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Veröffentlicht am 09.11.2024

Kluge Gesellschaftsanalyse mit Action, der etwas Reduktion gutgetan hätte

Balaclava
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„Balaclava“, von Campbell Jefferys, erschienen 2024 bei Ripple Books, ist ein kluger Roman, der, geschrieben von einem Australier, eine verblüffend gute Gesellschaftsanalyse des Ist-Zustandes in Deutschland ...

„Balaclava“, von Campbell Jefferys, erschienen 2024 bei Ripple Books, ist ein kluger Roman, der, geschrieben von einem Australier, eine verblüffend gute Gesellschaftsanalyse des Ist-Zustandes in Deutschland bietet, es dabei an Action auch nicht vermissen lässt, dem aber insgesamt eine erhebliche Straffung und klarere Auswahl der zu behandelnden Themen bestimmt sehr gutgetan hätte.

Das intelligente Cover umschließt fast 550 eng bedruckte Seiten, die einem leider dank schlechter Bindung zunehmend auch entgegenkommen beim Lesen, und die mir ein Leseerlebnis beschert haben, dass sich immer wieder sehr wie Arbeit angefühlt hat, was einerseits am mangelnden Lesekomfort, andererseits an einfach zu viel Inhalt gelegen hat.

Wie fasst mensch dieses Buch grob zusammen? Die Polizistin Mara kehrt nach üblen Vorfällen in Berlin als Undercover Agentin in ihre Heimat Hamburg zurück, wo sie schnell wieder in die linke Szene eintaucht, der sie ehemals angehörte und, ab von ihrem eigentlichen Auftrag, auf die Suche nach ihrem verschollenen Bruder geht, den sie vermeintlich auf einem Video unter einer Balaclava erkannt haben will. Von diesem Punkt aus entspinnt sich eine wahre Odyssee, die Mara quer durch Deutschland und darüber hinaus jagen lässt und in der sie immer mehr auch zur Gejagten wird.

Jefferys schreibt klug, mit erstaunlicher Ortskenntnis für einen Australier und analysiert unser Land, unsere Gesellschaft, unseren Zeitgeist treffsicher und erschreckend. Wohin unsere Gesellschaft gehen kann und wird, wenn sich die Fronten weiter so verhärten und der ignorante Rechtsruck sich weiter breitmacht, ist in diesem Buch ganz deutlich zu spüren. Hier und da liegt er dann doch mal daneben, z.B. das Wahlverhalten der jungen Generation imaginiert er vollkommen falsch, aber 99 Prozent des Buches sind schmerzhaft wahr.

Dabei streift Jefferys viele Themen neben der Protestkultur und dem Klimawandel, jedes einzelne hat absolut seine Berechtigung und kann, muss, sollte besprochen werden – alle zusammen in einem Buch sind aber einfach zu viel. Was mich begeistert hat: Jefferys schreibt feministisch, gut feministisch, glaubhaft feministisch, was ich sehr ungewöhnlich finde von einem männlich gelesenen Autor, ist mir in dieser Qualität noch nicht begegnet.

Wenn man es über die ersten 70 Seiten hinausschafft, die etwas sehr namens- und infolastig sind, steigt die Handlungsorientierung und streckenweise befinden wir uns fast in einem Politthriller. Leider aber geht dem Autor am Ende die Luft aus und er schreibt nach vielen dramatischen Wendungen ein schnelles Happy End herbei – das für mich keine Glaubwürdigkeit hat und auf einmal auch all die vielen Themen einfach dropped. Nichts ist wirklich besser geworden – aber irgendwie sind auf einmal alle zufrieden. Das hat mich sehr unzufrieden zurückgelassen, weshalb ich dem Buch nicht mehr als 3,5 Sterne geben kann – auch wenn ich mir wünsche, dass sich ganz viele Menschen mit den Themen des Buches auseinandersetzen – für eine bessere Welt! Etwas langen Atem braucht es für dieses Buch – aber für die Weltverbesserung ja auch.

