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Veröffentlicht am 25.01.2024

Geschichtlich interessant, in der Umsetzung jedoch nur bedingt überzeugend

Himmel voller Schweigen
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In Himmel voller Schweigen begibt sich Julia Gilfert in die Geschichte ihrer Familie und porträtiert das Schicksal ihres Großvaters und Musikers Walter Frick, der unter ungeklärten Umständen in der NS ...

In Himmel voller Schweigen begibt sich Julia Gilfert in die Geschichte ihrer Familie und porträtiert das Schicksal ihres Großvaters und Musikers Walter Frick, der unter ungeklärten Umständen in der NS Zeit verstorben ist und vermutlich vom Regime ermordet wurde. Lange Zeit lag ein Schleier über dieser Episode der Familiengeschichte, den die Autorin nun für ihr Buch gelüftet hat und die Leser:innen daran teilhaben lässt.

Wer hier ein Sachbuch erwartet, wird zumindest teilweise enttäuscht werden. Während im zweiten Teil viele Originaldokumente und Briefe angehangen sind, an dem geschichtlich Interessierte sicher Freude haben werden, ist der Hauptteil des Buchs, die Geschichte Walter Fricks, als eine Art Roman erzählt, immer wieder mit Einblenden in die Gegenwart zu den Recherchen und Gefühlen der Autorin.

Mich konnte das Buch leider gar nicht abholen. Das lag zu großen Teilen am Schreibstil, den ich als unglaublich blumig und ausschmückend empfunden habe. Dabei ist für mich leider auch inhaltlich viel von der Ernsthaftigkeit der Sache verloren gegangen. Inhaltlich hätte für mich das Buch wohl eher für ein Büchlein gereicht. Die Informationen, die die Autorin zusammenträgt sind durchaus interessant, lässt man die vielen Ausschmückungen weg, wäre es jedoch nur noch ein recht schmaler Band, der jedoch genauso seine Berechtigung haben könnte. Eventuell wäre eine dokumentarisch - journalistische Form der Aufarbeitung und Aufzeichnung dem Material hier eher gerecht geworden.

Auch in der blumigen Sprache konnte ich trotz vieler Worte der Beschreibung keine Nähe zu den Figuren herstellen, zu aufgesetzt und konstruiert wirkten auf mich die Gedanken, Aussagen und Umschreibungen.

So würde ich das Werk tatsächlich nicht uneingeschränkt für geschichtlich Interessierte empfehlen, da das ausschmückende Beiwerk eindeutig überwiegt. Eine Ausnahme bildet hier jedoch ausdrücklich der zweite Teil, in dem die Autorin unter „Fragmente“ Originaldokumente, Briefe, Tagebucheinträge etc. zur Verfügung stellt. Ich könnte mir vorstellen, dass Menschen, die gerne Liebesromane lesen, der Schreibstil begeistert und sie Freude an dem Buch mit der wahren Geschichte dahinter haben.

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Veröffentlicht am 14.07.2024

Leider ein emotionales Luftablassen, ohne Erkenntnisgewinn - etwas für Fans der Autorin

Potenziell furchtbare Tage
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In Potentiell furchtbare Tage verspricht Bianca Jankovska Einblicke in Anti-Work, Menstrual-Health und das gute Leben zu geben. Ich habe ein locker und zugleich klug und pointiert geschriebenes Buch erwartet, ...

In Potentiell furchtbare Tage verspricht Bianca Jankovska Einblicke in Anti-Work, Menstrual-Health und das gute Leben zu geben. Ich habe ein locker und zugleich klug und pointiert geschriebenes Buch erwartet, das zum Nachdenken anregt. Leider wurden meine Erwartungen nicht erfüllt. Was das Buch stattdessen ist, lässt sich schwer einordnen. Im Mittelpunkt stehen persönliche Anekdoten mit denen die Autorin versucht ihre Gesellschaftskritik herzuleiten und zu begründen. Dies ist jedoch aus meiner Sicht leider nicht gelungen.

Mir persönlich ist die innere Konsistenz in Debattenbeiträgen wichtig, da ich sonst den Eindruck habe, dass es nicht um eine fundierte Auseinandersetzung mit einem Thema geht, sondern lediglich ein emotionales Luftablassen. Letzteres mag sicher auch seine Berechtigung haben, als Buchbeitrag sollten Lesende hier jedoch meiner Meinung nach vorgewarnt werden, denn als Leserin wird man so letztlich als Echokammer genutzt, in der die Autorin sich einfach mal auslassen kann, wie ungerecht die Welt ist. Ein echter Mehrwert an Information und Reflexion entsteht dabei nicht.

