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Veröffentlicht am 30.01.2023

Abseits

Die Bagage
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Abseits des Dorfes, am Rand eines Waldes in Vorarlberg, leben die Moosbruggers – Vater Josef, Mutter Maria und deren Kinder. Als Josef im Herbst 1914 seinen Einberufungsbefehl bekommt, nimmt er dem Bürgermeister ...

Abseits des Dorfes, am Rand eines Waldes in Vorarlberg, leben die Moosbruggers – Vater Josef, Mutter Maria und deren Kinder. Als Josef im Herbst 1914 seinen Einberufungsbefehl bekommt, nimmt er dem Bürgermeister das Versprechen ab, auf seine Frau aufzupassen. Nach zwei baldigen Heimaturlauben von der Front kehrt Josef erst Ende 1918 zurück zu seiner Familie, die um die kleine Grete angewachsen ist. Gerüchten nach ist das Balg nicht seins, denn während seiner Zeit in Italien waren der Deutsche Georg und der Bürgermeister höchstselbst bei der bildschönen Maria im Haus. Grete, die Mutter der Autorin, und der Familienvater wechseln kein Wort miteinander, was möglicherweise der Beginn einer schweren Bürde und der Ursprung für Monika Helfers Aufarbeiten ihrer Vergangenheit ist.

Nüchterne Sätze im Präsens geben Erinnerungen preis, welche nicht Monikas eigene sind, sondern jene von Verwandten, insbesondere von Tante Kathe, die hochbetagt noch viel von „damals“ zu erzählen weiß. Während Marias Schwangerschaft wenden sich viele Dorfbewohner ab von der gottlosen Familie, nur wenige stehen offen zu Maria und ihren Kindern, die nun ihrerseits ihre Mutter verteidigen und noch enger zusammenstehen als bisher. In Monika Helfers Worten spiegeln sich die Armut, die Abgeschiedenheit, die Härte des Großen Krieges wider. Zwischen den Zeilen ist zwar Stolz und langer Atem zu spüren, Freude und Zuversicht mögen aber nicht an die Oberfläche zu dringen. In allem Tun und Handeln schwingt eine gewisse Abgestumpftheit mit, sodass die Erzählung langatmig und ermüdend wirkt. Interessant zu lesen sind lediglich einige wenige Darstellungen, beispielsweise jene, in der Lorenz für das Überleben von Mutter und Geschwistern mutig in einen Vorratskeller einbricht.

Zwischen dem Gerüst einer Handlung tauchen plötzliche Zeitsprünge ohne erkennbaren Zusammenhang auf und immer wiederkehrende Gedanken der Autorin beim Schreiben, welche übergangslos ins Geschehen mit einfließen. Da Monika Helfer selbst ihre Großeltern nie kennengelernt hat, muss sie deren Leben Stück für Stück zusammentragen und ist angewiesen auf das Urteil von Tanten und Onkeln, was fehlt, muss ergänzt werden. Dies ist bestimmt ein wichtiger Weg für die Nachkommen der Kriegsgeneration, um deren schweres Erbe verstehen und einordnen zu können, als zeitgeschichtliches Dokument für die Allgemeinheit sehe ich diese freudlose Aneinanderreihung von Szenen jedoch nicht. Da habe ich mir tatsächlich mehr erwartet.



Titel Die Bagage
Autor Monika Helfer
ISBN 978-3-423-25447-2
Sprache Deutsch
Ausgabe Taschenbuch, 160 Seiten, ebenfalls erhältlich als Gebundenes Buch, ebook und Hörbuch
Erscheinungsdatum 20. August 2021
Verlag dtv

Veröffentlicht am 03.11.2022

Enttäuschend

Schwarzes Wasser
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Hannah arbeitet als Hotelmanagerin auf einer Insel im Fluss Blackwater. Eines Nachts ertrinken nach einem rauschenden Fest einige Gäste, darunter ihre Schwester und beste Freundin Kat. Die darauffolgende ...

Hannah arbeitet als Hotelmanagerin auf einer Insel im Fluss Blackwater. Eines Nachts ertrinken nach einem rauschenden Fest einige Gäste, darunter ihre Schwester und beste Freundin Kat. Die darauffolgende panikartige Angst vor Wasser hält Hannah auf der Insel gefangen, sodass sie auch bei Wintereinbruch, als viele Angestellte das Hotel bereits verlassen haben, noch immer dort ausharrt. Gibt es ein Geheimnis in diesen altehrwürdigen Mauern? War Kats Tod vielleicht gar kein Unfall?

