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Veröffentlicht am 10.09.2019

Kommissarin im Alleingang

Brennende Narben
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Ein unkonventionelle, eher untypische Ermittlerin ist die Frankfurter Kripo-Beamtin Mara Bilinsky - stets ganz in Schwarz gekleidet, was ihr den Beinamen "die Krähe" verschafft hat, mit Tätowierungen aus ...

Ein unkonventionelle, eher untypische Ermittlerin ist die Frankfurter Kripo-Beamtin Mara Bilinsky - stets ganz in Schwarz gekleidet, was ihr den Beinamen "die Krähe" verschafft hat, mit Tätowierungen aus den rebellischen Jugendzeiten (mal ehrlich, was ist bei jemandem Anfang 30 noch rebellisch mit Tätowierungen? die waren doch zu den entsprechenden Jugendzeiten schon längst Mainstream), tough auftretend, aber auch unter einem Kindheitstrauma leidend: Mit 13 Jahren fand Mara zu Hause ihre ermordete Mutter.

In "Brennende Narben", dem dritten Band der Bilinsky-Reihe von Leo Born, geht es darum nicht nur um einen drohenden Bandenkrieg im Frankfurter Rotlichtmilieu zwischen einer albanischen Gangsterbande und dem "Wolf" vor dem Mara von eine anonymen Anrufer gewarnt wird. Es geht auch um die höchst privaten undienstlichen Ermittlungen der Komissarin, die wissen will, wer schuld am Tod ihrer Mutter ist. Von dieser Frage ist sie regelrecht besessen. Das heißt; Eigentlich verdächtigt sie ihren Vater. Von dessen Schuld ist sie eigentlich ziemlich überzeugt. Beweise wären allerdings nicht schlecht - der damals ermittelnde Staatsanwalt allerding tut sein Bestes, Maras Ermittlungen zu blockieren. Zudem gibt es noch einen brutalen Killer, der in Frankfurt eine Blutspur hinterlässt, angefangen mit einer grausam ermordeten Edelprostituierten, deren letzter Kunde ausgerechnet Maras Vater war...

Gelitten, geblutet und gestorben wird reichlich in "brennende Narben" und wer mit plakativer und eher reißerischer Spannung glücklich wird, dürfte mit dem Krimi gut bedient werden. Der Plot mit Organisierter Kriminalität, Zwangsprostitution, Menschenhandel und Bandenkrieg im Frankfurter Bahnhofsviertel ist auf jeden Fall spannend - und hätte die Obsession mit Maras Familiengeschichte eigentlich nicht gebraucht. Mich störten allerdings beim Lesen die holzschnittartigen Dialoge und Beschreibungen. Was werden hier Lippen zusammengepresst, Augen zu Schlitzen verzogen, höhnisch gegrinst...

Hinzu kommt die Realitätsferne. Klar, es handelt sich um einen Roman und nicht um eine Dokumentation, aber halbwegs glaubwürdig sollte die Geschichte schon sein. Eine Polizistin, die so häufig - und auch außer Dienst - mit der Waffe rumfuchtelt und Leute bedroht, wäre im wirklichen Leben schon längst aus dem Polizeidienst geflogen. Und Ermittlungen in eigener Familiensache? Not really!

Die fröhliche Unbekümmertheit, mit der Beamte ohne Rückendecken zu Alleingängen aufbrechen, in einem ausgesprochen hierarchisch und bürokratisch organisierten Apparat ihr eigenes Ding durchziehen können und dabei höchstens mal einen mahnend erhobenen Zeigefinger riskieren - vielleicht hätte der Autor besser getan, die Handlung in den USA anzusiedeln statt in Frankfurt. Dort greifen Polizisten schließlich deutlich häufiger zur Waffe und wenn (so das Polizeideutsch) eine Schussabgabe erfolgt ist, dürfte die anschließende Untersuchung des Vorfalls auch nicht so lange dauern wier hierzulande.

Ich mag starke, unkonventionelle, unangepasste Frauenfiguren. Ich bin zum Beispiel ein ausgesprochener Fan der Chastity Riley-Reihe, mag den bluesigen Unterton der Bücher, Doch so sehr ich mich bemüht habe - mit Mara Bilinsky konnte ich einfach nicht warm werden. Unter all dem "ich bin ja so rebellisch!"-Schwarz steckt irgendwie auch ziemlich viel Selbstgerechtigkeit und Unfähigkeit, auch mal das eigene Urteil in Frage zu stellen. Ich denke, mein erster Bilinsky-Krimi war auch mein letzter. Trotzdem danke, dass ich an der Leserunde teilnehmen durfte!

