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Veröffentlicht am 11.09.2020

Wendezeit

Muldental
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Daniela Krien nimmt Leser*innen mit auf die Reise nach Muldental, in die ehemalige DDR um die Zeit der Wende. In zehn Kurzgeschichten erzählt sie uns von "Wendeverlierern", Menschen, welche durch die neuen ...

Daniela Krien nimmt Leser*innen mit auf die Reise nach Muldental, in die ehemalige DDR um die Zeit der Wende. In zehn Kurzgeschichten erzählt sie uns von "Wendeverlierern", Menschen, welche durch die neuen Strukturen, die neue Gesellschaftsordnung entkräftet und demoralisiert wurden, die scheiterten und für die es eher ein Ende, statt ein Anfang war, die strauchelten und ins Wanken gerieten.

Mir gefällt Daniela Krien's Sprache sehr. Ich habe mit Begeisterung ihren Debütroman gelesen und auch ihr Erzählband "Liebe im Ernstfall", ebenfalls bei Diogenes erschienen, hat mir gefallen. Das Leben ist nicht immer bunt und schön, und genau dies thematisiert die Autorin, sie gibt denen eine Stimme, die trotz stärkstem Gegenwind versuchen nicht aufzugeben, kämpfen um dem Wind zu trotzen, teils durch das Raster der Gesellschaft fallen. Authentische Personen, authentische Geschichten, die man sonst lieber nur am Rand wahrnimmt, weil sie unangenehm sind, schmerzhaft und aufwühlend.

Auch in "Muldental" bleibt Daniela Krien distanziert, aber stechend präzise, lässt die Personen lebendig werden und verleiht ihnen Platz und Raum.

Ein tolles Buch, tolle Geschichten einer talentierten und sprachlich großartigen Autorin über das Scheitern, das Kämpfen ums eigenes Leben, über Mut, Lebenswillen und Kraft zur Zeit der Wende

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Veröffentlicht am 11.09.2020

Es brennt

Der brennende See
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Der Autor hat mich mit seiner Sprache für sich eingenommen, weniger die Geschichte war es, der ich folgte, sondern seinen Worten. Der Autor schafft es nicht nur Situationen, Geschehnisse und Menschen ...

Der Autor hat mich mit seiner Sprache für sich eingenommen, weniger die Geschichte war es, der ich folgte, sondern seinen Worten. Der Autor schafft es nicht nur Situationen, Geschehnisse und Menschen zu beschreiben und dies zu verschriftlichen, sondern er schafft Atmosphäre. Die kleinen Dinge, die Dinge, die eine Situation ausmachen beschreibt er, als wäre er dabei gewesen, als hätte er die Situation vor Augen und alles ganz genau beobachtet, in sich eingesogen und es nun an Lesern*innen weitergegeben.
Der erste Teil des Romans befasst sich in der Hauptsache mit d und Bekannte ihres Vater. Nach und nach kommt Julia ins Spiel und die Frage wer sie ist, wer sie für ihren Vater war und in welcher Beziehung sie zu Hannah steht, welche Geheimnisse ihr Vater hatte. Dieser Teil wird sehr politisch, Friday-for-Future ist ein großes Thema und die Frage welche Verantwortung unsere Generation trägt, eine Genration, die irgendwie dazwischen gerät, zwischen zwei Generationen, der 68'er-Bewegung und der Jugendbewegung heute, in einer Zeit, in der sich die Zukunft von uns allen rapide verändert und bewegt.
"Aber erklär das mal einem Mädchen, das sich gar nichts mehr sagen lässt! ...in ihrer Antihaltung so was von unbeirrbar und radikal, weil sie unterstellt, dass wir Erwachsenen sie grundsätzlich belügen."

Ein spannendes und abwechslungsreiches Buch, es spricht viele wichtige Lebensbereiche an, sei es Abschied und Neuanfang, Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, persönliche Entwicklung, dass derselbe Himmel bei weitem nicht der gleiche Horizont ist und dass es sich immer lohnt über den Tellerrand hinaus zu schauen. Ein Roman, der nachdenklich stimmt und ein Autor mit einer ganz besonderen Beobachtung gsgabe. Für mich ist klar, dass es nicht das letzte Buch des Autors für mich ist.m
"Der brennende See" ist ein Roman für Jung und Alt.

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Veröffentlicht am 11.09.2020

Mutig und authentisch

Aufblühen
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“Wenn man Depression von außen betrachtet, ist sie schwer zu verstehen. Von innen aus gesehen ist sie schwer zu erklären.”

Depression und Zimmerpflanzen sind die zentralen Themen dieses Buches. Auf ehrliche, ...

“Wenn man Depression von außen betrachtet, ist sie schwer zu verstehen. Von innen aus gesehen ist sie schwer zu erklären.”

