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Veröffentlicht am 09.06.2024

Doña Dorothea

Das Land zwischen den Meeren
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Köln, 1848: Dorothea, 22, Tochter aus angesehenem Arzthause, verlobt sich heimlich mit dem nicht standesgemäßen Journalisten Alexander. Gemeinsam wollen sie nach Costa Rica reisen, aber das Schicksal hat ...

Köln, 1848: Dorothea, 22, Tochter aus angesehenem Arzthause, verlobt sich heimlich mit dem nicht standesgemäßen Journalisten Alexander. Gemeinsam wollen sie nach Costa Rica reisen, aber das Schicksal hat anderes vor, so begibt sich Dorothea schließlich allein in die Fremde. Was wird sie dort erwarten, in einem Land mit aufregender Flora und Fauna, in einem Land mit anderen Sitten und Bräuchen?

Chronologisch aufgebaut, mit genauen Zeitangaben versehen, so darf der Leser der jungen Hauslehrerin Dorothea in ihrer Geschichte folgen. Erst lernt man das sympathische Fräulein kennen und ihren Bekannten, den Charmeur Alexander; nach einem tragischen Vorfall ändert sich alles für Dorothea. Wir verlassen Köln und begeben uns auf eine kräfteraubende Reise nach Mittelamerika, wo unterschiedlichste Herausforderungen auf die Deutsche warten. Spannende und emotionale Szenen beherrschen das Feld, manches ist vorhersehbar, aber das Ende dieses imposanten Einstiegs in die Costa-Rica-Saga kommt völlig überraschend und schürt entsprechend die Neugierde auf den folgenden Band.

Paredes‘ schön dahinfließender Schreibstil, die schillernden Vögel, die farbenprächtigen Blüten fesseln den Leser und steigern die Wissbegierde zu diesem fernen und exotischen Land Costa Rica. Dorothea, inzwischen Doña Dorothea, hat es nicht immer leicht als Fremde, meistert die ihr begegnenden Schwierigkeiten aber immer wieder souverän.

Ein wunderschönes Buch mit exotischem Flair und einer starken, mutigen Frau, die ich sehr gerne auch auf ihren weiteren Wegen begleiten möchte. Eine Leseempfehlung für den Start dieser Saga!

Veröffentlicht am 07.06.2024

Mut durch Glauben

Die Vikarin
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Elly Haller aus dem deutschen Schwenningen wird 1938 nach Wien entsendet, um ihrer kranken Tante Julie zu helfen. Dort gewinnt sie in der Jüdin Lea Grünfeld eine liebe Freundin und lernt die „Schwedische ...

Elly Haller aus dem deutschen Schwenningen wird 1938 nach Wien entsendet, um ihrer kranken Tante Julie zu helfen. Dort gewinnt sie in der Jüdin Lea Grünfeld eine liebe Freundin und lernt die „Schwedische Mission“ in der Seegasse kennen, wo Theologin Margarete Hoffer regelmäßig Bibelstunden abhält. Als die Schikanen gegenüber der jüdischen Bevölkerung immer größer werden und schließlich auch Ellys Onkel treffen, kehrt das junge Mädchen wieder in seine Heimat zurück. Dort trifft Elly drei Jahre später abermals auf Margarete Hoffer, welche als „Vikarin auf Kriegsdauer“ in Schwenningen eingesetzt wird und sich der Fluchthilfe verschreibt.

Elly und ihre Familie liefern eine gelungene fiktive Rahmenhandlung für das Wirken von Margarete Hoffer, welche durch ihren Glauben und ihr Tun auch andere Menschen dazu inspiriert, nicht wegzusehen. Und das, obwohl ihre beiden Brüder für den Nationalsozialismus brennen. Umfassende Recherchen lassen etliche historische Figuren wieder lebendig, das Leid im Krieg spürbar werden. Und doch sind Menschlichkeit, Nächstenliebe und Hilfestellung selbst in solch herausfordernden Zeiten nicht überall ein Fremdwort. Hoffer und ihre Unterstützer in der Württembergischen Pfarrhauskette sehen sich allerdings nicht als Helden, sondern leben „nur“ das, was ihren Werten entspricht, auch wenn sie stets mit einem Bein im KZ stehen.