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Veröffentlicht am 08.11.2024

Spannung pur und starke Figuren im historischen Frankfurt

Frevel
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„Frevel“, ein historischer Thriller, erschienen 2024 bei dtv und geschrieben von Nora Kain, laut Verlag ein Pseudonym für eine deutsche Bestsellerautorin, wartet auf jeden Fall mit Bestsellerqualitäten ...

„Frevel“, ein historischer Thriller, erschienen 2024 bei dtv und geschrieben von Nora Kain, laut Verlag ein Pseudonym für eine deutsche Bestsellerautorin, wartet auf jeden Fall mit Bestsellerqualitäten auf und ist ein hervorragender – ich würde eher sagen Historienkrimi, der mit Atmosphäre, großartig gestalteten Figuren, einer spannenden Story mit so einigen Plottwists und genau der richtigen Dosis Zeitkolorit besticht und bestens unterhält.

Situiert in Frankfurt am Main im Jahr 1800 geschehen in kurzer Abfolge mehrere bestialische Morde und die Spur von Zeitungsredakteur Johann und, eine tolle feministische Figur, Rechtsmedizinertochter Manon führt immer mehr in eine Richtung, die nach allen Gesetzen der Logik einfach nicht sein kann. Und bei ihren Nachforschungen geraten die beiden immer mehr selbst in Gefahr.

Kain schreibt flüssig und schwungvoll, mit einem guten Maß an Humor und einer immer guten Spannungskurve, die einen beim Lesen nie loslässt. Ich liebe den Eröffnungssatz des Buches: „Ich darf mich nicht übergeben, dachte Johann verzweifelt.“ Der setzt schon gut den Ton und zeigt etwas, was den Thriller sehr ausmacht: Die Hauptfiguren haben charmante Schwächen. Johann hat seinen Magen einfach nicht im Griff und Manon ihre Zunge genauso wenig. Das führt immer wieder zu herrlichen Situationen inmitten des aufregenden Geschehens um die Morde. Souverän bindet die Autorin in dieses auch Themen aus der Zeit ein, den Judenhass, den großen Aberglauben, der herrschte und absurde Blüten trieb, die Rolle der Frau, die Grausamkeit in Gefängnissen, um nur einiges zu nennen. Das geschieht ganz selbstverständlich, ohne dass Kain ihren Handlungspfad dafür verlassen muss. Und auch Frankfurt wird wunderbar beschrieben und mit kleinen historischen Informationen und Anekdoten lebendig gemacht.

Besonders gut aber hat mir gefallen, dass es immer wieder für mich unvorhersehbare Wendungen gab, die aber plausibel waren und wirklich herzuleiten aus dem Geschehen. Das macht für mich einen guten Thriller aus. Dieser war für mich deshalb eher ein Krimi, weil es doch sehr klar um den Kriminalfall geht und auch wenn das Tempo hoch war, ist es doch nicht atemlos, die Spannung ist wirklich gut gearbeitet, lässt einem aber immer Zeit zum Denken und Fühlen. Darum stimmt das Genre für mich nicht ganz – was aber nichts an einer Top-Bewertung und absoluten Leseempfehlung ändert. Ein auf allen Ebenen gelungenes Buch! Ganz großer Pluspunkt noch, dass die Autorin am Ende nicht auf der Erfüllung einer sich anbahnenden Romanze besteht, sondern die starke Manon, die ein so großartiger Charakter ist, in die Freiheit führt und ihr somit ihre Stärke wirklich lässt. Das habe ich so lange nicht gelesen und das hat mich wirklich begeistert. Also schnell einen Tee kochen und das Buch dann an kalten Abenden ganz wunderbar in einem Rutsch verknuspern.

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Veröffentlicht am 03.11.2024

Ein Buch mit Flügeln

Nach uns der Himmel
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„Nach uns der Himmel“, der neue Roman von Simone Buchholz, erschienen 2024 bei Suhrkamp Nova, übertrifft alle eh schon hoch gesteckten Erwartungen.

Zunächst mal ein Lob für das großartige Buchdesign des ...

„Nach uns der Himmel“, der neue Roman von Simone Buchholz, erschienen 2024 bei Suhrkamp Nova, übertrifft alle eh schon hoch gesteckten Erwartungen.

