"Kontur eines Lebens" erzählt die Geschichte einer alten Dame, die nach dem Tod ihres Mannes in ein Pflegeheim umsiedelt und auf ihr Leben zurückblickt. Sie denkt an das Leben vor ihrer Hochzeit zurück, ...
"Kontur eines Lebens" erzählt die Geschichte einer alten Dame, die nach dem Tod ihres Mannes in ein Pflegeheim umsiedelt und auf ihr Leben zurückblickt. Sie denkt an das Leben vor ihrer Hochzeit zurück, an ihre erste Liebe, die ihr komplettes Leben auf den Kopf gestellt hat.
Frieda hatte sich Hals über Kopf in den älteren und verheirateten Otto verliebt und wurde schwanger in den konservativen Niederlanden der 60er-Jahre. Sie war das, was man als ein "gefallenes Mädchen" bezeichnet und fand nur wieder zurück in die Familie und ein "anständiges" Leben, weil sie das Baby nicht mit nach Hause brachte bei ihrer Rückkehr.
All diese Ereignisse hatte Frieda bis zu dem Tod ihres Mannes verdrängt, doch dann brach es aus ihr heraus und die Vergangenheit holte sie ein. Jaap Robben hat es geschafft, diese Geschichte feinfühlig zu erzählen, ohne dabei ins Kitschige abzudriften. Er behandelt in seinem Buch etwas, das viele Menschen in dieser Generation durchmachen mussten. Verständnis für Frauen in Friedas Situation gab es nur im Privaten, offiziell wurde "so etwas" tot geschwiegen und Friedas gesellschaftliche Rettung war, dass sie ein neues Leben anfangen konnte ohne das Kind.
Es ist eines der Bücher, die mich wirklich beeindruckt haben in diesem Jahr. Der Autor ist sensibel in seiner Schreibweise und schafft es, sich gut in Frieda hineinzuversetzen.
Wie ist das, wenn Venedig von heute auf morgen einfach nicht mehr da ist?
Isabelle Autissier hat das in ihrem Roman "Acqua Alta" durchgespielt. Sie lãsst Venedig im Jahr 2021 in den Fluten eines heftigen, ...
Wie ist das, wenn Venedig von heute auf morgen einfach nicht mehr da ist?
Isabelle Autissier hat das in ihrem Roman "Acqua Alta" durchgespielt. Sie lãsst Venedig im Jahr 2021 in den Fluten eines heftigen, winterlichen Hochwassers versinken. Guido, einer der Überlebenden, macht sich auf die Suche nach seiner Frau Maria und seiner Tochter Léa, nachdem er aus dem Krankenhaus entlassen wird. Auf einem Motorboot fährt er durch die Lagune, um nach ihren Spuren zu suchen.
Dabei reist er zurück in die Zeit vor der Katastrophe. Er, der im Wirtschaftsrat der Stadt sitzt und immer neue Investoren für die Stadt sucht. Seine Tochter, die auf Seiten derer steht, die die Stadt vor Massentourismus und Klimakrise schützen wollen und seine Frau zwischen den beiden.
Eine Familie, die auseinander bricht, eine Stadt, die versinkt. Alle drei Hauptfiguren sind mir unsympathisch, Guido ist das, was ich als machtgeilen Kotzbrocken bezeichnen würde, seine Frau war Mittel zum Zweck, um in die "feine" Gesellschaft zu gelangen. Und trotzdem oder vielleicht gerade deshalb hat es mir gut gefallen.
Als ich „Das Haus auf dem Wasser“ entdeckt habe, hatte ich eine Geschichte über das Leben auf einem Hausboot in Amsterdam vermutet und nicht eine so komplexe Erzählung, die in die Zeit der deutschen Besatzung ...
Als ich „Das Haus auf dem Wasser“ entdeckt habe, hatte ich eine Geschichte über das Leben auf einem Hausboot in Amsterdam vermutet und nicht eine so komplexe Erzählung, die in die Zeit der deutschen Besatzung der Niederlande im zweiten Weltkrieg hineinreicht. Allerdings machte es das Buch für mich erst so richtig interessant und es kam mit nach Amsterdam, wo wir nicht weit weg vom Ort der Handlung des Buches ein Hotel gefunden hatten.
inhaltlich konnte mich Emuna Elon nach anfänglichen Schwierigkeiten, in denen ich den Verlauf der Geschichte ein wenig langatmig erzählt fand, dann packen. Denn das, was dem kleinen Joel und seiner Familie passiert ist, ist so vielen jüdischen Familien passiert und es gibt so viel Unerzähltes aus dieser Zeit. Eltern, die ihre Kinder von nichtjüdischen Familien verstecken ließen und sich nicht sicher sein konnten, ob sie sie jemals wiedersehen würden. Menschen, die darauf vertrauten, dass mit den niederländischen Juden nicht das passieren würde, was mit den Juden in Deutschland passierte. Ich musste sofort an Anne Frank und ihre Familie denken.
