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Veröffentlicht am 22.03.2021

So long, Marianna

Sommer der Träumer
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Eine der großen Liebesgeschichten der Popkultur, Flair der 60-erJahre und griechisches Inselleben in einer Künstlerkolonie - "Sommer der Träumer" bringt ein wenig Sonne und Wärme in den Corona-Winter. ...

Eine der großen Liebesgeschichten der Popkultur, Flair der 60-erJahre und griechisches Inselleben in einer Künstlerkolonie - "Sommer der Träumer" bringt ein wenig Sonne und Wärme in den Corona-Winter. Fiktionalisierte Biografien sind ja seit einigen Jahren recht beliebt als Belletristik-Genre, ob es sich nun um Hemingways Ehefrauen, das Liebesleben von Eleanor Roosevelt oder in diesem Fall die 1960 auf der griechischen Insel Hydra lebenden Künstler handeln, allen voran der junge und noch unbekannte Leonard Cohen.

In diese Künstlerkolonie lässte Polly Samson die 18-jährige Erica und ihren Bruder Bobby nach dem Tod der Muter und der Flucht vor dem schwierigen Vater stranden. Das Erbe der Mutter ermöglicht den beiden, unter griechischer Sonne zu leben, ohne sich ein Jahr lang um Ausbildung, Beruf und Geldverdienen kümmern zu müssen. Auf Hydra lebt bereits Charmain Clift, eine alte Freundin ihrer Mutter mit ihrem Mann - beide sind Schriftsteller - und drei Kindern, gewissermaßen die Queen der Künstlerkolonie aus Briten, Amerikanern, Schweden, Norwegern und anderen, die hier malen, dichten, Romane schreiben und vor allem reichlich feiern und übereinander herziehen.

Eifersüchterleien und Affären, viel Klatsch und Alkohol und ein freizügiges Leben parallel zu der gleichsam als malerische Staffage dienenden konservativ-traditionellen Dorfgesellschaf prägen das Leben auf Hydra, in das auch Erica voll eintaucht. Hinter Unverbindlichkeit und scheinbarer Leichtigkeit lauert allerdings auch viel Unglück. Teil der Inselgesellschaft sind auch die Norwegerin Marianne, die von ihrem Mann verlassen wird und Muse des jungen Schriftstellers Leonard wird, während Ericas eigene Liebesträume zerplatzen, als sich ihr Freund Jimmy nicht als so monogam erweist, wie sie es sich gewünscht hätte.

Trotz des vielversprechenden Settings bleiben die Personen des Romans, einschließlich Ich-Erzählerin Erica, eher oberflächlich. Was Erica letzlich aus ihren Erfahrungen mitnimmt, wie sie sich als Mensch entwickelt - das alles ist eher vage. Auch die unglücklich-getriebenen sind letztlich nur daueralkoholisiert und aggressiv, welche Dämonen sie auch bekämpfen mögen - das muss der Leser erraten.

Angesichts der Tatsache, dass Erica später, als alte Frau, wieder auf Hydra lebt, wäre es interessant gewesen zu erfahren, wie sie nun auf das Leben von damals zurückblickt, ob sie das Auftreten der Ausländer in den 60-ern heute als respektlos gegenüber der einheimischen Bevölkerung bewertet oder eine kritische Einstellung zu der letzlich ziemlich ignoranten Künstlergesellschaft entwickelt hat.

Sommer der Träumer ist leicht und locker zu lesen, mehr Tiefe hätte dem Buch aber gut getan.

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Veröffentlicht am 20.03.2021

Liebenswerter Antiheld auf Vatersuche

Die Erfindung der Sprache
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Es wimmelt nur so von Sprachbildern, literarischen Anspielungen und Exzentrik in Anja Baumheiers Roman "Die Erfindung der Sprache", geschrieben mit einem großen Herz für Exzentriker (und Katzen) mit viel ...

Es wimmelt nur so von Sprachbildern, literarischen Anspielungen und Exzentrik in Anja Baumheiers Roman "Die Erfindung der Sprache", geschrieben mit einem großen Herz für Exzentriker (und Katzen) mit viel grüner Hoffnungsfarbe. Eine Familiengeschichte der anderen Art mit einem sympathischen Antihelden und zahlreichen skurril-sympathischen Figuren. Das fängt schon an mit der Familie von Adam Riese, des hochintelligenten, aber ein wenig weltfremden Sprachforschers, der mit der ganz normalen zwischenmenschlichen Kommunikation so seine Probleme hat.

