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Veröffentlicht am 17.12.2021

Familiäre Bande lassen sich nicht so einfach lösen

Wir sind schließlich wer
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Anna von Betteray, mit Mitte dreißig geschieden, im katholischen Glauben erzogen, übernimmt ein einem kleinen Ort am Niederrhein die Vertretung des erkrankten (evangelischen) Pfarrers. Für die Dorfbewohner ...

Anna von Betteray, mit Mitte dreißig geschieden, im katholischen Glauben erzogen, übernimmt ein einem kleinen Ort am Niederrhein die Vertretung des erkrankten (evangelischen) Pfarrers. Für die Dorfbewohner nicht nur auf Grund ihrer adligen Herkunft, sondern vor allem auch wegen ihres Familienstands ein alles anderer als "passender" Ersatz. Dies lässt sie die Haushälterin des abwesenden Pfarrers schon kurz nach ihrer Ankunft deutlich spüren, was Anna aber erst einige Zeit später auffällt.
Neben diesem Erzählstrang, in den bekannte Dorfstrukturen und Verhaltensweisen sehr geschickt und glaubhaft eingebettet sind, erhält man in einem weiteren Erzählstrang Zutritt zur Familie derer von Betteray, wobei eine hervorragende Charakterisierung von Annas Mutter deren Standesdünkel einfach nicht übersehen werden kann. Dabei legt Maria, die nur vier Jahre ältere Schwester von Anna, von klein auf bemüht, der Erwartungshaltung der Mutter inklusive Heirat eines ebenfalls Adligen gerecht zu werden. Dass sie dies nicht nur erfolgreich gemeistert hat und Mutter eines 11jährigen Sohnes geworden ist, täuscht im Laufe der Geschichte nicht darüber hinweg, dass auch bei ihr nicht alles so vollkommen ist, wie sie es nach spiegelt. Dass sich ihr (adliger) Ehemann wegen Steuerhinterziehung rechtfertigen muss passt so gar nicht in ihr Weltbild bzw. entspricht so gar nicht ihrem herablassenden Standesbewusstsein. Dass But dann doch dicker als Wasser ist, zeigt sich in dem zunächst zaghaften Versuch der beiden Schwestern, wieder aufeinander zuzugehen und gemeinsam das nervenaufreibende und belastende Verschwinden von Marias Sohn aufzuklären. Auch stellt sich Anna unterstützend und stärkend an Marias Seite, als sie mit dem nicht unerheblichen Steuerbetrug ihres Ehemannes konfrontiert wird.
Eine ganz besondere, lebenserfahrende und lebenskluge Tante, Großtante Ottilie, trägt mit sehr viel Einfühlungsvermögen und klaren Statements zu Annas psychischem Wohlergehen bei und setzt mit so mancher treffenden Bemerkung amüsante, lebensnahe und lebenstaugliche Akzente im Verlauf der Geschichte. Diese Dame Anfang 90 ist mein ganz persönliches highlight in diesem Roman. Herzerfrischend und doch mit starken und treffenden Bemerkungen – gelungen!
Meine Erwartung auf Grund der kurzen Inhaltsangabe zum Roman, genaueres über die berufliche Tätigkeit Annas und ihre Akzeptanz durch die Bewohner bzw. auch eine mögliche Nichtakzeptanz haben sich leider nicht erfüllt. Das Augenmerk liegt auf der Familie von Beheray und hier im Besonderen in der Auseinandersetzung und auch Aufarbeitung von Annas Vergangenheit. Um dann wieder zu einem guten und freundschaftlichen Verhältnis zu ihrer Schwester zu gelangen. Diese Entwicklung wird unter Berücksichtigung verschiedener Aspekte gut beschrieben und auch auf Grund des leichten und flüssigen Schreibstils kann man dem Verlauf der Geschichte sehr gut folgen, zumal sie auch einige recht spannende Momente enthält.

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Veröffentlicht am 12.12.2021

Eine junge Frau lässt sich von der deutsch-deutschen Grenze nicht aufhalten

Die Dorfschullehrerin
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Helene, eine knapp dreißigjährige verwitwete Lehrerin, nimmt zu Beginn des Jahres 1961 eine Stelle an einer kleinen hessischen Dorfschule, nur wenige Kilometer von der damaligen Zonengrenze entfernt an. ...

