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Veröffentlicht am 01.06.2024

Wenn in deinem Bauch tausend Murmeln rumsausen…

Mutmurmeln für den ersten Schultag
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So erklärt Lolle ihrem Freund Linus ihre Wortkreation murmelig und beschreibt damit die Aufregung vor dem ersten Schultag. Tatsächlich ist Linus noch viel murmeliger zu Mute als Lolle, beim Gedanken an ...

So erklärt Lolle ihrem Freund Linus ihre Wortkreation murmelig und beschreibt damit die Aufregung vor dem ersten Schultag. Tatsächlich ist Linus noch viel murmeliger zu Mute als Lolle, beim Gedanken an den ersten Schultag wird ihm Angst und Bange, was da alles schief gehen kann. Doch die clevere Lolle hat eine Idee: Mutmurmeln! Diese sind Murmeln, die durch mutige Situationen mit Mut aufgeladen werden und diesen dann bei Bedarf, wie am ersten Schultag wieder abgeben können. Und so klettern die beiden auf Bäume, gehen in dunkle Keller, essen Radieschen, und langsam lädt sich die Mutmurmel auf und Linus kann entspannter auf seinen ersten Schultag blicken.

Ich habe Lolle und Linus sofort ins Herz geschlossen. Die beiden sind toll gezeichnet und gerade auch Lolle, als mutiges, kreatives Mädchen, macht einfach nur Freude beim Lesen und Betrachten. Die Freundschaft der beiden ist wunderbar porträtiert, indem sie sich gegenseitig stützten und Mut machen.

Ein wundervolles Kinderbuch zum ersten Schultag, mit einer kreativen mutmachenden Geschichte und einer tollen zeichnerischen Umsetzung!

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Veröffentlicht am 28.05.2024

Eine andere Geschichte der Frauen im Nationalsozialismus und der Nachkriegszeit

Die kurze Stunde der Frauen
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Miriam Gebhardt zeichnet in - Die kurze Stunde der Frauen - die Rolle der Frauen im Nationalsozialismus sowie in den Nachkriegsjahren nach und stellt die Entwicklung der Frauenbewegung sowie Fortschritte ...

Miriam Gebhardt zeichnet in - Die kurze Stunde der Frauen - die Rolle der Frauen im Nationalsozialismus sowie in den Nachkriegsjahren nach und stellt die Entwicklung der Frauenbewegung sowie Fortschritte und Rückschläge der Gleichstellung in beiden deutschen Teilstaaten in einen historischen Kontext. Dabei deckt sie mit geschichtswissenschaftlichem Blick und der Referenz zu aktueller Forschung auf, wie das Frauenbild im Nationalsozialismus, sowie in West- und Ostdeutschland ideologisch geprägt war und welche Auswirkungen dies auf die Lebensrealität und Lebenschancen der Frauen hatte und bis heute hat. Die Frau im Nationalsozialismus als passive, unpolitische Bürgerin widerlegt sie ebenso wie den Mythos der Trümmerfrauen. Wie kam es, dass die Frauen, nachdem sie im Krieg und den Nachkriegsjahren so viel geleistet haben, fast unmerklich wieder in die zweite Reihe gerückt sind, nachdem die Männer zurück waren? Hier zeigt die Autorin juristische, politische, kulturelle aber auch persönliche Gründe auf. Die Rolle als Macherin, die die Familie versorgt, entsprang oftmals eben keinem echten Emanzipationsbestreben, sondern der schlichten Notwendigkeit.

Besonders wertvoll ist, neben der gelungenen Entmystifizierung ideologisch motivierter Narrative aus der Nachkriegszeit die ausgewogene Betrachtung der Frauenpolitik in Ost- und West in dem jeweiligen ideologischen Kontext. Gerade bei der Betrachtung der Gleichstellung in der DDR wird mitunter oft vernachlässigt, dass gerade auch im Privaten oft patriarchale Ideale persistierten, die Gleichberechtigung im Beruf, keine bzw. nur begrenzt eine Entsprechung im Haushalt fand und so letztlich zur Doppelbelastung für Frauen führte, wie es in der soziologischen Forschung mittlerweile gut aufgearbeitet wurde. Gebhardt geht auch darauf ein und zeigt zusätzlich auf, dass auch in Wirtschaft und Politik gerade Führungspositionen für Frauen schwerer zugänglich waren. Auch die Persistenz nationalsozialistischer Frauen- und Mutterideale und die juristische Privilegierung der bürgerlichen Idealfamilie in der BRD und damit legale Diskriminierung von Frauen arbeitet die Autorin heraus, mit allen Konsequenzen die dies für die Selbst- und Fremdperzeption der Frauen hatte und in der kulturellen Prägung zum Teil bis heute in Teilen hat.

