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Veröffentlicht am 16.07.2020

Von Pfadfindern und Tsunami-Opfern

Wer zweimal stirbt
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Kommissar Evert Bäckström mag ja der bekannteste Polizist Schwedens sein, aber seine Einsatzbereitschaft ist eher auf den eigenen Genuss focussiert: Im Büro verbringt er so wenig Zeit wie möglich, die ...

Kommissar Evert Bäckström mag ja der bekannteste Polizist Schwedens sein, aber seine Einsatzbereitschaft ist eher auf den eigenen Genuss focussiert: Im Büro verbringt er so wenig Zeit wie möglich, die widmet er lieber dem Essen und Trinken sowie Frauen, es dürfen auch durchaus Professionelle sein. Da ist es doch praktisch, wenn ein neuer Fall gewissermaßen an der Haustür klingelt. Im Fall von "Wer zweimal stirbt" von Leif Gw Persson jedenfalls türmt der Nachbarsjunge Edvin, ein liebenswerter Nerd, aus dem Pfadfinderlager, um dem bewunderten Kommissar in einer Plastiktüte einen Schädel sowie seine Schlussfolgerungen zu präsentieren.

Der Mischung aus Intelligenz und kindlichem Charme erliegt auch die eigentlich sehr toughe Annika Carlsson, von Bäckström mit der eigentlichen Arbeit betraut, die ungeahnte mütterliche Schutzinstinkte für den Jungen entwickelt. Nach dem Fund des Schädels vor einem Fuchsbau stößt der forensische Suchtrupp in einem verborgenen Erdkeller auf den Rest des Skeletts. Dank des gut erhaltenen perfekten Gebisses ist eine DNA-Untersuchung möglich.

Doch die Ergebnisse verblüffen: Die Tote, die seit fünf oder sechs Jahren auf der Insel mit dem passenden Namen "Unheilinsel" lag, kam offiziell bei dem Tsunami im thailändischen Urlauberort Khao Lak ums Leben, wurde nicht nur von ihrem schwedischen Ehemann und ihrer Familie eindeutig identifiziert, sondern auch von schwedischen Ermittlern mit Hilfe eines DNA-Tests. Und zweimal sterben - das geht ja nicht.

Die Suche nach der Antwort, wieso die Leiche einer angeblich schon vor Jahren in Thailand gestorbenen Frau, die obendrein verbrannt wurde, in Schweden auftauchen konnte, hat einige vermeidbare Längen. Der Krimileser hätte da schließlich auf Anhieb gleich ein paar Theorien, auf die doch auch die erfahrenen Ermittler kommen müssten, ohne hundert Buchseiten dazwischen. Auch die Querelen zwischen Bäckström und einer Staatsanwältin hätten jetzt nicht so ausführlich geschildert werden müssen, wenn ich auch zugebe, dass Bäckström da sehr perfide-kreativ vorgeht.

Ein paar Seitenhiebe auf schwedisch-finnische Animositäten, einige eher kauzige Nebenfiguren, ein harnäckiges Ermittlerteam (mal abgesehen von Bäckströms Faulheit) - da kommt spannende Unterhaltung zustande, nicht so düster-zeitgenössisch wie bei anderen schwedischen Autoren, aber trotz der erwähnten Längen lesenswert. Die Covergestaltung mit der Seelandschaft im Zwielicht stimmt schon mal gut auf die fast 600 Seiten Text ein, mit der Erkenntnis: Tiefen und Untiefen gibt es nicht nur im Mälarsee, sondern auch im Miteinander eines "match made in hell".

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 11.07.2020

Ganz schön vielseitig!

Vegan! Das Goldene von GU
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Es ist ziemlich schwer, in der GU-Reihe ein Kochbuch zu finden, mit dem ich so gar nichts anfangen kann. Höchstens, wenn es sich um ein Geschenk handelt mit einer Küchenrichtung, die so gar nicht meine ...

Es ist ziemlich schwer, in der GU-Reihe ein Kochbuch zu finden, mit dem ich so gar nichts anfangen kann. Höchstens, wenn es sich um ein Geschenk handelt mit einer Küchenrichtung, die so gar nicht meine ist. Der einzige Kritikpunkt ist meist, dass es sich um eher schmale, übersichtliche Bändchen handelt. Appetithappen von einem Kochbuch gewissermaßen, während sich der hungrige Leser/Hobbykoch einen Nachschlag gewünscht hätte.

