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Veröffentlicht am 24.07.2024

Frauenpower in Attika

Aufstand der Frauen
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Beim Lesen von "Aufstand der Frauen" von Petros Markaris sollte man satt sein. Denn sein jüngst zum Kriminaldirektor von Attika ernannter Kostas Charitos muss zwar auch ermitteln, aber den Ermittler gibt ...

Beim Lesen von "Aufstand der Frauen" von Petros Markaris sollte man satt sein. Denn sein jüngst zum Kriminaldirektor von Attika ernannter Kostas Charitos muss zwar auch ermitteln, aber den Ermittler gibt es sozusagen nur mit Familienanschluss und vielen gemeinsamen Mahlzeiten. Da kann sich beim Lesen schon ein Hüngerchen einstellen, zumal die Handlung eher langsam an Fahrt aufnimmt und der Autor eher bedächtig erzählt. Freunde von Verfolgungsjagden und Cliffhangern kommen hier nicht auf ihre Kosten, das Buch lebt vom lokalen Ambiente und dem Einblick in die Mentalität und stetige, aber nicht immer aufregende Polizeiarbeit.

Für diejenigen, die die Reihe von Markaris kennen, gibt es mit der Beförderung des Mordermittlers Neuerungen: Die Mordkommission erhält erstmals eine Chefin. Erst ist Charitos ein bißchen skeptisch - er ist halt doch ein alter weißer Mann. Doch schnell ist er nicht nur von den beruflichen, sondern auch von den menschlichen Qualitäten von Antigone Ferlakis überzeugt.

Für die junge Ermittlerin gibt es schon bald eine Herausforderung: Erst sorgt der Besuch einer amerikanischen Investorengruppe zu Protesten wegen eines drohenden Ausverkaufs und der Kommerzialisierung griechischer Kultur. Vor allem eine offensichtlich geschichtskundige Frauengruppe, die sich selbst als Karyatiden bezeichnen, prägt die Proteste - und wird bald selbst angefeindet. Zum einen, weil manche von den Investoren Aufschwung und Arbeitsplätze erwarten, zum anderen, weil eine ganze Reihe offensichtlich männlicher Gegner ein Problem damit haben, wenn selbstbewusste Frauen sich zu Wort melden. In sozialen Medien werden die Frauen übel attackiert - dann gibt es eine Tote.

Dass sie sich in ihrem ersten Fall ausgerechnet mit Femiziden befassen muss, hätte Ferlakis wohl nicht gedacht. Charitos wiederum steht vor dem Dilemma, dass es ihm als langjährigen Ermittler schwer fällt, nun im Büro auszuharren und auf Ermittlungsberichte zu warten - sen Herz schlägt schließlich für die Arbeit vor Ort. Während er jede Gelegenheit nutzt, vom Büroschreibtisch zu flüchten, muss er gleichzeitig darauf achten, seine Nachfolgerin nicht zu unterminieren.

Geschlechtsspezifische Gewalt, aber auch latente Frauenfeindlichkeit in der Gesellschaft und die Herausforderungen, die trotz verbriefter gesetzlicher Gleichberechtigung weiterhin bestehen, sind neben dem eigentlichen Fall das Leitmotiv von "Aufstand der Frauen". Zugleich gibt es beruflich wie privat starke Frauennetzwerke.

Ein sympathischer Polizeiroman, der gerne etwas mehr Tempo vertragen hätte.

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Veröffentlicht am 23.07.2024

Die Comedyautorin und der Popstar

Romantic Comedy
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Comedyautorin Sally hat ihren Traumjob bei einer populären Late Night Show in New York, Für die Frau aus dem Mittelwesten, die immer von Comedy geträumt hat, insgeheim allerdings auch von einer Zukunft ...

Comedyautorin Sally hat ihren Traumjob bei einer populären Late Night Show in New York, Für die Frau aus dem Mittelwesten, die immer von Comedy geträumt hat, insgeheim allerdings auch von einer Zukunft als Drehbuchautorin für femnistische Romantic Comedy träumt, besteht das Leben denn auch vor allem aus Arbeit, ihr Freundeskreis setzt sich aus Kolleg*innen zusammen. Da passt es doch, dass der Titel des Romans von Curtis Sittenfeld "Romantic Comedy" lautet.

