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Veröffentlicht am 13.09.2019

Witzige "Regio-Chicklit"

Spätzleblues
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„Spätzleblues“ ist ein Regio-Chicklit-Roman: er spielt in und um Stuttgart und schwäbische Sprache, Eigenheiten und Gebräuche bilden die Kulisse vor der sich Pipeline Praetorius mit dem „Katastrophen-Gen“ ...

„Spätzleblues“ ist ein Regio-Chicklit-Roman: er spielt in und um Stuttgart und schwäbische Sprache, Eigenheiten und Gebräuche bilden die Kulisse vor der sich Pipeline Praetorius mit dem „Katastrophen-Gen“ (man findet vor allem Einträge zu den Büchern von Elisabeth Kabatek wenn man den Begriff bei Google eingibt) austoben darf.
Ich wusste zunächst nicht, dass es das dritte Buch einer Reihe ist und dass die beiden Vorgänger „Laugenweckle zum Frühstück“ und „Brezeltango“ heißen. Trotzdem ist mir relativ bald aufgefallen dass mich Pipeline wie keine Chick-lit-Heldin seit Bridget Jones unterhalten hat und mir wie keine seit der Mutter aller Chick-lit Heldinnen im Laufe der Handlung ans Herz gewachsen ist. Dass das erste Buch mit Pipeline sich im Titel an „Schokolade zum Frühstück“ anlehnt wundert mich also überhaupt nicht.
Aber von vorn: im Gegensatz zu Bridgets Objekt der Begierde (smarter, reicher Menschenrechtsanwalt mit Jane-Austen-Helden-Namen) ist Leon, der Freund von Pipeline, ein „Boschler“, der kurz nach der Vereinigung der beiden ins chinesische Wuxi (J) abgehauen ist um sich dort für zwei Jahre beim schwäbischen Elektromagnaten zu verdingen. Blöd für Pipeline, wo sie doch in Stuttgart sesshaft bei ihrer Freundin Lila wohnt und mittlerweile auch einen Job (in der Probezeit) in einer Werbeagentur ergattern konnte. Nunja, führt man halt eine „Sehr-weit-weg-Beziehung“ über Skype. Dies führt zu allerlei Verwicklungen und Missverständnissen und Stuttgart kommt einem plötzlich alles andere als schwäbisch-gediegen-provinziell vor. Was Pipeline so erlebt und wo sie reinschlittert (im wahrsten Sinne des Wortes) ist wirklich nicht von schlechten Eltern.
Ich habe wie gesagt lange keinen Chick-lit-Roman gelesen der mich so zum Lachen gebracht hat und keinen schöneren Hundenamen gehört als „Wutzky“. Danke Frau Kabatek, ich habe mich verliebt in Pipeline und hoffe, dass wir noch viel von ihr hören werden!

Veröffentlicht am 13.09.2019

Brutaler Thriller für Whisk(e)yliebhaber

Smokeheads
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An dem Buch hat mich das Thema „schottischer Whisky“ gereizt und die Tatsache, dass es um ein „Männerwochende“ gehen sollte. Seit „Sex and the City“ und den popkulturellen Nachfolgern dieser Serie wurde ...