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Veröffentlicht am 05.06.2024

Ein Kanaren-Krimi, der enttäuscht

Dunkle Verwicklungen auf La Palma (Calderon und Rodriguez ermitteln 1)
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Ich habe mich für "Dunkle Verwicklungen auf La Palma" interessiert, weil ich mir eine Sommerlektüre mit ein bißchen Spannungen und Kanarenflair erwartet hatte, bin nach Beendigung des Buches des Autorenduos ...

Ich habe mich für "Dunkle Verwicklungen auf La Palma" interessiert, weil ich mir eine Sommerlektüre mit ein bißchen Spannungen und Kanarenflair erwartet hatte, bin nach Beendigung des Buches des Autorenduos Flores & Santana aber nicht wirklich auf meine Kosten gegeben. Kulinarisches und Landschaftliches ist nett eingestreut, die Gerüche der Insel treten auch den Lesenden vor die Nase, insoferrn ist der sommerliche Urlaubsanspruch durchaus erfüllt, aber auch ein Cozy-Krimi sollte doch ein gewisses Grundmaß an Spannung bieten.

Der Mord an einem Bauunternehmer, die Aktivitäten einer Umweltgruppe - das würde doch dazu einladen, Spekulantentum, Overtourism, das Spannungsfeld von Ökologie und Ökonomie zu thematisieren. Ich konnte aber mit den überausführlichen Schwenkern zum Privatleben der ziemlich altbackenen Protagonisten nicht warm werden, die ohnehin mehr Zeit mit essen und trinken als mit ihrer eigentlichen Arbeit zu verbringen schienen. Die Ermittlungen sind dann vollends hanebüchen. Journalist Ben muss seinem alten Kumpel, dem leicht überforderten Polizisten, unter die Arme greifen und ist nicht nur bei dessen Nachforschungen dabei, sondern darf im Nebenraum dem Verhör eines Verdächtigen folgen.

Das ist dann so unendlich weit vorbei an jeglicher Lebenswirklichkeit, dass auch "Ist schließlich nur ein Cozy" keine Entschuldigung für Unglaubwürdigkeit ist. Wäre es wenigstens so überzogen gewesen wie in eher satirisch angelegten Humor-Krimis, wäre es ja noch angegangen, aber so musste ich mich zwingen, das Buch zu Ende zu lesen. Sprachlich hat mich das Buch auch nicht überzeugt. Kanaren-Fans verzeihen möglicherweise diesen totalen Realitätsverlust, aber für mich ist klar, dass ich den bereits angekündigten Folgeband nicht lesen werde.

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Veröffentlicht am 14.12.2023

Gut gemeint, aber nicht gut gemacht

Durstiges Land
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Die Idee hinter "Durstiges Land" von Susanne Goetze und Annika Joeres klang erst einmal richtig gut: In fiktiven Szenarien wird - auf der Basis des schon heute verfügbaren wissenschaftlichen Wissens - ...

Die Idee hinter "Durstiges Land" von Susanne Goetze und Annika Joeres klang erst einmal richtig gut: In fiktiven Szenarien wird - auf der Basis des schon heute verfügbaren wissenschaftlichen Wissens - in Form von Kurzgeschichten gezeigt, wie die nahe Zukunft in einem von Wassermangel geprägten Deutschland aussehen könnte. Als Dystopie beziehungsweise Utopie geht es um das worst oder best case scenario, wobei nicht die Illusion geweckt wird, als sei der Klimawandel plötzlich vom Tisch, im Gegenteil, es geht darum, das Beste aus einer zunehmend schwierigen Situation zu machen.

Eigentlich ein reizvoller Ansatz für alle, die sich mit dem Thema Klimawandelfolgen beschäftigen wollen, sich von wissenschaftlichen Abhandlungen aber überfordert fühlen oder einfach mit dem "Was wäre, wenn..." Gedanken spielen, der ja nun so ganz wissenschaftlich nicht ist. Zudem könnte so ein Buch auch Leser anziehen, die sich vielleicht noch nicht so intensiv mit dem Thema beschäftigt haben.

