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Veröffentlicht am 07.01.2020

Interessante Idee, Schwächen bei der Umsetzung

Miroloi
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Eigentlich passt "Miroloi", der Debütroman von Karen Köhler, gut in die Zeit der #MeToo-Debatten und -Bücher. Schließlich geht es ja auch der Ich-Erzählerin um Freiheit, um Emanzipation, um das sich Herauslösen ...

Eigentlich passt "Miroloi", der Debütroman von Karen Köhler, gut in die Zeit der #MeToo-Debatten und -Bücher. Schließlich geht es ja auch der Ich-Erzählerin um Freiheit, um Emanzipation, um das sich Herauslösen aus traditionellem Rollenverständnis. Ein bißchen märchenhaft mutet das Buch an, geschrieben in Strophen, nicht in Kapiteln, ganz so wie einst die Lieder der Ilias. Und an Griechenland erinnert auch die Beschreibung der Insel, auf der die Erzählerin lebt, mit ihren Häusern in Weiß und Blau, mit den Olivenbäumen, den Hirten, den Frauen in Schwarz.

Doch zugleich ist es eine ganz und gar archaische Welt. Gäbe es nicht Flugzeuge, die ihre Kondensstreifen am Himmel hinterlassen, die Schiffe des Händlers, die moderne Errungenschauften auf die Insel brachten, die Debatten mit dem Regierungsbeamten über einen Stromanschluss - das Geschehen im Dorf auf der Insel könnte auch in einer Jahrhunderte zurück liegenden Zeit spielen.

Die Erzählerin, als Findelkind vom Bethaus-Vater großgezogen, ist eine Außenseiterin in dieser Dorfgemeinschaft, in der jeder seinen Platz, seinen Stammesnamen, seinen Anker hat. Sie hat noch nicht einmal einen Namen. Aber sie stellt Fragen - erst sich, dann auch dem Bethausvater, ihrer mütterlichen Freundin, Fragen nach ihrer Herkunft, aber auch nach dem Sinn der strengen Regeln, der Trennung der Welt der Männer und der Frauen. Frauen dürfen nicht lesen und schreiben lernen - Männer dürften nicht singen oder kochen. Niemand darf die Insel verlassen, es gibt drakonische Strafen gegen Regelverstöße, selbst die Zahl der Kinder, die ein Paar haben darf, ist in dieser patriarchalisch-archaischen Gesellschaft reglementiert.

Das erinnert an "Den Report der Magd" oder "Die Zeuginnen", erinnert an "Vox", und auch die Erzählerin wagt das Aufbegehren, lernt lesen, findet eine verbotene Liebe. Doch der Weg zur eigenen Stärke gerät irgendwie allzu gefällig. Das Emanzipationslied ist schnell und leicht lesbar, lässt aber Tiefe und wirkliche Einsichten in die Frau vermissen, die sich selbst Alina nennt. Gegen alle Wahrscheinlichkeit hat sie schon immer reflektiert, durchlebt deshalb auch in ihren Strophen keine echte charakterliche Entwicklung, sondern erlernt nur neue Fähigkeiten. Die Gesellschaft um sie herum, die übrigen Dorfbewohner, bleiben merkwürdig vage und auch die Sprache wirkt mitunter schablonenhaft. Eigentlich schade, denn ich hätte mir eine überzeugendere Erzählung von Freiheitsstreben und Empowerment gewünscht.

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  • Erzählstil
  • Handlung
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Veröffentlicht am 08.10.2019

Von der Drina zur Aral-Tankstelle

HERKUNFT
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Man kann über eine Flüchtlingsbiografie voller Dramatik schreiben, über das Ankomen in der Fremde voller Schmerz oder voller Wut. Sasa Stanisic hat für seinen autobiografischen Familienroman "Herkunft" ...

Man kann über eine Flüchtlingsbiografie voller Dramatik schreiben, über das Ankomen in der Fremde voller Schmerz oder voller Wut. Sasa Stanisic hat für seinen autobiografischen Familienroman "Herkunft" einen leicht ironischen Untertun und viel Wärme gefunden, mitunter leichte Distanz und Reflektion. "Herkunft", das ist die eigene Geschichte, aber auch die Geschichte eines Landes, das es nicht mehr gibt und eines Landes, das sich verändert. Eine Geschichte voll liebevoller Erinnerungen und der Liebe zu einer Großmutter, die aufgrund fortschreitender Demenz ihre Erinnernung verzerrt und vergisst. Eine Geschichte des Friedhofs in dem fast schon mytholigisch-verwunschenen Bergdorf, wo fast alle Grabsteine den eigenen Familiennamen tragen, und Heidelberg als Ort detuscher Romantik, den sich der Erzähler ebenso wie die neue Sprache und die Literatur zu eigen macht.