Depression und Zimmerpflanzen sind die zentralen Themen dieses Buches. Auf ehrliche, authentische und offen Art und Weise nimmt uns die Autorin mit in ihr Leben, erzählt uns von sich, ihren Gefühlen, von ihrem stationären Aufenthalt in einer psychiatrischen Klinik und wie sich auch dort Pflanzen in ihrem Leben Zutritt verschaffen, gewährt Leser *in so Einblicke in die menschliche Psyche, tabuisiert das Thema ‘psychische Erkrankungen’ nicht und lässt uns zugleich an all ihrem Wissen teilhaben. Als Ratgeber rund um Zimmerpflanzen perfekt, für absolute Anfänger, wie ich es selber vor diesem Buch war, aber auch für Fortgeschrittene, denn manch ein Hinweis kann Pflanzenleben retten (mir hat dieses Buch und ihre Tipps eine meiner Calatheas gerettet).
Der Titel ist hier in doppelter Hinsicht also Programm, einerseits das (Wieder-) Aufblühen ihrer mentalen Gesundheit, aber auch das Aufblühen der grünen Schönheiten und insbesondere der Zusammenhang zwischen mentaler Gesundheit mit Hilfe von Zimmerpflanzen.

Mir hat dieses Buch sehr viel Mut und Motivation gegeben endlich meinen vermeintlich schwarzen Daumen grün werden zu lassen und habe den Schritt gewagt neben einer Monstera und anderen sehr genügsamen Pflanzen das Haus weiter zu begrünen. Zuvor hatte ich “nur” wahnsinnig viele Kakteen und Sukkulenten, die seit Jahren prächtig gedeihen und zwischendurch Zuwachs bekommen, mir wirklich heilig sind, aber hauptsächlich natürlich im Garten stehen. Mittlerweile sind im Haus 18 Pflanzen verteilt, darunter ganz anspruchslose bis sehr fordernde, von 5 cm - 1,20m eine grüne Mischung. Ohne dieses Buch hätte ich mich diesen Schritt wohl nicht gewagt und ich bin unendlich glücklich darüber und meinen eigenen ‘urban jungle’ wachsen zu lassen.

Ein tolles Buch, mutig und authentisch, hilfreich in vielerlei Hinsicht, weit über Standort, Lichtverhältnisse, Erde, Gießen und Pflanzenkunde hinaus, mit ganz viel Herz und Leidenschaft, Herzblut und Appell zu mehr Achtsamkeit, sich selber und allen Lebewesen gegenüber. Dies alles wunderschön illustriert und gefüllt mit Fotos der Autorin, ihren über 100 Pflanzen und besonderen Orten ihres Lebens.

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Veröffentlicht am 11.09.2020

Spannend mit vielen Wendungen

Der Fall Alice im Wunderland
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Als großer Fan von ‘Alice im Wunderland’ hat mich dieses Buch magisch angezogen, der Hut, die Taschenuhr, der Titel, Logikprofessoren, eine Bruderschaft...musste ich haben. Der Krimi ist in der Ich-Perspektive ...

Als großer Fan von ‘Alice im Wunderland’ hat mich dieses Buch magisch angezogen, der Hut, die Taschenuhr, der Titel, Logikprofessoren, eine Bruderschaft...musste ich haben. Der Krimi ist in der Ich-Perspektive des argentinischen Doktoranden G. geschrieben. G. ist natürlich nicht sein richtiger Name, aber Aussprache und Schreibweise scheinen so schwierig zu sein, dass er der Einfachheit halber G. genannt wird. Dank eines Stipendiums reiste er ein Jahr zuvor nach England um dort in Oxford Logik zu studieren, beim hoch angesehenen Arthur Sheldom. "Der Fall Alice im Wunderland" ist bereits der zweite Teil um diese beide Logikprofis, denn zeitgleich erschien auch Teil eins: "Die Oxford Morde" , was ich bislang noch nicht gelesen habe, aber sicher irgendwann nachholen werde. Der mehr oder weniger namenlose Ich-Erzähler ist ein sympathischer Charakter, ebenso sein Doktorvater A. Sheldom. Die verübten Morde werden eher durch Zufall mit ‘Alice im Wunderland’ in Verbindung gebracht.
Das Rätsel und welches Geheimnis diese Seite des Tagebuches enthält ist lange auch für die Leserinnen geheim und lässt eine gewisse Spannung entstehen, ebenso die Frage nach dem/der Mörderin, da war ich tatsächlich lange auf der falschen Fährte und hatte jemand anderen im Visier. Im Zentrum stehen die Aufklärung der Morde und die Suche nach dem Motiv, im Grunde das Finden der Logik dieser Verbrechen.