An dem Buch hat mich das Thema „schottischer Whisky“ gereizt und die Tatsache, dass es um ein „Männerwochende“ gehen sollte. Seit „Sex and the City“ und den popkulturellen Nachfolgern dieser Serie wurde die Männerwelt allerspätestens schonungslos darüber informiert was passiert wenn Frauen unter sich sind. Die männliche Form der exklusiven Zusammenrottung ist für uns Frauen allerdings immer noch ein größeres Mysterium als vice versa und wird wahrscheinlich im Zuge der männlichen Emanzipation gerade verstärkt thematisiert. Wie auch immer: das Buch klang für mich interessant, ich hatte mir aufgrund der Kurzbeschreibung („Ein Hangover mit Folgen – rabenschwarz und vogelwild“) wie im gleichnamigen Film eine Art Junggesellenabschied mit Single Malt und ein paar lustigen Ereignissen vorgestellt.
Weder die Aufmachung, noch der Titel oder eben die Paratexte auf dem Umschlag konnten mich auf den harten Tobak vorbereiten, der in diesem Roman tatsächlich literarisch aufgearbeitet wurde.
Eigentlich lese ich nur ungern Thriller, aber ich denke dass ich nur mit dieser Bezeichnung die literaturgenetische Einordnung von „Smokeheads“ treffe – wenn auch nicht so ganz. Die Zutaten dafür sind in diesem Fall: 4 unterschiedliche Männer um die 40 vom schottischen Festland (dem Begriff ist im Gegensatz zum Schauplatz des Buches Beachtung zu schenken), die nur ihre gemeinsame Studienzeit und die Leidenschaft für das bernsteinfarbene Getränk aus den Highlands eint – sonst sind sie charakterlich absolut divergent.
Vor allem der neureiche Roddy wird stark überzeichnet: gutaussehend, zynisch, geltungsbedürftig ohne Ende, kann sich so ziemlich alles erlauben und nimmt Worte in der Öffentlichkeit in den Mund, die andere nicht einmal denken. Sein Gegenpol ist der eher introvertierte Adam, der laut Roddy typische Losertyp, der in einem Whiskylanden arbeitet und von der eigenen Brennerei träumt.
Zusammen mit ihren zwei anderen Freunden, dem „Normalo“ Ethan und dem nachdenklichen Musiker Luke fahren Roddy und Adam für ein Wochenende auf die Insel Islay, die schottische Insel, die für ihre acht aktiven Destillerien berühmt ist, um ihrer Leidenschaft ausgiebig nachzugehen. Schon am ersten Tag ihres Männerwochendes treffen Ereignisse ein, die die Leben der vier Freunde radikal verändern (um nicht zu sagen: beenden) werden: Adam verliebt sich in Molly Gillespie, die durch die – laut Adam – beste Brennerei Islays führt und die er schon vom Whiskyfestival letztes Jahr kennt. Dass die Exekutive der Insel ausgerechnet aus Mollys gewalttätigem Exmann Joe und seinem Schlägerfreund besteht wird den Freunden bei ihrer ersten Fahrt auf der Insel schmerzlich bewusst…

Wie soll ich dieses Buch einordnen: es ist wie gesagt wahrscheinlich ein Thriller und das ohne gleichzeitig ein Krimi zu sein. Wir haben zwar viele Elemente eines Krimis (ohne zu viel zu verraten: v.a. Leiche(n) und Mörder), allerdings fehlt das Rätselelement. Die Gewalttätigkeit liegt nackt und bloß vor dem Leser, geheime Motive für die Taten oder überhaupt Geheimnisse, die der Leser aufdecken könnte, fehlen völlig. Vielleicht ist es das was mich an dem Buch so irritiert hat: das fehlende Geheimnisvolle und die sinnlose Gewalt. Man fragt sich wirklich warum jemand so etwas schreibt. Ich kann das Buch nur Lesern empfehlen die – im wahrsten Sinne des Begriffes – viel vertragen und sich nicht vor einer unbefriedigenden Leere fürchten, die am Ende der Lektüre auf sie hereinbrechen wird.

Gefallen hat mir die immer wieder durchscheinende Leidenschaft für den Whisky und die Beschreibungen, die mit den Tastings verknüpft sind. Honig, Rosinen, Pfeffer, Algen, Rauch etc. – man spürt beim Lesen auf dem Gaumen nach und überlegt ob man sich nicht auch mal ein Glas Single Malt genehmigen sollte. Alleine schon um die Eindrücke der Handlung in diesem Roman halbwegs zu betäuben. Es kommt sehr gut rüber warum man eine Leidenschaft für dieses Getränk entwickeln kann und was das Besondere ist: Whisky ist unberechenbar und jeder Whisky anders.