Im Rahmen der

vonHier- und

MeTwo-Debatten, gibt es manchen Text, der eher anklägerisch ist, Abgrenzung heraufbeschwört, bisweilen larmoyant ist. Nichts von alldem ist in "Herkunft" zu finden. Doch die Geschichte vom Ankommen in der Fremde, von der buchstäblichen Verheimatung, von der Gemeinschaft derjenigen, die sich als irgendwie anders und doch dazugehörig defininieren hat Stanisic ein Buch geschrieben, in dem wohl sowohl "Bio-Deutsche" als auch "neue Deutsche" vieles wieder erkennen dürften.

Sasa Stanisic wurde in Visegrad geboren - heute Bosnien, damals Jugoslawien, das Land, an das vor allem sein Großvater Pero, ein glühender Kommunist, voller Überzeugung glaubte. Ein Teil der Familie serbisch, der andere bosnisch-muslimisch - im Vielvölkerstaat Jugolawien zumindest offiziell kein Thema. In dem Moment, in dem nationale Bewegungen das Trennende heraufbeschwören, sind solche Familien die ersten, die die Konsrquenzen spüren. So war es auch für die Familie Stanisic. Ihre Flucht endete in Deutschland, Großmutter Kristina blieb in Visegrad zurück.

Die Erinnerungen Sasas springen von der Gegenwart zwischen kleinem Sohn und der Sorge um die demente Großmutter und der Vergangenheit hin und her - die Kindheit am Ufer der Drina, die Jugend in Heidelberg, wo das Ankommen auch das Aneignen der Sprache war, als der junge Sasa , ermuntert von seinem Deutschlehrer begann, seine Gedichte auf Deutsch und nicht länger auf Serbokroatisch zu schreiben. Das Leben zwischen zwei Welten, mit Freunden aus deutschen Akademikerfamilien und den Jungs, die sich an der Aral-Tankstelle im Migrantenviertel fanden - Jugos und Türken, polnischsprachige Schlesier. Die hässlichem Seiten des neuen Landes, Fremdenhass und Vorurteile, zeigen sich in vergleichsweise harmloser Ausprägung. Der Junge aus Bosnien fasst schnell Fuß, Integration durch Sprache funktioniert.

Für die Eltern ist es schwieriger - keine Zeit zum Spracherwerb, keine Arbeit gemäß ihrer Qualifikation, am Ende die Abschiebung - sie finden ein neues Leben in Amerika, ihr Sohn erhält dank seines Studiums die Duldung. Für den Lebenslauf für die Ausländerbehörde setzt er sich mit seiner Vergangenheit auseinander...

Jeder, der neu in ein Land kommt, schleppt sein individuelles Gepäck mit sich, finder es einfacher oder schwieriger, mit der neuen Sprache, Mentalität oder Kultur zu leben. Viel hängt von den Menschen ab, die man dabei findet. Mit "Herkunft" hat Sasa Stanisic ein kluges Buch geschrieben, in dem sich sowohl diejenigen, die sich neu in ein anderes Land integrieren mussten und diejenigen, die schon länger da sind, gleichermaßen wiederfinden dürften.

Veröffentlicht am 20.09.2019

Anwalt auf achtsamen Abwegen

Achtsam morden
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Achtsamkeit kann den Alltag entschleunigen und sollte eigentlich dazu beitragen, die innere Balance wieder herzustellen, Stresssituationen zu vermeiden, eine Bewältigungsstrategie zur Überwindung innerer ...

Achtsamkeit kann den Alltag entschleunigen und sollte eigentlich dazu beitragen, die innere Balance wieder herzustellen, Stresssituationen zu vermeiden, eine Bewältigungsstrategie zur Überwindung innerer und äußerer Belastungen schaffen. Und wenn diese Belastungen aus einer schweren Ehekrise, einem mordlustigen Mafioso und lebensbedrohlichen Situationen bestehen? Dann hilft nur achtsames Morden!