Zunächst mal ein Lob für das großartige Buchdesign des Designbüro Lübbeke Nauman Thoben: Modern, klar, von außen bis innen komplett durchdacht und einfach richtig schön – ein graphischer Hingucker, dem ich gern einen Preis verleihen würde, so geht Cover- und Innencoverdesign 2024. Top!

Viel kann über den Inhalt nicht verraten werden, ohne zu spoilern – was immer ein gutes Zeichen ist. Acht Menschen, Claudius, Elisabeth, Benedikt, Annike, Marc, Sara, Vincent und Heidi, landen nach einem turbulenten Flug auf einer griechischen Insel und beginnen ihren Urlaub. Doch die Insel verhält sich merkwürdig, am Himmel erscheint ein schwarzes Loch und das große Vergessen greift immer weiter um sich. Parallel sitzen in einem Büro in Los Angeles die Inspektorin und der Mitarbeiter und verhandeln seinen Case. Als sie das Bürogebäude zum ersten Mal seit langem verlassen, ist klar, dass hier ein Fall von großer Tragweite entstanden ist. Die Dinge müssen korrigiert werden, wenn das System nicht crashen soll.

Als großer Fan der Chastity Riley-Serie hatte ich High Hopes auf diesen neuen Roman und ich wurde nicht enttäuscht, sondern über die Maße begeistert. Buchholz schreibt hier ein unglaubliches Meisterstück, das lange Rätsel aufgibt, dabei aber viele Spuren legt, bis sich der Plot zunehmend entschlüsselt. Dabei ist die Sprache durchweg gewitzt und voller Herrlichkeit, die Charaktere sind genial gezeichnet, das ganze Setting wunderbar beschrieben, die mythologischen Bezüge clever und erheiternd für Kenner:innen, der ganze Roman eine brillante Gesellschaftskritik unserer Zeit, der „Dreifaltigkeit des Bösen: Religion, Patriarchat, Kapitalismus.“ Wofür leben wir? Was ist der Daseins-Sinn? Warum verlieren wir uns so in Alltag und falschen Zielen? Buchholz lässt einen beim Lesen das Leben einatmen und aufsaugen, sie zeichnet ein klares Bild unserer Endlichkeit und lässt humorvoll im Geist ganz viele Fragen entstehen. Am Ende geht man mit neuem Blick auf den Horizont aus diesem Buch hervor – und mit einem sanften Lächeln und weniger Angst.

Ich konnte das Buch keine Sekunde aus den Händen legen, ich musste es in einem Rutsch durchlesen (was auch gut gelingt, denn es ist extrem kurzweilig). Dieses Buch trägt Flügel an seinen Seiten – und ein bisschen etwas davon kann die lesende Person mitnehmen in den Alltag. Es ist wie ein Blick auf das Meer, das auf ihm abgebildet ist, glitzernd, ruhig, aber doch immer in Bewegung, voller Verheißung, ein warmer Sommertag, keine Pflichten, nur Atmen.

Ein großartiger Wurf, vielleicht das Beste, was ich von Simone Buchholz gelesen habe. Unbedingt kaufen, lesen, darin versinken und sich ein paar Flügel abholen.

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Veröffentlicht am 31.10.2024

Ihr seid Millionäre. Wir sind Millionen.

Parts Per Million
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„Parts Per Million“, der neue Roman von Theresa Hannig, erschienen 2024 bei TOR/S. Fischer, beschäftigt sich mit einem brennenden Thema, der (notwendigen?) Radikalisierung der Klimabewegung, die seit Jahren ...

„Parts Per Million“, der neue Roman von Theresa Hannig, erschienen 2024 bei TOR/S. Fischer, beschäftigt sich mit einem brennenden Thema, der (notwendigen?) Radikalisierung der Klimabewegung, die seit Jahren auf der Stelle tritt, weil Lobby und Politik ihrer Stimme nicht zuhören.