Leider ist genau dies über weite Teile in potenziell furchtbare Tage der Fall. So kritisiert die Autorin beispielsweise einerseits den von ihr vermeintlich erlebten krankmachenden unmenschlichen Arbeitsdruck und erklärt einige Seiten weiter, dass sie über Jahre in ihrer Lohnarbeitszeit statt sich den Aufgaben für das Unternehmen und ihrem Tätigkeitsprofil zu widmen, u.a. ihre Bachelor- und Masterarbeit und auch einen Teil ihre Bücher geschrieben hat - in ihrer Arbeitszeit. Wie dies mit den 150 Seiten zuvor zusammenpasst, in denen sie ausführlich erläutert, wie das System und andere Menschen sie krank machen, bleibt offen. Wobei letzteres ein durchgängiges Muster in der Argumentation ist, über weite Teile arbeitet sich die Autorin an anderen Personen, Ansätzen, „dem System“ etc. ab, und wertet diese ab. Für mich war dies nach einiger Zeit einfach nur anstrengend und ermüdend. Einige, durchaus vorhandene wichtige und gute Gedanken, geraten dabei leider in den Hintergrund, wie auch das Thema menstruelle Gesundheit. Im Mittelpunkt steht das Erleben der Autorin, ihre Sinnsuche in der Welt und das Hadern mit dieser. Dies wird bis ins Detail ausgeführt, u.a. welche Selbsthilfechannel- und Bücher sie nutzt, nur um dann festzustellen, dass all dies nutzlos ist und selbst wiederum monetären Interessen folgt. Wer hätte das gedacht. Eine echte Problemlösungskompetenz sieht anders aus.

Das beschriebene Erleben und Handeln der Autorin war für mich über weite Teile nicht nachvollziehbar und in der Form nicht geeignet die durchaus richtigen und wichtigen Thesen zu strukturellen Defiziten und Diskriminierung in patriarchal-kapitalistischen Gesellschaften zu begründen. Über knapp 300 Seiten kristallisiert sich heraus, dass die Autorin, weniger den Kapitalismus, sondern grundsätzlich Strukturen und Regeln, wie sie beispielsweise Lohnarbeit inhärent sind, ablehnt und sich davon gegängelt und ihrer freien Entfaltung eingeschränkt fühlt. Dies ist jedoch zunächst ein Persönlichkeitsmerkmal, das durchaus einer Varianz unterliegt. Problematisch wird dies beispielsweise, wenn die Autorin ihre eigene Persönlichkeitsstruktur und Präferenz als allgemeingültig auslegt und daraus die grundsätzliche Ablehnung jeglicher Lohnarbeit als schlecht für den Menschen ableitet. Dies dürfte in der Form kaum haltbar sein. Unklar bleibt auch, inwiefern die Präferenz für Individualismus und Ablehnung von Strukturen als Kapitalismuskritik dienen kann. Denn gerade die von der Autorin im Kern als krankmachend empfunden Strukturen und Zwänge sind eben nicht dem Kapitalismus inhärent, sondern finden sich auch in anderen Gesellschaftsformen. Letztlich wird Potentiell furchtbare Tage so zu einer Selbstdarstellung mit Einblicken in das Denken und Handeln der Bianca Jankovska, ohne einen echten Erkenntnisgewinn, der über diese Darstellung hinausgeht.

Dies mag aus psychologischem und sozialpsychologischem Blickwinkel durchaus interessant zu lesen sein, zeigt es doch, wenn auch unfreiwillig, anhand der Autorin wie wichtig persönliche Handlungskompetenz als individuelle Ressource ist und die Fähigkeit berechtigte Ängste und reale Grenzen von imaginierten zu unterscheiden. Für Personen, die inhaltliches Interesse an den Themen haben, die Einband und Titel suggerieren, wird das Buch jedoch aufgrund seiner inhaltlichen Schwächen eventuell zur Enttäuschung.