Der Schreibstil ist sehr eingängig und kurzweilig. Sehr gelungen ist die Bereicherung der Ausführungen mit anekdotischen realen Frauengeschichten und - Schicksalen, die die Autorin aus persönlichen Dokumenten dieser rekonstruiert. So werden der historische Kontext und die Erkenntnisse aus der Geschichtswissenschaft unterfüttert und erlebbar gemacht. Zahlreiche historische Originalaufnahmen rahmen das Geschriebene zusätzlich visuell ein.

Die Qualität der Publikation wird leider durch einige Logikfehler in der Darstellung der Frauengeschichten und des historischen Kontextes geschmälert. Da wird erst erwähnt, dass in jeder Besatzungszone unterschiedliche Regelungen galten, um dann im weiteren Verlauf die Gegebenheiten in einer Zone als exemplarisch für die Zeit und Umstände als solches darzustellen. Da wird der Umzug einer Familie von einer Wohnung in Leipzig nach Hannover beschrieben und später immer wieder auf ihr altes Leben in einer Villa in Dresden (statt Leipzig) verwiesen, um nur einige Beispiele zu nennen. Bei der Angabe von Prozentzahlen wird teilweise nicht ersichtlich auf welche Grundgesamtheit sich diese beziehen, was die inhaltliche Aussage mitunter nur begrenzt nachvollziehbar macht. Bei diesen Punkten hätte ich mir insgesamt mehr Sorgfalt im Lektorat gewünscht.

Für Leser:innen, die nicht bereits zumindest in Grundzügen mit dem Forschungsstand zur Gleichberechtigung in den Gesellschaftswissenschaften vertraut sind, könnten einige Argumentationslinien in der Darstellung mitunter zu reißbrettartig wirken, obgleich sie fundiert und gut belegt sind.

Mit diesen leichten Abstrichen, ist - Die kurze Stunde der Frauen - sehr lesenswert. Das Verdienst von Gebhardt liegt für mich in der gelungenen Entmystifizierung ideologisch motivierter Narrative, der kompakten, kurzweiligen historischen Darstellung und Entwicklung des Frauenbildes und seiner Pfadabhängigkeit sowie der Frauenbewegung in Ost und West, ihrer Erfolge wie Rückschläge vom Ende des 19. Jahrhunderts bis heute. Dies alles fast durchgängig aus einem ausgesprochen ausgewogenen stets abwägenden Blickwinkel, der in der Debatte leider viel zu selten ist.

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Veröffentlicht am 22.05.2024

Stellen Sie sich vor, wir könnten ewig leben…

Wir werden jung sein
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Jakob ist erst 17 und bemerkt plötzlich Veränderungen an seinem Körper. Jenny versucht mit knapp 40 Jahren lange vergeblich schwanger zu werden, und erwartet plötzlich ein Kind. Dem alten Unternehmenspatriarchen ...

Jakob ist erst 17 und bemerkt plötzlich Veränderungen an seinem Körper. Jenny versucht mit knapp 40 Jahren lange vergeblich schwanger zu werden, und erwartet plötzlich ein Kind. Dem alten Unternehmenspatriarchen Wenger drohte multiples Organversagen, sein Testament ist verfasst, doch plötzlich geht es ihm immer besser. Verena, aufgrund einer Erkrankung des Herzmuskels mit Herzinsuffizienz, Schwimmerin im Ruhestand, schwimmt plötzlich einen Rekord. Sie alle haben eines gemeinsam - sie sind Teilnehmer:innen einer Studie an der Charité für ein neues Herzmedikament, das Herzmuskelzellen regenerieren können soll.

Martin sind als behandelndem Arzt und zuständigem Forscher die Ereignisse zunächst ein Rätsel, bis deutlich wird, dass es kein Zufall sein kann. Sein Medikament kann offensichtlich viel mehr als nur Herzmuskelzellen regenerieren.

