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Veröffentlicht am 07.06.2024

Gefangen

Im Tal
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Ein einsames Tal, ein einsamer Mensch, gefangen in sich selbst. 1897 geboren, dem Leben ausgesetzt, hängt er einundsiebzig Jahre später vornübergesunken an seinem Küchentisch und wird so von einem Wanderer ...

Ein einsames Tal, ein einsamer Mensch, gefangen in sich selbst. 1897 geboren, dem Leben ausgesetzt, hängt er einundsiebzig Jahre später vornübergesunken an seinem Küchentisch und wird so von einem Wanderer gefunden. Herzstillstand, sagt der Arzt, der war immer schon ein unnahbarer, verschrobener Kauz, sagen die Leut‘. Wie es wirklich in ihm ausgesehen hat, weiß – vielleicht – der liebe Gott, oder nicht einmal der.

Mit dem Tod von Toni Rossner beginnt diese Geschichte, mit seinem Tod endet sie, dazwischen liegt ein langer Weg voll Einsamkeit und Sehnsucht. „Im Tal“ heißt seine abgeschiedene Heimat, Prügel seine Kindheit, Krieg, Arbeit und wieder Krieg sein Dasein, Leben kann man es kaum nennen. Treffende Worte findet Tommie Goerz, um all das Leid, all die Suche zu beschreiben, welche den Toni stets begleitet, bisweilen auch übermannt. Was muss vorgegangen sein in diesem Kind, in diesem Mann, dessen Schicksal man sich kaum vorstellen kann? Kurze Kapitel, Blicke auf das Wesentliche, Nebel über den Rest. Knappe Sätze, die dennoch so viel aussagen, so viele Bilder zeichnen, so viele Emotionen schüren. Und dann noch Überraschungen am Ende, wo die Betroffenheit ohnehin schon höher ist als man zu ertragen vermag.

Tommie Goerz‘ hervorragender Schreibstil lässt Toni Rossners Geschichte trotz aller Tristesse lebendig werden, den Leser mitfühlen, trauern, wütend werden – und noch lange daran denken an dieses schmale, unscheinbare Büchlein, das über die Maßen hinaus zu bewegen vermag. Ganz klare Leseempfehlung!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 05.06.2024

Die Welt der Schausteller

Die Liebe des Gauklers
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Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation, 1622: In der Kurpfalz wachsen die Schneidertochter Susanna und der Bauernsohn Hannes als Nachbarn auf. Einer Heirat wollen Susannas Eltern allerdings nicht zustimmen, ...

Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation, 1622: In der Kurpfalz wachsen die Schneidertochter Susanna und der Bauernsohn Hannes als Nachbarn auf. Einer Heirat wollen Susannas Eltern allerdings nicht zustimmen, unterschiedliche Religionsbekenntnisse sind wohl nicht der einzige Grund. Während Susanna im Betrieb des Vaters fleißig mithilft, geht Hannes auf Wanderschaft als Zimmermann. Der Dreißigjährige Krieg bringt die beiden Liebenden letztendlich ganz auseinander, als Susanna aus ihrem Dorf fliehen muss und Hannes sich als Landsknecht verdingt und bald totgesagt wird. Susannas Leben geht weiter, sie schließt sich einer Gauklertruppe an.

Imposant präsentiert sich dieses Werk rund um die Schaustellerei im 17. Jahrhundert, welche sich aus dem Tun von Gauklern, Hanswurstdarstellern und Zahnbrechern entwickelt hat. Bestens recherchiert und anschaulich verflochten mit Szenen aus Shakespeares Stücken wird (nicht nur) dieser Teil des Buches überaus lebendig. Weitere Handlungsstränge betreffen die unterschiedlichen Wege von Susanna und Hannes, sowie Kriegslist und Strategien einzelner Generäle im Dreißigjährigen Krieg. Kein Bereich kommt zu kurz, detaillierte Schilderungen und interessante Einzelheiten zu unterschiedlichsten Themen lassen die Begeisterung des Autors zwischen den Zeilen spüren, manchem Leser wird es allerdings da und dort vielleicht ein wenig zu viel und ein bisschen zu langatmig werden. Historische Fakten treffen auf fiktive, sehr anschaulich charakterisierte Figuren, eine ganze Menge an geschichtlichem Wissen wird gekonnt verknüpft mit menschlichen Schicksalen. Anfangs etwas verwirrend durch die verschiedenen Handlungsstränge und die große Zahl an Namen (Gaukler, Bischöfe, Kriegsherren,…), kristallisiert sich jedoch bald ein großes Ganzes heraus, das den Leser umfassend unterhält.

Fazit: nichts für schnelles Zwischendurch, dafür umso lohnender, wenn man sich auf eine imposante Geschichte mit Geschichte einlässt.

Veröffentlicht am 04.06.2024

Zwillinge

Unter Schwestern
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Die Zwillingsschwestern Amelie (Lilly) und Franziska (Zissy) sehen einander so ähnlich, dass niemand außer ihrer Mutter sie auseinanderhalten kann. So nutzen die beiden diese Tatsache, um Lehrer bei Tests ...

Die Zwillingsschwestern Amelie (Lilly) und Franziska (Zissy) sehen einander so ähnlich, dass niemand außer ihrer Mutter sie auseinanderhalten kann. So nutzen die beiden diese Tatsache, um Lehrer bei Tests oder Freunde auf Partys hinters Licht zu führen, indem sie sich als die jeweils andere Schwester ausgeben. Als die erwachsene Amelie Probleme hat und einige Tage Auszeit aus ihrem Familienleben braucht, bittet sie Franziska abermals um einen spontanen Rollentausch. Der jedoch entpuppt sich zu einem Alptraum ohne Ende.

