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Veröffentlicht am 09.09.2019

Vom Eis und von der Liebe

Die Eisbaronin
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Grischa ist noch ein Teenager, als er von zuhause fortläuft, um draußen in der Welt Abenteuer, Glück und ein besseres Leben zu suchen, als es ihm als Leibeigener im ländlichen Russland vergönnt wäre. Seine ...

Grischa ist noch ein Teenager, als er von zuhause fortläuft, um draußen in der Welt Abenteuer, Glück und ein besseres Leben zu suchen, als es ihm als Leibeigener im ländlichen Russland vergönnt wäre. Seine kleine Schwester Katya folgt ihm heimlich und schließlich landen die beiden mittellos und hungrig bei der norwegischen Witwe Silja , die die beiden bei sich aufnimmt. Grischa arbeitet fortan über die Sommermonate auf verschiedenen Schiffen, während die Schwester in dem kleinen Gasthof von Silja mithilft. Beide sparen eisern für die Zukunft und Stück für Stück entwickeln sie eine Geschäftsidee, die neuartig und wagemutig scheint und für die sie weitere Partner brauchen, um sie in die Tat umzusetzen. In Hamburg werden sie bei einem Brüderpaar fündig. Thilo und Christian, die einen Gemischtwarenladen führen, sind Feuer und Flamme für den ungewöhnlichen Plan hoch im Norden Eis auf ein Schiff zu laden und es dann in südlicheren Gefilden für gutes Geld zu verkaufen. Sie sind nicht die ersten aber noch ist Eis ein kostbares Gut und außerdem haben sie Katya an ihrer Seite, die über die fast magische Gabe verfügt, dass sie das Eis singen hören und seine Beschaffenheit erspüren kann. Denn unter den vielen verschiedenen Sorten Eis gibt es nur eine, die kompakt und gut genug ist, um einen monatelangen Transport ohne allzu große Verluste zu überstehen.

Der Eishandel ist die Rahmenhandlung, die auf wahren Gegebenheiten beruht und ebenso faszinierend wie einzigartig ist. Noch mehr geht es aber um die Menschen in dieser Geschichte. Um Grischa, den charismatischen Freigeist, der das Leben und die Menschen liebt und Frauen und Männer gleichermaßen in seinen Bann zieht. Um Katya, die vom schüchternen Mädchen schnell zu einer mutigen und schönen Frau heranwächst. Um Christian, der sich in das Mädchen verliebt und dessen Bruder Thilo, der es lange nicht wagt zuzugeben, dass er Männer begehrt und Grischa ihm gefällt wie kein anderer. Und um Henny, die in dieser Konstellation eine ganz eigene Rolle zugedacht ist.

Es geht also um einige junge Menschen, die ihr Leben in die eigene Hand nehmen und dabei merken, dass nicht alles immer einfach und reibungslos geht und dass man um den Erfolg ebenso wie um sein Glück kämpfen muss. Die mehr als einmal einen falschen Weg einschlagen aber auch an ihren Rückschlägen wachsen. Die sich nach der großen Liebe sehnen und in Freundschaft und Respekt verbunden sind. Da es sich um den ersten Teil handelt, ist das Finale des Buches voller Fragen und offener Enden.

Besonders schön fand ich die warmherzige Sprache von Nicole Vosseler, mit der sie die Gefühle ihrer Protagonisten beschreibt, die Liebe und die Sehnsucht, aber auch die Natur und die verschiedenen Aggregatszustände von Eis und Schnee, die ich selten zauberhafter und glitzernder erzählt bekommen habe. So dass mich, als eingefleischten Sommermensch, der Wunsch nach der Kälte des Winter gepackt hatte.

Ein wunderschöner Roman, nach dem ich ungeduldig auf die Fortsetzung warte, die für nächstes Jahr – passender Weise wieder im Sommer – angekündigt ist.

Veröffentlicht am 02.09.2019

sehr empfehlenswert

Ein neues Blau
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Schön, dass bei „Ein neues Blau“ erst mal der Titel und das Cover sehr gut zusammenpassen. Und im Laufe der Geschichte fügt sich der Titel auch in die Handlung des Buches ein. Also sehr stimmig. Einzig ...

