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Veröffentlicht am 02.11.2019

Schnitzeljagd durch London

Auf den ersten Blick
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Manchmal sind es kurze Momente, die ein Leben verändern. Ein Blick, ein Wort - und schon ist alles anders.

So ergeht es auch Jason, dem Protagonisten des Buches, der mit beiden Beinen fest auf dem Boden ...

Manchmal sind es kurze Momente, die ein Leben verändern. Ein Blick, ein Wort - und schon ist alles anders.

So ergeht es auch Jason, dem Protagonisten des Buches, der mit beiden Beinen fest auf dem Boden steht. Der eigentlich Besseres zu tun hätte, als seinem durchgeknallten Kumpel im Game-Shop auszuhelfen. Der nicht viel von seinem Leben erwartet. Doch manchmal kommt es eben anders, als man denkt.

Jason lernt man als Leser sehr gut kennen. Denn es vergeht einige Zeit, bis die Handlung so, wie sie im Klappentext beschrieben ist, in Gang kommt. Bis es so weit ist, erfährt der Leser, dass Jason immer noch an seiner Ex-Freundin hängt. Dass er sich mit Kritiken über Restaurants oder Filmpremieren über Wasser hält, aber eigentlich ziemlich unzufrieden ist mit seiner beruflichen Situation. Es könnte insgesamt irgendwie alles besser sein.

Jason ist ein sehr leidenschaftlicher Mensch, der sich schnell für Dinge begeistern, sich aber auch schnell in sie hineinsteigern kann. Und Jason hört sich gerne reden. Er wirft mit Sprüchen um sich, gibt kluge Kommentare ab. Er versucht, witzig zu sein, aber die Witze kommen nicht immer an. Manchmal kann Jason auch ziemlich nerven, wenn er mal wieder über das Leben und dessen Bedeutung philosophiert. Aber so ist er eben. Dass er seine Leser dabei direkt anspricht, bezieht diese noch mehr in das Buch bzw. das Leben von Jason ein.

Als die Schlüsselszene dann endlich passiert und Jason auf seine Traumfrau trifft, ist schon knapp ein Drittel des Buches vergangen. Und auch jetzt nimmt die Handlung nur unbedeutend an Fahrt auf. Es ist fast wie eine Schnitzeljagd, die nun folgt: Auf jedem Foto entdeckt Jason neue Hinweise, die ihn seiner Traumfrau näher bringen sollen. Ein Plakat an einer Litfasssäule, ein Auto, ein Cafe. Es sind die verschiedensten Dinge auf den Fotos zu sehen, doch Jason lässt einfach nicht locker und gibt nicht auf.

Die Schnitzeljagd - also die Suche nach der schönen Unbekannten - bildet den roten Faden des Buches, aber den verliert der Autor bzw. der Ich-Erzähler oft. Er schweift ab, lässt sich von Kleinigkeiten ablenken, und erzählt dann doch wieder von seiner Ex-Freundin oder seinem nervigen Kumpel. Teilweise sind die Szenen ganz witzig, aber Jason kommt zu oft einfach nicht auf den Punkt. Als Leser will man eigentlich nur wissen, wie es mit der schönen Unbekannten weitergeht, aber Jason hat noch so viele andere Sachen loszuwerden, dass er völlig vergisst, worum es eigentlich gerade geht. Jason lässt seine Gedanken völlig haltlos schweifen und philsophiert wild daher über das Leben, die Liebe, die Menschen. Er ist ein Denker, der seine Ideen und Gedanken mit anderen teilen möchte und muss. Und so kommt die Handlung immer wieder ins Stocken. Der rote Faden hat einige Knoten bekommen.

Die Stadt London, in der das Buch spielt, wird fast selbst schon Protagonist des Buches. Durch seine Bewohner, seine Sehenswürdigkeiten, selbst seine Verkehrsmittel, die allesamt anschaulich beschrieben werden, wird es lebendig und der Leser bewegt sich durch diese faszinierende, aber auch laute und große Stadt an der Seite von Jason und seinen Freunden. Immer auf der Suche nach der Frau, die Jasons Leben verändert hat. Auch wenn die Suche nach ihr stellenweise in Vergessenheit gerät.