Der Anwalt Björn mag in allen Fragen des Strafrechts, der Steuertricks und diverser Abschreibungsmodelle bewandert sein, Maßanzüge tragen und in einer prestigeträchtiigen Kanzlei ein hohes Gehalt kassieren. Glücklich ist er nicht: Seine Ehe steckt in einer schweren Krise, seine geliebte kleine Tochter sieht er durch die stressige sechseinhalb Tage-Arbeitswoche kaum im Wachzustand, und da er den "Bäh-Klienten", Gangsterboss Dragan, vertritt, ist er immer noch nicht in den Kreis der Partner berufen worden. Eher skeptisch und um seine Ehe doch noch zu retten, besucht er einen Achtsamkeitskurs und lernt dabei nicht nur Atemübungen, Zeitinseln und das Ende des Multitaskings kennen. Mit der neu erlernten Achtsamkeit schafft es der Held von Karsten Dusses "Achtsam morden" auch, eine ganz neue Richtung in sein bisheriges Leben zu bringen.

Viel schräger Humor und groteske Situationen prägen diesen ausgesprochen uterhaltsamen Krimi, in dem durchaus auch ein paar bedenkenswerte Achtsamkeitstipps enthalten sind. In der Hörbuch-Version setzt Sprecher Matthias Matschke die schrägen Typen, ob jetzt schwere Jungs, selbstverliebte Start-Up-Hipster oder dünkelhafte Juristen, wunderbar in Szene. Das Kopf-Kino stellt sich dank der witzigen Dialoge und Beschreibungen ganz von selbst ein.

Wenn Bäh-Klient Dragan Björn ausgerechnet am lang geplanten Vater-Tochter Wochenende den juristischen Super-GAU präsentiert und untertauchen muss, wenn sich Anschläge auf das Leben des Anwalts häufen und obendrein immer noch kein Kindergartenplatz für Töchterchen Emily in Sicht ist, ist Björn in aller Achtsamkeit zu Bewältigungsstrategien gezwungen, die ein bißchen unorthodox sind. Auf dem Weg der Achtsamkeit können auch durchaus Handgranaten, gebrochene Nasen und abgeschnittene Finger liegen - vorausgesetzt, es sind nicht die eigenen.

Nachdem der Autor die Probleme, mit denen der Anwalt zu kämpfen hat, bereits nach etwa zwei Dritteln auf die Spitze getrieben hat, ist es im letzten Teil des Buches deutlich mühsamer für ihn, den Humpr- und Spannungsbogen zu halten. Das ist aber nur ein kleiner Dämpfer dieses achtsamen Angriffs auf die Lachmuskeln der Leser. Wer schrägen, durchaus auch überspitzten Humor mag, wird an diesem Buch bzw Hörbuch viel Freude haben.

Veröffentlicht am 12.09.2019

Poesie des Marschlands und ein starkes Mädchen

Der Gesang der Flusskrebse
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Delia Owens hat einen großen Wurf gestartet mit ihrem Buch "der Gesang der Flusskrebse". Ihr Buch ist sowohl eine Coming of Age-Story, Außenseiterstudie, Justizdrama und poetische Landschafts- und Naturbeschreibungen. ...

Delia Owens hat einen großen Wurf gestartet mit ihrem Buch "der Gesang der Flusskrebse". Ihr Buch ist sowohl eine Coming of Age-Story, Außenseiterstudie, Justizdrama und poetische Landschafts- und Naturbeschreibungen. Das ist viel. Das könnte ziemlich leicht ziemlich daneben gehen oder sentimental-kitschig geraten. Zum ausgesprochenen Gewinn für die Leser tut es das aber nicht. Statt dessen lässt das Buch nicht nur am Lebensweg einer faszinierenden Frauenfigur teilhaben, die sich in widrigsten Verhältnissen behauptet, bietet spannende Unterhaltung und zugleich faszinierende Einblicke in die Natur des Marschlandes von North Carolina.

Möglicherweise gibt es davon noch mehr, als ich mitbekommen hatte denn ich habe den "Gesang der Flusskrebse" in der Hörbuch-Version kennengelernt, wobei die Sprecherin Luise Helm mit ihrer Interpretation des Textes es eindrucksvoll geschafft hat, ein Kopfkino loszutreten und dem Buch buchstäblich eine faszinierende Stimme zu geben.