Sehr interessant und hilfreich sind sowohl das Glossar, in dem die wichtigsten Begriffe rund um Whisky und seine Herstellung (wie z.B. „Cask Strengh“, „Mash Tun“, „Spirit Still“) erläutert werden sowie die „Whisky-Top-Ten“ des Autors Dough Johnstone, der in seiner persönlichen Bestenliste allein vier auf Islay produszierte Whiskys aufführt.

Fazit: tatsächlich ein Buch für Whiskyliebhaber (die diesen Roman allerdings nicht als Reiseführer für ihre Tour durch Islay ansehen und lieber nicht betrunken fahren sollten) sowie ein verstörendes Buch das leider keine Fragen offen lässt. Außer vielleicht: warum?

Veröffentlicht am 13.09.2019

Platte Regency-Erotik

Lord Stonevilles Geheimnis
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Historische Regency-Romane, also solche, die nicht während der Regency-Zeit, sondern eben in unserer Zeit geschrieben worden sind, sind ein Phänomen und erfreuen sich einer großen (v.a. weiblichen) Leserschaft. ...

Historische Regency-Romane, also solche, die nicht während der Regency-Zeit, sondern eben in unserer Zeit geschrieben worden sind, sind ein Phänomen und erfreuen sich einer großen (v.a. weiblichen) Leserschaft. Warum nur, möchte man sich fragen, möchte man dem hundertsten Lord Sowieso qua Lektüre zusehen wie er sich auf 300 Seiten distanziert und doch nahbar gibt bis er endlich die begehrte Herzensdame von niederem Stand geehelicht hat. Schließlich kommt ja auch nichts an das Vorbild Jane Austen heran - ihre 6 erhalten gebliebenen Romane sind das Nonplusultra wenn es um die Darstellung der englischen Landadelswelt im frühen 19. Jahrhundert und deren Heiratspoltik geht, die sich vor allem auf Bällen in englischen Herrenhäusern abspielt.
Während im angloamerikanischen Raum solche Romane meistens mit äußerst kitschigem 80er Jahre-Cover präsentiert werden auf denen in grellen Farben meistens ein gemaltes Paar im Wind steht (wobei der oftmals langhaarige Herr ein weißes offenes Hemd trägt), mögen es die deutschsprachigen Leser solcher Romane etwas dezenter, meist mit einer in Regency-Kleidung abgebildeten Frau (freilich von hinten bzw. ohne erkennbares Gesicht). Der Lyx-Verlag bringt die Bücher dieses Genres in einer hochwertigen Aufmachung mit Klappenbroschur raus, auch das Cover sieht edel aus und der Leser denkt sich bei dem Anblick einer solch hochwertigen "Verpackung" sicher: das ist bestimmt ein gutes Buch.
Nun ja, ob die Bücher von Sabrina Jeffries als "gute Literatur" zu bezeichnen sind ist freilich Ansichtssache. Ich würde sagen, die im Original sechsteilige Reihe um die 5 Adelsgeschwister von "Halstead Hall", deren erster Teil "Lord Stonevilles Geheimnis" ist, ist eher als klischeehaft und Erotikzentriert zu betrachten. Der Anfang des Romans hat mir noch ganz gut gefallen, es wurde mit einigem Witz und auch einer Portion Dramatik die Situation der Sharpes ausgeführt. Die 5 Nachkommen der Dynastie Sharpe inklusive des Erben des Titels eines Lord Stoneville, Oliver, die seit zwei Jahrzehnten keine Eltern mehr haben, werden von ihrer bürgerlichen Großmutter mit einem Ultimatum beglückt: entweder jeder von ihnen heiratet binnen eines Jahres oder sie werden enterbt. Gut dass just in diesem Moment die attraktive Amerikanierin Maria in London aufschlägt - sie sucht nach ihrem Verlobten, der in England Geschäfte machen wollte und nicht mehr aufgetaucht ist. Lord Stoneville macht mir ihr einen Deal: er will dass sie seiner Familie die Braut vorspielt - zunächst... Natürlich entwickeln die beiden eine verhängnisvolle Leidenschaft füreinander, aber Lord Stoneville macht Maria deutlich, dass er kein Mann für die Liebe ist... Maria versucht ihn zu verändern - und blickt dabei immer mehr hinter die Kulissen der Familie und entdeckt sogar das dunkle Familiengeheimnis...
Aus diesem Stoff hätte man viel machen können - prekäre Situationen innerhalb von "Halstead Hall", Eavesdropping-Szenen, noch viel Handlungselemente, in denen die Standesunterschiede thematisiert werden. Leider kommen diese Themen viel zu kurz und es zentriert sich alles um die Beziehung von Oliver Sharpe und der Amerikanerin Maria, die einfach nur ständig miteinander ins Bett wollen. Ach ja und das dunkle Familiengeheimnis, das den mysteriösen Lord verfolgt, gibt es ja auch noch...
Obwohl der Anfang nicht schlecht war ist der Roman, wie mir scheint, einfach dazu da das Verlangen nach Erotikszenen beim Leser zu stillen...die - sehr klischeehafte - Handlung baut sich um diese Szenen herum auf. Wahrscheinlich ist dieses Genre überhaupt deswegen enstanden, weil derartige Szenen in echten Regency-Romanen ausgespart sind (und das ist auch gut so). Natürlich sind solche Romane vorhersehbar, aber wenn es wenigstens gut geschrieben wäre wäre das ja nicht so tragisch. Der Plot neigt zu unfreiwilliger Komik - wer solche Art von sinnfreier pseudohistorischer Unterhaltung mag (ich mag sie manchmal, aber in diesem Fall nicht), der kann ja mal einen Blick in das Buch bzw. die ganze Reihe riskieren. Vielleicht wird die Handlung (jedes Buch ist einem der Geschwister gewidmet) in den folgenden Büchern besser, man soll die Hoffnung ja nie aufgeben... Vielleicht sind die Charaktere der anderen Geschiwster (eine Romanautorin, eine "ungezogene" Lady die gerne schießt) interessanteres Material als der platte "Ich kann nicht anders, ich muss die Frauen verführen, aber ich kann nicht lieben und ich bin dark und brooding"-Lord Stoneville.
Aber die Aufmachung des Buches ist wirklich schön...