Schön, dass bei „Ein neues Blau“ erst mal der Titel und das Cover sehr gut zusammenpassen. Und im Laufe der Geschichte fügt sich der Titel auch in die Handlung des Buches ein. Also sehr stimmig. Einzig der Klappentext ist etwas spärlich ausgefallen und hat mich anderes vermuten lassen. Aber ich war keineswegs enttäuscht. Ganz im Gegenteil hat dies für mich erste Buch von Tom Saller genau die richtige Mischung aus Tiefgang und Leichtigkeit, als Fakten und Fiktion. Und ebenfalls angenehm überrascht war ich, dass es mich nicht störte, dass zwei Zeitebenen erzählt werden. Da bin ich etwas eigen, denn meist überwiegt ja die eine Zeit und dann findet man die andere immer als unleidige Unterbrechung. Dem war hier gar nicht so. Die kurzen Abschnitte in der Jetztzeit waren sehr spannend und unterhaltsam und passten hervorragend zum Historischen Part.

Lili und ihr Leben haben mich mitgerissen und gefesselt. Der schöne Erzählstil tut sein Übriges. Ein sehr empfehlenswertes Buch. Bitte mehr von diesem Autor.

Veröffentlicht am 02.09.2019

überraschend intensiv

Jetzt noch nicht, aber irgendwann schon
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Martin Simons bekommt eines Tages vollkommen überraschend die Diagnose, dass er eine Hirnblutung hat und man nicht genau sagen kann, ob er die nächsten Tage und überhaupt überleben oder sehr bald daran ...

Martin Simons bekommt eines Tages vollkommen überraschend die Diagnose, dass er eine Hirnblutung hat und man nicht genau sagen kann, ob er die nächsten Tage und überhaupt überleben oder sehr bald daran sterben wird. Der junge Familienvater ist vor den Kopf gestoßen, verliert erst mal den Boden unter den Füßen und beginnt im Krankenhaus damit zu reflektieren, dass sein Leben sich sofort und jetzt ändern muss, denn was er bis jetzt, wie die meisten Menschen, verdrängt hat, ist, dass es endlich ist und er seine Zeit nicht weiter verschwenden darf mit Gedankenlosigkeit und Alltagskleinigkeiten. Dabei hinterfragt er zuallererst sich und seine Motive, seine Wünsche und Ziele aber auch die Beziehungen zu seinen liebsten und seine Arbeit.

Auch nach dem Krankenhaus setzt sich dieser Prozess einer inneren Wandlung fort. Dabei erzählt er mit Humor und großer Ehrlichkeit was ihm in einem Jahr wirklich widerfahren ist. Und ganz unspektakulär, still und leise aber unaufhaltsam beginnt man als Leser selber so Manches neu zu überdenken und zu hinterfragen. Und irgendwie schleicht sich das Buch in den eigenen Alltag und stellt das eigene Leben in Frage.

Ein Buch, welches kein Ratgeber sein will und trotzdem irgendwie zu einem wird. Das liegt sicher an dem Autor, der es zulässt, dass man ihm sehr sehr nahe kommt. Wie einem guten Freund. Ein intensiver Lesegenuss, der nachhaltig wirkt.

Veröffentlicht am 30.08.2019

enttäuschend

Cold Storage - Es tötet
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Cold storage ist ein Wissenschaftsthriller. Da muss ich natürlich Douglas Preston und Lincoln Child und auch Marc Elsberg als Referenz heranziehen und vergleich hemmungslos.
Die Idee von einem mutierten ...

Cold storage ist ein Wissenschaftsthriller. Da muss ich natürlich Douglas Preston und Lincoln Child und auch Marc Elsberg als Referenz heranziehen und vergleich hemmungslos.
Die Idee von einem mutierten Killerpilz ist gar nicht so abwegig. Von Pilzen weiß der Durchschnittsbürger viel zu wenig. Sind nämlich ziemlich faszinierend und in der Natur einzigartig. Das kommt auch in der Story durchaus rüber. Hier merkt man Recherche und auch die Vermittlung ist ganz okay, auch wenn die ganzen Fachbegriffe etwas abschreckend und lauttönend daherkommen.

Der Plot ist in gewohnter Manier. Mensch gegen Natur, Natur erst mal stärker, Mensch sucht nach Lösungen, Aufeinandertreffen, Showdown. Hier fehlte mir schon mal das Überraschungsmoment. Noch weniger konnten allerdings die Charaktere mich erobern. Keine Sympathieträger aber auch keine richtigen Bösewichte. Alles ein Mischmasch und keiner hatte Widererkennungswert.

Die Sprache erinnert teilweise eher an ein Drehbuch. Meine Emotionen blieben flach, weil mir die Emotionen der Darsteller nicht nahe kamen. Und Spannung sieht für mich auch etwas anders aus. Von mir leider keine Leseempfehlung. Schade um die Idee und meine Lesezeit.

