Profilbild von clematis

clematis

Lesejury Star
offline

clematis ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit clematis über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 20.10.2024

Banküberfall

Wer mit den Wölfen heult
0

In der Dover Police Station geht ein Alarm ein – Banküberfall. Im flotten Einsatz fällt ein Schuss, abgefeuert von Police Sergeant Martin Gordon, direkt auf seinen Kollegen Clark Jarrett. Notwehr oder ...

In der Dover Police Station geht ein Alarm ein – Banküberfall. Im flotten Einsatz fällt ein Schuss, abgefeuert von Police Sergeant Martin Gordon, direkt auf seinen Kollegen Clark Jarrett. Notwehr oder Absicht? Das ist hier die Frage, Psychotherapeutin Lily Brown soll ein Gutachten über die Dienstfähigkeit von Gordon erstellen und sticht dabei in ein Wespennest.

Spannend beginnt der neue Canterbury-Fall mit einem Prolog zum Banküberfall aus der Ich-Perspektive. Noch weiß niemand, welche Ursachen und welche Folgen der Schuss aus einer SIG Sauer hat, aber Lily könnte eventuell Licht ins Dunkel bringen. Zumindest soll sie einen Befund erarbeiten im Auftrag des Vorgesetzten von Martin Gordon und Clark Jarrett. Neben Lilys Blickwinkel kommt natürlich auch Martin zu Wort, nach und nach wird immer tiefer gegraben und vergangene Szenen erhellen das Bild. Aber die Angelegenheit soll ja kurzweilig und authentisch bleiben, weshalb auch eine andere Klientin Lilys große Aufmerksamkeit bekommt bei ihrer Angst vor plötzlichem Kindstod und selbstverständlich spielt auch Dan wieder – wie schon im Vorgängerband - eine Rolle und lässt uns teilhaben an seiner Arbeit als Profiler bei der Londoner MET. Nicht zu kurz kommt auch Lily Browns Privatleben, welches das interessante und überaus fesselnde Geschehen perfekt abrundet.

Anders als in klassischen Krimis geht es hier nicht um ein einzelnes Verbrechen, das aufgeklärt werden muss, nein, vielmehr darf der Leser die selbständig tätige Lily in ihrem Alltag begleiten, welcher von Tessa Duncan in brillanter Art und Weise dargestellt wird. Die Autorin, selber promovierte Psychologin und ausgebildete Therapeutin, bringt ihr feines Gespür für Zwischenmenschliches auch diesmal durch ihren bemerkenswerten Schreibstil zu Papier, verwebt tatsächlich geschehene Verbrechen gekonnt mit einer fiktiven Handlung und erzielt mit diesem Vorgehen größtmögliche Authentizität. Die gewählten Themen spannen einen großen Bogen über Kameradschaft, bei Polizei und Marine Korpsgeist genannt, über plötzlichen Kindstod bis hin zu einem Leben als Patchworkfamilie. Auch Kater Mick darf natürlich nicht fehlen, dass es ein reales Vorbild für ihn gibt, ist kaum zu überlesen. ☺ So reiht sich ein aufregendes Kapitel an das nächste, hält die unvorhersehbare Handlung den Leser in Atem. Wie im wahren Leben gibt es Gewinner und Verlierer – und natürlich eine offene Frage am Ende des Buches, welches zwar die kriminalistischen Details zu einem runden und logischen Abschluss bringt, aber offen lässt, wie es mit Lily im Privaten weitergeht. Das wird uns hoffentlich bald ein weiterer Teil dieser großartigen Reihe beantworten.

Wie schon Band Eins, hat mich auch „Wer mit den Wölfen heult“ restlos begeistert. Tessa Duncans Herangehensweise an schwierige Fachgebiete und Problemstellungen (Achtung: plötzlicher Kindstod, Mobbing, Gewalt gegen Frauen) ist ausgezeichnet, insbesondere, wie sie das alles in eine romanhafte Handlung einbettet. Nicht nur die geschilderten Geschehnisse, auch der Ohrwurm „Don‘t Pay the Ferryman“ von Chris de Burgh werden mich noch einige Zeit begleiten. Mir bleibt nun nur mehr, eine Empfehlung für beide bisher erschienenen Bände der Canterbury-Fälle auszusprechen und gebannt auf eine Fortsetzung zu warten.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 17.10.2024

Kostüme

Tod auf Schloss Solitude
0

In ihrem Job in der Werbebranche muss Bea Pelzer so einiges hinnehmen, aktuell Rokokokostüme und turmartige Perücken, während sie interessante Führungen durch das Schloss Solitude in Stuttgart durchführt. ...

