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Veröffentlicht am 26.09.2022

Die Kunst und ihr Preis

Das neunte Gemälde
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Kunsthistoriker Lennard Lomberg erhält einen rätselhaften Anruf vom einem Mann namens Dupret. Dieser fordert Lomberg auf, die Rückgabe eines verschollenen Gemäldes zu organisieren, wird aber kurz darauf ...

Kunsthistoriker Lennard Lomberg erhält einen rätselhaften Anruf vom einem Mann namens Dupret. Dieser fordert Lomberg auf, die Rückgabe eines verschollenen Gemäldes zu organisieren, wird aber kurz darauf ermordet. Kriminalrätin Sina Röhm ermittelt daher auch gegen Lomberg und findet heraus, dass sein Vater in Zusammenhang mit einem von den Nazis geraubten Gemäldes steht. Lomberg senior war schließlich Leutnant für Kunstschutz im besetzten Paris der 1940er Jahre. Sein Sohn beschließt daraufhin selber zu ermitteln und das Gemälde zu finden. Dabei dringt er nicht nur immer tiefer in die Geschichte seiner Familie ein, sondern wird sogar selbst zur Zielscheibe.
Das Cover zeigt einen Mann allein am Bahnsteig, das Bild ist einfarbig in Orangetönen gehalten, die Lettern des Titels scheinen durch ihre unterschiedliche Größe auf dem Umschlag zu tanzen. Die vordere Klappenbroschur beinhaltet einen Pariser Stadtplan von 1943, die hintere einen Plan von Ceret aus dem Jahr 2016, in dem die Geschichte beginnt. Sie wird in zwei Erzählsträngen wiedergegeben. In der Handlung von 2016 sind Lennard Lombergs Erlebnisse festgehalten; der zweite Erzählstrang vermittelt Ernst Lombergs Leben. Zur Unterstreichung der Glaubwürdigkeit sind in beiden Geschichten jeweils Wochentag und Datum der Geschehnisse vermerkt.
Lennard Lomberg und sein Umkreis sind sympathische Charaktere, sehr lebensnah gezeichnet, die neugierig auf weitere Geschichten rund um den Kunsthistoriker machen. Der Roman bildet eine sehr gut recherchierte Sicht auf die Zeit des Zweiten Weltkriegs und seiner Altlasten. Der Autor verwebt historische Gegebenheiten und kunsthistorische Themen, und schafft daraus eine packende und lebhaft geschilderte Handlung. Immer wieder tauchen kleine Episoden auf, deren Sinn sich oft erst im Verlauf der Handlung erschließt.
Andreas Storm ist mit diesem Buch ein lesenswertes Debüt gelungen. Mit Hintergrundwissen und großem Sprachgefühl erschafft er aus vielen Teilchen eine runde Geschichte, auf die man sich gern einlässt und in der man von etlichen Aha-Effekten überrascht wird.

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Veröffentlicht am 26.09.2022

Aus dem Tagebuch der Mutter

Schlangen im Garten
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Nach Johannes Tod wird ihre Familie verdächtigt, die Trauerarbeit zu verschleppen. Nicht nur das Traueramt, auch die Nachbarn sind sich darüber einig. Nur die Familie selbst, Vater Adam, Tochter Linne ...

Nach Johannes Tod wird ihre Familie verdächtigt, die Trauerarbeit zu verschleppen. Nicht nur das Traueramt, auch die Nachbarn sind sich darüber einig. Nur die Familie selbst, Vater Adam, Tochter Linne und die Söhne Steve und Micha möchten ihr Leben nicht einfach so fortsetzen. Sie wollen Johanne in wahren – und auch erfundenen - Geschichten bei sich behalten.
Das unverkennbare Diogenes-Cover zeigt das Bild einer Frau. Die Frau, die in dieser Geschichte schon gar nicht mehr lebt; die Frau, die auch gleich im starken ersten Satz des Buches auftaucht. Vor Schultes Sprachstil ist sehr beeindruckend, sie schafft es selbst Alltäglichem mit ihren genauen Beschreibungen Wichtigkeit und vor allem Poesie zu verleihen.
Jede Person geht anders mit Trauer um, und doch meint das Umfeld oft besser zu wissen, wie man mit dem Verlust eines geliebten Menschen umzugehen hat. Die Autorin erschafft dazu sogar ein eigenes Traueramt, dessen Beamte die Beobachtungen über die Hinterbliebenen in ihren Berichten festhalten. Die Charaktere sind sympathisch und in ihren Eigenheiten dennoch sehr realistisch gezeichnet, selbst das Verhalten des Trauerbeamten wird nicht nur hinterfragt, sondern schlüssig erklärt.
Vor Schulte beschreibt die Trauer und die Auswirkungen auf das Leben der Hinterbliebenen auf grandiose Weise. Wohin mit der Verzweiflung, der Wut, dem Verloren-Sein? Wie umgehen mit der Unfähigkeit zu handeln, mit den verpassten Möglichkeiten? Jeder Mensch, der schon einmal getrauert hat, wird sich in dieser Geschichte wiederfinden. Menschen, denen dieses Gefühl bisher noch erspart geblieben ist, werden einen Schimmer davon bekommen, wie es ist, wenn einem der Boden unter den Füßen plötzlich weggerissen wird.
Und doch ist es kein trauriges Buch, sondern vielmehr eine wunderschöne Geschichte, die von Hoffnung und Liebe erzählt. Ich habe noch kein vergleichbares Buch gelesen, dass mit Trauerbewältigung besser umgegangen wäre als dieser Roman. Schade, dass fünf Sterne das Maximum an Bewertung sind. Diese Geschichte verdient mindestens zehn davon.