Helene, eine knapp dreißigjährige verwitwete Lehrerin, nimmt zu Beginn des Jahres 1961 eine Stelle an einer kleinen hessischen Dorfschule, nur wenige Kilometer von der damaligen Zonengrenze entfernt an. Über ihr vorhergehendes Leben in der noch im Aufbau befindlichen DDR gibt sie nur wenig preis und die Vorbehalte der Dorfbevölkerung schwinden mehr und mehr, da sie sich durch ihre Unterrichtsform und ihre den Schülern zugewandte Art deutlich vom Lehrerkollegium abhebt. Sie gewinnt nicht nur die Herzen ihrer Schüler, sondern setzt sich für sie ein. Sei es gegenüber Lehrerkollegen oder auch schon mal gegenüber Eltern. Auch wenn die Dorfgemeinschaft nicht davon ausgeht, dass Helene lange bleiben wird, handelt es sich doch um ein sehr ländliches und abgeschiedenes Dorf, so verfolgt Helene einen ganz besonderen Plan, den sie beharrlich verfolgt und in den sie niemanden einweiht.
Mit diesem Roman gelingt es der Autorin, einen Teil der deutsch-deutschen Geschichte aufzuzeigen und transparent zu machen, die von der ersten Seite an fesselt. Dabei wird nicht nur die Schulstruktur dieser Zeit, etwa in Form der üblichen Doppelklassen und den damit verbundenen besonderen beruflichen Herausforderungen an Lehrkräfte sehr authentisch und überzeugend dargestellt. Sondern auch die Herausforderungen, Auswirkungen und Herausforderungen, die mit dem Aufbau der DDR verbunden waren. Dazu wird ein weiterer Erzählstrang genutzt, in dem die Familie von Helenes Vater und auch ihre bei ihm lebende Tochter Marie eine wichtige und tragende Rolle spielt. Dabei sehr faszinierend mitzuerleben, wie gerade in der Charaktere der Ehefrau von Helenes Vater die Erkenntnis reift, dass der praktische Sozialismus nicht mit den ersten Erwartungshaltungen und Hoffnungen übereinstimmt.
Ein Roman, der von überzeugenden Charakteren getragen wird und Einblicke vor allem in den ostdeutschen Alltag und die zunehmenden Probleme und Einschränkungen, unter denen die dort lebenden Menschen noch viele Jahrzehnte leben mussten, werden auf eine sehr anschauliche und realistische Weise dargestellt. Auch wenn es sich um zwei Erzählstränge handelt, findet man sich in der jeweiligen Geschichte sehr gut zurecht und es ergibt sich ein überzeugendes und zunehmend spannendes Gesamtbild. Hat man selbst in den frühen 60er Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts seine eigene Schulzeit erlebt, so findet man sich, gerade in so vielen Kleinigkeiten sofort wieder. Und, als etwas besonderes empfinde ich das Einflechten von so manchem Gespräch in Kirchdorf in dem dort herrschenden Dialekt. Gerade dies bewirkt eine lebhafte Vorstellung von dem Dorfleben und Dorfgeschehen und erzeugt eine glaubwürdige Authentizität. Im Übrigen trägt auch die Einbindung von amerikanischen Streitkräften in der nächstgelegenen Stadt, zu einem gelungen Zeitkolorit bei. Gekonnt die zunächst nur freundschaftliche Beziehung zwischen Helene und einem GI, die im Verlauf der Geschichte sicher eine besondere Rolle spielen könnte …
Dieser Roman hat mich von Anfang an begeistert, gefesselt und mich eine Zeitreise antreten lassen, an deren Ende ich viel darüber erfahren habe, wie sich grobe Zusammenhänge im täglichen Leben der damaligen Zeit ausgewirkt haben. Freue mich und bin sehr gespannt auf den Folgeband!