Die Autorin wechselt immer wieder die zeitliche Ebene. Mal ist sie mit Joel im Hier und Jetzt und dann wieder sind wir im Amsterdam zu der Zeit als Joel noch ein Baby war und wir erleben mit, wie das jüdische Leben eingeschränkt wird und das Unvermeidliche immer näher kommt. Die Angst der Mutter nach dem Vater auch noch die Kinder verlieren zu können, die immer schlimmer werdenden Einschränkungen, all das ist spürbar beim Lesen. Manchmal ist es so, dass Joel zwar in der Jetztzeit ist, aber es so verschwimmt, dass er in die Zeit seiner Mutter rutscht und dort weiter erzählt.
Allerdings dreht es sich nicht nur um die traurige Geschichte des Holocausts, sondern es gelingt der Autorin zum Schluss ein Ende zu finden, das vielversprechend ist, ein Romanende, das die Geschichte wohlwollend mit der Geschichte des Buches verbindet.
Um gegen die menschengemachte Erderwärmung und die Klimakrise anzugehen, müssen wir zusammen daran arbeiten und nicht nur die individuellen CO2-Emissionen senken. Still und leise die Holzzahnbürste zu ...
Um gegen die menschengemachte Erderwärmung und die Klimakrise anzugehen, müssen wir zusammen daran arbeiten und nicht nur die individuellen CO2-Emissionen senken. Still und leise die Holzzahnbürste zu schwingen und ein veganes Gericht zu kochen, reicht nicht, auch wenn uns der durch ein erdölförderndes Unternehmen entwickelte Fußabdruck das weismachen möchte, um die Schuld auf das Individuum abzuwälzen. Mit dem Konzept des Handabdrucks können wir mehr erreichen, mehr Menschen und eine größere Senkung der CO2-Emissionen. Wie das funktioniert, erklärt Gabriel Baunach in seinem Buch „Hoch die Hände Klimawende“.
Die Idee des „handprints“ für nachhaltiges Handeln wurde in Indien geboren und geht auf die damals zehnjährige Srija aus Hyderabad zurück.
Es ist ein sehr positives Konzept, das nicht zum Ziel hat, der einzelnen Person ein schlechtes Gewissen zu machen, sondern dazu motivieren soll, andere mit positivem Handeln anzustecken, also zum Beispiel nicht nur selbst vegan zu essen, sondern anzuregen, auch in der Mensa, der Kantine oder gar dem Lieblingsrestaurant veganes Essen anzubieten (letzteres würde so einige Restaurants aufwerten und ihnen mehr Kundschaft liefern). Wenn das Essen lecker ist, werden es immer mehr Menschen essen und so handeln mehr Menschen klimabewusst.
So kann es auf allen Ebenen weitergeführt werden. Schreibe ich an die Abgeordneten meines Wahlkreises und fordere sie zum Beispiel auf, sich für Klimaschutzmaßnahmen in meiner Heimatstadt einzusetzen (Hagen ist Starkregen- und somit Hochwasser-gefährdet), dann ist das gut, noch besser ist es, wenn ich es schaffe, dass es gleich mehrere Menschen tun oder sich gleich eine große Gruppe zusammentut, um auf die Politik einzuwirken.
Beim Konzept des Handabdruck kommt es auch auf das an, was jede und jeder Einzelne von uns macht, und gleichzeitig kommt es darauf an, auch andere Menschen davon zu begeistern, welchen Nutzen das Handeln hat, um ein großes Ziel zu erreichen. Besonders gut ist, dass sich das Ergebnis des Handelns berechnen lässt. Nutze ich persönlich also die Bahn, um von A nach B zu kommen, macht das meinen Fußabdruck kleiner. Schaffe ich es, in meinem Unternehmen anzuregen, dass es keine Inlandsflüge mehr gibt, sondern stattdessen auf die Bahn gesetzt wird, multipliziert sich die CO2-Einsparung.
Gabriel Baunach ist mit „Hoch die Hände Klimawende“ ein Buch gelungen, das Lust auf Zukunft, Lust auf mehr Einsatz gegen die Folgen der Erderwärmung zu tun, macht. Von mir gibt es eine ganz klare Lese- und Handlungsempfehlung, denn wir alle können etwas tun!
Anfang der 2000er bekommt Kathas Welt einen Riss, den sie nicht einfach kitten kann. Ihre Eltern lassen sich scheiden und die Mutter nimmt die Töchter mit nach Dortmund, um dort neu zu beginnen. Katha ...
