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Veröffentlicht am 09.02.2022

Zimmermädchen unter schlimmen Verdacht

The Maid
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Sympathische Hauptfigur mit kleinen Marotten, ein paar herzerwärmende und ein paar schurkische Charaktere, ein toter Tycoon im Nobelhotel sowie Drogenhandel und Erpressung - all das bringt Nita Prose ...

Sympathische Hauptfigur mit kleinen Marotten, ein paar herzerwärmende und ein paar schurkische Charaktere, ein toter Tycoon im Nobelhotel sowie Drogenhandel und Erpressung - all das bringt Nita Prose in höchst gelungener Weise in ihrem Debütroman "The Maid" unter ein (Hotel-)Dach. Molly Gray, 25 Jahre alt und Zimmermädchen im Regency, klingt eher wie eine 75-Jährige mit ihrer manchmal betulich-gewählten Ausdrucksweise. Was kein Wunder sein dürfte, denn die junge Frau ist bei ihrer Großmutter aufgewachsen, hat ihre Eltern nie kennengelernt unf führt eim höchst zurückgezogenes Leben.

Enge Freunde hat sie nicht, hatte sie nie, was vielleicht auch an ihrer hundertprozentigen Ehrlichkeit und ihrer Probleme, Zwischentöne, Ironie oder Sarkasmus zu erkennen oder die Mienen ihrer Mitmenschen zu deuten. Molly, die vermutlich an einer Form von Autismus leidet, aber nicht erklärt, was sie "anders" macht als ihre Mitmenschen, Seit dem Tod der geliebten Großmutter ist Molly noch einsamer als ohnehin, auch wenn Mr Preston, der Hotelportier, ein väterliches Auge auf sie hält. Heimlich schwärmt sie für den Barkeeper Rodney, doch der übersieht sie meist ebenso wie die meisten anderen Menschen - wobei es für ihren Job als Zimmermädchen eigentlich schon fast ideal ist, gewissermaßen mit den Tapeten der von ihre sauber gehaltenen Zimmer zu berschmelzen. Und sauber sind die Räume, wenn Molly mit ihnen fertig - zurückgebracht in den Zustand höchster Perfektion, wie sie selbst sagt.

Ein Hotel wie das Grand Regency hat viele Stammgäste, und dazu gehört auch das Ehepaar Black - er ist ein Immobilientycoon, Giselle seine zweite und 35 Jahre jüngere Ehefrau, die Anteil an Mollys Leben nimmt und für sie nicht nur wie eime Freundin ist, sondern dank üppiger Trinkgelder eine große Hilfe für das schlecht bezahlte Zimmermädchen, das nur mit großen Mühen das Geld für die Miete aufbringen kann. Ausgerechnet Mr Black liegt eines Tages tot in der Suite, die Tür zum Safe steht offen und ein Kissen fehlt.

Für die Polizei ist Molly im Nu die Hauptverdächtige. Nach dem Motto: Der Mörder ist vielleicht nicht immer der Gärtner, sondern auch mal das Zimmermädchen. In dieser schweren Krise muss Molly erst einmal erkennen, wer ihre wahren Freunde sind, während sie notgedrungen selbst ermittelt, um ihre Unschuld zu beweisen.

Dieser Cozy Krimi mag manchmal etwas märchenhaft daher kommen, wozu auch Mollys Art passt, die einfach nicht ganz von dieser Welt ist. Doch wo ihr Abgeklärtheit und Härte im täglichen Überlebenskampf abgeht, geht sie mit den Werten ihrer geliebten Gran, der beruflich perfektionierten Gabe, Schmutz aufzustöbern und zu beseitigen, und mit einer kleinen Gruppe von Helfern auf die Suche nach der Wahrheit.

Ein liebenswertes Stück spannender Unterhaltung für alle, die Wert auf ein happy end legen und ein Herz für Misfits haben.

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Veröffentlicht am 08.02.2022

Plädoyer für Geschlechtergerechtigkeit

Frauen ins Amt!
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Vor wenigen Tagen endete die dritte Vollversammlung des Synodalen Wegs, des Reformprozesses der katholischen Kirche in Deutschland, den ich wie die beiden vorangegangenen in meinem Hauptberuf beobachtete. ...