Aus Hannahs Sicht beschreibt Tremayne die aktuellen Ereignisse, aus Kats Blickwinkel die Vorgänge rund um das tragische Sommerfest. Der Klappentext verspricht Spannung und eine Atmosphäre voller Angst und Gänsehaut, jedoch mag sich dies auch nach zahlreichen Kapiteln bei mir nicht und nicht einstellen. Die Geschichte plätschert dahin wie ein träger Fluss an einem lauen Sommerabend, weder die Figuren noch das Hotel als Kulisse befeuern die Dramatik der angedeuteten Geheimnisse. Ein alter Ostflügel und blasse Geister, von denen man erzählt, sind für einen packenden Psychothriller leider dann doch zu wenig. So wabern die Seiten eher nebulos dahin und auch das Ende wirkt irgendwie aufgesetzt und konstruiert.

Leider konnte mich diesmal der Autor weder mit der Handlung noch mit einer fesselnden Stimmung auf der fernen Insel überzeugen.



Titel Schwarzes Wasser

Autor S. K.Tremayne

ISBN 978-3-426-52720-7

Sprache Deutsch

Ausgabe Taschenbuch, 416 Seiten

ebenfalls erhältlich als e-book

Erscheinungsdatum 2. November 2022

Verlag Knaur

Originaltitel The Drowning Hour

Übersetzer Susanne Wallbaum

Veröffentlicht am 10.09.2022

Realitätsfremd in der Toskana

Pinienduft im Hotel Toscana Mare (Verliebt in Italien)
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Emilia soll für einen deutschen Konzern ein heruntergekommenes Haus in der Toskana in ein schickes Boutique-Hotel verwandeln. Nach verschiedenen Problemen in der Heimat scheint dies eine phantastische ...

Emilia soll für einen deutschen Konzern ein heruntergekommenes Haus in der Toskana in ein schickes Boutique-Hotel verwandeln. Nach verschiedenen Problemen in der Heimat scheint dies eine phantastische Idee zu sein, unter anderem, um sich beruflich zu beweisen. Allerdings liegt dieses Anwesen weiter von Florenz entfernt als erwartet und befindet sich zwanzig Jahre nach dem Kauf in einem schrecklichen Zustand. Ob Emilia hier etwas ausrichten kann?

Naserümpfend lässt sich Emilia vom Luxushotel in Florenz Richtung Westen chauffieren. Pepes kleine Rostlaube ist nicht gerade das Fahrzeug, das sie erwartet hat. Schnell ist Emilia also im Dorf als herablassende Deutsche verschrien. Trotzdem freundet sie sich mit Letizia aus der Osteria La Pieve an und flugs finden sich interessierte Architekten, Landschaftsgärtner und fleißige Arbeiter bei Emilia ein. In kürzester Zeit wird eifrig gearbeitet und ganz nebenbei entspinnen sich eine Liebesgeschichte und ein Streit mit dem wehrhaften Giampaolo Rattibaldi. Stimmige Zutaten für eine romantische Geschichte, jedoch mit hölzernen Phrasen und völlig unrealistischem Hintergrundgeschehen durchsetzt.

Punkte verdienen nur toskanisches Flair und Letizias kulinarische Köstlichkeiten, welche man nach den Rezepten am Buchende nachkochen kann. Das erste, recht unterhaltsame, Kapitel verspricht leider sehr viel mehr als danach kommt.



Titel Pinienduft im Hotel Toscana Mare

Autor Hanna Holmgren

ISBN 978-3-949221-38-5

Sprache Deutsch

Ausgabe Taschenbuch, 300 Seiten

ebenfalls erhältlich als ebook

Erscheinungsdatum 1. September 2022

Verlag FeuerWerke

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 29.05.2022

Ein Theater

Die Ladys von Somerset – Die Liebe, der widerspenstige Ambrose und ich
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London, 1807: Als Waise Emma nun auch noch ihren Vormund verliert, muss sich die theaterbegeisterte junge Dame als Gesellschafterin bei Lady Darlington verdingen. Bei ihrer Aufgabe, Tochter Anthea irgendwie ...

London, 1807: Als Waise Emma nun auch noch ihren Vormund verliert, muss sich die theaterbegeisterte junge Dame als Gesellschafterin bei Lady Darlington verdingen. Bei ihrer Aufgabe, Tochter Anthea irgendwie mit dem reichen Nachbarn Mr. Livingston zu verkuppeln, läuft jedoch einiges aus dem Ruder. Verstrickungen und Verwicklungen mit unerwarteten Wendungen dominieren fortan diesen Roman, der selbst wie ein Theaterstück anmutet.

