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Veröffentlicht am 15.09.2016

unausgegoren und verkorkst

Ära der Drachen - Schattenreiter
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„Die Ära der Drachen“ spielt in einer dystopischen Zeit nach Kriegen und Krankheiten in einem teilweise zerstörten New York. Die Menschen sind vor der tödlichen Luft in den Untergrund gegangen. Nur mit ...

„Die Ära der Drachen“ spielt in einer dystopischen Zeit nach Kriegen und Krankheiten in einem teilweise zerstörten New York. Die Menschen sind vor der tödlichen Luft in den Untergrund gegangen. Nur mit Atemmasken ist ein Überleben an der Oberfläche noch möglich. Dort verdient die junge Sira durch Diebstähle und das Sammeln von Wertgegenständen den Lebensunterhalt für sich und ihren Bruder. Aber in dieser düsteren Welt drohen noch mehr Gefahren. Allen voran bösartige Drachen und ein grausamer König und die Scherbenkönigin, die ihre Schergen ausschicken, die letzten freien Menschen zu töten oder zu unterdrücken.
Es gibt aber eine menschliche Bastion gegen das Böse. Die Krieger der Schatten widersetzen sich unter dem Sturmreiter Norik der Herrschaft der Gewalt – geheimnisvolle Drachenreiter, die in der Unterwelt kaum mehr als Legenden sind und in mentaler Symbiose mit gutartigen Drachen kämpfen.
Sira landet im Ausbildungslager der Drachenreiter und schafft es, als erste Frau dort aufgenommen zu werden. Um auch das wichtige Drachenschwert zu erhalten muss sie im verbotenen Wald nach Drachengold suchen und trifft dort den hochgefährlichen Feuerdrachen Bharkardhos.
Was mir gefallen hat?
Sira ist eine mutige junge Frau und war mir schnell sympathisch. Sie lässt sich von den arroganten Drachenreitern nichts gefallen und weiß was sie will. Man merkt zwar ziemlich schnell, dass sie mehr zu sein scheint, als eine ganz normale Frau, aber der Weg zum Entdecken ihrer wahren Kräfte ist gut beschrieben. Die Drachenreiter können mit den Drachen durch eine Art Gedanken-Gespräch kommunizieren. Diese Gespräche, vor allem mit dem Feuerdrachen Bharkardhos haben mir ausgesprochen gut gefallen. Überhaupt sind die guten Drachen sehr abwechslungsreich beschrieben und haben richtige „menschliche“ Charaktere.
Was mir nicht gefallen hat?
Leider fast die Hälfe des Buches ist in einem ganz fürchterlich verqueren Erzählstil verfasst. Vor allem die meisten Drachenkämpfe und fast alle Szene, in denen die Scherbenkönigin und Nhor’garoth vorkommen, sind irritierend, verwirrend bis sogar vollkommen unverständlich. Die Sätze sind voller Worthülsen, Adjektiven und überzogener Phrasen. Gedanken werden nur angedeutet, abgebrochen, nicht ausgesprochen. Die Beschreibungen sind verschachtelt, unübersichtlich, unvollständig. Die Handlungen folgen keinem logischen Ablauf. Eine Allegorie wird fast nahtlos an die andere gereiht. Leider werden diese auch im Laufe des Buches in ähnlichen Szenen ständig wieder verwendet.
Ebenfalls liebt die Autorin die Evidenz (=: Detaillierend-konkretisierende Häufung, bei der der eigentliche Hauptgedanke in mehrere koordinierte Teilgedanken getrennt wird, die als Aufzählung erscheinen, den Hauptgedanken aufgreifen und im Detail ausführen). Man versteht ja schon die Beschreibung nicht.
Dies alles führt dazu, dass ich viele Abschnitte zweimal gelesen habe. Trotzdem leider oft, ohne zu kapieren, was mir hier eigentlich erzählt werden soll. Nach seitenlangen Sequenzen blieb ich mit vielen Fragen und großer Verwirrung zurück und hätte es nicht eine Leserunde gegeben, in der mir manche Erklärungen von schlauen Mitleserinnen gegeben wurden, dann wäre ich oftmals schier verzweifelt.
Fazit?
Das Vorgängerbuch von Gesa Schwartz fand ich interessant und sehr lesenswert. Die Geschichte „Ära der Drachen“ hatte wirklich großes Potential. Dies wurde aber meiner Meinung nach verschenkt. Ich frage mich, was sich das Lektorat dabei gedacht hat dem Leser so ein unausgegorenes Buch vorzusetzen. Noch dazu, wo es ja eine Reihe werden soll. Ich werde die Fortsetzung nicht lesen, obwohl mich sehr interessieren würde, wie es mit Sira weitergeht. Aber der überzogene Schreibstil hat mir den letzten Nerv geraubt und mir das Lesevergnügen total genommen.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Das ist mein Jahreshighlight