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Veröffentlicht am 19.09.2022

Mit dem fliegenden Teppich durch unsere Gesellschaft

Der marokkanische Teppich
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Eigentlich will Mike Graufeder exotische Gewürze kaufen, erwirbt dann aber überraschend einen fliegenden Teppich. Damit startet er seine Reise in bizarre Welten …

Der Hintergrund des Covers zeigt einen ...

Eigentlich will Mike Graufeder exotische Gewürze kaufen, erwirbt dann aber überraschend einen fliegenden Teppich. Damit startet er seine Reise in bizarre Welten …

Der Hintergrund des Covers zeigt einen Teppich, auf einem hellen Rechteck heben sich der Name des Autors, der Titel sowie ein Strichmännchen auf einem fliegenden Teppich hervor. Dieses Strichmännchen verkörpert den unbedarften Protagonisten Mike Graufeder recht gut. Das keine Büchlein beinhaltet seine eigentlichen Erlebnisse und enthält im Anhang noch einige Geschichten vergessener Schicksale. Die Sprache ist einfach, dann wieder sehr rasant, teils mit langen, verschachtelten Sätzen; auch blitzen etliche Gedichte hervor und ab und zu überrascht der Autor sogar mit neuen Wortschöpfungen.

Der Protagonist besucht bei seiner Reise drei verschiedene Gegenden mit kriegerischem, vergnügungssüchtigem und industriellem Charakter. Die Beschreibung dieser Orte ist sehr detailliert; bei aller Fantasie des Buches - schließlich erinnert ein fliegender Teppich eher an ein Märchen - verfügt die Geschichte aber doch über einen erheblichen Wahrheitsgehalt. Die Wahrnehmung liegt dabei aber zum großen Teil im Auge der Leser*innen. Man kann die Lektüre daher durchaus zur Zerstreuung als erfundene Geschichte sehen, oder aber die unterschiedlichen Themen mit unserer heutigen Gesellschaft vergleichen.

Die darauffolgenden kurzen Erzählungen der vergessenen Schicksale heben sich vollkommen vom eigentlichen Buch ab. Zu realistisch erscheinen die Geschehnisse, und ich wünschte, ich hätte diese Erlebnisse erst mit etwas zeitlichem Abstand zur Geschichte mit dem fliegenden Teppich gelesen. Diese wahren Ereignisse haben mich sehr abrupt vom Teppich auf den Boden der Tatsachen geworfen. Gut, dass es am Ende des Büchleins noch einige leere Seiten zum Festhalten eigener Gedanken gibt.

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Veröffentlicht am 18.09.2022

Ereignisreiche Familiengeschichte aus Griechenland

Bittersüße Mandeln
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Im griechischen Bürgerkrieg verlässt Anna das Heimatdorf am Peloponnes und flieht zu Verwandten nach Athen, um ihren Kindern ein sicheres Leben zu bieten. Obwohl sie es als junge Frau nicht leicht hat, ...