All dies ist letztlich nicht nur schade sondern auch relevant, wenn das Grundanliegen und echte gesellschaftliche Problemlagen in den Fokus treten. Denn das Wirtschafts- und Sozialsystem ist zutiefst ungerecht und für zu viele Menschen ist jeder Tag zu spät, an dem nicht endlich grundlegende Veränderungen angestoßen werden. Ich spreche beispielsweise von Menschen denen schwerkrank, aus ökonomischen Gründen und anderen Barrieren im Gesundheitssystem, der Zugang zu einer angemessenen Behandlung und oft auch soziale Absicherung verwehrt wird, Menschen in anderen persönlichen Problemlagen (sei es durch Krankheit, Behinderung, persönliche Lebensschicksale etc.), die nicht nur täglich diskriminiert werden, sondern denen durch starre, bürokratische von einer kapital- und effizienzgesteuerten Logik getragene Regelungen zum Teil selbst eine rudimentäre soziale Absicherung verwehrt wird, Kinder, die in Armut aufwachsen, mit allen Konsequenzen und durch fehlende Chancengleichheit ihr weiteres Leben und ihre Lebenschancen beeinflusst sehen, um nur einige Beispiele zu nennen.

Gerade die massiven Konsequenzen bestimmter Defizite im bestehenden Wirtschafts- Sozial und Gesundheitssystem und deren negative, zum Teil existentiellen Folgen für viel zu viele Menschen erfasst die Autorin mit ihren selbstfokussierten Zeilen jedoch nicht. Vor diesem Hintergrund schadet das Buch aus meiner Sicht der Debatte und echten Veränderungen mehr als es dienlich sein könnte.

Auch die Informationsvermittlung zur PMDS ist aus meiner Sicht nur bedingt hilfreich bis sogar potentiell schädlich. Die geteilten Informationen im Anhang zu Symptomatik, Diagnostik etc. sind zwar interessant, jedoch fehlt mir hier der Hinweis an Betroffene echte fachlich-medizinische Unterstützung, trotz oder gerade wegen der schlechten medizinischen Versorgung des Krankheitsbildes, in Anspruch zu nehmen, ebenso wie bei Bedarf anerkannte Selbsthilfeorganisationen mit entsprechender Expertise zu kontaktieren. Ohne entsprechende Einbettung wirken die Ausführungen wie eine Einladung zur Selbstdiagnostik, die bei gesundheitlichen Problemen zweifelhaft bis gefährlich sein kann.

Ich kann das Buch daher leider nicht empfehlen. Zum einen aufgrund der inhaltlichen Schwächen, von denen ich oben einige versucht habe zu erläutern. Zum anderen sehe ich den Umgang der Autorin mit gesellschaftlichen und persönlichen Problemlagen, wie sie ihn in ihrem Buch präsentiert, als ausgesprochen destruktiv und potentiell (selbst)schädigend und kann nur hoffen, dass andere Leserinnen sich daran kein Beispiel nehmen. Der Autorin wünsche ich von Herzen alles Gute und, dass sie ihren Weg findet.

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Veröffentlicht am 18.03.2024

Die Leiden des jungen privilegierten Großstädters

Das hat er nicht von mir!
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In - Das hat er nicht von mir - nimmt Francesco Giammarco die Geburt seines Sohnes zum Anlass über sein eigenes Aufwachsen zu sinnieren und was dies für seine Rolle als Vater bedeutet. Auf dem Einband ...

In - Das hat er nicht von mir - nimmt Francesco Giammarco die Geburt seines Sohnes zum Anlass über sein eigenes Aufwachsen zu sinnieren und was dies für seine Rolle als Vater bedeutet. Auf dem Einband wird die Frage gestellt, ob man ein guter Vater werden kann, „wenn man ein beschissener Jugendlicher war“, und nicht letztlich viele Fehler ziemlich lustig waren? Von dieser Frage und der Bejahung dieser getrieben, verfolgen wir ein Großwerden in München, an dem der Autor offensichtlich oft gelitten hat, sich als renitenten, unsportlichen, komplexbehafteten, viel trinkenden Jugendlichen präsentiert und doch, so die Botschaft, zum passablen Mann und Vater im Hamburger Trendbezirk wird.

Auch wenn einige Passagen informativ und humorvoll geschrieben waren, konnte mich das Buch leider nicht überzeugen. Insgesamt fehlte mir Substanz und Tiefe in der Erzählung. Eine echte Reflexion in Bezug auf die Vaterrolle findet kaum statt, es erfolgt ein episodenhaftes Erzählen von Anekdoten, das nur an wenigen Stellen tatsächlich auf die Vaterrolle rückgebunden wird. Der größte Kritikpunkt ist für mich jedoch, dass durchweg die Erfahrung eines privilegierten, männlichen Großstädters beschrieben und dies an keiner Stelle ernsthaft reflektiert wird. Die Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper wird in dieser Welt zum größten Leid, allerdings nicht genug, um sich ernsthaft zum Sport zu motivieren oder weniger Bier zu trinken. Insgesamt wird ein Jugendlicher beschrieben, der sehr behütet und privilegiert aufwächst, und vielleicht genau deshalb bereits am ganz normalen Aufwachsen leidet, rückblickend aber alles ganz easy und komisch findet. Weil es letztlich eben auch ein ziemlich easy Aufwachsen war, das in der Form sehr vielen Kindern nicht vergönnt ist.

