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Veröffentlicht am 19.03.2023

Junge Frau nimmt ihr Leben in die Hand

Das Haus an der Herengracht
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1705 fühlt sich Thea Brandt mit achtzehn Jahren alt genug, um ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen. Sie besucht oft Theatervorstellungen - und ihren Geliebten, einen Bühnenmaler. Um ihre verarmte Familie ...

1705 fühlt sich Thea Brandt mit achtzehn Jahren alt genug, um ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen. Sie besucht oft Theatervorstellungen - und ihren Geliebten, einen Bühnenmaler. Um ihre verarmte Familie zu retten, soll sie Jacob van Loos heiraten. Eine Ehe mit dem Mitglied der feinen Amsterdamer Gesellschaft wäre ein Aufstieg für die uneheliche Thea, deren Haut dunkler ist, als in ihrer Umgebung üblich. Thea muss sich also entscheiden.
Das Cover erinnert an ein Puppenhaus; die Protagonisten sind als Papierfiguren auf drei Stockwerke verteilt. Der historische Roman ist in sechs Abschnitte unterteilt, die jeweils Kapitel in angenehmer Länge aufweisen. Die Dialoge sind lebhaft; für die Zeit um 1700 wirken sie allerdings – wie die Sprache des Romans allgemein - recht modern. Der Schreibstil ist einfach und man kommt schnell mit dem Lesen voran. Das Ambiente und das Alltagsleben jener Zeit ist detailliert beschrieben, genau wie die Charaktere; dennoch wirkt auch deren Verhalten zu „modern“ für die damalige Zeit. Thea ist mit ihren achtzehn Jahren trotz ihrer Naivität sehr selbstbewusst. Sie möchte sich von ihrer Familie abkapseln und ein selbstbestimmtes Leben führen.
Die junge Protagonistin besucht gerne – und oft auch ganz alleine – das Theater. Es mag ein Übersetzungsfehler sein, oder eine andere Verwechslung vorliegen, jedenfalls musste ich mich schon sehr wundern, dass Thea gerade beim Besuch von „Pyramus und Thisbe“ vor Lachen ganz schwindelig wurde, und ihre Lieblingsschauspielerin in diesem Drama zusätzlich als Diana auftritt.
Wen solche Kleinigkeiten nicht stören, der ist in diesem historischen Roman sicher gut aufgehoben. Die Geschichte weist keine Längen auf und unterhält – auch durch die Auflösung einiger Familiengeheimnisse.

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Veröffentlicht am 18.03.2023

Liebe als Illusion

Aus ihrer Sicht
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Alessandra wächst im Rom der 1920er Jahre in einer kleinbürgerlichen Familie auf. Der Vater, Beamter im Ministerium, bestimmt als Familienoberhaupt das Leben der Mutter, die leidenschaftlich Klavier spielt. ...