Vor wenigen Tagen endete die dritte Vollversammlung des Synodalen Wegs, des Reformprozesses der katholischen Kirche in Deutschland, den ich wie die beiden vorangegangenen in meinem Hauptberuf beobachtete. Die engagierten, auch emotionalen Diskussionen, das Ringen um Veränderungen - das ist dort schon spannend.

Vielleicht ist es für viele Menschen in der heutigen, säkularisierten Gesellschaft eine Randdiskussion - die Rolle der Kirchen im Alltag ist lämgst nicht mehr wie zu den Zeiten unserer Großeltern. Und angesichts des Ausmaßes des Missbrauchsskandals, der Vertuschungen und Mängel bei der Aufarbeitung könnte man vielleicht sagen, dass das Vertrauen längst weg ist. Und doch - in den Foren und Diskussionen wird um eine andere Kirche gestritten. Besonders fallen dabei immer wieder die Stimmen engagierter, kluger und beharrlicher Frauen auf, die Rechte einfordern und mehr Geschlechtergerechtigkeit. Dass da ganz selbstverständlich der Gendersternchen-Knacklaut mitgesprochen wird und es öffentliche Outings queerer Delegierter gibt, zeigt, wie es auch sein könnte.

In dem von Schwester Philippa Rath herausgegebenen "Frauen ins Amt!" sind auch zahlreiche Beiträge von Synodalen zu finden - von vielen Männern, und gewissermaßen als Kontrapunkt, von drei Frauen. Philippa Rath, eine resolute und selbstbewusste Benediktinerin, hat sich für ein Schuldbekenntnis der Kirche auch gegenüber den Frauen ausgesprochen.

In dem Buch lässt sie allerdings andere sprechen beziehungsweise schreiben. Theologen, ob nn Priester, Ordensmitglieder oder Laien, begründen, warum die - in Ämtern und Hierarchie - ausschließlich männlich geprägte Kirche sich selber schadet und auf Potenzial verzichtet, wo sie selbst durch Frauen religiös und spirituell geprägt wurden und wie sie die Ausbremsung von Frauen und Mädchen erlebt haben - angefangen von der Diskussion über Ministrantinnen vor einigen Jahrzehnten bis zur Zusammenarbeit mit Gemeinde- oder Pastoralreferentinnen, die ungeachtet ihre Qualifikation, ihres Charismas und ihrer Fähigkeiten amgesichts der geltenden Strukturen nur bis zu einem bestimmten Punkt kommen, aber nicht darüber hinaus.

Bleibt es auch so? Sowohl in diesem Buch als auch in den Diskussionen der Synodalversammlung zeigt sich ein anderes Meinungsbild, auch wenn manche der Männer nach eigenem Eingeständnis Jahrzehnte brauchten, bis ihnen die Ungerechigkeit in der Behandlung der Geschlechter klar wurden.. Aber die Entscheidungen für die katholische Kirche werden - und das dürfte das größte Problem auf dem Weg zu einem Wandel sein - immer noch im Vatikan getroffen.

Veröffentlicht am 02.02.2022

Gelungenes lyrisches Doppel

Wir haben keine andre Zeit als diese
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Früher habe ich Lyrik lieber gelesen - aber die audiobooks, die ich in jüngster Zeit kennengelernt habe, ermutigen mich, auch ganz ohne Buch den Text auf mich einwirken zu lassen - und nun habe ich mit ...

Früher habe ich Lyrik lieber gelesen - aber die audiobooks, die ich in jüngster Zeit kennengelernt habe, ermutigen mich, auch ganz ohne Buch den Text auf mich einwirken zu lassen - und nun habe ich mit "Wir haben keine andere Zeit als diese" ein besonders gelungenes Doppel anhören Können: Die Gedichte von Mascha Kaleko, gesprochen von Katharina Thalbach.