Dass die Wasserkrise kommt, ist keine Frage - sie ist ja schon längst da. Mehrere Hitzesommer haben die wirtschaftlichen Folgen gezeigt, wenn der Rhein nicht mehr schiffbar ist. Kommunale Verbote, den Garten zu wässern, könnten schon bald ein Luxusproblem sein angesichts sinkender Grundwasserspiegel und ihrer Folgen für das Ökosystem. Gewaltsame Konflikte um Wasser gibt es schon längst in mehreren Staaten, auch wenn dieses Szenario in Deutschland keine Rolle spielt.

Doch ach, gut gemeint ist nicht gut gemacht. Die Protagonisten der Erzählungen sind so holzschnittartig, die Rollen so schwarz-weiß verteilt, dass mich die Geschichten eher an Agit-Prop der 70-er Jahre oder ideologisierende Kinderbücher der DDR erinnern. Es macht einfach keinen Spaß zu lesen, wenn hinter jedem Satz die moralische Empörung der Autorinnen hechelt. Da habe ich geradezu Greta Thunbergs berühmtes "How dare you!" im Ohr.

Bei allem Interesse für das Thema und die auf wissenschaftlichen Arbeiten beruhenden Szenarien, welche Handlungsfelder es gibt, habe ich irgendwo in der Mitte des Buches aufgegeben, da die Geschichten einfach nicht besser wurden. Das nächste Mal greife ich doch lieber direkt zum Sachbuch, wenn ich mehr über die Zukunft einer Welt mit zunehmendem (Süß-)Wassermangel erfahren will.

Veröffentlicht am 22.06.2023

Unglaubwürdige Ermittlerin unter Schafen

Vier Schafe und ein Todesfall
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Zugegeben, bei dem Cozy-Krimi "Vier Schafe und ein Todesfall" von Thomas Chatwin triggerte mich zunächst einmal der Titel, der an einen Mix der romantischen Komödie "Vier Hochzeiten und und ein Todesfall" ...

Zugegeben, bei dem Cozy-Krimi "Vier Schafe und ein Todesfall" von Thomas Chatwin triggerte mich zunächst einmal der Titel, der an einen Mix der romantischen Komödie "Vier Hochzeiten und und ein Todesfall" und den Schaf-Krimi "Glennkill" erinnerte. Fand ich seinerzeit beides ausgesprochen nett. Hinzu kam die Buchbeschreibung für "Leser:innen von Richard Osman". Dessen Hobby-Ermittler aus einer britischen Seniorenkonferenz sind mir mit ihren unorthodoxen Methoden und trockenem Humor ziemlich ans Lese-Herz gewachsen.

Doch ach, im Vergleich blieb ein blökendes "bah" zurück. Denn zwar wimmelt es auch hier von kauzigen Charakteren vor allem in den Nebenfiguren, aber insgesamt fehlt es mir in diesem in Cornwall angesiedelten Cozy Krimi um die Doyle-Sippe auf der Suche nach dem Beweis der Unschuld einer unter Mordverdacht geratenen Cousine einfach von vorne bis hinten an Glaubwürdigkeit. Wenn es sich nur um augenzwinkernde Übertreibung handeln würde - geschenkt! Aber so wie die Figuren handeln und sprechen, sehe ich nichts, was aus einer rosagezeichneten Welt a la Pilcher-Cornwall herausspringen würde. Vielleicht ist es ja auch kein Wunder, wird der Autor doch als langjähriger Freund von Rosamunde Pilcher vorgestellt.

Doch worum geht´s? Kate Doyle, die einen True Crime Podcast produziert, ist der Liebe wegen ins heimische Cornwall zurückgekehrt. Ihr Liebster ist ein ehemaliger Forensiker, der seinem Beruf nichts mehr abgewinnen konnte und die Schaffarm seines Bruders übernommen hat. Auf dem 80. Geburtstag von Kates Großmutter Emily erreicht sie der Anruf, dass vier Schafe ausgerissen seien und überall Blut sei. Ein Wolfsriss? Kate eilt zur Rettung der Schafe und findet sie in den Blumenbeeten einer nahen Strandvilla, zusammen mit der Leiche des Eigentümers.

Kates Vater Gilbert, Kunsthistoriker mit MI5-Vergangenheit, sichtet später bei der Polizei Bilder einer Überwachungskamera - er hat bei der Restaurierung der Villa geholfen - und erkennt Cousine Chloe, die die Familie vor Jahren verlassen hat. Für die Polizei eine klare Tatverdächtige. Die Doyles dagegen sind sicher: Ihre Verwandte ist unschuldig und in Gefahr. Die Familie muss ihre Unschuld beweisen und macht sich in gemeinsamen Videokonferenzen ans Ermitteln.