Alessandra wächst im Rom der 1920er Jahre in einer kleinbürgerlichen Familie auf. Der Vater, Beamter im Ministerium, bestimmt als Familienoberhaupt das Leben der Mutter, die leidenschaftlich Klavier spielt. Mit der Erziehung der Tochter ist er nach dem Tod seiner Frau überfordert und schickt Alessandra daher zu seinen Verwandten in ein Dorf in den Abruzzen. Dort soll sie lernen sich unterzuordnen, was nicht gelingt. Zurück in Rom lernt sie Francesco kennen, der im Widerstand gegen die Faschisten kämpft. Die beiden heiraten, doch Alessandra findet auch an Francescos Seite nicht die Zufriedenheit und Freiheit, die sie erhofft hatte. Der Roman beschreibt die Geschichte einer Liebe, und schließlich sogar eines Verbrechens.
Das Cover zeigt das Portrait einer jungen Frau, die selbstbewusst in die Kamera blickt. Das Bild soll auf die Protagonistin Alessandra verweisen, deren Charakter allerdings nicht in nur einem Foto erfasst werden kann. Kapiteleinteilungen gibt es nicht, dafür eine grobe Unterteilung je nach Lebensabschnitt der jungen Frau. Der Roman ist mit seinen mehr als 600 Seiten sehr umfangreich; dennoch scheint kein einziges Wort der Ich-Erzählerin Alessandra überflüssig. Der Schreibstil, teils mit sehr bildhaften, dann wieder sehr direkten Aussagen, entwickelt eine Sogwirkung, die den Leser fesselt und immer tiefer ins Leben der Protagonistin eintauchen lässt. Mit entwaffnender Ehrlichkeit erzählt sie aus ihrem Leben. Ausführlich gibt sie ihre Gedanken wieder und in einer Rückschau auf die Kindheit gibt sie die Geheimnisse des Mietshauses preis, in dem sie aufwächst und zeichnet das zermürbende Leben der Frauen zwischen Haushalt und Kindererziehung. Ganz im Gegensatz dazu steht das ländliche Leben in den Abruzzen. Auch dort erfährt Alessandra, dass Frauen für Haushalt und Kinder zuständig sind, erkennt in ihrer Großmutter allerdings eine sehr starke Persönlichkeit, die sich ihrer Macht sicher ist. In der Ehe mit Francesco stellt Alessandra fest, dass die ursprüngliche Liebe einer oberflächlichen Aufmerksamkeit gewichen ist, die sie nicht länger hinnehmen will. Sie will erreichen, dass Liebe und Ehe nicht unvereinbar, sondern durchaus gleichzeitig bestehen können. Die Charaktere sind alle sehr glaubwürdig dargestellt. Die Autorin geht dabei nicht einseitig vor, denn sie beschreibt nicht nur die „Fehler“ der Männer, sondern geht auch recht offen mit jenen der Frauen um.
Gäbe es nicht Anspielungen auf Faschismus, Besatzung und schließlich das Ende des Kriegs, könnte die Geschichte auch zu einer anderen Zeit spielen. Denn ganz verschwunden ist die untergeordnete Rolle der Frau, die die Gesellschaft ihr zuordnet, auch heute noch nicht.
Interessant ist vor allem auch das Vorwort der Neuausgabe von 1994, in dem die Autorin ihren speziellen Blick auf die italienische Innen- und Außenpolitik darlegt.
Die Originalfassung ist von 1949. Einerseits ist es schade, dass die deutschsprachige Ausgabe erst 2023 erschienen ist, andererseits ist für ein wertvolles Werk wie diesen Roman nie zu spät.

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Veröffentlicht am 09.03.2023

Berufsberatung - kindgerecht

Was ist Noahs Traumberuf?
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Noah weiß zwar noch nicht, was er später arbeiten wird, soll für die Schule aber einen Aufsatz über seinen Traumberuf schreiben. Daher befragt er die Menschen in seiner Umgebung und notiert sich die wichtigsten ...

Noah weiß zwar noch nicht, was er später arbeiten wird, soll für die Schule aber einen Aufsatz über seinen Traumberuf schreiben. Daher befragt er die Menschen in seiner Umgebung und notiert sich die wichtigsten Punkte auch ungewöhnlicher Berufssparten, wie Astronomie, Sport oder Raumfahrt.
Das Bild am Cover ist sehr ansprechend und stammt wie die Aquarelle im Inneren des Buches von Larissa Gurido. Die Sprache ist einfach und kindgerecht; Zeilenabstand und Schrift sind groß und erleichtern das Lesen. Die Erklärungen zu den verschiedenen Berufsbildern sind leicht verständlich.
In übersichtlichen Kapiteln gibt die Autorin einen interessanten Überblick über verschiedene Berufsmöglichkeiten. Nicht nur das Vorstellen verschiedener Berufsbilder und deren Vorteile und Nachteile , sondern vor allem Noahs Herangehensweise an die Aufgabe ist sehr lehrreich für die jungen Leser*innen. Das Buch regt daher allgemein zum Nachdenken über das Leben und Zukunft nach.
Es eignet sich zum Vorlesen für Kinder ab fünf Jahren, aber auch sehr gut zum selber Lesen für ältere Kinder.

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Veröffentlicht am 19.02.2023

Feiner Achtziger-Krimi mit Retro-Charme

Und was ist mit Rosemarie?
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In der Nähe des Kieler Funkturms wir ein Auto mit offenem Kofferraumdeckel gefunden; darin befindet sich der Besitzer des Wagens – tot. Da es nicht um Raubmord handeln kann, warum wurde er erschlagen? ...