Die Geschichte der Baltimores
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Zum einen sind da die Goldmans aus Montclair. Die Eltern leben gutbürgerlich mit ihrem halbwüchsigen Sohn Marcus in einem kleinen Haus. Zum anderen sind da die Goldmans aus Baltimore, die über Geld und ...

Zum einen sind da die Goldmans aus Montclair. Die Eltern leben gutbürgerlich mit ihrem halbwüchsigen Sohn Marcus in einem kleinen Haus. Zum anderen sind da die Goldmans aus Baltimore, die über Geld und mehrere prächtige Anwesen verfügen und hochangesehen und geschäftlich erfolgreich sind.

Marcus ist von Kindheit an unzufrieden mit seinem Leben in Montclair. Seine Eltern erscheinen ihm langweilig und kleinbürgerlich. Er verbringt all seine Ferien bei den reichen Verwandten in Baltimore und sehnt sich danach, Teil dieser Familie zu sein. Da ist der joviale, kluge Onkel Saul, den er fast wie einen Helden verehrt, die wunderschöne sanfte Tante Anita, für die er kindliche Liebe empfindet und nicht zuletzt sein hochintelligenter Cousin Hillel und der Ziehsohn der Baltimores, der liebenswerte Woody, die ihm beide bald zu besten Freunden werden. Die drei Jungen gehen miteinander durch dick und dünn, stehen einander bei und beflügeln sich gegenseitig. Marcus sieht für sich und seine Freunde eine glorreiche Zukunft. Er selbst als berühmter Schriftsteller, Hillel als erfolgreicher Anwalt und Woody als Profi-Footballer.

Aber eine große Katastrophe zerstört schließlich diese auf den ersten Blick perfekt erscheinende Familienidylle und Marcus Goldman braucht viele Jahre, bis er herausgefunden hat, was wirklich passiert ist. Er beschließt ein Buch über seine Familie zu schreiben, auch um über die tragischen Geschehnisse hinwegzukommen.

Die Geschichte entwickelt sich über einen Zeitraum von gut 20 Jahren und wechselt zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Von Anfang an weiß man, dass irgend ein Unglück über die Familie hereingebrochen ist, so dass danach nichts mehr ist wie vorher. Dabei erzählt Dicker fast immer aus der subjektiven Sicht von Marcus und weicht nur ein einziges Mal aus dramaturgischen Gründen davon ab, damit der Leser alle Einzelheiten der lange angekündigten Katastrophe erfährt. Man nähert sich diesem Ereignis sozusagen von zwei Seiten und reflektiert einmal mit dem Wissen des erwachsenen Marcus die Geschehnissen im Rückblick und rätselt andererseits mit der Unwissenheit des noch jugendlichen Marcus. Dadurch wirkt die Handlung wie ein groß angelegtes Puzzle, welches Stück für Stück vor dem Betrachter ausgebreitet wird und erst durch immer mehr Teile die nötige Schärfe und Klarheit bekommt.

Im Laufe seines Erwachsenwerdens blickt also Marcus – gemeinsam mit dem geneigten Leser - immer besser hinter die ihm anfangs so strahlende und heile Fassade der Goldmans und muss erkennen, dass auch sie menschliche Schwächen hatten, wie alle anderen. Ja, wahrscheinlich sind sie sogar von Allem ein bisschen mehr gewesen. Nicht nur klüger und reicher, nicht nur liebevoller und intelligenter, sondern auch neidischer und eifersüchtiger, unsicherer und naiver.
Schon nach wenige Seiten war mir klar, dass "Harry Quebert" – Dickers erfolgreifcher erster Roman - keine Eintagsfliege war. Joel Dicker kann einfach erzählen und fabulieren. Und er versteht, es einen Spannungsbogen aufzubauen, obwohl er sich jede Menge Zeit für die Familiengeschichte lässt und allen Figuren viel Platz gibt und kleinste, scheinbar unwichtige Begebenheiten so unterhaltsam schildert, dass mir keine Zeile zu viel war. Die Art, wie er den Leser in die große Familie der Goldmanns einführt, wie er deren Charaktere herausarbeitet und durch geschickte Zeitenwechsel nur in kleinen Häppchen und anfangs zarten Andeutungen beschreibt, was wirklich vorgefallen ist, ist ganz großes Kino und seine sprachlichen Qualitäten sind brilliant aber auf eine wohltuende Weise unprätentiös.