Ein Phänomen, das Sally nicht nur am Sender auffällt, nervt sie allerdings gewaltig: Eher durchschnittliche Männer, die mit großartig aussehenden (und meist erheblich jüngeren) Frauen zusammen sind. Wieso passiert das eigentlich nie andersrum, fragt sich Sally, die sich selbst auch unter eher durchschnittlich verorten würde. Als auch ein Autorenkollege mit einer Model-schöne Schauspielerin zusammenkommt, schreibt sie einen Sketch darüber.

Der soll ausgerechnet in der Woche produziert werden, als Popstar Noah als Gastmoderator/musikalischer Gast in die Sendung kommt. Noah mit seinem Surfercharme ist in Sallys Augen zunächst der typische weichgespülte Schönling, doch als die beiden gemeinsam an einem Sketch arbeiten, stößt sie das in eine Achterbahn der Gefühle. Interessiert er sich etwa für sie, die Durchschnittsfrau? Oder projiziert sie nur geheime Wünsche auf ihn? Awkward moments und Schmetterlinge im Bauch prägen die Zusammenarbeit, doch bei der Afterparty herrscht dann plötzlich abgekühlte Stimmung.

Zwei Jahre später, es ist Corona-Lockdown, erhält Sally eine Email von Noah. Beginn einer wunderbaren Brieffreundschaft? Oder besteht die Chance auf mehr?

"Romantic Comedy" ist in der Tat eine romantische Komödie und der ganze Teil von "er liebt mich, er liebt mich nicht" samt dazugehöriger Komplikationen ist ziemlich vorhersehbar. Am besten gefiel mir das Buch dort, wo es um die Produktion der Late Night Show geht, um Machtgefälle im Fernsehen, die unterschiedlichen Sichtweisen auf Männer und Frauen, wo Sally witzig, sarkastisch und intelligent sein konnte und mit ihren bissigen Bemerkungen das Geschehen kommentierte. Davon hätte ich, auch in der absehbaren Romanze, gern mehr gesehen. Insgesamt leicht und humorvoll geschrieben und eine nette Sommerlektüre.

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Veröffentlicht am 21.07.2024

Plötzlich Tyrannei

Das Lied des Propheten
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Mit seinem Roman "Das Lied des Propheten" hat der irische Schriftsteller Paul Lynch eine düstere Dystopie geschrieben, die zugleich an Parallelen in Vergangenheit und Gegenwart erinnert. Am Beispiel einer ...

Mit seinem Roman "Das Lied des Propheten" hat der irische Schriftsteller Paul Lynch eine düstere Dystopie geschrieben, die zugleich an Parallelen in Vergangenheit und Gegenwart erinnert. Am Beispiel einer sechsköpfigen Dubliner Familie beschreibt er die alptraumhaften Auswirkungen, wenn eine autoritäre Regierung in Tyrannei umschlägt und ein Land in einen Bürgerkrieg stürzt.

Im Fall des Buches ist es die "Nationale Allianz", deren Griff zunächst nur allmählich das gesellschaftliche Leben und für selbstverständlich geglaubte Freiheiten abwürgt. Als zwei Polizisten an der Tür von Eilish Stack klopfen und nach ihrem Mann Larry, einem Gewerkschafter, fragen, weckt das zunächst nicht ihr Misstrauen. Larry hat nichts zu verbergen, und das Recht auf Gewerkschaften ist in der Verfassung verbrieft. Doch als Larry das Polizeirevier aufsucht, kehrt er nicht zurück.

Er ist nicht der Einzige, der plötzlich verschwunden ist. Und plötzlich scheint die ganze Familie als Sicherheitsrisiko zu gelten: Eilish, eine Wissenschaftlerin, spürt bei der Arbeit plötzlich Schweigen um sich - und sieht, das plötzlich NAP-Mitglieder Karriere machen. Der Versuch, den Pass ihres ältesten zu verlängern und einen für das jüngste Kind zu erhalten, um die in Kanada lebende Schwester zu besuchen, scheitert - das Justizministerium hat Bedenken angemeldet.