Im griechischen Bürgerkrieg verlässt Anna das Heimatdorf am Peloponnes und flieht zu Verwandten nach Athen, um ihren Kindern ein sicheres Leben zu bieten. Obwohl sie es als junge Frau nicht leicht hat, gelingt es ihr ein erfolgreiches Unternehmen aufzubauen. Denn die Männer haben das Sagen. Das wird ihr schmerzhaft bewusst, als ihr Mann Manolis nach Jahren im Gefangenenlager zur Familie zurückkehrt. Sie akzeptiert ihren geliebten Mann als Oberhaupt, arbeitet aber dennoch unbeirrt daran, ihren Kindern ein besseres Leben zu ermöglichen.
Ich habe das Hörbuch von Saga Egmont als Freiexemplar zur Rezension erhalten; dies beeinflusst meine Rezension aber nicht. Das Cover zeigt in der unteren Hälfte die Akropolis in Athen, seitlich eingerahmt von weißen Blüten. Der Titel des Romans wird im Lauf des Buchs erläutert und passt sehr gut zur Familiengeschichte. Elisabeth Mell als Sprecherin gestaltete sich für mich am Anfang recht gewöhnungsbedürftig; die Intonation, gerade griechische Begriffe betreffend, sitzt nicht immer, die Sanftheit in ihrer Stimme – fast möchte ich sagen, die Weinerlichkeit, will nicht recht zu Annas Schicksal passen, denn die Protagonistin ist ein starker Charakter. Dennoch habe ich die Stimme der Sprecherin mit der Zeit schätzen gelernt und da die Geschichte an sich großartig geschrieben ist, hat auch das Hörbuch die Anzahl von fünf Sternen verdient.
Das Buch verläuft auf zwei Zeitebenen. Stellas Part spielt in der Gegenwart: als ihre Mutter in Athen einen Schlaganfall erleidet, erzählen die Onkel und Tanten der jungen Frau die Geschichte der Familie. So erfährt Stella, wie es ihren Vorfahren seit Annas Flucht vom Peloponnes ergangen ist.
Der Sprachstil des Buches ist sehr angenehm und fließend, die beiden Erzählebenen sind perfekt ineinander verwoben und lassen den Hörer sofort in die Geschichte eintauchen. Die Autorin verarbeitet vielfältige Themen in der interessanten Familiensaga. Sie schreibt über Tradition und Liebe, Treue und Verrat, Aberglauben und Religion, schafft es aber, in ihrer Wortwahl niemals kitschig zu werden. Die persönlichen Probleme und Entbehrungen und deren Auswirkungen auf die Handelnden machen das Buch zu einer großartigen Chronik. Diese ist außerdem genau recherchiert, die Erlebnisse der Protagonisten werden auch anhand der - oft recht unruhigen - politischen Hintergründe Griechenlands dargestellt. Immer wieder fließen auch griechische Ausdrücke und Zitate antiker Philosophen ein.
Insgesamt ist der Autorin mit diesem Buch ein rundes Ganzes gelungen, das absolut zu empfehlen ist. Ich habe mich beim Hören dieses Werkes vollkommen nach Griechenland versetzt gefühlt und mich dabei sehr wohlgefühlt.

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Veröffentlicht am 11.09.2022

Mit 70 hat man noch Träume

Golden Oldie Evergreen
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Sabine ist bereits 70, arbeitet aber immer noch erfolgreich als Coach. Seit Jahren lebt sie allein, bis sie im Urlaub in Nizza einen italienischen Bootsführer kennenlernt. Dieser Luciano ist allerdings ...

Sabine ist bereits 70, arbeitet aber immer noch erfolgreich als Coach. Seit Jahren lebt sie allein, bis sie im Urlaub in Nizza einen italienischen Bootsführer kennenlernt. Dieser Luciano ist allerdings 20 Jahre jünger und taucht zudem einige Wochen später sogar bei ihr in Berlin auf.

Das Cover, so einfach, wie aussagekräftig - drei Stühle an der Strandpromenade in Nizza, also dem Platz, an welchem das Leben der Protagonistin an einen Wendepunkt gelangt. Das Buch besteht aus drei Teilen und die Kapitel haben eine angenehme Länge.

Der recht einfache und erstaunlicherweise auch sehr nüchterne Schreibstil hat mich zunächst überrascht. Im Lauf der Lektüre habe ich mich jedoch damit angefreundet, denn was könnte besser zur Selbstreflexion der Ich-Erzählerin passen, als diese simple und ehrliche Sprache.

Die Protagonistin blickt auf ihr Leben zurück, hinterfragt gewisse Situationen und gibt freigiebig auch ihre derzeitige Stimmung ans Publikum weiter. An vielen Stellen schlägt dabei recht trockener Humor durch, an anderen trifft man auf Klischees, und andererseits streift die Autorin auch ernstere Themen. Der vielschichtige Roman spricht die Angst vor dem Altern, aber auch vor dem Alleinsein an, stellt Leistungsdenken und Perfektionswahn in Gegensatz zu Spontaneität.

Interessant ist auch die Betrachtung der Protagonistin, die reflektiert, wie sehr sich die Themen im Konkurrenzdenken mit ihren Freundinnen im Laufe des Lebens versschoben haben: lag der Fokus früher auf der Karriere, steht im höheren Alter die Rolle als Großmutter das wichtigste Ziel dar. Das Buch regt auf unterhaltsame Art dazu an, das Älterwerden nicht nur als Kampf gegen gesundheitliche Herausforderungen oder finanzielle Hürden zu sehen, sondern dass sich Zufriedenheit oft auch im Unvollkommenen finden lässt.

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