer drei Handlungsstränge komplett vergisst, die globale Ungerechtigkeit anzuprangern, die dahintersteckt ( Ich hatte die ganze Zeit darauf gewartet, dass Laetitia Colombani problematisiert, dass die religiöse Geste einer mittellosen Frau aus einem Entwicklungsland einer Europäerin den Betrieb rettet, nur um dann als Endprodukt einer kanadischen Frau aus der Oberschicht als inspirierendes Accessoire zu dienen. Das geschieht aber leider nie. ). "Der Zopf" hätte Ausgangspunkt und Denkanstoß für Überlegungen sein können, mit welchen über die gesamte Welt verteilten Menschen unser Schicksal unwissentlich verbunden ist. Durch die hier dargestellte Romantisierung von globalisiertem Ungleichgewicht, bekommt dieser Gedanke aber einen etwas bitteren Beigeschmack, der - so denke ich zumindest - nicht beabsichtigt war.

Schreibstil: Überrascht war ich auch, dass mich hier statt eines schwergängigen, literarischen Werks eine einfacher, schlichter Schreibstil mit vielen lebensnahen Redewendungen erwartete, der mir auf Anhieb gut gefallen hat. Obwohl der Roman viele ernste Themen anschneidet, auch unliebsame Informationen über die Lebenswelt der Figuren einfließen lässt und von persönlichen Lebenskrisen erzählt, liest sich "Der Zopf" doch eher wie eine leichte Feierabendlektüre. In Kombination mit der auffallend großen Schrift, konnte ich die 288 Seiten demnach schnell hinter mich bringen. Positiv anzumerken ist auch, dass die Autorin an einigen Stellen Beobachtungen auf der Metaebene in Gedichtform einflicht und ihrer Geschichte so einen Rahmen verschafft. Zwar ist dieser genau wie die Zusammenführung der Handlungsstränge recht offensichtlich, strukturiert den Roman aber auf angenehme Weise. Schade ist aber, dass sich gerade bei den Zeitformen der Erzählung einige Übersetzungsfehler eingeschlichen haben...

Figuren: Eine Konsequenz des mit 288 Seiten recht kurzen Romans ist, dass wir leider nur sehr oberflächlich in die drei Schicksale einsteigen können und wir alle Figuren nur für einen kurzen Ausschnitt von deren Leben begleiten können. Es fehlen Dialoge, Reflexionen, wirkliche Vertiefungen und auch viele der spannenden Entwicklungen passieren zwischen den Zeit- und Perspektivwechsel und gingen dadurch für mich als Leserin verloren. So wirklich nahbar und nachvollziehbar wirkte deshalb keine der drei Hauptfiguren auf mich. Im Gegenteil: Einiges erschien mir hier sogar ein wenig unglaubwürdig und das zieht sich durch alle Handlungsstränge. Zum Beispiel hat die bettelarme Dalit Smita plötzlich ein Fahrrad, kennt sich mit großen politischen Vorgängen aus und beginnt von heute auf Morgen, aus ihrer Erlebniswelt auszubrechen. Statt ihrem Mikrokosmos entsprechen zu denken und zu handeln, wird ihr die Denkweise unserer Gesellschaft übergestülpt. Auch Giulia konnte mich nicht immer überzeugen, ist sie doch am einen Tag eine überforderte, naive Arbeiterin, die die Schule abgebrochen hat, während sie am anderen banktaugliche Analysen für ein neues weltweites Geschäftsmodell aufstellt und sich gegen ihre Mutter und Schwestern durchsetzt. Woher kommt der plötzliche Sinneswandel? Diese Frage kann man auch auf Sarah beziehen, deren Welt aus den typischen Anwalts-Leistungsgesellschafts-Klischees aufgebaut ist, in der kein Platz für Schwäche oder Krankheit ist. Auch bei ihr ist der Zeitpunkt, an dem sie sich von ihrer Arbeit distanziert und neue Prioritäten steckt, sehr verschwommen und wenig nachvollziehbar gewählt. Klar, der Weg der drei Figuren erzählt von Stärke, Weiblichkeit, Mutterschaft, Sinnlichkeit, und zeigt auf unterschiedliche Art und Weise, dass es Frauen immer noch schwer haben auf dieser Welt. Dies geschieht aber leider auf eine mitleidheischende Art und ohne eine echte Verbindung zu den LeserInnen aufzubauen.



