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Veröffentlicht am 01.12.2024

Schmerzhaft zu lesen, ein unglaublich wichtiges Buch!

Unversehrt. Frauen und Schmerz
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Unversehrt ist wirklich keine leichte Kost und macht unfassbar traurig und wütend. Ich musste mehrfach unterbrechen, weil die Geschichte von weiblichem Schmerz, die Eva Biringer hier erzählt so unfassbar ...

Unversehrt ist wirklich keine leichte Kost und macht unfassbar traurig und wütend. Ich musste mehrfach unterbrechen, weil die Geschichte von weiblichem Schmerz, die Eva Biringer hier erzählt so unfassbar und dramatisch ist und nicht zuletzt dramatisch alltäglich. Die Autorin betrachtet wie Frauen Schmerz zugefügt wird, ihr Schmerz bagatellisiert und nicht ernst genommen, an anderer Stelle fetischisiert wird - dies alles auch in und von einer in Vergangenheit und Gegenwart zutiefst androzentrischen Medizin, mit weitreichenden Folgen für die Betroffenen jenseits des männlichen Ideals.

Vieles war für mich nicht komplett neu, doch Biringer beschreibt die Ursprünge, Ausbreitung und Persistenz von Misogynie und deren Verbindung zu weiblichem Schmerz in unserer Gesellschaft in Deutschland, Europa und weltweit so pointiert und eindringlich, dass es einem eiskalt den Rücken herunterlaufen kann. Diese Eindringlichkeit erzeugt die Autorin nicht mit Effekten oder sprachlichen Raffinessen, nein, es sind die gut recherchierten harten, traurigen und in Ausmaß und Wirkung beinahe unglaublichen Fakten, die erschaudern lassen und einfach nur wütend machen, auf eine Welt, die noch immer maßgeblich durch patriarchale Strukturen geprägt ist und in der autoritär-patriarchale Muster zum Teil sogar eine Revision erfahren (siehe Trump, die Incel-Bewegung, etc.).

Als Betroffene einer der von der Autorin beschriebenen Autoimmunerkrankungen, die überproportional Frauen betreffen, war ich positiv angetan von den Ausführungen Biringers, die von einem tiefen Verständnis der Autorin für die Erkrankungen und Lebenswelt der Betroffenen zeugen. Dies ist nach meiner Erfahrung auch unter Journalist*innen alles andere als selbstverständlich.

Für mich waren Einleitung und Titelbild etwas irreführend. Letzteres finde ich recht plakativ. Zugang zum Thema verschafft sich die Autorin in der Einleitung über die Geschichte ihrer eigenen Großmutter, die ihr Leben lang an Schmerzen litt. Ich hatte daher ein wesentlich persönlicheres, eher feuilletonistisches Buch erwartet. Was auch ok gewesen wäre. Positiv überrascht bin ich dann jedoch von dem ausgezeichnet recherchierten, und einnehmend geschriebenen ebenso wie pointiert aufgebauten Sachbuch, dass mich erwartete. Für mich ist das Buch in Inhalt und seiner zeitgemäßen sprachlichen Darstellung ein echtes Must-Read und würde für mich fast zu einer zeitgemäßen Schullektüre taugen. Denn dass die darin von der Autorin präsentierten Inhalte so wenig Raum in der Öffentlichkeit einnehmen, ist unfassbar, besonders wenn man bedenkt, dass rund 50% der Menschheit von den negativen Auswirkungen von Misogynie und Sexismus in unserer Gesellschaft und insbesondere auch dem Gesundheitssystem betroffen sind! Unbedingt lesen!

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Veröffentlicht am 29.11.2024

Ein weiblicher Lebensweg zwischen Sexismus, Autismus und Klassismus

Strong Female Character
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In ihrem Buch Strong Female Character gibt die erfolgreiche Comedian Fern Brady Einblicke in ihren Lebensweg als Frau mit Autismus und den langen und schmerzhaften Weg zu einer Diagnose, als Frau im Comedybusiness, ...

In ihrem Buch Strong Female Character gibt die erfolgreiche Comedian Fern Brady Einblicke in ihren Lebensweg als Frau mit Autismus und den langen und schmerzhaften Weg zu einer Diagnose, als Frau im Comedybusiness, als Frau mit Autismus aus der Arbeiterschicht an der Universität und als Frau in einem katholisch geprägten Milieu und entsprechender Erziehung. Das Gefühl „falsch“ zu sein, mag dabei nicht nur an ihrer Diagnose liegen, sondern, dass sie als selbstbewusste, junge Frau mit Autismus aus vielen der sie umgebenden Normen herausfällt, sei es in der Familie, dem Gesundheitssystem oder auch an der Universität. So bewegt sich die Autorin nicht nur zwischen Sexismus und Autismus, wie es der Titel suggeriert, sondern auch Sexismus im Autismus und dem Gesundheitssystem sowie Klassismus. Hier überlagern und verstärken sich Sexismus, Ableismus und Klassismus gegenseitig. Als weitere Ebene wirken, durchaus auch in Verflechtung, die starren Normen des Katholizismus.