Mein Fazit:

Dieses Buch ist wie eine Schnitzeljagd quer durch London - mit einem leidenschaftlichen und oft zu nachdenklichen Stadtführer.

Veröffentlicht am 02.11.2019

Ein stellenweise etwas zu politischer Roman, der vor allem durch seine sympathische Protagonistin besticht.

Der Feuerstein
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Der Klappentext verrät es schon: Elisa ist keine gewöhnliche Helding. Sie ist dick. Und zudem auch noch die Zweitgeborene. Und dennoch wurde sie von Gott auserwählt, den Feuerstein zu tragen. Bei ihrer ...

Der Klappentext verrät es schon: Elisa ist keine gewöhnliche Helding. Sie ist dick. Und zudem auch noch die Zweitgeborene. Und dennoch wurde sie von Gott auserwählt, den Feuerstein zu tragen. Bei ihrer Taufe wurde ihr dieser durch einen wärmenden Lichtstrahl in den Bauchnabel gesetzt. Seitdem trägt sie ihn mit sich herum und weiß nicht so recht, ob es ein Segen oder ein Fluch ist. Denn jeder Träger des Feuersteins hat eine besondere Aufgabe zu erfüllen. So sagen es die Legenden. Doch was sie nicht verraten, ist, worin diese Aufgabe besteht. Sicher ist nur, dass die meisten Träger des Feuersteins bei der Erfüllung ihrer Aufgabe ums Leben kommen.

Elisa ist ein Charakter, den man einfach mögen muss. Sie ist nicht nur sehr natürlich und freundlich, sondern dazu auch noch unheimlich klug. Sie macht im Verlauf des Buches eine Entwicklung durch, die einfach nur toll und bewundernswert ist. Während sie auf den ersten Seiten noch sehr schüchtern und unsicher ist, muss sie innerhalb kürzester Zeit lernen, sich im Leben zurecht zu finden, Meinungen zu äußern, Entscheidungen zu treffen. Die längste Zeit stand sie im Schatten ihrer schönen und redegewandten Schwester. Nun muss sie selbst vor Leuten sprechen und Ansagen erteilen. Elisa wächst dem Leser schnell ans Herz und wird zu einer guten Freundin.

Die Handlung des Buches ist nicht nur fantastisch, sondern auch sehr politisch. Von Beginn an drehen sich Elisas Leben und ihr Schicksal um Krieg, politische Intrigen und Machtspielchen. Denn jeder möchte den Träger des Feuersteins an seiner Seite wissen, um den drohenden Krieg des Landes gegen die Invasoren zu gewinnen. Dabei ist Elisa von Menschen umgeben, von denen sich schlecht sagen lässt, ob sie Freund oder Feind sind. Und nicht jeder von ihnen spielt ein ehrliches Spiel. Stellenweise betont die Autorin politische Diskussionen oder Strategiebesprechungen zu sehr - hier lässt der Spannungsbogen ziemlich nach. Aber insgesamt ist die Handlung doch sehr ausgewogen. Es gibt viele spannende Szenen, die durch unvorhergesehene Entwicklungen entstehen. Aber es gibt zwischendurch auch immer wieder ruhigere Momente. Durch diesen Wechsel hat der Leser Zeit, sich an neue Situationen zu gewöhnen und wird nicht mit zu schnellen Entwicklungen überfordert. Gleichzeitig hat die Autorin dadurch die Möglichkeit, sich mehr Zeit für ihre Figuren und auch die Beschreibung der Handlungsumgebung zu nehmen.

Das Buch wird von einer Vielzahl an Charakteren bevölkert, die alle sehr anschaulich und bildhaft beschrieben sind. Manche von ihnen sind greifbarer als andere, abhängig davon, welche Rolle sie spielen. Aber insgesamt ist jeder Charakter doch mit seinen besonderen Eigenheiten versehen und gibt dem Buch dadurch das gewisse Etwas. Denn es lebt gerade von seinen Charakteren und der Entwicklung der zwischenmenschlichen Beziehungen.