Die Zitate


Smita: "Niemand wird die wie einem Hund Essensreste hinwerfen. Du wirst nie wieder den Blick senken müssen. All das würde Smita ihrer Tochter so gern sagen. Aber ihr fehlen die Worte, um ihren Hoffnungen und ein wenig verrückten Träumen Ausdruck zu verleihen, um das Gefühl zu beschreiben, das sie hat, wenn dieser Schmetterling in ihrem Baum mit den Flügeln schlägt."


Giulia: "Sie kommt sich vor wie ein Seiltänzer, der bei jedem Windstoß ins Taumeln gerät. Manchmal, sagt sie sich, rückt das Leben die finstersten und die lichtesten Momente nah zusammen. Es nimmt und gibt gleichzeitig."


Sarah: "Sie lügen, allesamt. Sie sagen ihr Sei stark, sei sagen ihr Du wirst es schaffen, sie sagen ihr Wir sind bei dir, aber ihr Handeln spricht eine andere Sprache. Sie haben sie fallenlassen. Wie einen kaputten Gegenstand ausgemustert."



Das Urteil


"Der Zopf" hatte viele gute Ansätze, ein sehr interessantes Gesamtkonzept und Potential, eine kraftvolle Geschichte davon zu erzählen, was es heißt, eine Frau zu sein. Leider hat Laetitia Colombani ihren Roman aber zu vorhersehbar, zu oberflächlich und zu knapp ausgestaltet, sodass sie mich nur schwer erreichen und überzeugen konnte.

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  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 26.01.2022

Zu vorhersehbar, zu oberflächlich und zu knapp...

Der Zopf
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Handlung: "Der Zopf" war vor ein paar Jahren in aller Munde und erhielt auch einige Auszeichnungen, sodass er sich lange Zeit ganz oben auf meiner Wunschliste gehalten hatte. Nachdem ich den Roman nun ...

Handlung: "Der Zopf" war vor ein paar Jahren in aller Munde und erhielt auch einige Auszeichnungen, sodass er sich lange Zeit ganz oben auf meiner Wunschliste gehalten hatte. Nachdem ich den Roman nun gelesen habe, bin ich aber ein wenig ernüchtert. Ich finde die Erzählung keineswegs schlecht - sie konnte mich nur einfach nicht erreichen. Die Idee mit den drei über die gesamte Welt verteilte Erzählsträngen, die immer in derselben Reihenfolge durchgegangen werden, auf den ersten Blick nicht viel miteinander zu tun haben und zusammengebracht werden wollen, hat mich beim Lesen des Klapptextes sofort angesprochen. Leider ist hier schon von Beginn an aber schon vorhersehbar, wie die Autorin plant, die Handlungsstränge zusammenzuführen ( Schon während der ersten Kapitel wurde erwähnt, dass die eine Figur ihre Haare wachsen lässt, die nächste Perücken macht und die dritte Krebs hat - um zu kombinieren wohin das führen wir muss man wahrlich kein Genie sein ). Am meisten an der Umsetzung der Idee enttäuscht hat mich aber nicht die Vorhersehbarkeit, sondern dass die Autorin während der Verbindung ihrer drei Handlungsstränge komplett vergisst, die globale Ungerechtigkeit anzuprangern, die dahintersteckt ( Ich hatte die ganze Zeit darauf gewartet, dass Laetitia Colombani problematisiert, dass die religiöse Geste einer mittellosen Frau aus einem Entwicklungsland einer Europäerin den Betrieb rettet, nur um dann als Endprodukt einer kanadischen Frau aus der Oberschicht als inspirierendes Accessoire zu dienen. Das geschieht aber leider nie. ). "Der Zopf" hätte Ausgangspunkt und Denkanstoß für Überlegungen sein können, mit welchen über die gesamte Welt verteilten Menschen unser Schicksal unwissentlich verbunden ist. Durch die hier dargestellte Romantisierung von globalisiertem Ungleichgewicht, bekommt dieser Gedanke aber einen etwas bitteren Beigeschmack, der - so denke ich zumindest - nicht beabsichtigt war.