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Veröffentlicht am 29.11.2021

Eine wohltuende und herzerwärmende Auszeit

Das kleine Chalet in der Schweiz
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Mina, quirlig, freundlich, offen, großzügig, kreativ und mit einem großen Freundes- und Bekanntenkreis, den sie immer wieder gerne zu kulinarischen Überraschungspartys einlädt, fiebert einer neuen Party ...

Mina, quirlig, freundlich, offen, großzügig, kreativ und mit einem großen Freundes- und Bekanntenkreis, den sie immer wieder gerne zu kulinarischen Überraschungspartys einlädt, fiebert einer neuen Party mit einem ganz besonderen persönlichen highlight entgegen. Doch es kommt alles anders als geplant und sie sieht nur noch einen einzigen Ausweg: nichts wie weg. So weit weg, wie in der gerade herrschenden Winterzeit nur möglich. Ihre Flucht endet in der Schweiz, liebevoll und aufmerksam umsorgt von ihrer heißgeliebten Patentante. Wenn da nicht Luke wäre, den sie auf recht unkonventionelle Zugfahrt in die Schweiz kennengelernt hat und Spuren in ihrem Herzen hinterlassen hat, die sie nicht wahrhaben möchte.
Eine zauberhafte Liebesgeschichte entfaltet sich beim Lesen. Liebend gerne würde man zu Minas Freundeskreis gehören oder auch Gast im Hotel der Patentante sein, die es versteht, eine ganz besondere "freue mich, dass gerade du bei mir zu Gast bist" – Atmosphäre zu vermitteln. Da würde ich mich auf alle Fälle so wohl fühlen, dass ich immer wieder kommen würde …
Der Autorin gelingt es mit einer noch nicht erlebten Leichtigkeit, diese Atmosphäre so eindrücklich zu schildern und in Worte zu fassen, dass ich nur staunen kann. Besonders reizvoll dabei die Schilderung der vorübergehenden Wahlheimat von Mina, wobei sich mit Leichtigkeit eine bildhafte Vorstellung des Gelesenen einstellt. Wenn ein Roman die Bezeichnung "Wohlfühlroman" verdient, dann nimmt dieser Ausflug in das kleine schweizer Chalet mit den ersten Platz ein.

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Veröffentlicht am 29.11.2021

Großes Kino und ich mittendrin …

Der Traumpalast
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Peter Prange, Garant für hervorragend recherchierte historische Romane, lädt mit seinem neusten und überaus seitenstarken Werk zu einem (geschichtlichen) Ausflug nicht nur in die aufregenden Zeiten der ...

Peter Prange, Garant für hervorragend recherchierte historische Romane, lädt mit seinem neusten und überaus seitenstarken Werk zu einem (geschichtlichen) Ausflug nicht nur in die aufregenden Zeiten der 20er Jahre des 20. Jahrhunderts ein, sondern ermöglicht auch einen sehr informativen und aufschlussreichen Blick hinter die Kulissen. Genauer gesagt, hinter die Kulissen und die geschichtliche Entwicklung der bunten, schillernden und auch schrillen Welt der beginnenden Kinoära. Aufgezeigt an Hand und mit Hilfe der faszinierenden Ufa im pulsierenden Berlin, die noch immer existiert und zu den ältesten Filmfirmen Europas zählt.
Dabei wird erneut deutsche Geschichte mit fiktiven Protagonisten verknüpft, die auf sehr spannende und unterhaltsame Weise diese Zeit, mit all den bekannten, möglicherweise aber auch noch unbekannten, Ereignissen und deren Auswirkungen auf Einzelne gleichsam auferstehen lässt.
Dabei kommt natürlich auch die Liebe nicht zu kurz, wobei im ersten Band bereits zu ahnen ist, wie sich die Beziehung eines Bankiersohnes zu einer Jüdin im Hinblick auf die späteren Jahre entwickeln könnte. Konstantin Reichenbach bricht mit seiner wohlhabenden Familie aus Liebe zu der jungen Jüdin Rahel Rosenberg, bei der es sich nach Auffassung von Konstantins Mutter um eine völlig unpassende Verbindung handelt. Allerdings unterscheidet sich Rahels Lebensvorstellung deutlich von der ihres Partners: sie möchte keine Ehe und auf keinen Fall auf ihre Freiheit und Unabhängigkeit verzichten. Ihr Lebensziel ist eine berufliche Tätigkeit als Journalistin, alles andere als üblich für Frauen in der damaligen Zeit. Konstantin, der sich nach seinem Ausscheiden aus den familiären Bankgeschäften beruflich neu orientieren muss, findet großes Interesse an der aufkommenden Filmindustrie und wagt gemeinsam mit seinem Freund und Filmproduzenten Erich Pommer den Einstieg in ein neues und zukunftsträchtiges Unternehmen.
Ein gelungener und stimmiger Roman, der von der ersten Seite an fesselt. Dabei besonders erwähnenswert die hervorragende und aufschlussreiche Darstellung und Beschreibung der Filmgeschichte, in den unterschiedliche Aspekte eine aufschlussreiche Berücksichtigung finden: nachvollziehbare und verständliche Finanzierungsprobleme, Pleiten, Pannen, aber auch unerwartete und großartige Erfolge, auch persönliche Eitelkeiten und das unersättliche Streben nach Macht und Einfluss.
Auch wenn mehr als 800 Seiten zu lesen sind, ist diese Aufgabe dank des flüssigen und fesselnden Schreibstils leicht zu erfüllen. Die Erwartung an eine interessante und aufschlussreiche Lesereise hat sich für mich erfüllt und möchte diesen Roman deshalb liebend gerne weiterempfehlen.