Veröffentlicht am 13.09.2019

Autobiograhie also schwer zu bewerten

Die weiße Massai
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Autobiographien sind nicht literarisch im eigentlichen Sinne und deswegen kann ich an sie auch nicht den Maßstab anlegen, den ich an einen Roman, eine Erzählung etc. anlege. Autobiographien sind authentisch ...

Autobiographien sind nicht literarisch im eigentlichen Sinne und deswegen kann ich an sie auch nicht den Maßstab anlegen, den ich an einen Roman, eine Erzählung etc. anlege. Autobiographien sind authentisch – auch wenn sich fiktive Elemente sicher hier und da in die Erinnerung eines jeden Autors einschleichen – und einzigartig. Es ist keine Handlung die sich vollzieht sondern das Leben eines Menschen in der Retrospektive. Von daher: ich kann keine Rezension schreiben über „Die weiße Massai“, denn mein Instrumentarium, mit dem ich einen Roman, eine Erzählung etc. abklopfe kann ich hier nicht anwenden. Zudem fehlt mir das ethnologische Fachwissen um den Inhalt und die Positionen der Autorin einer postkolonialen Kritik zu unterziehen.

Von daher ist dies mehr ein kurzer Lesebericht über ein Buch, das in der autobiographischen Literatur (jetzt verwende ich ja doch das Wort) seit mehr als einer Dekade ein Klassiker und überdies mit Nina Hoss in der Hauptrolle verfilmt worden ist. Ich habe es erst jetzt gelesen, zum einen weil ich nicht oft Autobiographien lese, zum anderen weil Afrika mich thematisch nicht an vorderster Front gereizt hat. Irgendwie habe ich das Buch aber doch auf meine Bookcrossing-Wunschliste gepackt (nach dem Motto: vielleicht soll ich es ja lesen, aber unbedingt muss es nicht sein). Vor einigen Wochen schrieb mich eine freundliche Bookcrosserin an dass sie mir das Buch gerne weiterleiten würde und ich habe nicht nein gesagt.