Dadurch, dass das Buch in der Gegenwartsform und zusätzlich aus der Ich-Perspektive Elisas geschrieben ist, fühlt man sich als Leser direkt in die Handlung einbezogen. Dafür sorgt aber auch der sehr lebendige Schreibstil der Autorin, der vor dem geistigen Auge des Lesers einen Film ablaufen lässt.

Das Ende des Buches schließt den Roman in sich ab. Einige Fragen bleiben aber noch offen, sodass der zweite Teil dennoch mit Spannung zu erwarten bleibt.

Mein Fazit:

Ein stellenweise etwas zu politischer Roman, der vor allem durch seine sympathische Protagonistin besticht.

Veröffentlicht am 02.11.2019

Einzigartig!

Das Schneemädchen
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Jack und Mabel sind in die Einsamkeit Alaskas aufgebrochen, um ihr altes Leben hinter sich zu lassen. Ein Leben, das begleitet war von Trauer über den Verlust eines neugeborenen Kindes und bestimmt von ...

Jack und Mabel sind in die Einsamkeit Alaskas aufgebrochen, um ihr altes Leben hinter sich zu lassen. Ein Leben, das begleitet war von Trauer über den Verlust eines neugeborenen Kindes und bestimmt von den Blicken der Nachbarn, der Freunde, der Familie, aus denen sich vor allem Mitleid lesen ließ. In der Ferne und Stille des fremden Landes hoffen Jack und Mabel auf einen Neubeginn und auf das Vergessen.

Doch das Leben in diesem rauen Land ist nicht einfach und schnell von Eintönigkeit bestimmt. Jack kümmert sich um das Holzhacken und das Jagen, Mabel sorgt für ein warmes Heim und Essen auf dem Tisch. Schnell legt sich der Alltag über das einst so glückliche Paar, das immer noch voller Liebe zueinander ist, aber verlernt hat, diese zum Ausdruck zu bringen.

Schon seit Tagen liegt Schnee in der Luft, der von den Bewohnern Alaskas sehnsüchtig erwartet wird. Und tatsächlich: Eines Abends rieseln leise die ersten Flocken. Schnell wächst ein Schauer heran, der Flocke um Flocke auf die Erde segeln lässt. Und bald ist alles in weißes Pulver gehüllt. Entzückt beobachtet Mabel das bunte Flockentreiben, schlüpft in ihren Mantel und zieht ihre wärmsten Stiefel an. Sie verlässt das Haus und wartet in der Kälte auf ihren Mann. Als sie ihn erblickt, formt sie mit ihren Händen einen Schneeball und wirft diesen vorwitzig nach Jack. Fast schämt sie sich und würde den Wurf am liebsten ungeschehen machen. Auch Jack ist im ersten Moment wie erstarrt. So etwas hätte er von seiner ruhigen und genügsamen Mabel nicht erwartet. Doch die Überraschung ist schnell überwunden und Jack und Mabel starten eine Schneeballschlacht. Und diese wirkt Wunder: Endlich haben die beiden wieder Spaß zusammen, lachen gemeinsam, verbringen Zeit miteinander. Und aus einer Laune heraus bauen sie eine Schneefigur. Ein Mädchen, mit einem Schal um den Hals und einem freundlichen Gesicht.

Am nächsten Morgen hat sich der Sturm beruhigt. Und die Schneefigur ist verschwunden. Zurück geblieben ist nur ein kleines Häuflein Schnee. Doch zwischen den Bäumen erkennt Jack ein kleines Mädchen. Es hat den Schal umgebunden, den vorher das Schneemädchen trug. Immer wieder taucht es auf, meist in Begleitung eines Fuchses. Wer ist das Mädchen? Wo kommt es so plötzlich her? Wo sind seine Eltern?

Das Leben von Jack und Mabel gerät völlig aus dem Tritt, denn von nun an dreht es sich nur noch um das kleine Mädchen. Und Mabel erinnert sich an ein Märchenbuch, das sie in ihrer Kindheit geliebt hat. Darin ging es um ein Mädchen, das ganz aus Schnee besteht. Aber das ist schließlich nur eine Geschichte. Oder nicht? Das Schneemädchen verbringt den Winter bei Jack und Mabel, doch sobald es wärmer wird und der Schnee zu schmelzen beginnt, verlässt sie das Ehepaar, um in die Berge zu ziehen. Dorthin, wo es kälter ist.