Im Zentrum des Romans steht Johanna, eine Autorin auf der Suche nach einem neuen Stoff, die auf die Klimabewegung aufmerksam wird und im Rahmen ihrer Recherche von der Beobachterin zur Mitstreiterin wird, die am Ende entscheidend für die Radikalisierung der Bewegung ist und miterleben muss, wie sie selbst sich immer weiter verändert – und die Bewegung mit ihr bis zur Eskalation.

Hannig hat eine enorme Recherchearbeit geleistet und bereitet die gefundenen Informationen meist sinnvoll auf – gerade im ersten Teil noch etwas trocken, später besser in die Handlung integriert. Ihre Nahe-Zukunft-Prognose ist erschreckend realistisch und brutal – hier muss sich niemand vormachen, dass es sich um Fiktion handelt. Über jedem Kapitel finden sich reale Klimameldungen unserer Zeit und auch die politische Entwicklung in Deutschland ist leider nur konsequent gedacht. Und auch die Protestbewegung stellt Hannig wirklich gut dar. Hier könnte also ein Knallerroman entstanden sein – wäre da nicht die Hauptfigur Johanna und ihre Entwicklung, die ich leider von vorn bis hinten unglaubwürdig fand. Innerhalb von kürzester Zeit durchläuft sich eine Blitzentwicklung von der das Klimathema weitestgehend ignorierenden Person zum Kopf der Aktivist:innenszene, die sich radikalisiert und zur Klimaterroristin wird. Dabei verhält sie sich immer wieder maximal pubertär und entwickelt am Ende auch noch einen Kink auf Gewalt – ich persönlich konnte diese Figur leider zu keinem Zeitpunkt ernst nehmen, ebenso wie ich auch mit so einigen Zufällen in dem Roman oder wirklich aberwitzigen Konstruktionen (klauen wir doch mal eben drei scharfe Fliegerbomben aus dem Rhein) überhaupt nicht mitgehen konnte. Schade auf, dass viele anentwickelte Themen sich im Nichts verlieren, die Familie von Johanna verschwindet ab der Mitte des Romans letztlich und auch ein Mensch, zu dem sie sich am Anfang des Romans extrem hingezogen fühlt, ist auf einmal doch nicht mehr relevant. Und auch das Ende hat mich eher verstimmt, da ich auch hier das Handeln einer Figur nicht glaubhaft finden, denn es ist nach der ganzen Geschichte nicht vorstellbar, dass diese wirklich denkt, mit ihrem Tun ihr Ziel zu erreichen. Ihr seid Millionäre. Wir sind Millionen. So sehen es die Parts Per Million und so wichtig und wahr ist dieser Satz. Ich befürchte nur, mit diesem Buch wird er nicht dazu führen, dass Menschen ihn Realität werden lassen.

Und so kann ich leider nicht mehr als 2 Sterne vergeben, was ich wirklich schade finde, aber Johanna blieb für mich durchweg ein Konstrukt. Für die dargestellten Informationen würde ich gerne 5 geben, aber die Handlung und vor allem die Figuren hat mich zu keinem Zeitpunkt gecatched. Vielleicht klappt das besser bei Menschen, die nicht feministisch und nicht vorgebildet im Bereich Klima sind. Für die Fakten ist es allemal ein lesenswertes Buch.

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Veröffentlicht am 28.10.2024

Spannender Genre-Mix, der leider nicht ganz aufgeht

Sisters in Blood - Der Schwur
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„Sisters in Blood – Der Schwur“ von Genevieve Gornichec, erschienen 2024 bei Bastei Lübbe, ist zunächst einmal auf jeden Fall eines der schönsten Bücher, die ich je in den Händen hielt, was für eine tolle ...

„Sisters in Blood – Der Schwur“ von Genevieve Gornichec, erschienen 2024 bei Bastei Lübbe, ist zunächst einmal auf jeden Fall eines der schönsten Bücher, die ich je in den Händen hielt, was für eine tolle Gestaltung! Ein wunderschönes Cover geht nahtlos über in einen ebenso genialen Farbschnitt, ich habe mich jedes Mal gefreut, wenn ich das Buch zum Lesen in die Hand nehmen konnte.