Liebe und Sehnsucht, Exil, Fremdheit und Heimweh, Aufbruch und Rebellion - Kalekos Gedichte mögen aus der Zeit der Weimarer Republik und dem Exil nach der Flucht vor den Nazis stammen, viele ihrer Texte sind zeitlos. Mal ironisch, mal sehnsüchtig, mal verträumt, mal aufbegehrend - das klingt nicht nur in den Texten durch, sondern auch in der Interpretation durch Katharina Thalbach. Ihre etwas rauhe, tiefe Stimme hat eine große Bandbreite. Mal kratzt sie, mal ist sie weich, ganz unterschiedliche Stimmungen lässt sie allein durch Ausdruck und Stimmlage entstehen.

Nur eine Stunde 42 Minuten ist dieses Hörbuch lang, man kann es also auch gut in einer abendlichen Session, gewissermaßen als Lyrikabend, genießen. Und bedauert am Ende, dass es schon vorbei ist.

Veröffentlicht am 30.01.2022

Recherche führt zu Vermisstenfall

Grabesstern
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Journalisten als Romanfiguren haben irgendwie immer ein deutlich aufregenderes Leben als ihre realen Gegenstücke. Zum Beispiel die Kopenhagener Investigativjournalistin Heloise Kaldan, die in Anne Mette ...

Journalisten als Romanfiguren haben irgendwie immer ein deutlich aufregenderes Leben als ihre realen Gegenstücke. Zum Beispiel die Kopenhagener Investigativjournalistin Heloise Kaldan, die in Anne Mette Hancocks Thriller "Grabesstern" nun schon ihren dritten Fall löst. Eigentlich wollte sie eine Reportage über Sterbebegleitung schreiben, doch de schwer krebskranken alten Mann, den sie in seinen letzten Wochen begleitet, scheint etwas auf der Seele zu liegen. Von Blut spricht er im Delirium und von alttestamentarischer Rache - Auge um Auge, Zahn um Zahn. Und er stammelt einen Namen, den der befreundete Kommissar Erik Schäfer entgegen aller Datenschutzregeln für sie durch die Abfrage im polizeilichen Auskunftsystem laufen lässt.

Heloise will herausfinden, was dahintersteckt und macht sich auf den Weg in das Küstenstädtchen Sonderburg, in dem der alte Mann einst lebte. Der Mann, von dem sie sich Auskünfte erhofft, ist schon lange tot. In dem Kleinstädtchen will keiner über die Vergangenheit reden, eine Vergangenheit, die auch zwei vermisste junge Frauen enthält. Urplötzlich sieht sich Heloise mit einem cold Case konfrontiert, bei dem es auch um Serienmord gehen kann. Nicht bei allen kommen ihre hartnäckigen Fragen gut an.

Spannend ist dieser Roman auf jeden Fall und die Autorin schafft es, immer neue Wendungen zu schaffen, die das schon sicher geglaubte auf den Kopf stellen. Wer sich gerne überraschen lässt, ist hier auf jeden Fall richtig. das gilt ganz besonders für den Schluss, mit dem ich so nicht gerechnet hätte.

Ausgesprochen sympathische Nebenfiguren sind Erik Schäfer und seine Frau, mit Sterbebegleitung von einsamen Menschen ohne Angehörige wird auch ein eher unbequemes und oft verdrängtes Thema angesprochen.

Die Autorin hat zwar selbst als Journalistin gearbeitet, aber eher im Lifestylebereich - das merkt man. Wenn es um die Polizeiarbeit oder Redaktionsabläufe geht oder gar journalistische Standards bei der Berichterstattung über Verbrechen oder bei der Zusammenarbeit mit der Polizei, ist das bar jeglicher Realität - angefangen von den Datenabfragen, die aus gutem Grund nicht mal eben so möglich sind bis hin zur Anwesenheit bei einer behördlichen Exhumierung. Irgendwie kann ich mir nicht vorstellebn, dass da die dänischen Polizisten bei allem hygge-Gefühl zugünglicher sind als ihre deutschen Kollegen.

Langweilig wird es mit "Grabesstern" jedenfalls nicht. Das Buch ist flüssig geschrieben und auch wenn die Leser von der Autorin so manches mal an der Nase herumgeführt werden, lohnt sich das für den abschließenden Aha-Effekt.