Das gemeinsame Leben von Jack, Mabel und später auch Faina - dem Schneemädchen - wird von Eowyn Ivey sehr anschaulich und lebendig erzählt. Als Leser fühlt man sich sofort in die Weite und Kälte Alaskas versetzt. Die Landschaft mit seinem reißenden Fluss und der Vielzahl an Tieren breitet sich vor dem geistigen Auge des Lesers aus. Die Autorin hat einen geschulten Blick für Details und lässt ihre Leser an der Atmosphäre der atemberaubenden Wildnis teilhaben. Sie fängt die Stimmung ihrer Charaktere und der Umgebung ein und gibt sie durch ihre detaillierten Beschreibungen an die Leser weiter. Besonders gut gelungen ist ihr dabei, die Stimmungswechsel zu beschreiben. Am Anfang liegt eine sehr deprimierte und melancholische Stimmung über dem Buch, die mit dem ersten Schneefall und vor allem dem Auftauchen von Faina lebendig und insbesondere fröhlich und hoffnungsvoll wird. Auch die Bewohner einer benachbarten Farm, mit denen sich Jack und Mabel im Verlauf des Buches anfreunden, bringen Leben und Schwung in die kleine Holzhütte.

Doch die ganze Zeit liegt etwas in der Luft. Etwas, was man nicht so richtig greifen kann. Etwas Märchenhaftes, etwas Zauberhaftes. Und ständig droht die Stimmung umzuschlagen. Es gibt einige Rückschläge zu verkraften und neuen Mut zu beweisen. "Das Schneemädchen" ist nicht nur ein sehr bewegter, sondern auch ein sehr bewegender Roman. Es trifft mitten ins Herz und überzeugt durch seine Lebendigkeit, seine liebevoll gezeichneten Charaktere und seine Detailfülle. Trotz seines Umfangs und der Eintönigkeit der Wildnis Alaskas ist das Buch stets abwechslungsreich und auf eine sehr subtile Art spannend. Es lässt den Leser nicht mehr los.

Das ganze Buch hindurch erfährt man nicht, ob das Schneemädchen nun real ist oder nicht. Zwar wird im Laufe des Buches klar, dass nicht nur Jack und Mabel das Schneemädchen sehen können, sondern auch die anderen Charaktere. Aber der Leser wird völlig im Unklaren darüber gelassen, ob Faina ein Mensch aus Fleisch und Blut ist, oder ob sie eben doch ein mystisches Wesen ist, das direkt dem russischen Märchen über das Schneemädchen entsprungen ist. Es gibt immer wieder Andeutungen, aus denen sich ableiten ließe, dass das Schneemädchen aus der Figur entstanden ist, die Jack und Mabel an dem Abend gebaut haben, als sie sich noch einmal so jung fühlten. Denn wieso fängt sie an zu schwitzen, sobald sie sich in der beheizten Hütte aufhält? Und wieso scheint es immer stärker zu schneien, sobald Faina in der Nähe ist? Aber dann gibt es wieder Szenen, in denen Faina so überaus menschlich erscheint. In denen sie so natürlich und lebhaft wie ein kleines Kind oder eine junge Frau auftritt. Durch das gesamte Buch zieht sich so eine ungewisse und traumhafte Stimmung, die den Leser völlig in ihren Bann nimmt.

Und am Ende? Am Ende wird es Schnee geben!

Mein Fazit:

"Das Schneemädchen" ist ein Roman von der ganz besonderen Sorte: stimmungsvoll, bezaubernd, einzigartig!

Veröffentlicht am 02.11.2019

Stellenweise etwas übertrieben

Spiel des Lebens
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Nach dem Prolog, mit dem man als Leser zu Beginn des Buches noch nicht besonders viel anfangen kann, fängt "Spiel des Lebens" in einem gemäßigtem Tempo an. Der Leser lernt Emily, die weibliche Hauptperson, ...