Denn Großvater Ubbo ist ein bergsteigerbegeisterter Ostfriese, der in der Heimat naturgemäß wenige Höhen vorfindet. Bei einer Reise ins böhmische Altvatergebirge lernt der gelernte Bäcker die backbegeisterte Leska kennen und lieben. Auf der fiktiven ostfriesischen Insel Platteoog, die einer ausgestreckte Katze ähnelt. Mit wenigen Einwohner, die alle ihre liebenswerten Macken haben, erinnert Platteoog ein wenig an Lummerland, wenn es statt zwei Bergen auch einen Leuchtturm gibt, der stark restaurierungsbedürftig ist - was wiederum Hubert Riese auf die Insel kommt. der sich ähnlich aprupt in Ubbos und Leskas Tochter Oda verliebt wie einst die beiden ineinander.

Adam, lange Zeit einziges Kind der Insel, kommt zwar als Frühchen auf die Welt und weigert sich lange zu sprechen, sonst aber ist alles lange Zeit Friede, Freude, Eierkuchen auf Platteoog. Bis Hubert eines Tages beschließt, auf dem Jakobsweg zu pilgern, aber nie zurückkehrt. Die Inselpolizistin forscht bei der Guardia Civil nach, der Inseldoktor bei spanischen Krankenhäusern, die Gebete des Inselpfarrers bleiben unerhört - und Oda verstummt irgendwann vor lauter Trauer. Was besonders problematisch ist, da sie auf dem Festland ausgerechnet die Ratgebersendung "Sprich dich frei" moderiert.

18 Jahre später ist Oda immer noch stumm und Adam promovierter Linguist in Berlin, ein Mann, der nur Grau trägt und Routine braucht, so sehr seine temperamentvolle, tschechisch-deutsch radebrechende Großmutter auch versucht, ihn zu Speed-Dating zu überreden. Dann kommt ein alarmierender Anruf: Seit einem Besuch in einer Buchhandlung ist "Lage dramatisches Drama" - Oda weigert sich nun nicht nur zu sprechen, sondern auch zu essen.

Einziger Anhaltspunkt: Das Buch einer gewissen Zola Hübner scheint Oda so traumatisiert zu haben. Adam recherchiert und findet eine Göttinger Logopädin, aus deren Leben sein Vater zwischenzeitlich ebenfalls entschwunden ist. Mit Zola, die einer Lisbeth Salander mit mehr Sozialkompetenz ähnelt, bricht er in deren altersschwachem Bully auf nach Bad Kissingen. Aus dem fränkischen Kurstädtchen war Hubert einst nach Ostfriesland gekommen. Wird es hier Hinweise zu seiner Vergangenheit geben, die Aufschlüsse über seinen Verbleib geben?

Auf einer Irrfahrt durch Europa muss Adam über sich selbst und seine Ängste herauswachsen, buchstäblich bis ans Ende der Welt - nämlich Finisterre in der Bretagne. Dass auch die Plateooger Inselgemeinschaft ihn dabei nicht hängen lässt, versteht sich von selbst.

Abenteuerlich, skurril und warmherzig begleitet Baumheier ihren Helden auf seiner Odyssee und als Leser bangt und hofft man mit. Ein liebenswert erzählter Roman mit Wohlfühlgarantie und allerlei Katastrophen und viel Optimismus.

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Veröffentlicht am 17.03.2021

Drama, Trauma und drei Frauen

Der silberne Elefant
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Es ist jetzt schon ein paar Tage her, seit ich "Der silberne Elefant" von Jemma Wayne zugeklappt habe, um das Buch erst mal sacken zu lassen, ehe ich darüber schreibe. Heute habe ich noch immer zwiespältige ...

Es ist jetzt schon ein paar Tage her, seit ich "Der silberne Elefant" von Jemma Wayne zugeklappt habe, um das Buch erst mal sacken zu lassen, ehe ich darüber schreibe. Heute habe ich noch immer zwiespältige Gefühle angesichts dieses Romans um drei sehr unterschiedliche Frauen, die sich aber alle mit ihrer Vergangenheit, mit traumatischen Erlebnissen, mit Tod und sterben auseinandersetzen müssen.