Bei "Vegan! Das Goldene" ist das ganz und gar nicht so. Mit einem Umfang von 400 Seiten bleibt hier keiner hungrig und ohne Anregungen. Auch wenn die Zielgruppe offensichtlich vegan lebt, kocht und isst, finden auch Vegetarier und Flexitarier viele leckere Gerichte - und die leidenschaftlichen Carnivoren könnten zumindest mal ins Nachdenken geraten, ob sie sich nicht für das eine oder andere Gericht erwärmen könnten. Zumal es sehr viel gibt, was schon mal lecker in den Tag hilft - ob Müsli oder selbstgemachte Energieriegel, Smoothies oder Brot, Dips und Aufstriche, die schon beim Lesen das Wasser im Mund zusammenlaufen lassen. Golden Mango Milk (mit Kurkuma) oder Schoko-Pflaumen-Smoothie etwa haben mich sofort überzeugt.

Sehr viele Rezepte dürften der Tatsache geschuldet sein, dass Veganer in Kantinen meist nur ein sehr sparsames Angebot finden, denn es gibt viele Snacks und "to go"-Rezepte, die als Lunch im Glas oder aus der Box für den kleinen Hunger zwischendurch gedacht sind und neue Energie liefern. Der Bulgursalat mit scharfen Möhren etwa hatte es mir sofort angetan. Zudem sind so viele Geschmacksrichtungen vertreten, dass wirklich für jeden etwas dabei ist, zu meiner Freude auch vieles, was orientalisch, mediterran oder asiatisch ist. Dass auch viele Currys enthalten sind, dürfte niemanden wundern, der die indische Küche kennt - so ein leckeres Dhal etwa ist schließlich in vielen Variationen möglich.

Aus meiner ganz persönlichen Sicht überflüssig sind die Gerichte, die nach Fleisch aussehen, angeblich auch so schmecken, aber trotzdem vegane Schnitzel, Burger oder "Currywürste" sind. Aber das ist vermutlich meine flexitarische Ignoranz, die nicht einsieht, warum jemand, der vegan lebt, dennoch etwas essen will, was nach Fleisch aussieht. Auf den wie immer in der Buchreihe liebevoll fotografierten und anregend angerichteten Beispielbildern wirkt der vegane Fleischlook jedenfalls überzeugend.

Zugegeben: Ich werde nie eine echte Veganerin - dazu esse ich viel zu gerne Käse. Und vermutlich werde ich bei so manchem Gericht auch mal schummeln und Milch oder Joghurt statt die pflanzlichen Alternativen benutzen, schon allein deswegen, weil ich sie nicht vorrätig habe. Aber auf diesen 400 Seiten habe ich vieles entdeckt, was in den nächsten Wochen und Monaten bei mir auf den Teller kommen dürfte. Und auf die "goldene Reihe" bin ich jetzt auch aufmerksam geworden.

Veröffentlicht am 11.07.2020

Aktueller denn je - Baldwins Abrechnung mit Rassismus

Nach der Flut das Feuer
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Der Brief James Baldwins an seinen 14-jährigen Neffen klingt, als sei er im Jahr 2020 oder 2014 geschrieben, nicht im Jahr 1963, vor mehr als einem halben Jahrhundert: "Ich weiß, wie düster es heute für ...

Der Brief James Baldwins an seinen 14-jährigen Neffen klingt, als sei er im Jahr 2020 oder 2014 geschrieben, nicht im Jahr 1963, vor mehr als einem halben Jahrhundert: "Ich weiß, wie düster es heute für dich aussieht", heißt es darin. "Du wurdest geboren, wo du geboren wurdest, mit Zukunftsaussichten, die deine Aussichten waren, weil du schwarz bist - aus keinem anderen Grund. Deinem Streben sollten für alle Zeit Grenzen gesetzt werden. Du bist in eine Gesellschaft hineingeboren, die Dir mit brutaler Offenheit und auf vielfältigste Weise zu verstehen gibt, dass Du ein wertloser Mensch bist."