Nach dem Prolog, mit dem man als Leser zu Beginn des Buches noch nicht besonders viel anfangen kann, fängt "Spiel des Lebens" in einem gemäßigtem Tempo an. Der Leser lernt Emily, die weibliche Hauptperson, kennen, die gerade ihr Leben als Studentin am King's College von London beginnt. Der Leser erfährt, wie schwer es vor allem ihrer Mutter fällt, ihr Kind loszulassen. Und der Leser erkundet zusammen mit Emily das College und stürzt sich in das studentische Nachtleben.

Nach dieser gemächlichen Einführung nimmt das Buch aber schnell an Fahrt auf. Denn ein Unbekannter hat an Emilys Schließfach einen Luftballon geklebt, vor denen sie sich aus Gründen, die der Leser später erfährt, schrecklich fürchtet. Dazu hat der Unbekannte ein Foto sowie eine Nachricht hinterlassen. Der Text lautet: "Du hast mir mein Leben gestohlen. Und ich hole es mir zurück."

So beginnt für Emily das "Spiel des Lebens" indem sie immer wieder von einem Unbekannten kontaktiert wird, der ihr verschiedenste Aufgaben stellt. Gelingt es Emily, diese innerhalb einer bestimmten Zeit zu lösen, könnte alles gut ausgehen. Gelingt es ihr nicht, werden Menschen sterben.

"Spiel des Lebens" ist insgesamt authentisch und stimmig aufgebaut und konstruiert. Veit Etzold versteht es, die Spannung immer mehr zu steigern, sodass sich das Buch praktisch wie von selbst liest. Als Leser will man einfach wissen, wie das Buch weiter geht. Man muss einfach erfahren, was es mit dem Fremden auf sich hat, der Emily immer wieder vor schwierige und tödliche Aufgaben stellt. Man will wissen, wieso Emilys Eltern so komisch auf die Ereignisse reagieren. Als wüssten sie etwas. Und man will wissen, ob man den Leuten, denen Emily verzweifelt ihr Herz ausschüttet, auch wirklich vertrauen kann. Veit Etzold baut ein enormes Tempo auf und gestaltet die Handlung gleichzeitig abwechslungsreich und immer wieder überraschend.

Stellenweise wirkt die Handlung aber etwas übertrieben. Emily hat Aufgaben zu erledigen, von denen manche doch etwas zu konstruiert erscheinen. Stellenweise meint es der Autor da etwas zu gut. Dazu kommt, dass das Motiv des Täters zwar in sich stimmig ist, gleichzeitig aber auch etwas zu konstruiert wirkt. Man weiß zwar nie, wie manche Menschen ticken. Aber im Vergleich zu der Wirkung ist der Auslöser etwas zu harmlos und dadurch unglaubwürdig. Sehr interessant ist dagegen aber, dass sich immer wieder Kapitel finden, die aus der Sicht des Täters geschrieben sind. Dadurch erlangt der Leser Einblicke in dessen Gedanken- und Gefühlswelt, auch wenn er erst am Ende des Buches erfährt, wer der Täter ist.

Nicht unerwähnt bleiben sollte, dass das Buch stellenweise schon sehr brutal und blutig ist. Veit Etzold scheut sich auch bei solchen Szenen nicht davor, die Handlung anschaulich und bildhaft zu beschreiben. Zum größten Teil ist dieser plastische Schreibstil von Vorteil. In solchen Szenen wiederum eignet er sich schon fast dazu, den Magen des Lesers umdrehen zu lassen.

Mein Fazit:

Ein authenthisch und nachvollziehbar konstruierter Jugendthriller, der stellenweise etwas übertrieben erscheint, aber durch seine stetig anwachsende Spannung überzeugt.

Veröffentlicht am 02.11.2019

Ein sehr ernster und nüchterner Roman, der von der ersten Seite an spannend ist.

Schmetterlingsjagd
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Lope kann einfach nicht anders. Sie muss zählen. Die Stufen zu ihrem Zimmer, die Cornflakes in ihrer Müsli-Schale.

Lope kann einfach nicht anders. Sie muss tippen. Mit ihren linken Hand auf ihr rechtes ...

Lope kann einfach nicht anders. Sie muss zählen. Die Stufen zu ihrem Zimmer, die Cornflakes in ihrer Müsli-Schale.