Sehr interessant fand ich die biographischen Informationen über Lewis Carroll, die durch die Unterhaltungen zwischen den Mitgliedern der fiktiven Bruderschaft transportiert werden, sehr nah an der Realität und seiner wirklichen Biografie, jedoch keine leichte Kost, schließlich wurde ihm unterstellt, dass sein Hobby, die Fotografie junger Mädchen in gewissen Posen, nichts mit Interesse oder Normalität in der viktorianischen Zeit zu tun haben, sondern schlicht mit Pädophilie. Dieses Thema nimmt viel Raum ein. Es hagelt relativ viele Namen, manche Personen werden etwas genauer beschrieben, sodass es mir da leichter fiel mir die Namen zu merken, aber aufgrund der Anzahl ist es verständlich, dass die Figuren nicht mit allzu viel Tiefe ausgearbeitet sind. Ich habe das Buch in drei Tagen gelesen, sodass Namen und Personen nicht in Vergessenheit gerieten (Namen zu merken fällt mir nämlich wirklich schwer). Weiterhin empfand ich es etwas verwirrend, dass es Ende der Neunziger spielt, jedoch der Eindruck einer viel früheren Zeit vermittelt wird, ich habe zeitweise nur auf Pferde samt Kutsche gewartet oder Telefone mit Wählscheibe und die Vermittlung auf der anderen Seite der Leitung.

Der Schreibstil ist absolut flüssig und ich persönlich mag die argentinischen Autor*innen grundsätzlich gerne. Atmosphärisch angenehm und leicht zu lesen, insbesondere in der aktuell doch sehr angespannten Zeit, der Hektik und unglaublich viel Arbeit war es einfach eine willkommene Abwechslung und es war möglich dem Roman auch abends im Bett nach einem anstrengenden Tag noch zu folgen und das ohne zu große Anspannung durch den Verlauf der Geschichte.

Ein interessanter Kriminalroman mit überraschender Wendung und der Suche nach der Logik der Verbrechen. Viele interessante Infos zu ‘Alice im Wunderland’ und Lewis Carroll. Angenehmer Lesefluss und nette Charaktere. Für gemütliche Abende und zum Abschalten eine wohl dosierte Spannung.

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Veröffentlicht am 11.09.2020

Berührend und schnörkellos

Marianengraben
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“Das Ding mit dem Schmerz ist ja: Er kennt immer erstmal nur Stärke, der Auslöser ist egal. Schmerz fährt hoch, bis er einhundert Prozent hat, und dann steht man da und muss das irgendwie überleben, egal, ...

“Das Ding mit dem Schmerz ist ja: Er kennt immer erstmal nur Stärke, der Auslöser ist egal. Schmerz fährt hoch, bis er einhundert Prozent hat, und dann steht man da und muss das irgendwie überleben, egal, was der Auslöser ist.”

Depressionen, Trauer und Tod sind zentrale Themen dieses Romans. Der Marianengraben dient als Metapher für die Tiefe Paula’s Depressionen und ihrer Trauer, die sich wie die Arme eines Oktopusses in das Hirn und Herz graben, sie in 11000 Meter Tiefe ziehen. Es geht darum, zu lernen mit Trauer umzugehen, ich habe mich sehr auf den Roman gefreut, hatte jedoch Sorge, dass er allzu sehr auf die Tränendrüse drückt und ich nach wenigen Seiten aussehe wie ein Pandabär. “Marianengraben” ist einerseits sehr traurig, aber viel bunter, fröhlicher und lebhafter, witziger als erwartet. Paula richtet sich im Buch an Tim, es wirkt wie eine Art Tagebuch, in welchem sie Tim von ihren Erlebnissen mit Helmut berichtet. Die gemeinsame Zeit von Paula und Helmut verfliegt, Orte, Situationen ändern sich schnell, aber es kommt auch gar nicht darauf an, wo die beiden gerade anhalten, wie oft Helmut Harndrang hat und ihr Roadtrip pausiert, sondern darauf, was in den beiden Menschen, in deren Seele passiert durch die gemeinsame Zeit, was sie voneinander lernen, denn das Zusammentreffen der beiden hat einen tiefen Sinn.

Der Schreibstil ist sehr variabel, stellenweise recht poetisch und wunderschön, manches Mal jedoch alles andere als gebildet und überlegt. Ich nehme an, es soll so sein um Paula’s schwankende Gemütsverfassung zu spiegeln und ihre Worte sind an Tim gerichtet, der nun mal erst zehn ist und immer bleiben wird.
“Marianengraben” ist ein wirklich schönes Buch, außen wie innen, trotz schwerer Themen leichtfüßig und angenehm zu lesen. Ich habe das Buch mit einem Lächeln geschlossen, zufrieden und entspannt. Das Ende ist vorhersehbar, aber das habe ich nicht als störend empfunden, sondern als sehr positiv, keine schlimmen Überraschungen lauern auf den Seiten.

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