Ach ja, das Cover war noch das Beste. Das gefällt mir richtig gut. Farblich sehr schön.

Veröffentlicht am 30.08.2019

berührend und wahrhaftig

Der Gesang der Flusskrebse
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North Carolina in den Sechziger Jahren. An der Küste breitet sich ein von Flussläufen und Sümpfen durchzogenes Marschland aus, in dem seit Jahrhunderten Menschen Zuflucht suchen, die andernorts kein Auskommen ...

North Carolina in den Sechziger Jahren. An der Küste breitet sich ein von Flussläufen und Sümpfen durchzogenes Marschland aus, in dem seit Jahrhunderten Menschen Zuflucht suchen, die andernorts kein Auskommen finden oder vor den ungnädigen Augen der Wohlstands-Gesellschaft fliehen. So landet auch Kyas Familie in einer heruntergekommenen Hütte mitten im Nirgendwo, wie weg von der Stadt und anderen Menschen. Die Mutter versucht sich und ihre vier Kinder über Wasser zu halten, während der Ehemann und Vater die meiste Zeit das Geld verspielt oder versäuft und mehr als einmal Frau und Kinder fast krankenhausreif schlägt. Schließlich verlässt die Mutter ihn und lässt ihre minderjährigen Kinder zurück. Kya ist gerade mal sechs Jahre alt und viel jünger als ihre Geschwister. Nach und nach fliehen auch diese vor dem Vater. Kya versucht beherzt und mutig und mit großem Erfindungsgeist, dem Vater den Haushalt zu führen und irgendwie zu überleben. Wenige Jahre später ist sie ganz auf sich alleine gestellt.



Von der ersten Seite an bewegt und berührt das Schicksal von Kya. Kaum jemand hilf dem kleinen Marschmädchen. Sie wird von den Stadtbewohner misstrauisch beobachtet. Die Schulbehörde versucht nur einmal halbherzig, das Kind in die Gesellschaft zu integrieren. Kyas Einsamkeit kann der Leser fast am eigenen Körper spüren. Ihre Stärke ist es, die die Geschichte durchdringt und die einem mehr als einmal die Tränen in die Augen treibt. Vor allem, wenn sie wieder einen der vielen Rückschläge erdulden muss, wenn sie von den zwei, drei Menschen enttäuscht wird, die sie wagt, in ihr Leben zu lassen. Wenn sie hungert an Körper und Seele und doch nie aufgibt, nie klein beigibt, nie versucht, sich Hilfe zu holen, sondern immer glaubt, sie müsse das alles alleine schaffen.



Eine weitere feste Größe in dieser Geschichte ist die Natur, die Marschen, der Sumpf. Aber auch die Möwen und Muscheln, die verwachsenen Flussläufe, die Tier- und Pflanzenwelt in der Kya sich bewegt, von der sie lebt, in der sie kein Fremdkörper ist, sondern mit der sie in tiefer Harmonie lebt. Kyas Wesen wird dadurch geformt und diese Natur gibt ihr auch den Halt, den die Menschen ihr nicht geben können und bewahrt sie davor, ohne Liebe und menschliche Nähe verrückt zu werden. Sie wird eins mit der Natur und durchdringt das Wesen ihres ungezähmten Lebensraumes.



Eines Tages bricht dann das Unheil mit Macht über sie herein. Sie wird verdächtigt einen jungen Mann getötet zu haben und die Beweise sind erdrückend.
Mein Fazit:

Ein wahnsinnig bewegendes und glaubhaftes Buch. Die Geschichte über ein Kind, eine junge Frau, die in der Einsamkeit der sumpfigen Marschen zu einem klugen aber unglaublich scheuen Menschen heranwächst, der mit der Natur in wunderbarem Einklang leben kann, der aber droht an der Verständnislosigkeit der anderen zu zerbrechen. Die Autorin schafft es dabei, das man als Leser glaubt, selbst in die Wildnis einzutauchen, mit Kya die kreischenden Möwen zu füttern, nasse Muscheln aus dem Wasser zu ziehen, dem Gesang der Flusskrebse zu lauschen. Ein bildgewaltiges, einfühlsames Buch, welches durch den mutmaßlichen Mordfall zusätzlich an Spannung gewinnt.

Ich hoffe sehr, dass Delia Owens noch weitere Bücher schreibt, auch wenn sie bereits nicht mehr die Jüngste ist. Sie hat eine große literarische Stimme.