Eilish versucht zu funktionieren und Normalität zu schaffen. Als Schüler nach einem Protest festgenommen wurden und die Familien einen Protest organisieren, verbietet sie ihren älteren Kindern, sich den Demonstrationen anzuschließen: Bloss nicht auffallen. Sie muss den Haushalt organisieren, sich um ihren zunehmend dementen Vater kümmern. Doch die Vogel-Strauß-Politik ist zum Scheitern verurteilt. Als der älteste Sohn nach seinem 17. Geburtstag zum Militär eingezogen werden soll, ist sie entschlossen, den Jungen zu verstecken und irgendwie nach Nordirland zu schmuggeln. Doch Mark hat eigene Vorstellungen von Kampf und Widerstand gegen das System, das ihm den Vater geraubt hat. Und auch die anderen Kinder verändern sich,während immer klarer wird: Die Tyrannei hat die ganze Gesellschaft erfasst.

Mit der Implosion einer Gesellschaft in Gewalt, Bürgerkrieg und Anarchie erinnert "Das Lied des Propheten" an die Entwicklung in Syrien oder Libyen, aber auch an Nationalsozialismus oder Stalinismus. Nur trifft es hier nicht Menschen, die weit weg sind, sondern eine Familie in Europa, in Irland eben. Angesichts des Rechtsrucks, den verschiedene jüngste Wahlen in Deutschland und anderen europäischen Staaten gezeigt haben, angesichts der Möglichkeit einer zweiten Trump-Präsidentschaft ist Lynchs Buch auch eine Warnung: Wehret den Anfängen. Demokratien sterben leise, heißt eine Redewendung, auch wenn sie dieser Tod hier aprupt vollzieht - doch Eilish verdrängt die neuen Realitäten lange, bis es um das nackte Leben geht.

Der Alptraum einer ganz normalen Familie, für die es plötzlich ums Überleben geht und die Frage: Gehen oder Bleiben? ist eindringlich, düster und hart. Lynch neigt zu Bandwurmsätzen, die das Lesen manchmal zur Herausforderung machen, doch gleichzeitig haben seine Beschreibungen ein Art dunkler Poesie. Wenn Eilish zu Beginn des Buches über Nacht und Dunkelheit nachdenkt, hat sie noch keine Ahnung, dass eine ganz andere Dunkelheit nach ihr und ihrer Familie greift. Ein eindringliches, ebenso verstörendes wie wichtiges Buch.

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Veröffentlicht am 19.07.2024

Verschüttete Erinnerungen

Blick in die Angst
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"Blick in die Angst" von Chevy Stevens ist ein Thriller, in dem es buchstäblich um psychologische Spannung geht. Denn Nadine, die Protagonistin, arbeitet als Psychiaterin in einem Krankenhaus auf Vancouver ...

"Blick in die Angst" von Chevy Stevens ist ein Thriller, in dem es buchstäblich um psychologische Spannung geht. Denn Nadine, die Protagonistin, arbeitet als Psychiaterin in einem Krankenhaus auf Vancouver Island an der kanadischen Westküste. Doch das Leben im eigentlich idyllischen Victoria hat Schattenseiten für die Mittfünfzigerin, die seit mehreren Jahren verwitwet ist: Ihr Tochter Lisa ist ihr zunehmend entglitten, lebt als Drogenabhängige auf der Straße. Als Therapeutin findet Nadine zwar den Zugang zu ihren Patientinnen und Patienten, aber offenbar nicht zur eigenen Tochter.

Ein Fall in der Notaufnahme nach einem Selbstmordversuch wird für Nadine unerwartet persönlich: Ihre Patientin Heather, die mit den Folgen einer Fehlgeburt nicht fertig wird, gibt sich selbst die Schuld an dem Unglück: Vielleicht hätte sie das "Zentrum" nicht verlassen dürfen. Als sie Einzelheiten nennt über eine Art Yoga-Retreat, wird Nadine hellhörig: Zum einen erinnern sie die Zuständen eher an eine Sekte mit psychologischer Gehirnwäsche.

Zum zweiten weckt der Name des Leiters Erinnerungen an acht Monate, die sie als 13-jährige mit ihrem älteren Bruder und ihrer labilen Mutter in einer Kommune verbrachte. Seit jener Zeit leidet Nadine unter Klaustrophobie. Auch eine Hypnosetherapie hat in der Vergangenheit nicht geholfen, die Ursache ihrer Ängste zu ergründen. Die Gespräche mit Heather wecken allerdings nach und nach verschüttete Erinnerungen. Nadine ist sich nicht sicher, ob sie authentisch oder eine "Übertragung" sind, doch zunehmend ist sie überzeugt - damals ist etwas Schlimmes passiert.