Nein, in dem Essayband "Nach der Flut das Feuer" versucht der afroamerikanische Schriftsteller nicht, den Jugendlichen James klein zu halten. Seine Worte sind mit Liebe geschrieben, wie er betont, nicht mit Geringschätzung. Doch die Hautfarbe des Jungen definiert Chancen und Möglichkeiten, wie schon bei den Generationen vor ihm. Ein wenig erinnert das an "the talk", das Gespräch, das schwarze afrikanische Eltern in den USA besonders mit ihren Söhnen führen, wenn sie der Kindheit entwachsen, wenn ihre Hautfarbe im Fall einer Polizeikontrolle oder einfach nur ihre Anwesenheit zur falschen Zeit am falschen Ort tödliche Konsequenzen haben kann - wie bei all jenen afroamerikanischen Männern, deren Namen in den vergangenen Jahren durch die Welt gingen, so wie zuletzt George Floyd.

Manches, vieles, hat sich geändert in dem halben Jahrhundert, seit Baldwin seinen Essayband schrieb. Die Bürgerrechtsbewegung erkämpfte wichtige Erfolge. Die Segregationsgesetze gibt es nicht mehr. Die USA hatten ihren ersten schwarzen Präsidenten. Harlem, für Baldwin noch der Ort, der von Zuhältern und Prostitution, von Kriminalität und Drogen geprägt war, ist für viele Afroamerikaner heute ein Ort schwarzer Kultur, ein Ort des Stolzes auf die eigene Identität. Doch Trayvon Martin, Michael Brown oder George Floyd stehen für die immer wieder dokumentierte Tatsache, dass Afroamerikaner häufiger als Hispanics oder Weiße von der Polizei erschossen, dass sie bei Straftaten härter verurteilt werden und häufiger von der Polizei kontrolliert werden.

Racial profiling, das ist nicht nur in den USA ein Thema, ebenso wenig struktureller Rassismus. Und er muss sich nicht gegen schwarze Menschen richten, sondern kann genauso andere Minderheiten betreffen. Gerade deshalb ist es gut und wichtig, dass Baldwins Text aus den 60-er Jahren nun eine Neuauflage erlebt hat. Die Fragen, die Baldwin damals aufwarf, haben Gültigkeit. Was machen Rassismus-Erfahrungen mit einem Menschen. gerade mit einem jungen? Wie umgehen mit denen, die ignorieren oder verdrängen, dass einem Teil der eigenen Bevölkerung Chancen und Zukunft verweigert werden? Wie aber auch umgehen mit denen aus der anderen Gruppe, die mit Hass und Militanz reagieren, die umgekehrt von "weißen Teufeln" reden wie die Black Muslims, die Baldwin in den 60-er Jahren kennenlernte?

Der schmale Essayband enthält Einsichten, die Gültigkeit behalten und zum Nachdenken anregen.

Veröffentlicht am 07.07.2020

Dänischer Cozy Krimi

Dänische Schuld (Ein Gitte-Madsen-Krimi 2)
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Für dänisches hygge-Gefühl gibt es vielleicht doch zu viele Tote und seelisch angeschlagene Menschen. Dennoch ist "Dänische Schuld" von Frida Gronover in erster Linie ein cozy Krimi und weniger ein harter ...

Für dänisches hygge-Gefühl gibt es vielleicht doch zu viele Tote und seelisch angeschlagene Menschen. Dennoch ist "Dänische Schuld" von Frida Gronover in erster Linie ein cozy Krimi und weniger ein harter Thriller, ganz besonders im Vergleich mit den düster-realistischen Bücher des Genres. Skandinavisch noir gilt hier eher für die Berufsbekleidung der deutsch-dänischen Protagonistin Gitte Madsen - die ist nämlich Bestatterin in einem Küstenferienort und betätigt sich gerne als Hobby-Detektivin. Sehr zum Missfallen von Ole, dem örtlichen Polizisten, für den sie privat eine ziemliche Schwäche hat.