Schreibstil: Überrascht war ich auch, dass mich hier statt eines schwergängigen, literarischen Werks eine einfacher, schlichter Schreibstil mit vielen lebensnahen Redewendungen erwartete, der mir auf Anhieb gut gefallen hat. Obwohl der Roman viele ernste Themen anschneidet, auch unliebsame Informationen über die Lebenswelt der Figuren einfließen lässt und von persönlichen Lebenskrisen erzählt, liest sich "Der Zopf" doch eher wie eine leichte Feierabendlektüre. In Kombination mit der auffallend großen Schrift, konnte ich die 288 Seiten demnach schnell hinter mich bringen. Positiv anzumerken ist auch, dass die Autorin an einigen Stellen Beobachtungen auf der Metaebene in Gedichtform einflicht und ihrer Geschichte so einen Rahmen verschafft. Zwar ist dieser genau wie die Zusammenführung der Handlungsstränge recht offensichtlich, strukturiert den Roman aber auf angenehme Weise. Schade ist aber, dass sich gerade bei den Zeitformen der Erzählung einige Übersetzungsfehler eingeschlichen haben...

Figuren: Eine Konsequenz des mit 288 Seiten recht kurzen Romans ist, dass wir leider nur sehr oberflächlich in die drei Schicksale einsteigen können und wir alle Figuren nur für einen kurzen Ausschnitt von deren Leben begleiten können. Es fehlen Dialoge, Reflexionen, wirkliche Vertiefungen und auch viele der spannenden Entwicklungen passieren zwischen den Zeit- und Perspektivwechsel und gingen dadurch für mich als Leserin verloren. So wirklich nahbar und nachvollziehbar wirkte deshalb keine der drei Hauptfiguren auf mich. Im Gegenteil: Einiges erschien mir hier sogar ein wenig unglaubwürdig und das zieht sich durch alle Handlungsstränge. Zum Beispiel hat die bettelarme Dalit Smita plötzlich ein Fahrrad, kennt sich mit großen politischen Vorgängen aus und beginnt von heute auf Morgen, aus ihrer Erlebniswelt auszubrechen. Statt ihrem Mikrokosmos entsprechen zu denken und zu handeln, wird ihr die Denkweise unserer Gesellschaft übergestülpt. Auch Giulia konnte mich nicht immer überzeugen, ist sie doch am einen Tag eine überforderte, naive Arbeiterin, die die Schule abgebrochen hat, während sie am anderen banktaugliche Analysen für ein neues weltweites Geschäftsmodell aufstellt und sich gegen ihre Mutter und Schwestern durchsetzt. Woher kommt der plötzliche Sinneswandel? Diese Frage kann man auch auf Sarah beziehen, deren Welt aus den typischen Anwalts-Leistungsgesellschafts-Klischees aufgebaut ist, in der kein Platz für Schwäche oder Krankheit ist. Auch bei ihr ist der Zeitpunkt, an dem sie sich von ihrer Arbeit distanziert und neue Prioritäten steckt, sehr verschwommen und wenig nachvollziehbar gewählt. Klar, der Weg der drei Figuren erzählt von Stärke, Weiblichkeit, Mutterschaft, Sinnlichkeit, und zeigt auf unterschiedliche Art und Weise, dass es Frauen immer noch schwer haben auf dieser Welt. Dies geschieht aber leider auf eine mitleidheischende Art und ohne eine echte Verbindung zu den LeserInnen aufzubauen.



Die Zitate


Smita: "Niemand wird die wie einem Hund Essensreste hinwerfen. Du wirst nie wieder den Blick senken müssen. All das würde Smita ihrer Tochter so gern sagen. Aber ihr fehlen die Worte, um ihren Hoffnungen und ein wenig verrückten Träumen Ausdruck zu verleihen, um das Gefühl zu beschreiben, das sie hat, wenn dieser Schmetterling in ihrem Baum mit den Flügeln schlägt."


Giulia: "Sie kommt sich vor wie ein Seiltänzer, der bei jedem Windstoß ins Taumeln gerät. Manchmal, sagt sie sich, rückt das Leben die finstersten und die lichtesten Momente nah zusammen. Es nimmt und gibt gleichzeitig."


Sarah: "Sie lügen, allesamt. Sie sagen ihr Sei stark, sei sagen ihr Du wirst es schaffen, sie sagen ihr Wir sind bei dir, aber ihr Handeln spricht eine andere Sprache. Sie haben sie fallenlassen. Wie einen kaputten Gegenstand ausgemustert."



Das Urteil


"Der Zopf" hatte viele gute Ansätze, ein sehr interessantes Gesamtkonzept und Potential, eine kraftvolle Geschichte davon zu erzählen, was es heißt, eine Frau zu sein. Leider hat Laetitia Colombani ihren Roman aber zu vorhersehbar, zu oberflächlich und zu knapp ausgestaltet, sodass sie mich nur schwer erreichen und überzeugen konnte.

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