In der Nähe des Kieler Funkturms wir ein Auto mit offenem Kofferraumdeckel gefunden; darin befindet sich der Besitzer des Wagens – tot. Da es nicht um Raubmord handeln kann, warum wurde er erschlagen? Und was ist mit Rosemarie? Fragen stellen sich den Ermittlern also genug in diesem Fall, aber werden sie auch Antworten darauf erhalten? Der Roman über Erinnerungen an Gefühle ist bereits 1984 entstanden und wurde vom Autor erst 2020 wiederentdeckt.
Am Cover ist eine Häuserreihe zu sehen, den Großteil des Bildes nimmt das Grün der Kastanienbäume ein, die sich auf die Allee der Straße beziehen, in welcher der Tote wohnte. Am Beginn des Buches befindet sich ein praktisches Personenregister. Die Anzahl der Charaktere ist zwar recht übersichtlich, und eine Aufzählung am Anfang nicht unbedingt notwendig, allerdings sind die Attribute, die der Autor den Personen zuschreibt, sehr aussagekräftig und auch humorvoll gestaltet und schüren daher die Neugierde auf den Inhalt. Der Schreibstil ist flüssig, die Dialoge sind aus dem Leben gegriffen und die Charaktere ebenso realitätsnah.
Auf Seiten der Polizei stechen die gegensätzlichen Ermittler Kühl und Jörgensen hervor. Der an Alter und Erfahrung fortgeschrittene Kommissar Kühl tritt recht selbstbewusst auf und fühlt sich seinem jungen Kollegen Jörgensen sehr überlegen. Die Sympathie liegt jedoch ganz beim jungen Polizisten, der noch ganz am Anfang seiner Karriere bei der Mordkommission steht; seine Ansichten unterscheiden sich ganz wesentlich von denen seines Vorgesetzten. Im Gegensatz zu Kühls Arbeitsweise ist seine Art, die Dinge zu sehen, geradezu erfrischend. Die Lebensweise der Achtziger und die Möglichkeiten der Kriminalpolizei in der damaligen Zeit machen diesen „Retro-Krimi“ sehr interessant. Da weder auf DNA-Analysen noch Handy-Ortung zurückgegriffen werden konnte, liegt die Stärke dieses Buches vor allem in der psychologischen Betrachtung und der Reaktion der handelnden Charaktere. Überraschend und beeindruckend ist auch die Lösung des Falls – oder besser, das Ende der Geschichte – aber davon sollte sich jeder Leser selber überzeugen.

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Veröffentlicht am 05.02.2023

Elf Geschichten, quer durchs Leben ...

Ein Reigen - Erzählungen und Kurzgeschichten
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In elf Geschichten kreuz und quer durch Europa und kreuz und quer durch die Zeit und auch mit Abstechern in jene Welt, in der die Tiere sich wie Menschen verhalten. Ein Reigen aus Erzählungen und Kurzgeschichten, ...

In elf Geschichten kreuz und quer durch Europa und kreuz und quer durch die Zeit und auch mit Abstechern in jene Welt, in der die Tiere sich wie Menschen verhalten. Ein Reigen aus Erzählungen und Kurzgeschichten, die zum Nachdenken anregen über das Leben, die Liebe, das Gute und das Böse.
Ein strahlendes Cover mit einem vergoldeten Engelsrelief an einem Deckenpfeiler; ein Engel, der uns hinaufführt, unsere Gedanken schweifen lässt. Und unsere Gedanken sind auch in den Kurzgeschichten gefordert. Sie führen an verschiedene Orte und unterschiedliche Zeiten und doch haben sie eine Gemeinsamkeit: sie regen zum Nachdenken an. Seien es nun Tiere in den Fabeln, Liebende oder nicht mehr Verliebte, Anekdoten während des Kriegs oder danach – der Leser darf die Fäden der Erzählungen für sich selber weiterspinnen, die Protagonisten retten oder hängenlassen. Kurzgeschichten sind ohnehin recht praktisch. Man kann sie je nach Länge für eine passende Gelegenheit aussuchen, sei es im Warteraum oder vor dem Einschlafen. Die Erlebnisse dieses Buches treffen dabei immer ins Schwarze – keines davon enttäuscht, jedes einzelne daraus fasziniert auf seine eigene Weise.

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