Da ist etwa Lynn, früh verwitwet, unheilbar an Krebs erkrankt und gerade mal in ihren 50-ern. Sie weiß, dass ihr nicht mehr viel Zeit bleibt - doch die will sie selbstbestimmt verleben und sich ganz gewiss nicht von ihrer Bald-Schwiegertochter Vera, einer PR-Beraterin, betreuen lassen. Widerwillig stimmt sie zu, dass tageweise eine Pflegerin ins Haus kommt - Emily, eigentlich Emilienne, eine junge Afrikanerin, und, wie sich herausstelle, Überlebende des Völkermords aus Ruanda. Wayne beschreibt sowohl die Auseinandersetzung der Frauen mit ihrer Vergangenheit als auch ihre Verflechtungen untereinander.

Dass Lynn Vera nicht leiden kann, hängt insbesondere damit zusammen, dass Vera all das verkörpert, was Lynn im eigenen Leben aufgegeben hat - einen eigenen Beruf, eine eigene Karriere, nicht nur Ehefrau und Mutter sein. Vera allerdings ist von ihrer wilden Vergangenheit gequält: Sex, Drogen, eine ungewollte Schwangerschaft. In letzter Minute entschied sie sich gegen die Abtreibung, setzte das Kind auf den Treppen eines Waisenhauses aus und ist seitdem gepeinigt von einem alten Zeitungsausschnitt, in dem von einem tot aufgefundenen Findelkind die Rede ist. Vielleicht ist es der Umgang mit dem Schuldgefühl, der sie an die Seite ihres bigott-frommen Verlobten geführt hat, der Sex vor der Ehe ablehnt und sich vollkommen von ihren früheren Freunden unterscheidet.

Emily wiederum, die ihre gesamte Familie verloren hat, ist schwer traumatisiert und ohne Zukunftspläne. Mit Lynn kommt sie überraschend gut aus, doch als diese sie drängt, über die Vergangenheit zu sprechen, leidet sie unter Flashbacks und Panikattacken. Für jede der Frauen geht es darum, sich mit der eigenen Vergangenheit trotz allem auszusöhnen.

Das könnte fürchterlich kitschig und gefühlsduselig geraten, und im großen und ganzen schafft es die Autorin, diese Klippen zu umschiffen. Dazu trägt sicherlich der eher herbe Charakter Lynns als wütende sterbende Frau bei, die sich selbst schonungslos den Spiegel vorhält und das auch von anderen fordert. Angesichts der dramatischen Vergangenheit Emiliennes bleibt Vera dritte der Protagonisten eher blass. Was sie ausgerechnet an ihrem frömmelnden und nicht sonderlich humorvollen Verlobten so großartig findet, blieb zumindest mir bis zum Schluss ein Rätsel.

Und was Emilienne angeht.... Es ist sicherlich schon mal an sich eine gute Sache, dass Wayne den Genozid und das Trauma der Überlebende so in den Mittelpunkt stellt. Sie gibt im Nachwort auch an, zu dem Thema recherchiert zu haben. In der praktischen Umsetzung erinnert es mich dann aber an Bücher die "Der Junge im gestreiften Pyjama" und anderen Holocaust Kitsch, wo um der Dramatik für den eher uninformierten Leser willen Dialoge und Szenen eingebaut werden, die, milde ausgedrückt, mit den Fakten sehr großzügig umgehen.

Da reden die Mörder von Emiliennes Familie noch ausführlich mit den Opfern, da wird "die Krankheit!" den Opfern einer Vergewaltigung weitergeleitet (gleich doppelt falsch, da der in zahlreichen afrikanischen Ländern verbreitete Irrglaube eher besagt, Sex mit einer Jungfrau heilt Aids, außerdem sollten Tutsi gar nicht lange genug überleben, dass es noch einem Aids-Ausbruch kommen könnte). Ein Gespräch mit dem Opfer nimmt das Opfer als Mensch wahr - und genau das was 1994 in Ruanda nicht der Fall. Die Interahamwe haben in 100 Tagen mindestens 800 000 Menschen ermordet. Für die Täter war es "Arbeit". Gerade das macht die Augenzeugenberichte des Genozids so grauenhaft.