Als die Erinnerungen klarer werden und Nadine sie nicht auf sich beruhen lassen will, weckt das gewissermaßen die Geister der Vergangenheit. Und während Nadine die Konfrontation mit den Dämonen der Gefangenheit aufnimmt, gerät nicht nur sie in Gefahr.

Stevens schafft Spannung, obwohl über weite Strecken des Buches keine Gewalt im Spiel ist, arbeitet mit viel Suspense. Nadine ist sowohl empathisch als auch emotional, macht trotz ihrer Erfahrungen als Therapeutin im Umgang gerade mit denjenigen, die ihr am Herzen liegen, immer wieder Fehler. Auch das komplizierte Mutter-Tochter-Verhältnis sorgt für eine zusätzliche Dynamik in diesem Kriminalroman, den ich in einem Rutsch weggelesen habe.

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Veröffentlicht am 17.07.2024

Rache und Loyalität

City in Ruins
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Mit "City in Ruins" hat Don Winslow seine Mobster-Triologie um Danny Ryan beendet, den Mann, der in einen irischen Gangsterclan im Boston der 50-er Jahre hineingeboren wurde und ähnlich wie die Helden ...

Mit "City in Ruins" hat Don Winslow seine Mobster-Triologie um Danny Ryan beendet, den Mann, der in einen irischen Gangsterclan im Boston der 50-er Jahre hineingeboren wurde und ähnlich wie die Helden griechischer Tragödien eine enorme Fallhöhe erreicht. Den Bogen zur griechischen Tragödie schlägt Winslow nicht nur mit seinen Themen um Rache, Liebe, Femmes fatales, Aufbau und Niedergang von (Gangster-)Reichen, von Kriegen, in denen eigentlich alle verlieren. Er zitiert auch aus Äneis und Odyssee, ehe die ganze Wucht des Schicksal und der Verstrickung in Gewalt einen Mann erfasst, der eigentlich nur ein anständiger Mensch sein will.

Ich hatte die beiden vorangegangenen Bände gelesen und war vor allem vom ersten Teil begeistert - der zweite zeigte ein paar Schwächen, wie das beim Mittelband von Triologien ja häufiger der Fall ist. Den Abschluss wollte ich natürlich nicht verpassen und Winslow läuft in der Tat zu großer Form auf, packt viele Themen und Protagonisten der beiden ersten Bücher zusammen, entwickelt die Geschichte aber auch mit einem dramatischen Spannungsbogen weiter.

Danny Ryan hat es geschafft, in der Hotelbranche in Las Vegas zum Multimillionär aufzusteigen und seine kriminelle Vergangenheit hinter sich zu lassen - auch wenn weiterhin über ihn geredet wird. Seine Träume richten sich nicht mehr auf den Aufstieg in einer Gangstergesellschaft, es geht nicht mehr um die Flucht um sein Leben, sondern um ein Hotel einer ganz neuen Dimension. Glücksspiel, und damit eine Verbindung in die eher schillernde Vergangenheit interessiert ihn weniger.

Doch noch immer gibt es eine Staatsanwältin, die Ryan vernichten will. Als der Konflikt mit einem Konkurrenten um den Besitz eines Hotelgrundstücks eskaliert, wird Ryan von seiner Vergangenheit eingeholt. Wird er alles verlieren?

Andere Handlungsstränge führen zurück zur Gangsterfamilie der Morettis, die vor allem im ersten Band eine Rolle gespielt hatte. So konzentriert sich Winslow zwar auf seinen Protagonisten Danny Ryan, bringt aber auch die Ereignisse um die einstigen Verbündeten und späteren Feinde Ryans zu einem Abschluss.

Auch "City in Ruins" bewegt sich zwischen der Gewalt und Brutalität des Organisierten Verbrechens einerseits und der Suche nach Normalität andererseits. Einmal mehr muss Ryan ein großes Risiko eingehen, um die zu retten, die er liebt, und einmal mehr wird er nicht überall erfolgreich sein. Loyalität kann tödlich sein und Rache wird nicht immer am besten kalt gegessen. Ein stimmige Abschluss dieser wuchtigen Gangster-Saga.

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