Miriam ist wissenschaftliche Beraterin der Regierung und bewertet als Moralphilosophin ethische Fragen. Was bedeutet es, wenn wir ewig leben, unsere Kinder keine Kinder bekommen dürfen? Werden durch immer dieselben Menschen überhaupt noch neue Innovationen möglich? Wer erhält Zugang zum Medikament und aufgrund welcher Kriterien?

Mit der unerwarteten Nebenwirkung des Medikaments stellen sich sowohl medizinische als auch persönliche und gesellschaftliche Fragen, die in - Wir werden jung sein - in den Mittelpunkt rücken. Es beginnt ein Duell zwischen Medizin und Gesellschaft.

Das Szenario ist interessant und durch die Vielfalt der Perspektiven gelingt es dem Autor sehr gut die zahlreichen persönlichen ebenso wie gesellschaftlichen Auswirkungen eines vermeintlich ewigen Lebens darzustellen. Leider blieben die Figuren dabei für mich etwas blass, sodass ich zu keiner eine wirkliche Nähe beim Lesen aufbauen konnte.

Sprachlich kann Maxim Leo, wie immer, brillieren, der Roman liest sich flüssig, pointiert, unterhaltsam und klug.

Überzeugend ist für mich der Roman primär auf gesellschaftstheoretischer Ebene, hier hat der Autor gut recherchiert und die strukturellen wie moralethischen Implikationen des Szenarios sehr gut ausgearbeitet und zeigt auf was Kapitalismus und Gerechtigkeit im deutschen und globalen Gesundheitssystem bedeuten.

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Veröffentlicht am 19.05.2024

Ein Völkermord und die Welt schaut zu!

"Ich habe getötet, aber ein Mörder bin ich nicht"
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„Ich habe getötet, aber ein Mörder bin ich nicht“ gibt tiefe Einblicke in den Genozid am Armenischen Volk und zeichnet die spätere Geheimoperation einer armenischen Gruppe nach, um die verantwortlichen ...

„Ich habe getötet, aber ein Mörder bin ich nicht“ gibt tiefe Einblicke in den Genozid am Armenischen Volk und zeichnet die spätere Geheimoperation einer armenischen Gruppe nach, um die verantwortlichen türkischen Politiker zur Rechenschaft zu ziehen.

Ich wusste vor der Lektüre nur sehr wenig über den Genozid und musste beim Lesen mehrfach pausieren, da die beschriebenen Taten eigentlich unvorstellbar sind. Dies nicht nur in ihrer Grausamkeit, sondern auch in der Systematik und Effizienz, mit der die intendierte Ausrottung betrieben wurde. Viel erinnert an den Holocaust, als ob der Genozid an den Armeniern eine schreckliche Vorlage dafür war.

Umso unvorstellbarer ist, dass die Verantwortlichen nie wirklich zur Rechenschaft gezogen worden. Viele lebten unbehelligt im Exil, unterstützt von den jeweiligen Regierungen, wie beispielsweise auch in Deutschland.

Die Geheimoperation Nemesis hatte das Ziel die Täter ihrer Strafe zuzuführen und gleichzeitig die internationale Aufmerksamkeit auf das Schicksal des armenischen Volkes zu lenken, in der Hoffnung Unterstützung für das zwischen verschiedenen Mächten zerriebene Land und sein Volk zu gewinnen. Im Detail legt die Autorin die Pläne offen und zeichnet die Anschläge der Gruppe auf die Verantwortlichen nach.

Die Autorin hat gut recherchiert und trägt die Daten stets aus mehreren Quellen zusammen, gleicht ab, rekonstruiert. Besonders gut haben mir die Einblicke und Zitate aus der zeitgeschichtlichen Presse gefallen, da so ein Stimmungsbild der Gesellschaft und Politik entsteht.

Sprachlich wurde ich nicht ganz überzeugt. Passagen und Informationen sind öfter redundant und stellenweise liest sich die Darstellung sehr zäh, als eine Aufzählung von Namen von Beschuldigten und Attentätern und ihren jeweiligen Unterstützer:innen.

Insgesamt bietet das Buch wichtige und gut recherchierte Informationen und Hintergründe zum Völkermord an den Armenier:innen sowie die Operation Nemesis und bettet diese in das historische politische Klima ein. Damit ist es absolut empfehlenswert!

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Veröffentlicht am 16.05.2024

Freischwimmen

Windstärke 17
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Vorab: für mich war 22 Bahnen mein Überraschungsbuch 2023, mich hat die Geschichte um Tilda und Ida unglaublich berührt und ich habe mit ihnen gelitten, geweint und mich natürlich ebenso gefreut. Mit Windstärke ...