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Veröffentlicht am 17.03.2021

Vermisstenfall und Krabbenbrötchen

Nordwesttod
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Ostfriesenkrimis gibt es schon reichlich, mit "Nordwesttod" hat Autorin Svea Jensen nun den Auftakt einer Nordfriesland-Serie veröffentlicht. Naturgemäß geht es also auch darum, den Rahmen für Folgebände ...

Ostfriesenkrimis gibt es schon reichlich, mit "Nordwesttod" hat Autorin Svea Jensen nun den Auftakt einer Nordfriesland-Serie veröffentlicht. Naturgemäß geht es also auch darum, den Rahmen für Folgebände zu setzen, die Hauptfiguren vorzustellen und Entwicklungspotenzial aufzuzeigen. Das merkt man, denn es geht mindestens ebenso so stark um die privaten Probleme der Protagonistien wie um das Berufliche, sprich den Kriminalfall. Und natürlich darf das Setting nicht zu kurz kommen, schon gar nicht, da der Konflikt zwischen (ausuferndem) Tourismus und Umweltschutz auch Teil des Plots ist.

Die Zeichen stehen jedenfalls von Anfang an auf Neustart: Hendrik Norberg, der bisher Kriminalbeamter bei der Mordkommission war und seit dem Tod seiner Frau vor wenigen Monaten alleinerziehender Vater ist, steckt beruflich zurück und übernimmt die Leitung des kleinen Polizeireviers von Sankt Peter Ording. Aufgebrochene Ferienwohnungen und Kneipenstreitigkeiten statt Kapitaldelikten - das ist schon eine Umstellung, aber er will seine beiden Söhne nicht aus der gewohnten Umgebung reißen, zumal auch seine Schwiegereltern vor Ort leben und bei der Betreuung der Jungen helfen. (Hier stellt sich mir allerdings die Frage, wie er trotz auswärtigem Kripo-Job monatelang seine Frau pflegen konnnte)

Neu im Norden ist auch Anna Wagner, vom LKA München an die Kollegen in Schleswig Holstein abgeordnet, wo eventuell eine eigene Einheit für Vermisstenfälle aufgebaut werden soll, ähnlich der, in der Anna gearbeitet hat. Die Amtshilfe in Kiel kommt ihr gelegen, hat sie doch eine schmutzige Scheidung hinter sich und der Ex weigert sich, aus dem Haus auszuziehen, bei dem es sich obendrein um ihr Elternhaus handelt. An Hendriks erstem Arbeitstag hat auch sie gerade angefangen zu ermitteln: Mitarbeiter der Seehundstation haben eine Kollegin vermisst gemeldet, die nach dem Urlaub nicht zur Arbeit erschienen ist.

Die Ermittlungen gestalten sich schwierig, denn die vermisste Nina war sehr zurückhaltend, was ihr Privatleben angeht, Die Kollegen wissen nur, dass sie während des Urlaubs mit ihrer Familie sprechen wollte. Doch waren das die Adoptivmutter und Schwester eine Hoteliersfamilie mit Expansionen, die zum Bruch mit der Umweltschützerin Nina führten? Oder die biologische Mutter, zu der sie erst vor wenigen Jahren Kontakt aufnahm, die sie aber durch zu starkes "Klammern" wieder auf Distanz gehen ließ. Und was ist mit den beiden Männern, die in ihrem Leben eine Rolle spielen sollen?

Für Hendrik ist die Anwesenheit Annas in Sankt Peter-Ording, die er zuerst als störend empfunden hatte, eine willkommene Gelegenheit, doch wieder kriminalistisch zu arbeiten. Anna wiederum ist angesichts von Deich und Salzwiesen nicht traurig darüber, nicht in Kiel am Schreibtisch sitzen zu müssen. Gibt es womöglich ein Arbeitsmodell, das ihr dauerhaft Präsenz an der Küste ermöglicht?

Wer schon einmal in Sankt Peter Ording und Umgebung war, kann lesend Erinnerungen auffrischen - bei einem Regionalkrimi spielt der Lokalkolorit schließlich immer eine Rolle. Mit der langwierigen und oft unergiebigen Ermittlung in einem Vermisstenfall kommt natürlich weniger Tempo ins Buch als mit Verfolgungsjagden und Beziehungsdrama. Zudem gibt es einige Längen, die sicherlich zumindest teilweise dem Auftakt-Setting geschuldet sind. Solider Küstenkrimi, der Erinnerungen an Deichspaziergänge und Krabbenbrötchen weckt.