Die Handlung spielt in der Wikingerzeit und befasst sich dort aber eben nicht mit den starken Männern, sondern vielmehr mit drei starken Frauen, Gunny, Oddny und Signy, drei Schwurschwestern, die auseinandergerissen werden und auf der Suche nach einander vielleicht auch sich selbst finden. Dabei begegnen sie als Widersacherinnen viel Magie und so einigen Hexen, finden Partner und verlieren sie wieder, kommen zueinander, um doch wieder auf die Reise zu gehen. Ein großartiges Thema!

Das Buch liest sich für gut, die vielen Informationen über die Wikingerzeit fließen wie nebenbei ein, der Härtegrad ist gut gewählt, es wird deutlich, was für eine karge und brutale Zeit das war bis hin zur Sklaverei und üblen Beutezügen, aber es ist auch nicht übertrieben blutrünstig oder auf Effekt geschrieben. Wir erleben eine mehrfache From-Enemy-To-Lover Konstellation, auch Romance kommt also noch in den Genremix hinein, so dass wir letztlich eine irgendwie historisch-romantische Fantasy vor uns haben, die auch vor Themen des 21. Jahrhunderts keinen Halt macht. Streckenweise hat das Buch Pageturner-Qualität und ist kaum aus der Hand zu legen – in anderen Abschnitten allerdings zieht sich die Handlung doch etwas, was leider dazu führt, dass zu Ende hin im Gegenzug sehr schnell geschrieben wird und ein Hauptstrang der Handlung leider komplett geopfert wird, was mich persönlich sehr enttäuscht hat. Spannend fand ich, wie die negativen Aspekte der Wikingerzeit angesprochen werden, die Traumatisierung, die aus den Raubzügen und Schlachten auch bei den ausführenden Wikingern hervorgeht und das Schweigen, das entsteht. Das habe ich so noch nirgendwo gelesen, ist aber ganz sicher realistisch, finde ich gut, das zu beleuchten. Auch stark, wie im Roman einerseits Frauensolidarität ganz oft gezeigt wird, andererseits aber auch deutlich gemacht wird, dass es auch da große Revierkämpfe gibt.
Was für mich leider nicht aufging, waren viele Gedanken und Formulierungen, die klar ins 21. Jahrhundert gehören, was den Reflektionsgrad angeht, mit dem die Menschen im Roman all dies verfertigen. Die Autorin bringt queere Thematik mit ins Buch – was ich gut und legitim finde, denn queere Menschen gab es natürlich schon immer, sie gehören zur Lebensrealität in allen Zeiten. Grundsätzlich also super, Queerness in ein Buch über die Wikingerzeit einzubringen. Aber sämtliche Gespräche und Konfliktlösungen waren so eindeutig im Denken des 21. Jahrhunderts verhaftet, dass sich hier für mich leider der Zeithorizont komplett gesprengt hat.
Das schnell geschriebene Ende führt zu weiteren Inkongruenzen, die Auflösung des Geschehens ist ein etwas zu großes Wunder und noch dazu wird hier sämtliche Logik außer Acht gelassen – wer als lesende Person noch einmal ein paar Kapitel zurückblättert, wird sicher feststellen, dass hier Dinge einfach nicht zusammengehen.

So bin ich insgesamt leider etwas enttäuscht von diesem Buch, das stark anfängt, sich aber dann immer weiter von seinem Ursprung entfernt (und auch die isländische Saga maximal noch als Folie benutzt). Ich hatte auch deutlich weniger Magie erwartet, das Ausmaß hat mich dann doch überrascht. So kann ich mich leider wegen des letzten Drittels und der doch sehr starken Ausreißer ins 21. Jahrhundert nur zu 3,5 Sternen durchringen, der gewählte Genre-Mix ist für mich hier noch nicht fertig gedacht und leider nicht sauber durchgestaltet. Dennoch ist das Buch grundsätzlich eine Lesereise wert – und vielleicht ist ja der wahrscheinlich folgende zweite Band (das Ende deutet eine Fortsetzung an) dann einen Schritt weiter, ich würde es mir wünschen!


Ein großes Dankeschön an lesejury.de und Bastei Lübbe für das Rezensionsexemplar!

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