Auftragskiller (fast) unter sich
Bullet TrainIrrwitzige Dialoge wenn Auftragskiller über Leben und Tod philosophieren, Leichen und verschwundene Koffer, und das alles an Bord eines japanischen Hochgeschwindigkeitszuges: Mit "Bullet Train" hat Kotaro ...
Irrwitzige Dialoge wenn Auftragskiller über Leben und Tod philosophieren, Leichen und verschwundene Koffer, und das alles an Bord eines japanischen Hochgeschwindigkeitszuges: Mit "Bullet Train" hat Kotaro Isaka einen ungewöhnlichen, aber ausgesprochen lesenswerten Thriller geschrieben. Ähnlich wie sein koreanischer Autorenkollegen Un-Su Kim bringt Isaka eine Prise Tarrantino in einen Roman aus Fernost, allerdings mit einem ganz anderen Schreibstil, wenn es auch in beiden Romanen um Menschen geht, die in der organisierten Kriminalität zu Hause sind.
Schon die knappa Inhaltsbeschreibung macht klar: Hier geht es rasant zu: Ein Zug. Fünf Killer. Und ein Koffer voller Geld. Da ist ja eigentlich schon einmal klar, dass es Tote gibt, und ebesno, dass die Entsorgung von Leichen in einem fahrenden Hochgeschwindigkeitszug eine Herausforderung darstellt. Man will ja nicht auffallen.
Manches Detail des Plots bleibt bis zum Ende ungeklärt, das ist aber auch egal - bei so viel adrenalingeladener Atmosphäre sind Fragen nach Sinn und Logik fast schon obsolet. "Bullet Train" lebt von seinen widersprüchlichen Figuren und ihren Interaktionen. Da wären etwa die beiden Profikiller Lemon und Tangerine, die den entführten Sohn eines Mafia-Bosses samt Lösegeldkoffers zurück zum Vater bringen sollen, nachdem sie der Entführung auf ihre eigene Art ein Ende bereitet haben. Die beiden, die stets im Team arbeiten, gelten als die besten der Branche, sind allerdings völlig unterschiedliche Charaktere: Während der eher nachdenkliche Tangerine gerne liest, ist sein eher emotionaler Kollege versessen auf die Lokomotiven einer Kinder-Zeichentrickserie und vergleicht Menschen stets mit den Cartoon-Figuren.
Lemon ist es auch, der den Koffer mit dem Lösegeld unbedacht im Gepäckbereich abgestellt hat. Wenig überraschend: Plötzlich ist der Koffer weg. Und nicht nur das, das Entführungsopfer ist plötzlich leblos, obwohl die beiden doch nur mal kurz nach dem Koffer gesehen haben. Wie konnte das geschehen? Was Lemon und Tangerine nicht ahnen: ein weiterer Killer, Nanao, hat den Auftrag bekommen, den Koffer zu stehlen. Der ist allerdings der größte Pehvogel der Branche. Indofern ist es keine Überraschung, dass auch er seine Probleme mit dem angeblich leichten Auftrag hat, während die jeweiligen Auftraggeber ungeduldig auf Erfolgsnachrichten warten. Klar, dass ein offenes Gespräch da eher ungünstig wäre.
In privater Mission ist hingegen der Ex-Profi und alleinerziehende Vater Kimura unterwegs. Er will sich an demjenigen rächsen, der Schuld daran ist, dass sein kleiner Sohn seit Wochen nach dem Sturz von einem Dach im Koma liegt. Allerdings läuft auch das nicht wie geplant. Ein kindlicher Psychopath ist zwar kein Profi, in seiner Bösartigkeit aber weitaus unangenehmer als die Männer, ie "nur" für Geld töten - er genießt es Herr über Leben und Tod zu sein.
Temporeich ist in "Bullet Train" nicht nur der Zug, in dem sich die Schicksale der Protaginisten verweben. In immer neuen Konstellationen werden Bündnisse geschlossen, die buchstäbich kurzlebig sind, während angesichts der steigenden Leichenquote im Zug die Frage übrig bleibt: wer wird am Ende überleben? Dabei sorgt der Autor trotz vieler gleich am Anfang feststehender Informationen für ein paar unerwartete Überraschungen.
Schon allein wegen der Dialoge lohnt sich die Lektüre von "Bullet Train". Die zahlreichen Wendungen sorgen dafür, dass man sich trotz desr stets anwachsenden Leichenzahl durchaus auch unterhalten fühlt - vor allem, wenn man schwarzen Humor liebt. Bei der nächsten Zugfahrt könnte allerdings leichte Paranoia aufkommen - ob beim Anblick schwarzer Koffer, klemmender Toiletten oder des passierenden Zugpersonals.