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Veröffentlicht am 14.03.2021

Ruhiher Klosterroman - Einsichten eines Mönches

Aus der Mitte des Sees
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Es gibt Bücher, die überraschen durch Stille und Unaufgeregtheit - und je mehr man sich auf sie einlässt, desto mehr geben sie zurück. "Aus der Mitte des Sees" von Moritz Heger ist so ein Buch. Stille ...

Es gibt Bücher, die überraschen durch Stille und Unaufgeregtheit - und je mehr man sich auf sie einlässt, desto mehr geben sie zurück. "Aus der Mitte des Sees" von Moritz Heger ist so ein Buch. Stille ist gewissermaßen Bestandteil des Genius Loci, spielt die Handlung doch in einem Benediktinerkloster in der Eifel. Für Bruder Lukas, mit etwa 40 Jahren nicht mehr wirklich jung, aber auch noch nicht alt, ist der zum Kloster gehörende Vulkansee Ruhe- und Rückzugsort. Hier pflegte er mit seinem Mitbruder Andreas schwimmen zu gehen, mit dem er vor 16 Jahren in den Orden eintrat. Nicht nur das gemeinsame Noviziat verband - die beiden waren die jüngsten Mönche, Zeichen, dass das Kloster noch lebendig war, obwohl alle anderen Mönche schon deutlich älter waren.

Doch jetzt ist Lukas alleine - Andreas verliebte sich in eine Frau, verließ das Kloster, seit kurzem ist er Vater und zu Beginn des Romans zögert Lukas mit dem Schreiben seiner Antwort an die junge Familie, fast als wolle er Andreas für seinen Treuebruch bestrafen. In dem ruhig erzählten Roman folgen die Leser Lukas in seiner Alltagsroutine und zu seinen Auszeiten am Steg. Die täglichen Gebetszeiten, das "Ora et labora" prägen den Klosteralltag im 21. Jahrhunderten ebenso wie einst im Mittelalter. Manches hat sich allerdings geändert. Es gibt einen Freundeskreis zum Erhalt der Basilika und zahlende Gäste, die im Kloster für ein paar Tage Rückzug aus ihrem Alltag suchen. Lukas ist der Gastbruder und damit für die Besucher zuständig.

Ausgerechnet in den Tagen, an denen er mit sich ringt, was und wie er Andreas antworten will, wie er zu dem einstigen Mitbruder, ehemaligen oder immer-noch-Freund steht, tritt mit der Schauspielerin Sarah eine Frau in sein Leben. Keines von den Kloster-Groupies, die gerne mal einen Mönch verführen wollen. Und doch macht sie ihn neugierig, will er sich auf sie einlassen, mehr, als die Regeln erlauben. Ist für Lukas eine Liebe möglich, wie Andreas sie gefunden hat? Oder fühlt er sich an sein Gelübde gebunden, gerade in einer Zeit, da die Überalterung der Mönchsgemeinschaft die Zukunft in Frage stellt und er die Möglichkeit hätte, als Prior und rechte Hand eines neuen Abtes Verantwortung zu übernehmen?

Der Mönch in der Lebensmitte und Lebenskrise - sein langjähriger Mentor liegt nach einem Schlaganfall im Sterben, Sarah lässt ihn eine neue Lebendigkeit spüren und steht zugleich für Möglichkeiten, die ihm auch Angst machen - hadert nicht mit seinem Leben, aber es spürt eine Nachdenklichkeit, die auch die Sprache des Buches prägt. Wenn ein Buch introvertiert sein kann, dann ist "Aus der Mitte des Sees" dies. Damit hat, meine ich, der Autor eine sehr angemessene Sprache für seinen Klosterroman gefunden, denn Kontemplation gehört schließlich auch zu Leben in der Klausur.

Zugleich gibt Heger, der sich regelmäßig eine Auszeit im Kloster gönnt, Einblicke in eine Lebenswirklichkeit, die sich seit vielen Jahrhunderten nur wenig verändert hat. Das Schwimmen im See verbildlicht auch das Getragen-werden durch den Glauben der Mönche, die Schwärze des Wassers in der Nacht die Ängste und Zweifel. Dieses Buch ist wie eine Pause im hektischen Alltag und spricht gerade durch seine ruhige Art um so deutlicher.

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