In "Dänische Schuld" kommt Gitte sowohl hauptberuflich als auch hobbymäßig an einen neuen Fall, denn als sie mit einem Freund im besten Restaurant des Ortes zu Abend isst, bricht am Nebentisch ein Mann tot zusammen. Es lag nicht am Pilzgericht (das sich gleichwohl nicht mehr verkauft und von der Speisekarte genommen werden muss), sondern an Zyankali. Das Opfer, ein Immobilienvermieter und seine Familie, mussten schon einiges an Schicksalsschlägen einstecken: Sohn Björn ist querschnittgelähmt und sitzt im Rollstuhl, seit bei einem Sprung sein Fallschirm riss. Die kleine Tochter starb an einer Meningitis. Und nun noch ein Tod in der Familie....

Gitte setzt ihren Trumpf, die harmlos wirkende Tante Stine, als Informationsbeschafferin ein, ob beim örtlichen Friseur oder bei der Bank. Hatte der Tote Feinde oder Geldsorgen? Wer ist der geheimnisvolle Feind, von dem die Witwe sprach? Und hatte der Tote womöglich selbst Dreck am Stecken?

Es ist schon erstaunlich, dass Gitte bei all den offenen Fragen noch Zeit für ihren Hauptberuf und die durchaus sehr individuellen Abschiedswünsche ihrer Kunden hat. Und nicht nur das - auch in eigener Sache betätigt sie sich detektivisch. Denn ihr dänischer Vater ist vor 18 Jahren spurlos verschwunden, in eben jenem Ferienort, in dem sie nun lebt. Zuletzt wurde er in Gesellschaft eines Russen namens Wolkow gesehen - hat er sich etwa mit der russischen Mafia angelegt?

Nicht alles verläuft immer ganz logisch in diesem Gute Laune-Cozy, in dem nur das dänische Wetter unterkühlt ist. Eine Reihe unterhaltsamer Charaktere und ein Rottweiler mischen die Rahmenhandlung auf. Ein leichter Krimi für Sommertage, mitunter mit der Süße dänischer Plunder. Das muss ja nicht abwertend sein. Stoff für einen Folgeband zeichnet sich jedenfalls schon ab. Do swidania, Gitte?

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 06.07.2020

1000 deutsche Ausflugsmöglichkeiten

HOLIDAY Reisebuch: Wo Deutschland am schönsten ist
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Bei so vielen Möglichkeiten reicht auch ein Corona-Jahr nicht aus, das dem Fernweh mit Lockdowns, geschlossenen Ländergrenzen und zusammengestrichenenen Flugplänen entgegen steht. Statt dessen müssen, ...

Bei so vielen Möglichkeiten reicht auch ein Corona-Jahr nicht aus, das dem Fernweh mit Lockdowns, geschlossenen Ländergrenzen und zusammengestrichenenen Flugplänen entgegen steht. Statt dessen müssen, mehr oder weniger freiwillig, nähere Reiseziele her. Sind es tatsächlich tausend, wie Axel Klemmers "Wo Deutschland am schönsten ist" verspricht? Ich habe nicht nachgezählt, aber es kommen auf jeden Fall eine Menge Ausflugsziele und Reisemöglichkeiten zusammen .

Nach Bundesländern unterteilt, gibt es jeweils Ausflugsziele, die teilweise weit über Deutschland bekannt sind wie Schloss Neuschwanstein oder die Burgen des Mittelrheintals, teils durchaus noch ihrer Entdeckung durch Besucher außerhalb der Region warten. Oder wer außerhalb Hessens hatte etwa die Jugendstil-Architektur der Mathildenhöhe in Darmstadt auf dem Schirm?

Auch für Übernachtung und Gastronomie gibt es Tipps, vom Sternerestaurant zur urigen regionalen Spezialität, von gechillter Lounge Atmosphäre bis hin zu Luxus beim Heimaturlaub. Ob Städtereise oder Landschaftstour, Kunst und Kultur oder das Entdecker und Schlemmen - auf fast 500 Seiten ist für jeden etwas dabei. Die Bildauswahl bleibt da relativ überschaubar, hilfreich für die weitere Recherche sind die Links und Online-Angaben, die Details für die Reiseplanung liefern. Bei aller Ausführlichkeit kompakt und gut überschaubar. Das nächste Wochenende der Deutschland-Entdeckungen kann kommen.