Wenn die Angst vor der Angst dein Leben beherrscht
Alles. Nichts. Und ganz viel dazwischen.Leni und Emma, zwei Freundinnen im letzten Jahr vor dem Abitur. Während Emma alles zufällt und sie von einer gewissen Leichtigkeit und Vorfreude umgeben wird, erschreckt Leni der Gedanke an die nächsten ...
Leni und Emma, zwei Freundinnen im letzten Jahr vor dem Abitur. Während Emma alles zufällt und sie von einer gewissen Leichtigkeit und Vorfreude umgeben wird, erschreckt Leni der Gedanke an die nächsten Monate. Ein Jahr mit hohem Lernpensum und die Entscheidung, wie es nach der Schule weitergehen soll, liegen vor ihr. Ihre Eltern, selbst erfolgreich im Job, erhoffen sich von Leni ein gutes Abitur und setzen sie so unbewusst unter Druck. Denn Leni weiß noch gar nicht wie sie ihre Zukunft gestalten möchte. Die Schulwochen vergehen, und die ersten Arbeiten stehen an. Leni fühlt sich ständig müde und unwohl, bekommt phasenweise schlecht Luft und muss sich mehrmals übergeben.
Was anfänglich nach einer Grippe aussieht, entwickelt sich schnell zu einem dauerhaften Problem. Leni ahnt, dass mit ihr etwas nicht stimmt. Sie spürt eine große Leere in sich und die Angst, dass ihr in der Schule schlecht wird und sie sich übergeben muss, ist allgegenwärtig. Nach einem lebensgefährlichen Zusammenbruch, wird sie von ihrer behandelnden Ärztin in eine Fachklinik überwiesen und trifft dort auf verschieden Mitbewohner mit ähnlichen Problemen. Kurz nach ihr kommt Matti in die Klinik. Matti ist - im Gegensatz zu Leni - nicht freiwillig da und muss sich mit ganz anderen Problemen auseinandersetzen. Und trotzdem verbindet sie etwas! Seit langer Zeit ist Matti die erste Person, bei der Leni sich wohl fühlt. Und wo Matti ist, da will auch Leni sein. Ein Wunsch, der die beiden auf eine unglaubliche Reise mit ungewissem Ausgang führt.
Buchzitat: „Manchmal denkt man, die Depression und die Angst würden einem alles nehmen, was man hat und liebt. Aber die Wahrheit ist, dass nicht die Krankheit das entscheidet, sondern du.“
Ava Reeds Buch ist eine Mischung aus Selbsterlebtem und frei erfundener Geschichte. Die Charaktere lassen dem Leser genug Raum, sich in diesem Buch zu finden. Ob als Betroffener, Angehöriger oder einfach als Leser, der interessiert an diesem Thema ist.
Leni, ein fröhliches Mädchen und Tochter von liebenswerten Eltern. Bisher fröhlich und unbeschwert unterwegs, fühlt sie sich im letzten Schuljahr komplett überfordert. Wie gut schaffe ich mein Abitur, was mache ich danach? Schaffe ich das? Fragen über Fragen, die sich ständig im Kreise drehen. Lenis Selbstzweifel und der Kampf gegen sich selbst lassen sie unglaublich hilflos und zerbrechlich wirken. Doch so schlecht es ihr geht und so schwach wie sie sich fühlt, aufgeben ist nicht ihr Plan und das vermittelt sie auf ganz wunderbare Weise in diesem Buch.
Matti, chronisch krank und völlig überbehütet. Er wächst in einem mehr als gut situierten Elternhaus auf, hat einen Privatlehrer und bekommt die meisten Wünsche von den Augen abgelesen. Anfangs wirkt er oft überheblich und arrogant. Doch im Laufe des Buches bekommen die Leser einen immer besseren Einblick in sein Gefühlsleben. Die Fassade bröckelt und Matti lässt den Leser an seinen Wünschen und Träumen teilhaben.
Emma, Philip, Anna und die Eltern. Alles wunderbare Nebencharaktere die deutlich machen wie wichtig es ist, einfach nur da zu sein und wertfrei miteinander umzugehen.
Der Schreibstil von Ava Reed ist sehr angenehm. Obwohl die Thematik nicht einfach ist, lässt es sich gut lesen und die Zeilen fließen so dahin. Die grüne Farbe des Covers verbunden mit den Lichterketten in der Dunkelheit hat mich zunächst irritiert, dann nachdenklich gestimmt. Ich bin für mich zu dem Ergebnis gekommen, dass Grün die Farbe der Hoffnung ist und so erschien mir das Cover schön stimmig zu der Aussage des Buches.
Mein persönliches Fazit:
Ehrlich gesagt fällt es mir ein wenig schwer, dieses Buch objektiv zu betrachten. Ava Reeds Thema in diesem Buch ist auch mein Thema. Doch jeder nimmt seine Angststörung und Depression anders war und ich finde, dass hat Ava Reed in diesem Buch sehr schön beschrieben. Nicht nur ein Roman der sich gut lesen lässt, sondern ein Thema das authentisch und einfühlsam angegangen und gut umgesetzt wurde.
Für mich lediglich unbegreifbar wie Leni sich dazu aufraffen konnte, die Klinik zu verlassen. Aber das war eben IHRE Geschichte.
Erfreulich auch, dass eine Autorin selbst ihre Illustrationen und Tagebucheinträge kreiert. Sicherlich für viele Illustratoren nicht perfekt, aber genau das macht dieses Buch ja aus. Jeder ist gut so wie er ist! Das Streben nach ständigem Perfektionismus macht krank, genauso hohe Selbstansprüche und die Angst vor Kontrollverlust. Das hat Ava Reed hier anschaulich beschrieben. Wie wichtig ihr dieses Thema ist, entnimmt der Leser dem Vor- und Nachwort. Sehr persönlich erklärt sie die Umstände, die zu diesem Buch geführt haben und gibt der Geschichte hiermit einen wichtigen Rahmen. Meiner Meinung nach, hätten es gerne 100 Seiten mehr sein dürfen. Es erschien mir fast ein wenig zu kurz.
4,5/5 Sternen