Gerade durch ihre Erfahrungen im Gesundheitssystem wird für mich sehr deutlich, dass in unserer Gesellschaft und all ihren Teilbereichen ganz offensichtlich jede Abweichung von einer gesunden, männlichen Norm, mit Barrieren und massiven individuellen Nachteilen verbunden ist. Alles was davon abweicht, wird in einer patriarchal-kapitalistischen Gesellschaft als störend empfunden.

Aus meiner Sicht wird auch sehr deutlich wie bereichernd eine Perspektive wäre in der wir jenseits von oft hierarchisierenden Normvorstellungen, die in der Regel an patriarchale-kapitalistische Diskurse anknüpfen, echte Vielfalt in unserer Gesellschaft leben und anerkennen würden.

Der Stil der Autorin ist authentisch und für mich gut zu lesen. Ich persönlich mag die Unmittelbarkeit mit der die Autorin ihre Gedanken teilt, als ob man an ihrem Denken und ihrer Lebenswelt beim Lesen teilhat. Die Ereignisse sind dabei nicht durchgängig chronologisch, manchmal sprunghaft, wie es auch für sie selbst sein mag.

Ich habe den Eindruck und finde es bewundernswert, dass die Autorin eine gewisse Stärke aus ihren Erfahrungen gezogen hat und gleichzeitig empfinde ich es als unglaublich traurig und beschämend für unsere Gesellschaft, dass sie diese Erfahrungen machen musste. Das Gefühl „falsch“ zu sein, egal ob in einem weiteren gesellschaftlichen Kontext oder sogar innerhalb der Kernfamilie wird sehr gut beschrieben und ich kann mir nur im Ansatz vorstellen, was das für ein Kind und eine junge Frau bedeuten muss. Ich habe bei meinen Gefühlen während der Lektüre daher sehr zwischen Bewunderung für die Autorin, Mitgefühl, Traurigkeit und auch ganz viel Wut auf unsere Gesellschaft geschwankt, die Fern Brady diesen Weg hat gehen lassen. Für mich ein wichtiges Buch mit einer absoluten Empfehlung!

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Veröffentlicht am 17.11.2024

Über ein faszinierenderes Wesen und den Trost in schweren Zeiten

Das Igel-Tagebuch
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Das Igel-Tagebuch von der Journalistin Sarah Sands verbindet Autobiografisches mit Fach- und Sachwissen über Igel und philosophischen Gedanken zu Trauer, Hoffnung und einem guten Leben. Das Buch lebt von ...

Das Igel-Tagebuch von der Journalistin Sarah Sands verbindet Autobiografisches mit Fach- und Sachwissen über Igel und philosophischen Gedanken zu Trauer, Hoffnung und einem guten Leben. Das Buch lebt von der seltsamen Parallelität des Auftauchens und der wachsenden Rolle der Igel in Sarah Sands Leben, angefangen mit dem verwundeten Igel Peggy in ihrem Garten und auf der anderen Seite der Erkrankung, dem Kampf- und Lebenswille und nahendem Tod ihres geliebten Vaters.

Der Aufbau des Buchs ist lose tagebuchartig. Durch elf Kapitel begleiten wir die Genesung des Igels und den Abschied vom Vater der Autorin. Gespickt mit philosophischen Gedanken, Hintergrundwissen über Igel und seine Referenz in Politik, Literatur und Poesie denkt die Autorin über Igel nach und versucht, ihre Natur zu ergründen und von ihnen zu lernen - für ihren Umgang mit dem Leben, Hoffnung, Trauer und Trost, aber auch der Gesellschaft. Zeitlich ist der Essay gesellschaftlich in den Endzügen der Coronamaßnahmen und dem Beginn des Angriffkriegs Russlands auf die Urkraine eingebettet. Gerade letzteres nimmt nicht unerheblichen Raum in den Gedanken und Reflexionen der Autorin ein.

Schmunzeln musste ich oft bei den Einblicken in die Igel-Community, die auch die Autorin erst mit dem Fund des Igels zu entdecken beginnt und im Buch von vielen interessanten Begegnungen berichtet.

Stilistisch und inhaltlich war das Buch für mich etwas sprunghaft und lebt eher von den vielfältigen Assoziationen als echtem Tiefgang. Dafür regt der Essay jedoch nicht weniger zum Nachdenken an - über Igel, die Natur, unser Verhältnis zu diesen und das Leben.