Schnell sind mir die drei Jungen – und auch die Nachbarstochter Alexandra – ans Herz gewachsen und ich habe harmonische abenteuerliche Ferien mit ihnen verbracht, erste Erfolge mit ihnen gefeiert, die erste Liebe mit ihnen entdeckt. Aber auch das Buhlen um die Gunst des anderen, die schicksalshaften Verwicklungen, die fürchterlichen Missverständnisse, die es in jeder Familie gibt, habe ich miterlebt und mit ihnen gebangt. Unglaublich geschickt, wie Dicker von Anfang an die Katastrophe als kleine schwarze Wolke über der Familie schweben und sie nach und nach zu einem schweren Unwetter heranwachsen lässt, dass am Ende die Baltimores mit Haut und Haaren verschlingt.

Was für ein kraftvolles, perfekt inszeniertes Buch! Was für ein Finale! Was für ein Schluss!

Ich bin total geplättet. Einerseits sprachlos, andererseits von dem Wunsch, es mit anderen zu teilen, übervoll. Schön auch, das Dicker das Buch mit einem versöhnlichen und fast heiteren Bogen zu einem klugen Ende bringt.

Veröffentlicht am 15.09.2016

wunderschönes Kinderbuch

Silfur - Die Nacht der silbernen Augen
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Der 13-jährige Fabio und sein jüngerer Bruder Tom verbringen ihre Ferien mit den Eltern auf Island. Dort lernen sie die ungestüme Elin kennen. Während der lebhafte Tom sich schnell mit dem Mädchen anfreundet ...

Der 13-jährige Fabio und sein jüngerer Bruder Tom verbringen ihre Ferien mit den Eltern auf Island. Dort lernen sie die ungestüme Elin kennen. Während der lebhafte Tom sich schnell mit dem Mädchen anfreundet und deren Begeisterung für waghalsige Kletterpartien und wilde Spiele teilt, hält sich der introvertierte Fabio merklich zurück. Der findet dafür schnell Zugang zu den isländischen Mythen und Sagen und hegt alsbald den begründeten Verdacht, dass an den Geschichten über Elfen und Wiedergänger durchaus was dran sein könnte. Schon bald glaubt er von magischen Wesen verfolgt zu werden und stößt in Elins Vergangenheit auf mysteriöse Vorfälle, die er mit Hilfe des älteren Nachbarsjungen Hansen zu klären versucht. Dabei gerät er schnell in Gefahr.

Egal ob man ein Kinder-, Jugend- oder Erwachsenenbuch sucht. Wer Wert legt auf gut recherchierte Geschichten mit sympathischen lebensnahen Charakteren und einer spannenden Handlung, der liegt bei Nina Blazon immer richtig.

„Silfur“ war seit langem wieder mal ein richtiges Kinderbuch, an dass ich mich nur gewagt habe, da ich die Autorin sehr schätze und einfach keine Leserund mit ihr auslassen wollte. ;) Eine kleine Weile hatte ich am Anfang die Befürchtung, ich könnte zu alt für das Buch sein. Die Sprache ist altersgemäß einfach gehalten und die Hauptakteure legen natürlich ein kindliches Verhalten an den Tag. Aber ziemlich schnell kann man auch als Erwachsener vergessen, wer hier die Zielgruppe ist, denn man erfährt so einiges über Island, die Menschen und die Natur, das Zusammenspiel der Kinder ist sehr unterhaltsam, die Sprüche und Späße lustig, zeitgemäß und immer im Konsens mit dem Spannungsaufbau. Und der zieht gewaltig an und wer schon „Fünf Freunde“ oder „Emil und die Detektive“ mochte, der kommt hier voll auf seine Kosten. Und es ist natürlich – wie oft bei Nina Blazon – eine gehörte Portion Magie dabei, die aber hier so unterhaltsam mit der Realität und der modernen Technik verknüpft war, dass ich meine helle Freude daran hatte.

Silfur ist ein fantastisches Abenteuer voller Situationskomik und Action mit einigen sehr feinsinnigen und lehrreichen Gedanken, einem Schuss Island und einer Prise Grusel. Eine schöne Ergänzung für mein Regal ausgesucht schöner Kinderbücher. :anbet:

Ich freue mich schon, wenn es etwas Neues von Nina Blazon gibt.