Vorab: für mich war 22 Bahnen mein Überraschungsbuch 2023, mich hat die Geschichte um Tilda und Ida unglaublich berührt und ich habe mit ihnen gelitten, geweint und mich natürlich ebenso gefreut. Mit Windstärke 17 setzt Caroline Wahl diese mitnehmende, authentische Geschichte nun fort, diesmal aus Idas Perspektive ca. 10 Jahre später. Doch kann sie damit an 22 Bahnen anschließen, sich sogar übertreffen?

Windstärke 17 beginnt wenige Wochen nach dem Tod von Idas und Tildas alkoholkranker Mutter. Ida ist Anfang 20, überfordert mit dem Verlust, verloren in Wut, Trauer und Schuldgefühlen und möchte einfach nur noch weg, ohne zu wissen wohin. In dieser Ziellosigkeit landet sie schließlich an einem abgelegenen Zipfel des Landes, auf der Ostseeinsel Rügen. Die Insellage, den Launen der Natur ausgesetzt, ist nicht ohne Grund, das was sie angezogen hat, entspricht es doch am ehesten ihrem aufgewühlten Innenleben. Durch einen glücklichen Zufall lernt sie das ältere Paar Marianne und Knut kennen, und findet bei den bodenständigen Insulanern, genau das, was sie gerade so dringend braucht.

Idas Gefühle, die mit dem Tod der Mutter ausbrechen, gehen weit über die Trauer hinaus. Da sind Wut und Enttäuschung über die Mutter, die aufgrund ihres Alkoholismus nie wirklich eine Mutter war, und all die Verletzungen der Vergangenheit, Schuldgefühle, und das Gefühl plötzlich allein auf der Welt zu sein.

Bereits nach wenigen Zeilen und Seiten bin ich mit Ida und ihrem Fühlen und Erleben verschmolzen. Die Wut über den Verlust der Mutter, auf Tilda, sich selbst, die Welt, ohne Ziel und so stark, dass sie für Trauer (noch) keinen Platz lässt. Und dazu immer wieder Schuldgefühle, hätte sie mehr tun müssen? Etwas tun müssen? Caroline Wahl versteht es dieses undefinierbare Gefühl Idas, eine Symbiose aus so vielen schmerzhaften Empfindungen und ihrer Verdrängung, einzufangen und das Erleben ihrer Figur für die Leserin nicht nur nachvollziehbar, sondern fast spürbar zu machen.

Mir hat sehr gefallen, dass die Autorin nach 22 Bahnen auch in Idas Geschichte dem Wasser eine so prominente Rolle einräumt. Ida kämpft mit den Wellen der Ostsee, wie sie mit und gegen sich selbst kämpft, gegen Trauer, Wut und Schuldgefühle. Sie dabei zu begleiten ist traurig und schön zugleich.

Wird Ida wieder zu sich finden, vielleicht überhaupt erstmals ein eigenes Ich unabhängig von der Krankheit ihrer Mutter ausbilden können, ihren Weg und innere Stärke entdecken? Wird sie ihrer Mutter, Tilda und am wichtigsten, sich selbst verzeihen können? Welche Rolle werden Marianne und Knut, und der ebenso traurige, gezeichnete Leif, den sie auf der Insel kennenlernt, dabei spielen? Da hilft nur: unbedingt lesen und herausfinden!

Man kann Windstärke 17 sicher auch gut lesen ohne 22 Bahnen zu kennen. Doch warum sollte man das tun und damit auf die wundervolle Geschichte darin und die Einblicke in Idas Vergangenheit verzichten?

In Windstärke 17 zeigt Caroline Wahl was ein Aufwachsen in dysfunktionalen Familienverhältnissen mit uns macht, wie schwer es ist einen gesunden Weg zwischen Nähe und Abgrenzung zu finden, da man egal wie, nie der Herkunft wirklich entkommen kann. Und zuletzt bleiben bei allem eigenen Leid, Schuldgefühle, Trauer und Wut. Idas und Tildas Geschichten zeigen jedoch auch, wie man selbst in Situationen, die zu schwer zum Tragen anmuten, Hoffnung und sich selbst finden kann, um trotz oder vielleicht gerade wegen einer schweren Vergangenheit gestärkt ins Leben und die Zukunft zu treten!

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