Wie lange wirkt Schuld?
Das GeheimnisNachdem ich bisher schon alle Romane von Ellen Sandberg (Inge Löhnig) mit Begeisterung verschlungen habe, war ich sehr gespannt auf das neueste Buch. Im direkten Vergleich schneidet „Das Geheimnis“ zwar ...
Nachdem ich bisher schon alle Romane von Ellen Sandberg (Inge Löhnig) mit Begeisterung verschlungen habe, war ich sehr gespannt auf das neueste Buch. Im direkten Vergleich schneidet „Das Geheimnis“ zwar etwas schwächer ab, aber es ist trotz allem eine sehr spannende und lesenswerte Geschichte.
Im Mittelpunkt stehen zunächst zwei Frauen: Mutter Helga und deren Tochter Ulla, welche ab ihrem 9. Lebensjahr ausschließlich bei ihrem Vater aufwuchs. Helga hatte bis auf gelegentliche Briefe den Kontakt abgebrochen, worüber Ulla niemals hinweggekommen ist.
Leider konnte sie auch als Erwachsene die Umstände nicht mehr aufklären, da ihre Mutter bereits 1975 durch einen Unfall ums Leben kam. Ulla war damals erst 15 Jahre alt. Die Ungewissheit hat ihr Leben in vielen Bereichen geprägt, oft sehr unbewusst. So ist zum Beispiel das Verhältnis zu ihrer eigenen Tochter Sandra sehr angespannt.
Als Ulla sich kurz vor ihrem 60. Geburtstag entschließt, einige Wochen im früheren Haus ihrer Mutter zu verbringen, findet sie dort unerwartet Antworten auf ihre zahlreichen Fragen. Und eine erschreckende Geschichte offenbart sich, deren Tragweite und Auswirkungen leider enorm sind.
Der Schreibstil ist wie gewohnt sehr lebendig und mitreißend. Die wechselnden Kapitel aus der Sicht der verschiedenen Frauen machen das Lesen kurzweilig und fesselnd. Neben der Perspektive wechseln auch die Zeiten: wir erleben das Jahr 1975, aber auch die Gegenwart in 2020, sowie aus Erzählungen die schlimme Ära des Krieges während der Dreißiger- und Vierzigerjahre.
Geprägt ist die Geschichte vor allem von Emotionen, die dank der authentischen Charakterisierung der Figuren auch sehr lebensnah wirken und geradezu zum Mitfühlen anregen. Tatsächlich habe ich einige beschriebene zwischenmenschliche Probleme im eigenen Leben wiedergefunden. Nicht nur deshalb kann das Buch auch zum Nachdenken animieren.
Neben all den Gefühlsaspekten kommt aber auch die Spannung in diesem Roman nicht zu kurz, gibt es doch zahlreiche Geheimnisse, die es zu lüften gilt. Der Titel hält, was er verspricht. Wobei ich aber zugeben muss, dass ich als geübter Krimileser vieles schnell vorausahnen konnte. Die Hauptthemen sind Flucht, Vertreibung und vor allem Schuld und deren Auswirkungen auf unser Leben und das unserer Umgebung.
Die wichtigsten Rollen in diesem Roman spielen Frauen, deren Platz in der Gesellschaft im Wandel der Zeit und ihre speziellen Sorgen und Nöte. So richtig anfreunden konnte ich mich aber leider mit keiner der Figuren, obwohl sie durchaus nicht unsympathisch waren. Aber wohl doch etwas zu eigen und ihre Handlungen waren für mich oft nicht gut nachvollziehbar, trotzdem aber im Zuge der Ereignisse auch wiederum nicht unlogisch.
Bildet euch unbedingt eine eigene Meinung, denn ich bin sicher, dass hier beim Lesen sehr die persönlichen Emotionen und Erfahrungen zum Tragen kommen und die Geschichte wirkt so immer etwas anders, denke ich.
Es lohnt sich auf jeden Fall, denn ihr dürft eine spannende, wenngleich auch sehr tragische Lebensgeschichte erfahren, die aufwühlend und gleichermaßen unterhaltend ist.