Anfang der 2000er bekommt Kathas Welt einen Riss, den sie nicht einfach kitten kann. Ihre Eltern lassen sich scheiden und die Mutter nimmt die Töchter mit nach Dortmund, um dort neu zu beginnen. Katha hatte ihr komplettes Repertoire ausgereizt, um ihre Eltern wieder zusammenzubringen, aber es hatte nicht geholfen. dass die Eltern zusammenblieben. Sie ist der feste Anker für ihre jüngere Schwester Nadine, die sie als Versuch ihrer Eltern ihre Ehe zu retten bezeichnet.
Sie sieht den Umzug aber gar nicht als großen Riss, sondern als neue Aufgabe für sich als Lebenshandwerkerin, die dafür sorgt, dass es allen gut geht außer ihr selbst.
In der neuen Schule findet sie aufgrund ihrer Anpassungsfähigkeit recht schnell Anschluss im Gegensatz zu ihrer Schwester, die alles an der neuen Situation hasst. Kathas Leben schlägt eine neue Richtung ein, als sie das erste Mal Lica trifft, eine Frau so ganz anders als ihre Mutter, zu der sie keine wirklich tiefe, liebevolle Beziehung hat.
Kathas neue Clique hängt nachmittags oft bei Lica ab und für Katha wird sie zu einer Art Ersatzmutter, einer Mentorin. Das gibt ihr Kraft, um sich um das psychische Wohl ihrer Schwester zu kümmern und gleichzeitig beginnt sie sich mit sich selbst zu beschäftigen.
Doch es bleibt nicht so paradiesisch, das Leben schlägt brachial zu und stellt Kathas Leben und das der ganzen Clique auf den Kopf – Lica wird schwer krank.
Was für ein Debüt! Die Geschichte hatte mich angezogen, weil ich fast immer Coming-of-Age-Romane mit männlichen Protagonisten gelesen habe. „Am Tag des Weltuntergangs verschlang der Wolf die Sonne“ hörte sich so an, als ob ich es mögen würde. Ein Mädchen, dass sich selbst verbiegt, anpasst, um nicht aufzufallen, um nicht im Licht zu stehen, sondern dafür sorgt, dass es den anderen gut geht und plötzlich jemanden trifft, der sie sieht und sich ihr annimmt. Die Geschichte hatte Potential. Nur den Titel fand ich etwas anstrengend und fast hätte ich deshalb das Buch nicht gelesen.
Zum Glück habe ich einen zweiten Blick riskiert und ein ganz besonderes Buch entdeckt. Wer kennt sie nicht, die Menschen, die dafür sorgen, dass sich alles ganz wohlig für fast alle anfühlt? Die sogenannten People Pleaser, die in ihrer Harmoniesucht oder besser ihrer Suche nach Harmonie, sich selbst und ihre Bedürfnisse vergessen? Katha ist so ein Mädchen. Sie übernimmt Aufgaben, die ihre Eltern hätten übernehmen müssen, aber der Vater ist zu weit weg und die Mutter schafft es nicht aus ihrem eigenen Film herauszukommen und ihren Job zu machen.
Sina Scherzant lässt uns Leserinnen an den scharfen Analysen der Außenwelt und der Reflektion Kathas über ihr eigenes Verhalten teilhaben. Sie hat für Katha eine ganz besondere Sprache gewählt, es ist körperlich fühlbar, wie es dem Mädchen geht. Licas Frage nach ihrem Befinden zum Beispiel löst eine Kaskade unterdrückter Empfindungen aus.
Doch es ist nicht so, dass man beim Lesen permanent nur Katha bemitleidet, nein, durch Kathas klare Selbsteinschätzung und die Beschreibung der Clique bekommt man ein genaueres Bild. Besonders die Beziehung zu Sofie nimmt eine wichtige Rolle ein. Katha benennt ihren Neid auf Sofie, weil sie Licas Tochter ist, den Neid auf Kati, die in einer großen, griechischen Familie aufwächst und wird in Gänze gezeichnet. Auch machen die Mädchen Sachen, die in ihrem Alter so gemacht werden: erste Liebe bzw. Beziehungsversuche, im Freibad abhängen und dabei cool aussehen, Rauchen, Trinken, sich selbst entdecken und dem Gruppenzwang verpflichtet bleiben.
Beim Lesen wird sichtbar, was fehlt und was gegeben wird. Es ist eine Geschichte, die durchaus so passiert sein kann und vermutlich ähnlich immer wieder passiert. Es gibt sie zum Glück, die Menschen, die in Kinder oder Jugendlichen ein Licht setzen, dass sie durch den nicht ganz so einfachen Familienalltag trägt und ein Leben lang brennt. Lica hat Katha ein ganz neues Selbstverständnis geschenkt oder den Grundstein dazu gelegt, dass sie sich nicht immer unterordnet und nett bzw. unsichtbar ist.
Es zeigt auch den tiefen Schmerz und dass Heilung möglich ist. „Am Tag des Weltuntergangs verschlang der Wolf die Sonne“ hat mich komplett abgeholt. Jeder von uns hat eine Lica im Leben verdient.