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Veröffentlicht am 28.11.2021

Judenverfolgung in Deutschland im Zuge des Ersten Kreuzzugs

Tod oder Taufe - Die Kreuzfahrer am Rhein
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Handlungsort ist die Stadt Mainz, deren jüdische Bevölkerung im Jahr 1096 einer tödlichen Gefahr entgegensieht: ein großes Kreuzritterheer auf dem Weg nach Jerusalem macht vor den Toren der Stadt Halt, ...

Handlungsort ist die Stadt Mainz, deren jüdische Bevölkerung im Jahr 1096 einer tödlichen Gefahr entgegensieht: ein großes Kreuzritterheer auf dem Weg nach Jerusalem macht vor den Toren der Stadt Halt, um zunächst einmal diese deutsche Stadt das auszuleben, was Sinn und Zweck ihres Kreuzzugs ist: die Stadt von den verhassten Juden zu "befreien", sie regelrecht auszulöschen.
Dabei wird eine Zeitspanne von lediglich 5 Tagen abgedeckt, wobei die informative und detailreiche Beschreibung des frühmittelalterlichen Mainz ein regelrechtes Ab- und eintauchen in diese Zeit ermöglicht und das Gefühl entsteht, selbst zu dieser Zeit in dieser Stadt zu leben.
Und auch das friedliche Miteinander von Juden und Christen wird anschaulich dargestellt in der freundschaftlichen Verbundenheit des jüdischen Rabbis Chaim und dem christlichen Domdekan Raimund. Dabei eignen sich gerade diese beiden Personen hervorragend, um Bibelstellen und Gebete mit in das Geschehen einzubetten, was nach meiner Einschätzung eine wichtige und sinnvolle Ergänzung rund um dieses schreckliche Ereignis darstellt. Schon bemerkenswert, welche Aussagekraft und Bedeutung in der noch heute aktuellen Bibel verborgen liegt und bereichernd, zum Teil auch sehr ermutigend, diese im Kontext mit einem Roman wieder sich in Erinnerung rufen zu können
Der seitenstarke Roman verfügt neben dem fiktiven und realen Geschehen über einige weitere Bestandteile, die Auskunft über die hervorragenden Recherchen und Kenntnisse des Autors geben: ein Personenregister, aus dem sich durch entsprechende Markierung die zum Romangeschehen beitragenden realen Personen entnehmen lassen sowie eine handgezeichnete Karte, die ein eindrucksvolles Bild von dem damaligen Handlungsort ermöglicht. Außerdem ein Glossar und umfangreiches Nachwort des Autors, womit das gesamte Buch sehr informativ und hervorragend abgerundet wird.

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