Als es ankam habe ich es erstmal auf meinen SUB gelegt, doch irgendwie hat es mich magisch angezogen und trotz zweier unfertiger Bücher habe ich es angefangen zu lesen.

Erst erschreckte mich mit welcher Rigorosität die Schweizerin Corinne Hofmann der „Liebe auf den ersten Blick“ in einen Samburu-Mann verfallen ist, wie sie in ihrer Heimat alles aufgegeben hat. Doch nach und nach empfand ich immer mehr Interesse für diese Frau, die das Experiment eingegangen ist als Europäerin im ländlichen Kenia zu leben, bei einem Mann, den sie im Grunde nicht kannte und bei einem Volksstamm, der selbst im eigenen Land als fremde Randerscheinung wahrgenommen wird. Sie heiratet ihn, baut im abgeschiedenen afrikanischen Hochland ein Geschäft auf, passt sich seiner Kultur mehr oder weniger an und bekommt ein Kind im Buschhospital. Und das alles obwohl ihr schwere Krankheiten, die interkulturellen Schwierigkeiten und das Misstrauen ihres Mannes zusetzen.

Das Buch ist sehr einfach geschrieben, aber genau das macht es so authentisch. Hier erinnert sich jemand wirklich – und das ohne viel Schnörkel und eben in der ihm bzw. ihr eigenen Ausdrucksweise.

Die Rezeption dieses Buches ist sicher geteilt. Ich kann nicht sagen ob die Kultur der Samburu falsch dargestellt ist oder nicht und ob Frau Hofmann alles zu unreflektiert geschildert bzw. warum sie Massai und Samburu einander gleichgesetzt hat. Ich empfinde das Buch als sehr subjektiv und das ist auch gut so.

Veröffentlicht am 13.09.2019

Tod und Essen

Rotes Gold
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Essen ist ein existentielles Thema, wie auch der Tod eines, ja das existentielle Thema schlechthin ist. Wenn Essen und Tod in einem Krimi zusammenkommen kann man nicht umhin dass einen das an das Leben ...

Essen ist ein existentielles Thema, wie auch der Tod eines, ja das existentielle Thema schlechthin ist. Wenn Essen und Tod in einem Krimi zusammenkommen kann man nicht umhin dass einen das an das Leben erinnert.

Aber von Anfang an: ich habe den ersten Roman „Teufelsfrucht“ nicht gelesen, in dem der Luxemburger Koch Xafier Kieffer als Ermittler einer kulinarischen Krimireihe eingeführt wird. Dennoch habe ich mich erneut für eine Lovelybooks-Leserunde für den Nachfolgeband "Rotes Gold" beworben. Der zweite Band beginnt jedenfalls damit, dass einer der weltbesten Sushiköche (Mifune) bei einem ihm gewidmeten Abend im Pariser Museum Orsay tot umfällt. Xavier Kieffer ist zugegen und wird schnell in den Fall hineingezogen, da der exzentrische und schwerreiche Pariser Bürgermeister ihn bittet privat zu ermitteln.

Xavier Kieffer ist einem in seiner Technikskepsis („Wiffi“) und seiner Vorliebe für ein dolce vita (Alkohol, Essen, Wein, Ruhe, schönes Ambiente, schöne natürliche Frauen) ohne Gesundheitsdogmatismus sympathisch. Bei all dem hat er aber stets im Gefühl, wenn der schmale Grat von Genuss überschritten und zur lukullischen Dekandenz wird. Diesen überschreitet beispielsweise der (natürlich fiktive) Pariser Bürgermeister François Allegret, der sich gerne vom Aussterben bedrohte Singvögel und Gänsestopfleber ohne den Hauch eines Skrupels genehmigt.
Von diesen Gourmets ohne Gewissen leben diejenigen, die mit den exotischen Lebensmitteln handeln. Eines dieser schwer zu bekommenden Lebensmittel ist der Blauflossenthun (Blue fin). Vom Handel mit ihm handelt auch der Krimi „Rotes Gold“, eine Umschreibung für diesen Fisch, der als Sushi-Spezialität gilt.