Sechs Jahre alt ist Kya Clark, als der Leser/Hörer sie kennenlernt - und die Umstände ihres Lebens könnten kaum schwieriger sein. Sie ist das jüngste Kinde einer Familie in einer Hütte im Marschland von Norrth-Carolina, die marginalisiert als "Leute aus dem Sumpf" gelten, gesellschaftliche Außenseiter des nahegelegenen Städtchens. Die Mutter, eine künstlerisch begabte Südstaatenschönheit, stammt wohl aus einer "guten" Familie. Doch sie endete in einer Hütte in der Wildnis, an der Seite eines prügelnden Säufers, flieht schließlich vor der häuslichen Gewalt. Die älteren Geschwister Kyas suchen ebenfalls so schnell wie möglich ihr Heil weit weg von dem prügelnden Vater. Kya bleibt alleine mit dem Mann zurück, der sie meist ihrem Schicksal überlässt.

Ein wenig erinnert das barfüßige Mädchen in der Latzhose an Scout aus Harper Lees "Wer die Nachtigall stört" - aufgeweckt, mit einem offenen Blick, voller Fragn. Doch wo Scout den Rückhalt ihres Vaters und ihres Bruders weiß, ist Kya buchstäblich verlassen und allein. Die Schule besucht sie nur einen Tag lang - verlacht und verhöhnt will sie mit den Menschen der Stadt möglichst wenig zu tun haben. Als irgendwann auch der Vater verschwunden ist, erweist sich Kya als wahre Überlebenskünstlerin. Mit de Verkauf von Muscheln und geräucherten Fischen finanziert sie das wenige, was sie zum Leben braucht, führt erfolgreich ein Leben unter den Radar der Behörden, die sich für das verwildernde, vernachlässigte Kind interessieren könnten.

Doch der Preis ist Einsamkeit, Kyas Freunde sind Möwen und Reiher, fasziniert von der Natur um sie herum wird sie zu einer exzellenten Beobachterin. Ihre einzigen Freunde sind das schwarze Ehepaar Jumpin und Mabel, am ehesten Elternersatz, aber in der Südstaatengesellschaft der 50-er Jahre angesichts der Rassentrennung nicht in der Lage, sich so um das Mädchen zu kümmern, wie sie es gerne würden. Und dann ist da noch Tate, der Sohn eines Krabbenfischers, der mit Kya die Liebe zur Natur teilt und die erste Liebe des menschenscheuen Mädchens wird.

Während Kya aufwächst, erinnert sie mich an die von Jodie Foster dargestellte Filmfigur "Nell" - ein Mädchen in völliger Isolation. Doch Kya ist sich ihrer Einsamkeit bewusst, leidet darunter., ebenso wie unter ihrer Ablehnung als "Marschmädchen" Als Tate zum Studium die Stadt verlässt und sich nicht wieder bei ihr meldet, muss die junge Frau die nächste Enttäuschung verkraften. Kurz glaubt sie an eine Zukunft mit Chase, dem örtlichen Footballstar. Doch der sieht das "Marschmädchen" als sein exotisches Vergrnügen - geheiratet wird standesgemäß. Als Chase Leiche gefunden wird, haben die Ermittler Kya im Blick. Im Fall einer Verurteilung droht ihr die Todesstrafe. Ist das "Marschmädchen" eine Killerin?

Delia Owens schafft es, den Spannungsbogen immer wieder neu anzulegen, den Leser/Hörer zu Mutmaßungen zu bewegen. Doch so unterhaltsam- spannend das auch ist - die wahre Stärke dieses Romans sind die Beschreibungen der Landschaft, die Stimmung zwischen Morgendämmerung und Nacht, das Leben und der Überlebenskampf der Natur, die zur wahren Lehrerin der jugen Kya wird, ihr Auge schärft und sie zu einer "natürlichen" Naturforscherin macht. Stellenweise wird Kya dabei zur Superfrau stilisiert, was dann doch ein bißchen zu viel des Guten ist. Doch das ändert nichts an dem positiven Gesamtweindruck dieses Buchs, dem man viele Leser (oder eben Hörer in der wirklich hörenswerten Audioversion mit einer perfekt zu dem Text passenden Stimme der Sprecherin) wünscht. Eigentlich nur eine Frage der Zeit, bis die Verfilmung dieses ausgesprochen leinwandtauglichen Romans anstehen dürfte.

Veröffentlicht am 10.09.2019

Kommissarin im Alleingang

Brennende Narben
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Ein unkonventionelle, eher untypische Ermittlerin ist die Frankfurter Kripo-Beamtin Mara Bilinsky - stets ganz in Schwarz gekleidet, was ihr den Beinamen "die Krähe" verschafft hat, mit Tätowierungen aus ...