In ihrem Job in der Werbebranche muss Bea Pelzer so einiges hinnehmen, aktuell Rokokokostüme und turmartige Perücken, während sie interessante Führungen durch das Schloss Solitude in Stuttgart durchführt. Anschließend plant ihr Chef eine Weinverkostung, um sich selbst vor zahlungskräftigem Publikum in Szene zu setzen. Aber es kommt anders als geplant, Beas Kollegin Pauline, welche schon zuvor nicht auf ihrem Posten anzutreffen ist, wird tot im Gebüsch aufgefunden. Ihrem Naturell entsprechend, will Bea der Polizei unter die Arme greifen und gerät selbst in Gefahr. Ist sie vielleicht gar aufgrund des ähnlichen Kostüms mit Pauline verwechselt worden?

Das malerische Schloss Solitude bildet sich bereits im Titelbild ab und setzt sich samt seiner schönen Umgebung in den konkreten Beschreibungen von Martina Fiess fort. Wissenswerte Details fließen aufgrund der Führungen wie nebenbei ein und verleihen der Kriminalhandlung einen passenden Rahmen. So wird es auch zu Beginn des Romans nicht langweilig, während noch keine Leiche im Spiel ist. Ein angenehmer Schreibstil führt chronologisch durch die Geschichte, welche aus Beas Sicht in der Ich-Form erzählt wird. Verschiedene Theorien zu möglichen Tätern werden aufgegriffen, Bea und Kommissar Gabriel gehen den Hinweisen unabhängig voneinander nach, wobei natürlich Missverständnisse und falsche Schlussfolgerungen nicht fehlen dürfen. Auch der Leser wird mit so mancher Vermutung in gedankliche Sackgassen gelockt und darf miträtseln, was sich im Schlosspark tatsächlich zugetragen hat. Am Ende wartet eine schlüssige Auflösung des Ganzen.

Weniger aufregend als unterhaltsam präsentiert sich Fall Acht rund um Bea Pelzer mit der schönen Schlosskulisse und interessanten Einblicken in die Werbebranche. Vorkenntnisse sind nicht unbedingt nötig, für die Entwicklung der Figur der Bea Pelzer aber auch nicht verkehrt. Ein Buch für vergnügliche Regionalkrimistunden.

Veröffentlicht am 17.10.2024

Spielplatz

Wer das Vergessen stört
0

Lily Brown, ehemals Polizeipsychologin bei der Londoner MET, arbeitet nun als selbständige Psychotherapeutin in Canterbury und hat sofort zwei besonders schwierige Fälle zu begleiten, nämlich jene von ...

Lily Brown, ehemals Polizeipsychologin bei der Londoner MET, arbeitet nun als selbständige Psychotherapeutin in Canterbury und hat sofort zwei besonders schwierige Fälle zu begleiten, nämlich jene von Vera Osmond, die unter unerklärlichen Panikattacken leidet und von Samantha Harris, die einem gewalttätigen Ehemann ausgeliefert ist. Als Vera tot aufgefunden wird, deutet vieles auf Selbstmord hin, Lily ist von dieser Theorie aber ganz und gar nicht überzeugt.

Spannende Szenen aus verschiedenen Blickwinkeln, Rückblenden in die 1980er-Jahre, bewegende Schicksale und ein empathischer Schreibstil aus der geschulten Sicht einer Autorin, die selber promovierte Psychologin und ausgebildete Therapeutin ist. Das alles trägt dazu bei, dass dieses Buch überaus fesselnd zu lesen ist und wohl kaum jemanden kalt lässt. Lebendige Figuren und authentische Schauplätze lassen die Handlung sehr realistisch werden, tatsächlich gibt es sogar ein echtes Vorbild für die fiktive Geschichte, wie man im Nachwort erfährt. Lily Brown überzeugt in ihrer Rolle als Psychotherapeutin, obwohl sie selber keineswegs ein geruhsames Leben führt und gerade dadurch so glaubwürdig ist. Über verschiedenste Wege führt sie Vera an den Auslöser ihrer Anfälle heran, es könnte ein frühkindliches Erlebnis auf einem Spielplatz gewesen sein und so nimmt die Geschichte ihren Lauf. Als Leser kann man sich dem entstehenden Sog kaum entziehen, wartet gebannt auf die Fortsetzung, wenn am Ende eines Kapitels Fragen offen bleiben und auf den Seiten darauf ein Szenenwechsel stattfindet. Gekonnt belässt Tessa Duncan einige Details lange im Dunklen, löst aber am Ende alles sauber auf. Alles? Nein, nicht alles – auch wenn die Kriminalhandlung an sich abgeschlossen ist, weckt der letzte Satz Neugierde auf den weiteren Verlauf von Lilys Privatleben. Wer also wissen will, wie es weitergeht, wird alsbald Band Zwei dieser Reihe zur Hand nehmen und in „Wer mit den Wölfen heult“ schmökern. Mein Buch liegt schon bereit!