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Veröffentlicht am 29.01.2022

Senioren und Spione

Der Mann, der zweimal starb (Die Mordclub-Serie 2)
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Was haben der britische Inlandsgeheimdienst MI5, organisierte Kriminalität und die Bewohner einer idyllisch gelegenen Seniorenresidenz mit gehobenem Lebensstil miteinander gemeinsam? Sehr viel, wenn eine ...

Was haben der britische Inlandsgeheimdienst MI5, organisierte Kriminalität und die Bewohner einer idyllisch gelegenen Seniorenresidenz mit gehobenem Lebensstil miteinander gemeinsam? Sehr viel, wenn eine der Seniorinnen Elizabeth Best ist, ehemalige Geheimagentin und auch mit 70plus nicht willens, sich mit Handarbeiten, Museumsbesuchen und Kaffeekränzchen den Alltag zu gestalten. Im zweiten Band um den Donnerstagsmordclub bringt der britische Autor Richard Osman einiges von Elizabeth schillernder Vergangenheit in die Handlung, angefangen von ihem Ex-Mann Douglas, der aus gutem Grund ein Ex ist.

In "Der Mann, der zweimal starb", taucht Douglas erneut in Elizabeths Lebens auf, muss er doch in der Seniorenresidenz auf Tauchstation gehen, da ein internationaler Waffen-Broker ihm an den Kragen will. Er verdächtigt Douglas - nicht zu Unrecht - Diamanten im Wert von 20 Millionen Dollar gestohlen zu haben, die eigentlich einer New Yorker Mafiafamilie gehören. Und die versteht keinen Spaß, wenn es um ihr Eigentum geht.

Klar, dass Elizabeth und ihre Mordclub-Mitstreiter - die ehemalige Krankenschwester Joyce, der Ex- Psychiater Ibrahim und der raubeinige Ex-Gewerkschafter Ron - hier nicht untätig bleiben können. Spione und internationale Verbrecherkartelle, das bringt doch endlich mal wieder Abwechselung in den Seniorenalltag. Und als die ersten Leichen auftauchen, gibt es nur Unmut, als Elizabeth Joyce zum Tatort geholt hat, während Ron nur am nächsten Tag Blutlachen und Einschusslöcher begutachten konnte statt der bereits abtransportierten Leiche - wie schrecklich unfair!

Dabei hat das sympathishc-exzentrische Rentnerquartett schon in eigener Sache genug zu tun: Ibrahim ist bei einem Ausflugin die Stadt Opfer eines Raubüberfalls geworden und krankenhausreif geschlagen worden. Trotz Gehirnerschütterung kann Ibrahim mit seinem Detailgedächtnis den Polizisten Chris und Donna, die schon im ersten Band freundschaftliche Verbindungen zu den Clubmitgliedern geknüpft haben, eine Personenbeschreibung liefern, die die Identifizierung der Täter leicht macht. Allein, es fehlen die Beweise. Da ist es natürlich Ehrensache, dass Elizabeth, Joyce und Ron auf ihre Weis für Gerechtigkeit für Ibrahim sorgen wollen!

Richard Osman dürfte viel Spaß beim Schreiben gehabt haben, ich habe die neuen Abenteuer des Ermittler-Quartetts aus Coopers Chase jedenfalls mit großem Vergnügen gelesen. Sehr britisch ist der Stil dieses Cozy-Krimis mit Humor und genüsslich ausgelebten Skurrilitäten. Dabei gibt es bei aller Unterhaltung und Spannung auch ernste Töne - Einsamkeit, Demenz, Ängste und Unsicherheiten, die nicht nur die Senioren quälen. So unterschiedlich die Persönlichkeiten der Clubmitglieder sind, so unschlagbar sind die vier, wenn sie ihre Erfahrungen, Kenntnisse und Lebensweisheit zusammenbringen. Die bildhafte Sprache und der süffisante Erzählstil tun ihr übriges. Ich hoffe sehr, bald wieder Neues vom Mordclub lesen zu können!

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