Franziska, Amelie und alle weiteren Figuren, die in dieser phantastischen Geschichte zu Wort kommen, erzählen in der Ich-Form, was besonders bei den Zwillingsschwestern immer wieder zu (erwünschter) Verwirrung beim Leser führt. Man wird im Laufe der Kapitel natürlich erkennen, was sich Sophie Edenberg dabei gedacht hat. Raffiniert führt die Autorin durch die Handlung, welche anfangs schwer greifbar ist, sich aber immer weiter zu einem hervorragenden Spiel von Überraschungen und Intrigen entwickelt. Ein fesselnder Schreibstil, vage Andeutungen und verstrickte Beziehungen unter den Figuren sorgen für Abwechslung und Kurzweil. Die knappen Kapitel und die raschen Änderungen des Blickwinkels präsentieren immer wieder neue Informationen und Erkenntnisse, kaum glaubt man, eine gute Idee zu haben, darf man diese auch schon wieder verwerfen. Auch wenn ich früh einen richtigen Verdacht gehegt habe, so haben mich der weitere Verlauf der Handlung und insbesondere das Ende dieses klug aufgebauten Thrillers doch noch mehrfach überraschen können. Bravo!

Ein absolut faszinierendes Szenario, das perfekt durchdacht ist und den Leser von Anfang bis zum Ende in Atem hält. Ich spreche aus Überzeugung eine Leseempfehlung aus.

Veröffentlicht am 04.06.2024

Maria Herz, geb. Bing - eine Romanbiografie

Die Komponistin von Köln
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Maria und Franziska, zwei jüdische Freundinnen, wachsen im ausklingenden 19. Jahrhundert in Köln auf. Anders als ihre Brüder stehen ihnen nicht alle Möglichkeiten offen, Heiraten und Kinder Aufziehen ist ...

Maria und Franziska, zwei jüdische Freundinnen, wachsen im ausklingenden 19. Jahrhundert in Köln auf. Anders als ihre Brüder stehen ihnen nicht alle Möglichkeiten offen, Heiraten und Kinder Aufziehen ist immer noch der Weg einer Frau, auch wenn sie Künstlerin (im Falle von Maria Pianistin und Komponistin) werden will.

Sorgfältig recherchiert zeichnet Hanka Meves ein Portrait von Maria Herz, geborene Bing, im Roman liebevoll Mariechen genannt, und bedient sich der künstlerischen Freiheit, ihr eine fiktive Freundin, Franzi, zur Seite zu stellen, welche aus ihrer persönlichen Sicht in der Ich-Form erzählt. Die Geschichte beginnt im Schulalter von Mariechen und Franzi, zwei Mädchen, die als große Gemeinsamkeit die Leidenschaft für Musik und Klavierspiel teilen und dauert an bis hin zum Zweiten Weltkrieg. Meves ist beeindruckt von Marias Energie (siehe Nachwort), welche einen Teil ihres Lebens in England verbringt, vier Kinder großzieht und wie nebenbei sich noch dem Klavierspiel widmet und beginnt, eigene Melodien zu kreieren, später sogar Texte zeitgenössischer Dichter zu vertonen. Leider springt diese Begeisterung der Autorin nicht auf mich über beim Lesen, Schicksalsschläge werden überwiegend emotionsfrei abgehandelt, kaum sieht man genauer auf eine Szene, wird der Vorhang auch schon wieder geschlossen und ein neuer Schauplatz eröffnet, als ob es um einen Wettbewerb ginge, möglichst viele Themen anzureißen (Frauenrechte, Cholera, Antisemitismus, Suffragetten, Tod, Krieg, Spanische Grippe, und noch vieles mehr). Nichtsdestotrotz ist der Einblick in das Leben einer wenig bekannten Künstlerin interessant zusammengefasst, sodass man Maria Herz ein wenig näherkommen kann.

Nicht ganz das, was ich mir vom Klappentext erwartet habe – drei Sterne.

Veröffentlicht am 03.06.2024

Grauen in der Provence

Verräterisches Lavandou (Ein-Leon-Ritter-Krimi 10)
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Ein grausamer Mord erschüttert das idyllische Dorf Le Lavandou, welches noch nicht so arg vom Massentourismus überrannt wird. Hier genießt man noch in Ruhe seinen Kaffee oder Rosé, lauscht dem Zirpen der ...

Ein grausamer Mord erschüttert das idyllische Dorf Le Lavandou, welches noch nicht so arg vom Massentourismus überrannt wird. Hier genießt man noch in Ruhe seinen Kaffee oder Rosé, lauscht dem Zirpen der Grillen und lässt seinen Blick über das weite Meer schweifen. Als eine arg entstellte Leiche am Strand entdeckt wird, fürchtet Polizeipräsident Zerna um den Ruf seines Départments und um den Fremdenverkehr.

Ein weiterer Kriminalfall beschäftigt den Gerichtsmediziner Leon Ritter und seine Lebensgefährtin Capitaine Isabelle Morell. Ich kenne ja schon einige Bände dieser Reihe und muss sagen, dass Remy Eyssen diesmal recht brutale Details für den Leser bereithält. Dazwischen atmet man französisches Urlaubsflair mit dem Duft von knusprigem Baguette und frischem Pain au chocolat, wodurch Abwechslung und beste Unterhaltung garantiert sind. Etliche falsche Fährten führen auf Irrwege und in Sackgassen, das Privatleben der Hauptfiguren kommt ebenfalls nicht zu kurz. Egal, ob man neu einsteigt in diese Krimireihe oder schon als „alter Hase“ liest, charakterstarke Figuren und eine zauberhafte Kulisse warten stets im Lavandou.

Auch Band Numero Zehn ist absolut lesenswert und hat mich wieder rundum begeistert.

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