Nach einer kurzen Einführung ins Geschehen in London geht es auch schon hinaus aufs Land. Im beschaulichen Somerset passiert kaum etwas außer Livingstons legendären Jagden und seinem alljährlichen Sommerball. Während Emmas Auftrag bei Lady Darlington anfangs noch Spannung, Humor und witzige Episoden verspricht, so geht dieses Konzept leider nicht so recht auf. Die Dialoge im Roman sind aufgesetzt, langweilig reihen sich die Szenen aneinander, farblos und ohne spürbare Emotionen. Immer wieder fehlt es an Authentizität und Glaubwürdigkeit. Viele Themen werden von der Autorin aufgegriffen, Standesunterschiede, Ehre, Sklaverei, aber nichts davon wird dann eingehender betrachtet, alles plätschert oberflächlich dahin. Nur nicht anstreifen, scheint die Devise zu sein, von der ersten bis zur letzten Seite.

Fazit: Die Ladys von Somerset bleiben leider deutlich hinter den Erwartungen zurück, insbesondere, da Jane Austen erwähnt wird, lediglich das Grundgerüst und die Ideen für das gesamte Schauspiel können als gelungen betrachtet werden.



Titel Die Ladys von Somerset

Autor Julie Marsh

ISBN 978-3-7466-3942-0

Sprache Deutsch

Ausgabe Flexibler Einband, 402 Seiten

ebenfalls erhältlich als ebook

Erscheinungsdatum 11. April 2022

Verlag Aufbau

Veröffentlicht am 15.05.2022

Ein Dor wie ein Anker

Ancora
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Gemeinsam mit ihren Freunden Aurel und Jannis verbringt Romy ihre Sommerferien im abgeschiedenen Dorf Ancora. Ohne Handy, dafür mit Arbeit am Feld und den ganzen Tag in der freien Natur möchte sie Inspirationen ...

Gemeinsam mit ihren Freunden Aurel und Jannis verbringt Romy ihre Sommerferien im abgeschiedenen Dorf Ancora. Ohne Handy, dafür mit Arbeit am Feld und den ganzen Tag in der freien Natur möchte sie Inspirationen für ihren Gedichtband einfangen. Doch ist mitten in den Wäldern nicht alles ganz so friedlich und gemeinschaftlich, wie es anfangs den Anschein hat.

Mit einem fesselnden Prolog und einem Ankommen in Ancora, welches die Neugierde des Lesers anfacht, beginnt dieser Mystery-Thriller. Schon bald ereignen sich an diesem Ort der Ruhe und Einkehr unerklärliche Dinge, welchen man als Leser gerne gemeinsam mit den drei jungen Freunden auf den Grund gehen möchte. Leider bleiben aber sowohl die Städter in ihren Ferien als auch die Dorfbewohner sehr vage in ihrer Charakteristik. Ihre Gedanken und Gefühle sind nicht greifbar und damit auch nicht immer nachvollziehbar.

Trotz guter Ideen und sehr spezieller Atmosphäre kommt beim Lesen kaum Spannung auf, zu sprunghaft und wechselnd laufen die Ereignisse ab. Einzelne Tage, in denen vielleicht Beziehungen aufgebaut werden, Abneigungen sich verfestigen, fehlen komplett, sodass nie ein stimmiges Gesamtbild entsteht. So wird aus dem anfänglichen Sog der Geschichte bald ein langatmiges Aneinanderreihen von einzelnen Szenen, die für mich immer wirrer werden und mich immer weniger ansprechen. Auch die Auflösung am Ende kann mich nicht überzeugen.

Die Vorstellung, dass ein Gedicht Einfluss nimmt auf Romys Leben, ist überaus reizvoll, die mystischen Momente im Geschehen passen da wunderbar dazu, aber in Summe verliert sich die spannende und anfangs recht einnehmende Stimmung zusehends, bis am Ende fast nur noch Ratlosigkeit übrig bleibt.



Titel Ancora

Autor Colin Hadler

ISBN 978-3-522-50720-2

Sprache Deutsch

Ausgabe Fester Einband, 352 Seiten

ebenfalls erhältlich als ebook und Hörbuch

Erscheinungsdatum 24. Februar 2022

Verlag Planet!