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Veröffentlicht am 08.11.2024

Erwachsenwerden und Träumen in den 90ern am Bodensee

Die große Sehnsucht
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Rabe, Fete und Michi - drei junge Männer im letzten Jahr vor dem Abitur in der Mitte der 90er Jahre, aufgewachsen in einer Stadt am Bodensee. Hier siedelt René Sydow seinen Roman - Die große Sehnsucht ...

Rabe, Fete und Michi - drei junge Männer im letzten Jahr vor dem Abitur in der Mitte der 90er Jahre, aufgewachsen in einer Stadt am Bodensee. Hier siedelt René Sydow seinen Roman - Die große Sehnsucht - an. Die drei Protagonisten sind durchweg sympathisch, jeder mit seinen eigenen Charaktereigenschaften, individuellen Herausforderungen und Träumen: Rabe, der von einer großen Karriere als Filmregisseur träumt, Fete, der viel unsicherer ist, als viele ihn sehen, Michi, der bei einer alleinerziehenden Mutter aufwächst und plant ans andere Ende von Deutschland zu ziehen. So unterschiedlich die Drei sind, so sehr sind sie freundschaftlich verbunden und stehen sich gegenseitig bei. In der Freundschaft von Rabe, Michi und Fete fängt Sydow ein typisches Aufwachsen in den 90er Jahren ein und legt dabei den Fokus auf eine ganz besondere Lebensphase, kurz vor dem Schulabschluss, wenn alles möglich scheint und die Welt jungen Menschen offen steht, sie doch gleichzeitig noch stark geprägt von ihrer Herkunft und dem Elternhaus sind. Eine Mischung aus Bewahren des Vertrauten und Erwartung des Ungewissen, was das Leben bringen mag, angereichert mit allen Träumen, die in diese Zukunft gelegt werden. Die zeitliche Verortung in den 90er Jahren sorgt hier für einiges an Nostalgie. Dinge die heute einen Großteil unseres Alltags bestimmen, wie Handys, Smartphones oder PCs spielten noch keine, oder in der Masse eine völlig untergeordnete Rolle. Andere Aspekte des Alltags, wie Videos und Videotheken hingegen, die heute in Vergessenheit geraten sind, nahmen auch für Jugendliche viel Raum ein, als Freizeitbeschäftigung und Treffpunkt.

Neben der Perspektive der jungen Männer, beleuchtet Sydow stellenweise auch die der Eltern. Gerade davon hätte ich mir noch etwas mehr gewünscht und denke ein intergenerationaler Vergleich hätte den Roman bereichern können.

Stilistisch bin ich bis zum Schluss leider nicht ganz warm geworden mit der Erzählweise. Die Gedanken und Handlungen werden von einer Art alles wissendem Erzähler präsentiert, was mich ein bisschen an Kinderbücher erinnert hat, auch wenn der Inhalt natürlich ein ganz anderer ist. Für mich ging durch dieses Erzählen leider etwas Authentizität verloren und ein echtes Einfühlen in und Nähe zu den Protagonisten blieb für mich trotz einiger Parallelen zu meiner eigenen Biografie aus. Insgesamt war der Roman für mich eine nette Lektüre, die an die Besonderheiten einer Jugend in den 90ern erinnert, jedoch leider kein Werk, das sehr nachhallt.

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Veröffentlicht am 04.11.2024

Herzerwärmende Geschichte über Trost und Freude der Blumen…

Die Geschichte vom zauberbunten Garten
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Die Geschichte vom zauberbunten Garten von Andrea Rübben und Stella Dreis ist wahrhaft eine zauberhafte Erzählung. Dabei überzeugt nicht nur die rührende Geschichte um eine alte Frau, die sich in einer ...

Die Geschichte vom zauberbunten Garten von Andrea Rübben und Stella Dreis ist wahrhaft eine zauberhafte Erzählung. Dabei überzeugt nicht nur die rührende Geschichte um eine alte Frau, die sich in einer grauen Stadt in ihrem eigenen Garten eine blühende Oase angelegt hat. Diese Schönheit und die Kraft der Pflanzen in die Stadt zu tragen, macht sie sich zur Aufgabe, steckt den Menschen die ihr begegnen Blumen zu und verbreitet so die Magie ihres Gartens in der ganzen Stadt. Die Hauptrolle spielen für mich jedoch die traumhaft schönen Zeichnungen, die die Geschichte illustrieren! Die Schattierungen und fast nebelartigen Skizzen erzeugen eine ganz eigene Stimmung, die vom Text fast nur noch ergänzt werden. Was daraus entsteht, erinnert an ein modernes Märchen. Das Buch zieht so trotz der Kürze jung und alt in einen Bann von Geschichte und zauberhaften Illustrationen. Durch hochwertige Umsetzung in Inhalt und Einband eignet sich das Buch auch wunderbar als Geschenk.

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