Hier passt einfach alles: Schreibstil, schwierige Themen (Achtung - Missbrauch, Abhängigkeit!) geschickt zu einem lesenswerten Spannungsroman verwoben, der mit einer sympathischen, ganz und gar nicht perfekten Hauptfigur punkten kann. Ich freue mich auf die Fortsetzung und vergebe gerne fünf verdiente Sterne und eine Leseempfehlung.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 10.10.2024

Flucht

Aschezeichen
0

Privatdetektivin Liv Jensen soll ihrem Bekannten von der Polizei nur eine kleine Information liefern und landet prompt in einem brisanten Fall, der 30 Jahre in die Vergangenheit zurückführt. Vordergründig ...

Privatdetektivin Liv Jensen soll ihrem Bekannten von der Polizei nur eine kleine Information liefern und landet prompt in einem brisanten Fall, der 30 Jahre in die Vergangenheit zurückführt. Vordergründig geht es um einen Mord auf der naturgeschützten dänischen Insel Vorsø, die Nachforschungen deuten aber schnell auf ein Flüchtlingslager im Jahr 1990 hin.

Ein enges Zelt, beschlagene Innenflächen, ein Toter mit brutal durchschnittener Kehle. Wer sind die handelnden Figuren, wie die Umstände? Das herauszufinden, braucht der Leser ein wenig. Inzwischen kommt Liv auf den Plan, die manche schon vom Vorgängerband Glutspur kennen. Wie schon im Band Eins, geht es überwiegend ruhig zu, wenn auch die anklingenden Themen alles andere als ruhig sind: zur Sprache kommen Flüchtlinge, Integration, ein Auffanglager 30 Jahre zuvor, Drogen, Gewalt gegen Frauen, alleingelassene Jugendliche, alles in allem ein recht düsteres Szenario, das sich gekonnt auf die Gefühle des Lesers überträgt. Katrine Engberg zieht Dänemark als Kulisse geschickt heran, um diesen Kriminalroman zu untermalen, ihm die nötige und vor allem passende Atmosphäre zu verschaffen. Auch die Figur der Privatdetektivin spielt hier entsprechend herein mit einer Frau, die Ecken und Kanten hat und durchaus ihre persönlichen Probleme mitbringt ins Geschehen. Ebenso alle anderen Personen hat der Leser sehr gut vor Augen, sei es die Tochter des Opfers, sei es Livs Nachbar, sei es die Psychologin. Das Zusammenspiel zwischen Vergangenheit und Jetztzeit ist spannend, da und dort geht es um Flucht und Problembewältigung, die einer gut, ein anderer weniger gut hinbekommt. Der Fall selber bringt interessante Ermittlungen mit sich, bei denen man falsche Fährten verfolgt, schlussendlich aber eine nachvollziehbare Auflösung bekommt.

Auch Band 2 mit Liv Jensen hat mich gut unterhalten, ich empfehle Aschezeichen gerne weiter an jene Leser, die mit düsterer Atmosphäre und belastenden Themen (siehe oben) gut umgehen können.


Veröffentlicht am 30.09.2024

Wahl - Kampf

Lückenbüßer (Kluftinger-Krimis 13)
0

Interims-Polizeipräsident ist Adalbert Kluftinger und gleichzeitig auf einem unwählbaren Listenplatz für den Gemeinderat. Während bei einem Übungseinsatz ein Toter zu beklagen ist und routinemäßige Untersuchungen ...

Interims-Polizeipräsident ist Adalbert Kluftinger und gleichzeitig auf einem unwählbaren Listenplatz für den Gemeinderat. Während bei einem Übungseinsatz ein Toter zu beklagen ist und routinemäßige Untersuchungen stattfinden, findet Klufti aber auch an der Politik Gefallen.

Humorvoll und mit Wortwitz lädt auch dieser Teil der legendären Kluftinger-Reihe zum Lesen und Lachen ein. Diesmal steht die Wahl ziemlich stark im Vordergrund, der Krimi verschwindet mitunter irgendwo zwischen den Pilzen im Wald. Dennoch sind die Szenen abwechslungsreich, die Dialoge lebendig und spiegeln die Redensart im Allgäu wider. Wahlwerbung, Konkurrenzkampf und ein Wirtshaus mit Abneigung gegen die Coronamaßnahmen lassen viele unterschiedliche Themen aufkommen, langweilig wird es jedenfalls nicht. Flott geht es von einem Kapitel zum nächsten, der Schreibstil des Autorenduos ist gewohnt zugespitzt und klischeebehaftet. Und genau das ist es, was diese Krimiserie so einzigartig werden lässt.

Klufti als Interimspräsident und Gemeinderatskandidat marschiert an kaum einem Fettnäpfchen vorbei und löst trotzdem auch diesen Kriminalfall souverän. Ich hatte sehr viel Spaß beim Lesen und bin gespannt, wie die Wahl ausgeht, denn alle Fragen sind noch nicht beantwortet!