Bilder schreiben Geschichte
Das Licht im RückenDas Licht im Rücken ein Roman von Sandra Lüpkes
„Abrakadabra, Simsalabim!“
Dana kniet sich auf den Hocker und reißt erstaunt die Augen auf. Meister Barnack kann ja zaubern! Er taucht schneeweiße Blätter ...
Das Licht im Rücken ein Roman von Sandra Lüpkes
„Abrakadabra, Simsalabim!“
Dana kniet sich auf den Hocker und reißt erstaunt die Augen auf. Meister Barnack kann ja zaubern! Er taucht schneeweiße Blätter in eine Flüssigkeit. Sie schwimmen vor Danas Nase in der Schüssel, und plötzlich erscheinen darauf Menschen. Milan und sie selbst. Ohne dass irgendjemand irgendetwas berührt. Aus dem Nichts tauchen hellgraue Umrisse auf, die wie die Landkarte in der Schule aussehen. Aus Südamerika wird in einer Sekunde Milans Hüfte oder seine Stirn, auf die ein Schatten fällt. Aus der Antarktis geht sein rechtes Auge hervor oder die Falte seiner Hose.
„Das ist wirklich faszinierend!“, findet auch Milan, der dafür zuständig ist, die fertigen Bilder zum Trocknen an die Leine zu hängen. S.127
Geschichte erzählen und die Bilder fest in Erinnerung behalten, das gelingt der Autorin anhand ihrer Erzählung rund um die Familie Leitz und der Entstehungsgeschichte der Leica. Schwarz-weiße Dokumente der Geschichte erzählen das Schicksal zweier Familien in der Zeit von 1914 bis 1945. Die schwierigen Umstände und politischen Gegebenheiten durchdringen private und geschäftliche Belange der Protagonisten. Fiktion und Wahrheit, Erdachtes und Realität greifen wie Zahnräder eng ineinander. Das vorliegende Werk ist nicht rein schwarz und weiß, sondern besticht durch die vielen Grauschattierungen zwischen den Zeilen.
Sandra Lüpkes schreibt in flüssiger und ergreifender Form, sodass man sich sehr gut in die jeweilige Situation und an den Handlungsort hineinversetzt fühlt. Die grundlegenden Beschreibungen zur Kameratechnik und Fotografie wechseln sich zwischen fachlichen Kenntnissen und poetischen Beschreibungen beim Entstehen der Fotos ab. Dazwischen finden sich die einzelnen Figuren mit ihren charakterlichen Unterschieden und dem differenzierten Umgang mit den zeitlichen Gegebenheiten und Schwierigkeiten auf Basis historischer Tatsachen.
Elise hat mich hier besonders beindruckt. Das Bild 1 auf der inneren Umschlagseite zeigt sie so, wie ich sie mir vorstelle, fest und forsch. Die geschriebenen Zeilen zeigen an gewissen Stellen eine andere Seite von ihr. Die Autorin versteht es ausgezeichnet diese beiden Seiten zu verknüpfen. Daher ist es wohl eine Frage der Perspektive und die Antworten finden sich oftmals dazwischen.
Die hochwertige und liebevolle Aufmachung des Buches hat mir sehr gut gefallen. Die Fotografien der Umschlagsseiten und zum Anfang der einzelnen Abschnitte erweitern den Blickwinkel, sind eine hilfreiche Abwechslung und machen das Gelesene greifbar.
Fazit: Mir hat der Ausflug in die Anfänge des 20. Jahrhunderts mit dem Erfindergeist und Wissensdurst sehr gut gefallen. Sandra Lüpkes schreibt großartige, historische Romane, wobei man immer etwas dazulernen kann!