Ein unkonventionelle, eher untypische Ermittlerin ist die Frankfurter Kripo-Beamtin Mara Bilinsky - stets ganz in Schwarz gekleidet, was ihr den Beinamen "die Krähe" verschafft hat, mit Tätowierungen aus den rebellischen Jugendzeiten (mal ehrlich, was ist bei jemandem Anfang 30 noch rebellisch mit Tätowierungen? die waren doch zu den entsprechenden Jugendzeiten schon längst Mainstream), tough auftretend, aber auch unter einem Kindheitstrauma leidend: Mit 13 Jahren fand Mara zu Hause ihre ermordete Mutter.

In "Brennende Narben", dem dritten Band der Bilinsky-Reihe von Leo Born, geht es darum nicht nur um einen drohenden Bandenkrieg im Frankfurter Rotlichtmilieu zwischen einer albanischen Gangsterbande und dem "Wolf" vor dem Mara von eine anonymen Anrufer gewarnt wird. Es geht auch um die höchst privaten undienstlichen Ermittlungen der Komissarin, die wissen will, wer schuld am Tod ihrer Mutter ist. Von dieser Frage ist sie regelrecht besessen. Das heißt; Eigentlich verdächtigt sie ihren Vater. Von dessen Schuld ist sie eigentlich ziemlich überzeugt. Beweise wären allerdings nicht schlecht - der damals ermittelnde Staatsanwalt allerding tut sein Bestes, Maras Ermittlungen zu blockieren. Zudem gibt es noch einen brutalen Killer, der in Frankfurt eine Blutspur hinterlässt, angefangen mit einer grausam ermordeten Edelprostituierten, deren letzter Kunde ausgerechnet Maras Vater war...

Gelitten, geblutet und gestorben wird reichlich in "brennende Narben" und wer mit plakativer und eher reißerischer Spannung glücklich wird, dürfte mit dem Krimi gut bedient werden. Der Plot mit Organisierter Kriminalität, Zwangsprostitution, Menschenhandel und Bandenkrieg im Frankfurter Bahnhofsviertel ist auf jeden Fall spannend - und hätte die Obsession mit Maras Familiengeschichte eigentlich nicht gebraucht. Mich störten allerdings beim Lesen die holzschnittartigen Dialoge und Beschreibungen. Was werden hier Lippen zusammengepresst, Augen zu Schlitzen verzogen, höhnisch gegrinst...

Hinzu kommt die Realitätsferne. Klar, es handelt sich um einen Roman und nicht um eine Dokumentation, aber halbwegs glaubwürdig sollte die Geschichte schon sein. Eine Polizistin, die so häufig - und auch außer Dienst - mit der Waffe rumfuchtelt und Leute bedroht, wäre im wirklichen Leben schon längst aus dem Polizeidienst geflogen. Und Ermittlungen in eigener Familiensache? Not really!

Die fröhliche Unbekümmertheit, mit der Beamte ohne Rückendecken zu Alleingängen aufbrechen, in einem ausgesprochen hierarchisch und bürokratisch organisierten Apparat ihr eigenes Ding durchziehen können und dabei höchstens mal einen mahnend erhobenen Zeigefinger riskieren - vielleicht hätte der Autor besser getan, die Handlung in den USA anzusiedeln statt in Frankfurt. Dort greifen Polizisten schließlich deutlich häufiger zur Waffe und wenn (so das Polizeideutsch) eine Schussabgabe erfolgt ist, dürfte die anschließende Untersuchung des Vorfalls auch nicht so lange dauern wier hierzulande.

Ich mag starke, unkonventionelle, unangepasste Frauenfiguren. Ich bin zum Beispiel ein ausgesprochener Fan der Chastity Riley-Reihe, mag den bluesigen Unterton der Bücher, Doch so sehr ich mich bemüht habe - mit Mara Bilinsky konnte ich einfach nicht warm werden. Unter all dem "ich bin ja so rebellisch!"-Schwarz steckt irgendwie auch ziemlich viel Selbstgerechtigkeit und Unfähigkeit, auch mal das eigene Urteil in Frage zu stellen. Ich denke, mein erster Bilinsky-Krimi war auch mein letzter. Trotzdem danke, dass ich an der Leserunde teilnehmen durfte!

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