Gemeinsam mit seinem finnischen Freund Pekka, der bei der EU arbeitet und seinem ehemaligen japanischen Kollegen und immer noch Freund Toro versucht Kieffer herauszufinden, was es mit der Thunfisch-Mafia und dem Tod des Sushikochs auf sich haben könnte. Dabei wird der Leser in die düstere – und mitunter auch recht bigotte – Welt des Thunfischfangs entführt. Man lernt Lusoburges (Luxemburger Staatsbürger mit portuguiesischem Migrationshintergrund) kennen und erfährt wie die Sizilianer seit Jahrhunderten mit und durch den Thunfisch leben.
Für Vegetarier und Veganer, zu denen ich mich zähle, ist die kulinarische Verstiegenheit und der (schlechte) Geschmack der Gourmets mitunter schwer zu verkraften. Es wird sehr deutlich wie egozentrisch und moralisch bedenklich die Welt bzw. Industrie des hemmungslosen Genusses ist und welche Gefahr sie darstellt.

Kieffer ist als Ermittler wie gesagt eine sympathische Figur, die ein angenehmes „Jedermann“-Image hat. So gar nicht passt seine 36jährige Freundin Valerie zu ihm, möchte man meinen. Sie ist die Erbin des Restaurantführerimperiums Guide Gabin (man braucht nicht lange um das Vorbild in der realen Welt zu entschlüsseln) und als solche im Bermudadreieck der Sternegastronomie beheimatet. Kieffer ist da eigentlich eine komische Wahl, als luxemburgischer Eigenbrötler und momentan ohne Stern sowie leicht ergraut, wie es im Roman heißt. Aber das macht den Reiz aus: Paare, die scheinbar nicht zueinander passen kommen in der Literatur immer gut. Und auch in diesen Krimi bringt die Liebeshandlung ein wenig zusätzlichen Pep und Menschlichkeit, die den skrupellosen Thunfischdealern mangelt.

Im letzten großen Handlungsabschnitt wird noch einmal viel an Spannung aufgeboten. Man konnte nicht umhin ein wenig "Miami Vice-Magnum-MacGyver"-Feeling zu bekommen, als sich Kieffer dazu aufmacht die schlimmen Machenschaften der Fischmafia aufzudecken.

Ich finde der Krimi ist solide und gut gemacht. Mir gefällt die Sprache und Schreibweise Hillenbrand sehr, denn sie stellt sich nicht experimentell in den Vordergrund um darüber die Handlung in den Hintergrund zu Rücken. Nein, die faktenunterfütterte Handlung, das Setting und die allgemeine Atmosphäre haben hier Vorrang vor einer etwaigen Selbstdarstellung des Autors. Der Faktenreichtum ist an manchen Stellen etwas störend und das geballte kulinarische Wissen schlägt einem allzu enzyklopädisch entgegen. Natürlich hat das aber auch seine gute Seite, denn obwohl der Lesegenuss manchmal darunter leidet lernt der Leser viel über die ökonomischen Aspekte der Genussbranche und natürlich über luxemburgische Spezialitäten (die dankenswerter Weise in einem beigefügten Glossar am Ende zusammen mit anderem kulinarischen Jargon erklärt werden).

Von der Auflösung bzw. der Revelation des Täters hätte ich mir mehr erhofft, denn es ist dann doch „Mr. Obvious“ geworden. Es scheint Tom Hillenbrand also weniger darum zu gehen am Ende dem Leser eine möglichst spektakuläre Auflösung zu bieten, auf die er selbst nie gekommen wäre, sondern eher um den „Weg“ also die Handlung selbst. Das ist als Ansatz durchaus akzeptabel, ob es das ist was ich speziell von einem Krimi erwarte, da bin ich nicht so sicher.