Veröffentlicht am 15.09.2016

eine Leseempfehlung

Das Haus der verlorenen Kinder
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Marie wurde bereits als Kleinkind Vollwaise und hatte eine unglückliche Kindheit bei verschiedenen Pflegefamilien. Mehr zufällig kommt sie in ihrem sozialen Jahr in ein Altersheim, welches zu Kriegszeiten ...

Marie wurde bereits als Kleinkind Vollwaise und hatte eine unglückliche Kindheit bei verschiedenen Pflegefamilien. Mehr zufällig kommt sie in ihrem sozialen Jahr in ein Altersheim, welches zu Kriegszeiten ein Lebensbornhaus war. Dort wurden vor allem von der SS Kinder verbracht, die vorher ihren Müttern nicht immer freiwillig weggenommen wurden und die dann an arische Familien zur Adoption freigegeben wurden.
Im Jahr 1941 werden zwei Norwegerinnen von deutschen Besatzungssoldaten schwanger und da sie von der eigenen Familie verstoßen werden, weil sie mit dem Feind fraternisiert haben, landen ihre Töchter nach der Geburt bald in so einem Heim und die Mädchen werden nie ihre wirklichen Mütter kennenlernen. Die zweite Generation, Marie und Jan, wissen anfangs nichts über die Vergangenheit ihrer Großmütter.
Zufällig lernt Marie Betty im Altersheim kennen und freundet sich mit der über 80-Jährigen an. Bald wird klar, dass sie eine der zwei Norwegerinnen war, die einst ihre Töchter hergeben mussten.
Ein dunkles Stück Geschichte, welches von der Autorin Linda Winterberg gut recherchiert und klug in eine fiktive Geschichte auf zwei Ebenen eingebettet wurde. Unter diesem Pseudonym schreibt Nicole Steyer diesmal nicht aus der mittelalterlichen Epochet sondern der nahen Vergangenheit. Ihr Schreibstil ist sehr angenehm zu lesen und die Handlungen der Hauptdarstellerinnen sind nachvollziehbar und glaubhaft. Es war mein erstes Buch von Winterberg/Steyer und hat mir wirklich gut gefallen. Von mir eine Leseempfehlung für „Das Haus der verlorenen Kinder“.

Veröffentlicht am 15.09.2016

spannende SF

Ikarus
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Der Holder Takeder wird ermordet aufgefunden. In weiser Voraussicht hat er aber wenige Tage vor seinem gewaltsamen Tod eine Kopie seines Geistes anfertigen lassen und verfügt, dass dieser als blauer Kopiat ...

Der Holder Takeder wird ermordet aufgefunden. In weiser Voraussicht hat er aber wenige Tage vor seinem gewaltsamen Tod eine Kopie seines Geistes anfertigen lassen und verfügt, dass dieser als blauer Kopiat versuchen soll, seinen Tod aufzuklären. Dafür bleiben ihm allerdings nur kurze 20 Tage, dann wird der Kopiat sich zersetzen.

Obwohl einer der Hauptaspekte dieser Geschichte die Suche nach einem Mörder ist und das Ganze deshalb durchaus Strukturen eines Thrillers hat, ist es immer noch ein reinrassiger Science Fiction. Und Andreas Brandhost hat dafür das ganze Repertoire aufgefahren. Da bewohnen Menschen eine Vielzahl unterschiedlicher Planeten, die man auf sehr zukunftsträchtige praktische Art bereisen kann. Da gibt es eine fremde Intelligenz, die die Menschheit kontrolliert und die intelligenter und mächtiger scheint, als die Menschen. Da gibt es Sprünge durch Raum und Zeit und Maschinen und Klone bevölkern diese Zukunftswelt.

Es ist kein Buch, welches man so einfach nebenher wegschwarten kann. Es verlangt die volle Aufmerksamkeit des Lesers, fordert zum Miträtseln auf, erklärt teils schwierigste technische und politische Zusammenhänge. Das Personal ist vielfältig und relativ groß, die Charaktere sind differenziert beschrieben und so manche Überraschung wartet auf Takeder und auf den Leser.
Das Ende ist zufriedenstellend. Der Mörder wird entlarvt und die in Aussicht gestellte Zukunft ist anders als zuerst von mir erwartet. Eine Leseempfehlung für alle Brandhorst-Fans und Freunde anspruchsvoller SF-Romane