Lope kann einfach nicht anders. Sie muss tippen. Mit ihren linken Hand auf ihr rechtes Bein. Mit ihrer rechten Hand auf ihr linkes Bein. Drei Mal. Weil drei eine gute Zahl ist. Tip, Tip, Tip.

Lope kann einfach nicht anders. Sie muss flüstern. Banane. Weil Banane ein gutes Wort ist.

Und genauso, wie sie zählen, tippen und flüstern muss, muss Lope Dinge einstecken. Kleine Figuren, nutzlosen Kram. Sie kann einfach nicht anders.

Durch ihren Drang, fremde Dinge einzustecken, den sie seit einiger Zeit auslebt - seit ihr Bruder gestorben ist - gerät Lope zum ersten Mal so richtig in Schwierigkeiten. Bislang ist alles gut gegangen. Nicht mal ihre Eltern merken, wie sich in ihrem Zimmer die kleinen Figuren in den Schränken stapeln. Aber Lopes Eltern merken sowieso nicht mehr viel. Doch als Lope diese kleine Schmetterlingsfigur auf dem Flohmarkt einsteckt, weil sie in diesem Moment wirklich nicht anders kann, gerät sie mitten hinein in ein Abenteuer um Drogen, Lügen, die ganz große Liebe und den Wert echter Freundschaft.

Lope ist wie besessen von dem Mordfall, dessen Zeugin sie zufällig geworden ist und über den sie anschließend in den Zeitungsmeldungen liest. Sie kannte das Opfer nicht, aber sie verspürt den inneren Drang, mehr herauszufinden. Über das Opfer. Über den Täter. Und sein Motiv.

So gelangt Lope nach Neverland. An einen Ort, an dem alles möglich ist. Hinter dem Vorhang warten Leute mit Mülleimerdeckeln, Töpfen und Pfannen bewaffnet auf ihren Einsatz, um die schönste Musik zu spielen, die je gehört wurde. Mülltonnen werden aufeinander gestapelt und mit Stühlen nach ihnen geworfen. Das ergibt dann das kreative Spiel "Mülltonnenbowling". Die Menschen sind ausgelassen, fröhlich, drehen sich zur Musik wild im Kreis. Doch hinter der nächsten Ecke sitzen die Süchtigen, die sich mit Glasscherben die Haut aufritzen, die auf den nächsten Schuss warten. Ja, Neverland ist ein Ort mit zwei Gesichtern.

Doch zum Glück hat Lope ja Flynt. Der sie an die Hand nimmt, sie sicher durch Neverland führt, an ihrer Seite bleibt. Doch Flynt schein etwas zu verbergen. Kannte er das Mordopfer? Weiß er Einzelheiten über die schreckliche Tat? Ist er ehrlich oder macht er Lope etwas vor? Und wie hängt der plötzliche Tod ihres Bruders mit alldem zusammen?

"Schmetterlingsjagd" ist ein Buch über das Erwachsenwerden, über Trauerbewältigung, über Freundschaft und Vertrauen. Es ist ein Jugendbuch mit ernstem Hintergrund und Inhalt und daher eher für ältere Jugendliche ab 16 Jahren geeignet. Auch der Schreibstil der Autorin ist recht anspruchsvoll. Kate Ellison spielt mit Wörtern und Metaphern. Sie schreibt zwischen den Zeilen und oft ist gerade das wichtig, was sie nicht ausspricht. Durch den realistischen Schreibstil wird der Leser völlig in Lopes Welt hineingezogen und bewegt sich mit ihr durch Neverland. Kate Ellison schreibt jedoch völlig nüchtern. Manchmal fehlt es dann doch sehr an Gefühlen.

Das Buch ist von der ersten Seite an spannend. Aber Lopes Zwangserkrankung steht die ganze Zeit genauso im Vordergrund wie die Aufklärung des Mordfalls und die Beantwortung der vielen offenen Fragen. Auf den ersten Blick mag die Handlung stellenweise etwas überzogen und unrealistisch wirken. Aber im Gesamtbild betrachtet ist sie doch stimmig und authentisch konstruiert.

Mein Fazit:

Ein sehr ernster und nüchterner Roman, der von der ersten Seite an spannend ist.