Zweifle' nicht
Never DoubtIch war in meinem Leben nicht oft im Theater und wenn, dann hat es mir meistens nicht gefallen. Vielleicht kann man mich als Theaterbanause bezeichnen. Nach dem Lesen von „Never Doubt“ habe ich jedoch ...
Ich war in meinem Leben nicht oft im Theater und wenn, dann hat es mir meistens nicht gefallen. Vielleicht kann man mich als Theaterbanause bezeichnen. Nach dem Lesen von „Never Doubt“ habe ich jedoch zum ersten Mal das dringende Bedürfnis etwas daran zu ändern. Das Buch hat mir nämlich so gut gefallen, dass ich jetzt gerne eine so leidenschaftliche Shakespeare-Aufführung sehen würde, wie sie in der Geschichte aufgeführt werden.
Inhalt:
Willow wurde vergewaltigt und hat es niemandem gesagt. Es ist auf ihrer eigenen Party, in ihrem eigenen Bett passiert und der Täter ist der Sohn des Chefs ihres Vaters. Seitdem ist nichts mehr so wie vorher. Willow ist innerlich zerbrochen und auch nach außen hin zerfällt ihr Leben immer weiter. Als ihre Eltern mit ihr von New York ins provinzielle Harmony, Indiana, ziehen, sollte sie es eigentlich hassen, doch in Wirklichkeit bietet sich ihr zum ersten Mal die Gelegenheit vor ihren inneren Dämonen zu fliehen.
In Harmony trifft sie auf Isaac Pearce. Er ist das Schwarze Schaf der Stadt. Die Mutter ist tot, der Vater ein hochverschuldeter Alkoholiker und Isaacs Schulkarriere ein Desaster. Aber auf der Bühne des städtischen Theaters von Harmony, da ist er ein Star mit alles überstrahlendem Talent, weil er dann mit den Worten Shakespeares von seinem eigenen Schmerz erzählen kann.
Als Willow ihn spielen sieht, will sie genau das auch und so kommt es, dass die beiden schon bald gemeinsam in Shakespeares Hamlet auf der Bühne stehen. Die gemeinsame Arbeit an Hamlet zeigt Willow und Isaac jedoch schnell, dass sie nicht nur das Theater sondern auch einander brauchen, damit ihre Wunden heilen können.
Meine Meinung:
Ich zögere meistens, wenn es um Bücher geht, die so schwierige Themen behandeln wie „Never Doubt“. Zu groß erscheint mir die Gefahr, dass die Geschichte entweder dem Stoff nicht gerecht wird oder aber so düster ist, dass ich nicht gut damit umgehen kann.
Das war bei diesem Buch von Emma Scott komplett unbegründet.
Obwohl Willow und ihr Verhalten nach der Vergewaltigung, ihr Schmerz, ihr innerer Kampf und ihre Leere sehr tiefgehend und realitätsnah dargestellt wurden, war das Buch voller Hoffnung.
Hoffnung darauf, dass auch nach den dunkelsten Zeiten wieder helle folgen werden. Dass es besser wird. Dass das Leben und die vielen guten Dinge, die es bereithalten kann, heilsam sein können.
Die Geschichte ist sehr emotional. Ich hatte mehr als einmal Tränen in den Augen. Vor allem gegen Ende hin. Die zweite Hälfte des Buchs habe ich an einem Tag gelesen, weil ich es gar nicht mehr aus der Hand legen konnte, so sehr habe ich gehofft, dass für die beiden Protagonisten alles gut ausgehen würde.
Man musste sie aber auch einfach mögen: Willow, die so viel verloren hat und Isaac, der es scheinbar einfach nicht schafft zu gewinnen.
„Never Doubt“ war mein erstes Buch von Emma Scott. Ihr Schreibstil ist klar und geradlinig, an den richtigen Stellen aber auch poetisch. Es finden sich immer wieder besondere Stellen, die mich beim Lesen Inne halten und nachdenken lassen.
Was mich aber besonders fasziniert hat, ist die Art und Weise, auf welche die Autorin das Schicksal von Willow und Isaac mit dem Text der alten Theaterstücke verwoben hat. Das war ganz große Kunst! So raffiniert und beeindruckend, dass ich mich frage, wie der Schreibprozess dazu ausgesehen haben muss. War da zuerst die Idee eine Geschichte zu schreiben, die parallel zu einem Spiel von Shakespeare verläuft oder waren da zuerst Willow und Isaac?
„Never Doubt“ enthält einen größeren Zeitsprung. Ich war nicht sicher, wie ich das finden soll. Zuerst war ich irritiert, dann hat es mir extrem gut gefallen. Später habe ich mich gefragt, ob man diesen Sprung wirklich gebraucht hätte. Ob man den Plot nicht auch ganz ähnlich hätte auflösen können, ohne dafür in die Zukunft zu gehen. Mittlerweile bin ich aber überzeugt, dass es nötig war, weil das Ende sonst nicht so „endgültig“ gewesen wäre. Weil es dann auf manche Fragen, vielleicht keine Antwort gegeben hätte. Alles in Allem ist der Schluss von „Never Doubt“ nämlich phänomenal. Genau das, was ich mir erhoffe, wenn ich ein Buch anpacke.
Jemand anderes könnte vielleicht argumentieren, dass ein paar Aspekte daran zu schön waren um wahr zu sein. Aber ich persönlich suche genau danach, wenn ich Bücher lese. Nach einer Welt, in der man sich auf Versprechen verlassen kann und in der es Gerechtigkeit gibt. Das bietet dieses Buch.
Fazit:
„Never Doubt“ ist auf sehr vielen Ebenen absolut großartig und ich habe einen riesigen Respekt vor einer Autorin, die dieses schwere Thema so künstlerisch und tatsächlich auch „schön“ umgesetzt hat. Ein ganz kleiner Störfaktor waren für mich die Stereotype an Willows Highschool. Diese typischen Gruppierungen wie die „Plastics“ oder Sportler lese ich gar nicht gerne. Das nimmt der Geschichte ein bisschen an ihrer Tiefe für mich. Aber das soll nur mein persönlicher Geschmack sein. „Never Doubt“ ist für jeden, der dramatische und gefühlvolle Liebesromane mag, eine Pflichtlektüre.