Zwei Punkte gibt es von mir für den flüssigen Schreibstil und die soziologisch durchaus interessanten Einsichten in die Haltungen einer privilegierten, großstädtischen, männlichen Bildungselite in den Mittdreißigern. Dieser kann ich das Buch auch guten Gewissens für eine Nabelschau empfehlen.

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Veröffentlicht am 03.03.2024

Eine nette Idee, stilistisch und inhaltlich eher schwach und wenig wertschätzend

Heinz Labensky - und seine Sicht auf die Dinge
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Ein kauziger alter Mann auf seiner letzten großen Reise, die auch eine Reise in die Vergangenheit ist. Ein geheimnisvoller Brief, der an eine alte Liebe erinnert. Eine Busfahrt, die zur Erinnerungsreise ...

Ein kauziger alter Mann auf seiner letzten großen Reise, die auch eine Reise in die Vergangenheit ist. Ein geheimnisvoller Brief, der an eine alte Liebe erinnert. Eine Busfahrt, die zur Erinnerungsreise an ein ganzes Leben wird, wie sich herausstellt, mit gar nicht zu gewöhnlichen Erlebnissen. So gut, so vielversprechend klingen die Ausgangsbedingungen des Romans.

Mich konnte der weitere Verlauf und die Umsetzung jedoch leider nicht überzeugen. Sowohl inhaltlich als auch stilistisch war mir insgesamt zu viel gewollt an Heinz Labensky.

Im Dialog mit Mitreisenden lernen wir auf einer langen Busreise von Erfurt nach Warnemünde, Labensky und sein Leben, und so vermutlich die Intention der Autoren, auch ein wenig die DDR kennen. In erster Linie ist dies jedoch ein Bild, wie offensichtlich die Autoren auf die DDR blicken. Auf den ersten Seiten hatte der Wohnort Labenskys in Erfurt mein Interesse geweckt, nur um dann festzustellen, dass das Autorenteam wohl nie am Bahnhof in Erfurt war, wenn sie von unten einfahrenden Zügen schreiben, während in Erfurt die Bahnhofshalle unterhalb der Gleisen liegt, die Züge somit oben fahren, und auch der Busbahnhof ganz anders angeordnet ist als im Roman. Auch die übrigen Anekdoten um Bernsteinzimmer, die RAF, etc. konnten mich nicht wirklich erreichen und wirkten bewusst konstruiert, um geschichtliche Personen und Ereignisse einfließen zu lassen.

Die Charakterisierungen und Beschreibungen Labenskys wirkten auf mich überzeichnet und nicht besonders wertschätzend. Die vielfachen Rezensionen und der Klappentext, die darin eine warmherzige Darstellung sehen, sind für mich leider nicht nachvollziehbar. Da schreibt ein Autor, der selbst auf dem Buchtitel Wert auf seine akademischen Titel legt, über seinen Protagonisten dieser sei gripsmäßig so hell wie ein Tunnel. Falls das komisch sein soll, ist es leider nicht mein Humor. Insgesamt wird ein Klischee eines alten, leicht verwahrlosten, eigenbrötlerischen Mannes, grau in grau, entworfen und das nicht aus einer emphatischen, zugewandten Haltung heraus, sondern von oben herab, zu humoristischen Zwecken - der kauzige alte Ossi, der zeigen soll, dass man im Osten ja doch was erleben konnte, auch wenn er gripsmäßig eher so hell wie ein Tunnel ist.

Auch stilistisch konnte ich mit den vielen seltsam gestelzten Bildern und Vergleichen, wie etwa - schwitzt wie Pudding beim Picknick - wenig anfangen.

Ich habe gerade zwei hervorragende Romane, von Constanze Neumann und Sabine Rennefanz gelesen, die sich thematisch mit der DDR auseinandersetzen. Dagegen war im Vergleich Heinz Labensky leider eine Enttäuschung.

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