Das könnte nett und unterhaltsam sein, wenn wenigstens ein kleiner Anstrich möglicher Realität gewahrt bliebe. Doch dem ist nicht der Fall. Kate ist gekränkt, dass die ermittelnde Detektivin ihr keinen Einblick in ihre Informationen gewähren will - schließlich produziert sie einen true crime podcast! Auch David, der doch eigentlich nichts mehr von der Forensik wissen will, trägt ungefragt seine Expertise bei, als gäbe es keine polizeiliche KTU für die Spurensicherung. Noch arger ist es mit Gilbert, der an Details zu den Ermittlungen rankommt und diese ausführlich im Familienrat teilt, was Kate wiederum Stoff für eine neue Podcast-Folge liefert. Mit Täterwissen, das die Polizei bei laufenden Ermittlungen stets sorgfältig unter dem Deckel hält (mal abgesehen davon, dass zu diesem Zeitpunkt Informationen über Ermittlungen von der Staatsanwaltschaft als Herrin der Verfahrens kommen).

Und auch die kitschig-rosagetünchte Liebesbeziehung zwischen Kate und ihrem Forensiker wirkt ebenso lebensfern mit den ewigen Liebesschwüren nach jahrelanger Beziehung wie der landwirtschaftliche Betrieb, der angeblich von 52 Schafen leben kann, von denen nie eines geschlachtet wird und die mehr als Hätscheltiere mit individuellen Charakter regelrecht vermenschlicht werden. Hat der Autor denn noch nicht mal bei der vorbereitenden Recherche bemerkt, dass Schafhalter schon seit langem darüber klagen, dass Schafswolle mehr Kosten als Einnahmen verursacht?

Das Buch hat mich enttäuscht zurückgelassen. Nette Idee, schöne Landschaft, aber die Umsetzung konnte mich leider nicht begeistern. Ich hatte mir sehr viel mehr versprochen und mich über dieses Buch mehr geärgert als amüsiert.

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Veröffentlicht am 02.03.2023

Reißerischer Krimi mit Glaubwürdigkeitsmanko

Der Riffgeist
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Man kann es als Krimi- und Thrillerautor auch übertreiben. Dann nämlich, wenn aus einem durchaus interessanten Plot ein so reißerischer Roman gemacht wird, dass es auf Kosten jeglicher Glaubwürdigkeit ...

Man kann es als Krimi- und Thrillerautor auch übertreiben. Dann nämlich, wenn aus einem durchaus interessanten Plot ein so reißerischer Roman gemacht wird, dass es auf Kosten jeglicher Glaubwürdigkeit geht. So geschehen bei "Der Riffgeist" von R.P. Hahn, der mich leider so gar nicht überzeugen konnte.

Dabei griff ich mit großen Erwartungen zum Buch, auch wenn ich die Rügen-Reihe des Autors bisher nicht kannte. Doch Hahn ist vor allem Drehbuchautor - das garantiert in der Regel verdichtete, visuelle Darstellung und Texte mit starken Dialogen. Dass der Autor obendrein für das Drehbuch von "Das Wunder von Bern" verantwortlich gezeichnet hatte, schien ebenfalls eine Empfehlung.

Leider wurde ich enttäuscht. Viel Drama wurde hineingelegt in eine Geschichte von strauchelnden Polizisten, Menschenhandel und einem syrischen Flüchtlingsmädchen, um Selbstjustiz und den Mord an einer schönen jungen Frau. Doch es war zuviel des Guten, irgendwie over the top, zu viel Blut und Tränen, menschliche Abgründe und emotionales Dilemma. Bloß weil eine Buchfigur leidet, gewinnt sie noch lange nicht an Tiefe, wird sie nicht überzeugend und lädt zur Identifikation ein.

So geraten nahezu alle Figuren dieses Buches eher plakativ, vieles wirkt konstruiert und passt nicht zusammen. Mit dem namengebenden "Riffgeist" wird zudem noch eine Figur aus der Vergangenheit eines suspendierten Ermittlers und obendrein eine alte Liebesgeschichte hinzugeholt - das ist dann schlichtweg Überfrachtung einer Handlung, der ein paar Straffungen durchaus gut getan hätten.

Das Thema modernen Menschenhandels hätte es ebenfalls verdient, weniger reißerisch bearbeitet zu werden. Ich fürchte, ich kann dieses Buch nur Fans von Action-Filmen empfehlen, die zur Abwechslung mal ein Buch in die Hand nehmen wollen. Schade.

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