Kann man sich als Leser in diese Zeit hineinversetzen? Kann man ein Gefühl dafür entwickeln, ob man genug Mut aufbringen würde, um sich „auf die Seite der Verlierer“ zu stellen? Nun, das muss auch nicht sein. Es ist durchaus verständlich, wie Angst prägt und Menschen dazu veranlasst, sich anzupassen, nicht auffallen zu wollen. Aber vergessen, vergessen sollte man nie! Und genau das ist auch einer der Gründe, warum Brigitte Liebelt sich mit dieser Thematik beschäftigt, reale Schicksale aus Archiven gesucht hat, mit Nachfahren von Betroffenen gesprochen hat, um all das zu einer faszinierenden Geschichte rund um Vikarin Margarete Hoffer zusammenzustellen. Für meinen Geschmack fließt ein bisschen zu viel Politisches und Kirchengeschichtliches in die Handlung ein, dennoch sind die genannten Details nicht völlig uninteressant. Auch der Vikarin selbst hätte man ein wenig mehr Raum zugestehen können, zuweilen hat man das Gefühl, dass Elly allein die Hauptrolle im Geschehen einnimmt. Andererseits ist dadurch natürlich Hoffers positiver Einfluss sehr deutlich zu erkennen.

Stilistisch angenehm zu lesen, Kapitelanfänge sorgfältig mit zeitgenössischen religiösen Zitaten versehen und ein Geschehen, welches durch Personenverzeichnis und Nachwort bestens abgerundet wird – so kann dem Vergessen auf breiter Basis entgegengewirkt werden. Ich empfehle „Die Vikarin“ gerne weiter.

Veröffentlicht am 07.06.2024

Gefangen

Im Tal
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Ein einsames Tal, ein einsamer Mensch, gefangen in sich selbst. 1897 geboren, dem Leben ausgesetzt, hängt er einundsiebzig Jahre später vornübergesunken an seinem Küchentisch und wird so von einem Wanderer ...

Ein einsames Tal, ein einsamer Mensch, gefangen in sich selbst. 1897 geboren, dem Leben ausgesetzt, hängt er einundsiebzig Jahre später vornübergesunken an seinem Küchentisch und wird so von einem Wanderer gefunden. Herzstillstand, sagt der Arzt, der war immer schon ein unnahbarer, verschrobener Kauz, sagen die Leut‘. Wie es wirklich in ihm ausgesehen hat, weiß – vielleicht – der liebe Gott, oder nicht einmal der.

Mit dem Tod von Toni Rossner beginnt diese Geschichte, mit seinem Tod endet sie, dazwischen liegt ein langer Weg voll Einsamkeit und Sehnsucht. „Im Tal“ heißt seine abgeschiedene Heimat, Prügel seine Kindheit, Krieg, Arbeit und wieder Krieg sein Dasein, Leben kann man es kaum nennen. Treffende Worte findet Tommie Goerz, um all das Leid, all die Suche zu beschreiben, welche den Toni stets begleitet, bisweilen auch übermannt. Was muss vorgegangen sein in diesem Kind, in diesem Mann, dessen Schicksal man sich kaum vorstellen kann? Kurze Kapitel, Blicke auf das Wesentliche, Nebel über den Rest. Knappe Sätze, die dennoch so viel aussagen, so viele Bilder zeichnen, so viele Emotionen schüren. Und dann noch Überraschungen am Ende, wo die Betroffenheit ohnehin schon höher ist als man zu ertragen vermag.

Tommie Goerz‘ hervorragender Schreibstil lässt Toni Rossners Geschichte trotz aller Tristesse lebendig werden, den Leser mitfühlen, trauern, wütend werden – und noch lange daran denken an dieses schmale, unscheinbare Büchlein, das über die Maßen hinaus zu bewegen vermag. Ganz klare Leseempfehlung!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 05.06.2024

Die Welt der Schausteller

Die Liebe des Gauklers
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Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation, 1622: In der Kurpfalz wachsen die Schneidertochter Susanna und der Bauernsohn Hannes als Nachbarn auf. Einer Heirat wollen Susannas Eltern allerdings nicht zustimmen, ...

Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation, 1622: In der Kurpfalz wachsen die Schneidertochter Susanna und der Bauernsohn Hannes als Nachbarn auf. Einer Heirat wollen Susannas Eltern allerdings nicht zustimmen, unterschiedliche Religionsbekenntnisse sind wohl nicht der einzige Grund. Während Susanna im Betrieb des Vaters fleißig mithilft, geht Hannes auf Wanderschaft als Zimmermann. Der Dreißigjährige Krieg bringt die beiden Liebenden letztendlich ganz auseinander, als Susanna aus ihrem Dorf fliehen muss und Hannes sich als Landsknecht verdingt und bald totgesagt wird. Susannas Leben geht weiter, sie schließt sich einer Gauklertruppe an.

Imposant präsentiert sich dieses Werk rund um die Schaustellerei im 17. Jahrhundert, welche sich aus dem Tun von Gauklern, Hanswurstdarstellern und Zahnbrechern entwickelt hat. Bestens recherchiert und anschaulich verflochten mit Szenen aus Shakespeares Stücken wird (nicht nur) dieser Teil des Buches überaus lebendig. Weitere Handlungsstränge betreffen die unterschiedlichen Wege von Susanna und Hannes, sowie Kriegslist und Strategien einzelner Generäle im Dreißigjährigen Krieg. Kein Bereich kommt zu kurz, detaillierte Schilderungen und interessante Einzelheiten zu unterschiedlichsten Themen lassen die Begeisterung des Autors zwischen den Zeilen spüren, manchem Leser wird es allerdings da und dort vielleicht ein wenig zu viel und ein bisschen zu langatmig werden. Historische Fakten treffen auf fiktive, sehr anschaulich charakterisierte Figuren, eine ganze Menge an geschichtlichem Wissen wird gekonnt verknüpft mit menschlichen Schicksalen. Anfangs etwas verwirrend durch die verschiedenen Handlungsstränge und die große Zahl an Namen (Gaukler, Bischöfe, Kriegsherren,…), kristallisiert sich jedoch bald ein großes Ganzes heraus, das den Leser umfassend unterhält.

Fazit: nichts für schnelles Zwischendurch, dafür umso lohnender, wenn man sich auf eine imposante Geschichte mit Geschichte einlässt.

Veröffentlicht am 04.06.2024

Zwillinge

Unter Schwestern
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Die Zwillingsschwestern Amelie (Lilly) und Franziska (Zissy) sehen einander so ähnlich, dass niemand außer ihrer Mutter sie auseinanderhalten kann. So nutzen die beiden diese Tatsache, um Lehrer bei Tests ...

Die Zwillingsschwestern Amelie (Lilly) und Franziska (Zissy) sehen einander so ähnlich, dass niemand außer ihrer Mutter sie auseinanderhalten kann. So nutzen die beiden diese Tatsache, um Lehrer bei Tests oder Freunde auf Partys hinters Licht zu führen, indem sie sich als die jeweils andere Schwester ausgeben. Als die erwachsene Amelie Probleme hat und einige Tage Auszeit aus ihrem Familienleben braucht, bittet sie Franziska abermals um einen spontanen Rollentausch. Der jedoch entpuppt sich zu einem Alptraum ohne Ende.

Franziska, Amelie und alle weiteren Figuren, die in dieser phantastischen Geschichte zu Wort kommen, erzählen in der Ich-Form, was besonders bei den Zwillingsschwestern immer wieder zu (erwünschter) Verwirrung beim Leser führt. Man wird im Laufe der Kapitel natürlich erkennen, was sich Sophie Edenberg dabei gedacht hat. Raffiniert führt die Autorin durch die Handlung, welche anfangs schwer greifbar ist, sich aber immer weiter zu einem hervorragenden Spiel von Überraschungen und Intrigen entwickelt. Ein fesselnder Schreibstil, vage Andeutungen und verstrickte Beziehungen unter den Figuren sorgen für Abwechslung und Kurzweil. Die knappen Kapitel und die raschen Änderungen des Blickwinkels präsentieren immer wieder neue Informationen und Erkenntnisse, kaum glaubt man, eine gute Idee zu haben, darf man diese auch schon wieder verwerfen. Auch wenn ich früh einen richtigen Verdacht gehegt habe, so haben mich der weitere Verlauf der Handlung und insbesondere das Ende dieses klug aufgebauten Thrillers doch noch mehrfach überraschen können. Bravo!

Ein absolut faszinierendes Szenario, das perfekt durchdacht ist und den Leser von Anfang bis zum Ende in Atem hält. Ich spreche aus Überzeugung eine Leseempfehlung aus.